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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Faulthiere.
Dieser sagt, daß das Faulthier oft zwei Tage brauche, um auf den Gipfel eines mäßigen Baumes
zu gelangen und denselben nicht verlasse, solange es Etwas zu fressen finde. Während des Hinauf-
klimmens soll es nur verzehren, was ihm zur Reise nöthig ist; im Wipfel angekommen, entblößt es
diesen aber gänzlich. So thut es, um nicht zu verhungern, wenn es wieder auf die unteren Aeste
kommt, um einen anderen Baum aufzusuchen; denn hätte es den unteren Theil des Wipfels abgefressen,
so müsse es den Beschwerden der Reise nach anderen Bäumen natürlich erliegen. Einige sagen auch,
daß es, um sich die Mühe zu ersparen, seine Glieder zu bewegen, sich zusammenkugelt und vom Baume
fällt. -- Spätere Reisebeschreiber erwähnen noch hie und da des merkwürdigen Geschöpfes, und jeder
bemüht sich, die alten Fabeln gehörig wieder aufzuwärmen und womöglich mit neuen Zusätzen zu be-
reichern. Erst der Prinz von Wied gibt seine klaren und vorurtheilsfreien Beobachtungen, und
nach ihm hauptsächlich Quoy und Gaimard, und endlich Schomburgk.

Man unterscheidet gegenwärtig fünf verschiedene Arten von Faulthieren und zählt sie zwei
Sippen zu, von denen die eine (Bradypus) an den Vorder- und Hinterfüßen drei lange Sichelkrallen
und einen äußerlich sichtbaren Schwanz, die andere (Choloepus) an den Vorderfüßen nur zwei
Sichelkrallen und einen nicht sichtbaren Schwanz besitzt. Auch unterscheiden sich die Sippen, wenn
gleich nur wenig, durch ihr Gebiß.

Es ist wahrscheinlich, daß spätere Entdeckungen uns noch mit einer oder der anderen Art bekannt
machen werden, obgleich wohl anzunehmen ist, daß gegenwärtig nur noch wenige Arten leben.

Unsere größere Abbildung zeigt uns den Uano (Choloepus didactylus), ein Thier von unge-
fähr zwei Fuß Länge oder etwas mehr als Katzengröße, von graubrauner Farbe, welche an der Jnnen-
seite der Gliedmaßen etwas dunkelt, und auf der Oberseite durch die schmuzig gelben, weißen Haar-
spitzen lichter erscheint. Die Haare selbst sind auf dem Rücken sehr lang und schlicht, im Kreuz
entgegen gesträubt, gegen das Gesicht hin aber ganz kurz. Die Vorderschnauze ist nackt und nur
mit einigen Härchen bedeckt. Diese Sippe hat sieben Halswirbel.

Das kleinere Bild macht uns mit einem der häufigsten Mitglieder der zweiten Sippe be-
kannt, mit dem dreizehigen Faulthier oder Ai (Bradypus tridactylus). Die Länge eines
vollkommen ausgewachsenen Männchens beträgt nach Prinz von Wied's Ausmessung 191/2 Zoll,
wovon 11/2 Zoll auf den Schwanz kommen. Die Vorderklauen sind 21/4 Zoll, die hinteren noch
nicht ganz zwei Zoll lang. Der Pelz besteht aus feinem, kurzen und dichten Wollenhaar, an
welchem man die wahre Zeichnung des Thieres am besten wahrnehmen kann, und einem langen,
trockenen, harten, etwas glatten, heuähnlichen Grannenhaar. Auf jeder Seite des Rückens zieht
von den Schultern bis in die Schwanzgegend ein mehr oder weniger deutlicher, breiter Längs-
streifen von bräunlicher Farbe herab. Der übrige Pelz ist blaßröthlich, aschgrau, am Bauche silber-
grau gefärbt. Wenn man die langen Haare des Rückens bis auf die darunter befindliche Wolle
abschneidet, tritt die eigentliche Zeichnung des Thieres hervor, und man bemerkt dann einen längs
des Rückens gerade hinablaufenden, dunkeln, schwarzbraunen Längsstreifen, und zu jeder Seite
desselben einen ähnlichen weißen, alle drei scharf begrenzt, während sonst durch die langen Haare
die Bestimmung der genauen Abgrenzung dieser Farbenvertheilung unmöglich wird. Ueber die
Augen weg zieht eine breite weißliche Binde zu den Schläfen hinab. Die Augen sind schwarzbraun um-
ringelt, und ein ebenso gefärbter Streifen zieht sich von den Schläfen herab. Die Klauen sind gelblich
oder bräunlich gelb gefärbt. Gewöhnlich bemerkt man graugelbe, anders als das übrige Fell gefärbte
Flecken auf dem Rücken der Faulthiere. Hier sind die Haare abgenutzt, entweder durch Reibung auf
Baumästen, oder aber durch die Jungen, welche die Mütter auf dem Rücken tragen; denn die saugen-
den Faulthiere reißen, wenn sie sich anhängen, mit ihren Klauen der Mutter nicht nur das Haar
aus, sondern verderben auch noch ein gehöriges Stück des Pelzes durch den Harn, welchen sie ohne
weiteres der Mutter auf den Rücken laufen lassen.

