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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Gürtelthiere. -- Das Riesengürtelthier.
findet es blos in den ungeheueren Wäldern des nördlichen Theiles unseres Landes. Wenn einer von
den Tagelöhnern, welche in der Gegend arbeiten, wo das Riesengürtelthier sich findet, dort stirbt und
der Entfernung von Friedhöfen wegen an Ort und Stelle eingegraben werden muß, sind, wie man
erzählt, die ihn zur Erde bestattenden Leute genöthigt, das Grab mit starken und doppelten Stäm-
men auszulegen, weil sonst der Tatu den Leichnam ausgrabe und zerstückle, sobald er durch den Ge-
ruch an das Grab geführt werde."

"Jch selbst habe das Riesengürtelthier nur ein einziges Mal gesehen, und zwar zufällig. Jn
einem Landhaufe erkundigte ich mich nach den Thieren der Umgegend und erfuhr von einem Alten,
daß einige Nächte vorher die Knechte seines Hauses nahe am Walde einen großen Packt entdeckt
hatten, vor dem sich die Pferde entsetzten. Einer der Burschen stieg ab und erkannte im Scheine
des Vollmondes einen Tatu, welcher grub. Er packte ihn am Schwanze, erhob ihn und band ihm
seine und seines Gefährten Wurfschlinge um den Leib und schleppte ihn vermittelst dieser nach
Hause. Dort aber erhoben die Weiber aus Furcht ein Geschrei und ruhten nicht eher, bis die beiden
Fänger ihre Beute getödtet hatten. Am folgenden Tage erschienen dann die Nachbarn, um das

[Abbildung] Das Riefengürtelthier (Euphractus gigauteus).
merkwürdige Geschöpf zu sehen. Man zerstückelte seinen Leib und der Eine nahm den Harnisch mit
sich, in der Absicht, Geigen- oder Guitarrenböden daraus zu fertigen, der Andere die Klauen.
Nachdem ich Dies gehört, versuchte ich zu erhalten, was ich konnte, und fand, daß die Vögel und
Würmer fast alles Fleisch gefressen hatten und daß auch der Kopf und der Schwanz bereits vollstän-
dig in Fäulniß übergegangen waren; doch sah ich noch außerdem ein Stück des Panzers, und zwar
das Schulter- und Kreuzschild und die Schilder dazwischen, an welchen freilich viele Platten ihren
Glanz verloren hatten. Nach diesen Resten habe ich meine Beschreibung gemacht."

Aus später gemachten Untersuchungen ergibt sich, daß das Riesengürtelthier eine Länge von drei
Fuß und darüber erreicht, und der Schwanz über ein und einen halben Fuß lang wird. Stirn und
Schädel werden von sehr unregelmäßigen Knochentafeln bedeckt. Der Schulterpanzer besteht aus zehn
Gürtelreihen, zwischen welchen sich hinten an den Seiten noch eine Reihe einschiebt. Bewegliche
Binden sind zwölf bis dreizehn vorhanden. Der Hüftpanzer enthält sechzehn bis siebzehn Reihen.
Die Schilder sind vier- oder rechteckig, auch fünf- oder sechseckig, die hinteren Reihen des Hüftpan-
zers unregelmäßig. Der Schwanz wird von viereckigen und unregelmäßigen Knochentafeln gedeckt.

Die Gürtelthiere. — Das Rieſengürtelthier.
findet es blos in den ungeheueren Wäldern des nördlichen Theiles unſeres Landes. Wenn einer von
den Tagelöhnern, welche in der Gegend arbeiten, wo das Rieſengürtelthier ſich findet, dort ſtirbt und
der Entfernung von Friedhöfen wegen an Ort und Stelle eingegraben werden muß, ſind, wie man
erzählt, die ihn zur Erde beſtattenden Leute genöthigt, das Grab mit ſtarken und doppelten Stäm-
men auszulegen, weil ſonſt der Tatu den Leichnam ausgrabe und zerſtückle, ſobald er durch den Ge-
ruch an das Grab geführt werde.‟

„Jch ſelbſt habe das Rieſengürtelthier nur ein einziges Mal geſehen, und zwar zufällig. Jn
einem Landhaufe erkundigte ich mich nach den Thieren der Umgegend und erfuhr von einem Alten,
daß einige Nächte vorher die Knechte ſeines Hauſes nahe am Walde einen großen Packt entdeckt
hatten, vor dem ſich die Pferde entſetzten. Einer der Burſchen ſtieg ab und erkannte im Scheine
des Vollmondes einen Tatu, welcher grub. Er packte ihn am Schwanze, erhob ihn und band ihm
ſeine und ſeines Gefährten Wurfſchlinge um den Leib und ſchleppte ihn vermittelſt dieſer nach
Hauſe. Dort aber erhoben die Weiber aus Furcht ein Geſchrei und ruhten nicht eher, bis die beiden
Fänger ihre Beute getödtet hatten. Am folgenden Tage erſchienen dann die Nachbarn, um das

[Abbildung] Das Riefengürtelthier (Euphractus gigauteus).
merkwürdige Geſchöpf zu ſehen. Man zerſtückelte ſeinen Leib und der Eine nahm den Harniſch mit
ſich, in der Abſicht, Geigen- oder Guitarrenböden daraus zu fertigen, der Andere die Klauen.
Nachdem ich Dies gehört, verſuchte ich zu erhalten, was ich konnte, und fand, daß die Vögel und
Würmer faſt alles Fleiſch gefreſſen hatten und daß auch der Kopf und der Schwanz bereits vollſtän-
dig in Fäulniß übergegangen waren; doch ſah ich noch außerdem ein Stück des Panzers, und zwar
das Schulter- und Kreuzſchild und die Schilder dazwiſchen, an welchen freilich viele Platten ihren
Glanz verloren hatten. Nach dieſen Reſten habe ich meine Beſchreibung gemacht.‟

Aus ſpäter gemachten Unterſuchungen ergibt ſich, daß das Rieſengürtelthier eine Länge von drei
Fuß und darüber erreicht, und der Schwanz über ein und einen halben Fuß lang wird. Stirn und
Schädel werden von ſehr unregelmäßigen Knochentafeln bedeckt. Der Schulterpanzer beſteht aus zehn
Gürtelreihen, zwiſchen welchen ſich hinten an den Seiten noch eine Reihe einſchiebt. Bewegliche
Binden ſind zwölf bis dreizehn vorhanden. Der Hüftpanzer enthält ſechzehn bis ſiebzehn Reihen.
Die Schilder ſind vier- oder rechteckig, auch fünf- oder ſechseckig, die hinteren Reihen des Hüftpan-
zers unregelmäßig. Der Schwanz wird von viereckigen und unregelmäßigen Knochentafeln gedeckt.

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[294/0314] Die Gürtelthiere. — Das Rieſengürtelthier. findet es blos in den ungeheueren Wäldern des nördlichen Theiles unſeres Landes. Wenn einer von den Tagelöhnern, welche in der Gegend arbeiten, wo das Rieſengürtelthier ſich findet, dort ſtirbt und der Entfernung von Friedhöfen wegen an Ort und Stelle eingegraben werden muß, ſind, wie man erzählt, die ihn zur Erde beſtattenden Leute genöthigt, das Grab mit ſtarken und doppelten Stäm- men auszulegen, weil ſonſt der Tatu den Leichnam ausgrabe und zerſtückle, ſobald er durch den Ge- ruch an das Grab geführt werde.‟ „Jch ſelbſt habe das Rieſengürtelthier nur ein einziges Mal geſehen, und zwar zufällig. Jn einem Landhaufe erkundigte ich mich nach den Thieren der Umgegend und erfuhr von einem Alten, daß einige Nächte vorher die Knechte ſeines Hauſes nahe am Walde einen großen Packt entdeckt hatten, vor dem ſich die Pferde entſetzten. Einer der Burſchen ſtieg ab und erkannte im Scheine des Vollmondes einen Tatu, welcher grub. Er packte ihn am Schwanze, erhob ihn und band ihm ſeine und ſeines Gefährten Wurfſchlinge um den Leib und ſchleppte ihn vermittelſt dieſer nach Hauſe. Dort aber erhoben die Weiber aus Furcht ein Geſchrei und ruhten nicht eher, bis die beiden Fänger ihre Beute getödtet hatten. Am folgenden Tage erſchienen dann die Nachbarn, um das [Abbildung Das Riefengürtelthier (Euphractus gigauteus).] merkwürdige Geſchöpf zu ſehen. Man zerſtückelte ſeinen Leib und der Eine nahm den Harniſch mit ſich, in der Abſicht, Geigen- oder Guitarrenböden daraus zu fertigen, der Andere die Klauen. Nachdem ich Dies gehört, verſuchte ich zu erhalten, was ich konnte, und fand, daß die Vögel und Würmer faſt alles Fleiſch gefreſſen hatten und daß auch der Kopf und der Schwanz bereits vollſtän- dig in Fäulniß übergegangen waren; doch ſah ich noch außerdem ein Stück des Panzers, und zwar das Schulter- und Kreuzſchild und die Schilder dazwiſchen, an welchen freilich viele Platten ihren Glanz verloren hatten. Nach dieſen Reſten habe ich meine Beſchreibung gemacht.‟ Aus ſpäter gemachten Unterſuchungen ergibt ſich, daß das Rieſengürtelthier eine Länge von drei Fuß und darüber erreicht, und der Schwanz über ein und einen halben Fuß lang wird. Stirn und Schädel werden von ſehr unregelmäßigen Knochentafeln bedeckt. Der Schulterpanzer beſteht aus zehn Gürtelreihen, zwiſchen welchen ſich hinten an den Seiten noch eine Reihe einſchiebt. Bewegliche Binden ſind zwölf bis dreizehn vorhanden. Der Hüftpanzer enthält ſechzehn bis ſiebzehn Reihen. Die Schilder ſind vier- oder rechteckig, auch fünf- oder ſechseckig, die hinteren Reihen des Hüftpan- zers unregelmäßig. Der Schwanz wird von viereckigen und unregelmäßigen Knochentafeln gedeckt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/314>, abgerufen am 23.11.2024.