Die Faulthiere.
Dieſer ſagt, daß das Faulthier oft zwei Tage brauche, um auf den Gipfel eines mäßigen Baumes
zu gelangen und denſelben nicht verlaſſe, ſolange es Etwas zu freſſen finde. Während des Hinauf-
klimmens ſoll es nur verzehren, was ihm zur Reiſe nöthig iſt; im Wipfel angekommen, entblößt es
dieſen aber gänzlich. So thut es, um nicht zu verhungern, wenn es wieder auf die unteren Aeſte
kommt, um einen anderen Baum aufzuſuchen; denn hätte es den unteren Theil des Wipfels abgefreſſen,
ſo müſſe es den Beſchwerden der Reiſe nach anderen Bäumen natürlich erliegen. Einige ſagen auch,
daß es, um ſich die Mühe zu erſparen, ſeine Glieder zu bewegen, ſich zuſammenkugelt und vom Baume
fällt. — Spätere Reiſebeſchreiber erwähnen noch hie und da des merkwürdigen Geſchöpfes, und jeder
bemüht ſich, die alten Fabeln gehörig wieder aufzuwärmen und womöglich mit neuen Zuſätzen zu be-
reichern. Erſt der Prinz von Wied gibt ſeine klaren und vorurtheilsfreien Beobachtungen, und
nach ihm hauptſächlich Quoy und Gaimard, und endlich Schomburgk.

Man unterſcheidet gegenwärtig fünf verſchiedene Arten von Faulthieren und zählt ſie zwei
Sippen zu, von denen die eine (Bradypus) an den Vorder- und Hinterfüßen drei lange Sichelkrallen
und einen äußerlich ſichtbaren Schwanz, die andere (Choloepus) an den Vorderfüßen nur zwei
Sichelkrallen und einen nicht ſichtbaren Schwanz beſitzt. Auch unterſcheiden ſich die Sippen, wenn
gleich nur wenig, durch ihr Gebiß.

Es iſt wahrſcheinlich, daß ſpätere Entdeckungen uns noch mit einer oder der anderen Art bekannt
machen werden, obgleich wohl anzunehmen iſt, daß gegenwärtig nur noch wenige Arten leben.

Unſere größere Abbildung zeigt uns den Uano (Choloepus didactylus), ein Thier von unge-
fähr zwei Fuß Länge oder etwas mehr als Katzengröße, von graubrauner Farbe, welche an der Jnnen-
ſeite der Gliedmaßen etwas dunkelt, und auf der Oberſeite durch die ſchmuzig gelben, weißen Haar-
ſpitzen lichter erſcheint. Die Haare ſelbſt ſind auf dem Rücken ſehr lang und ſchlicht, im Kreuz
entgegen geſträubt, gegen das Geſicht hin aber ganz kurz. Die Vorderſchnauze iſt nackt und nur
mit einigen Härchen bedeckt. Dieſe Sippe hat ſieben Halswirbel.

Das kleinere Bild macht uns mit einem der häufigſten Mitglieder der zweiten Sippe be-
kannt, mit dem dreizehigen Faulthier oder Ai (Bradypus tridactylus). Die Länge eines
vollkommen ausgewachſenen Männchens beträgt nach Prinz von Wied’s Ausmeſſung 19½ Zoll,
wovon 1½ Zoll auf den Schwanz kommen. Die Vorderklauen ſind 2¼ Zoll, die hinteren noch
nicht ganz zwei Zoll lang. Der Pelz beſteht aus feinem, kurzen und dichten Wollenhaar, an
welchem man die wahre Zeichnung des Thieres am beſten wahrnehmen kann, und einem langen,
trockenen, harten, etwas glatten, heuähnlichen Grannenhaar. Auf jeder Seite des Rückens zieht
von den Schultern bis in die Schwanzgegend ein mehr oder weniger deutlicher, breiter Längs-
ſtreifen von bräunlicher Farbe herab. Der übrige Pelz iſt blaßröthlich, aſchgrau, am Bauche ſilber-
grau gefärbt. Wenn man die langen Haare des Rückens bis auf die darunter befindliche Wolle
abſchneidet, tritt die eigentliche Zeichnung des Thieres hervor, und man bemerkt dann einen längs
des Rückens gerade hinablaufenden, dunkeln, ſchwarzbraunen Längsſtreifen, und zu jeder Seite
deſſelben einen ähnlichen weißen, alle drei ſcharf begrenzt, während ſonſt durch die langen Haare
die Beſtimmung der genauen Abgrenzung dieſer Farbenvertheilung unmöglich wird. Ueber die
Augen weg zieht eine breite weißliche Binde zu den Schläfen hinab. Die Augen ſind ſchwarzbraun um-
ringelt, und ein ebenſo gefärbter Streifen zieht ſich von den Schläfen herab. Die Klauen ſind gelblich
oder bräunlich gelb gefärbt. Gewöhnlich bemerkt man graugelbe, anders als das übrige Fell gefärbte
Flecken auf dem Rücken der Faulthiere. Hier ſind die Haare abgenutzt, entweder durch Reibung auf
Baumäſten, oder aber durch die Jungen, welche die Mütter auf dem Rücken tragen; denn die ſaugen-
den Faulthiere reißen, wenn ſie ſich anhängen, mit ihren Klauen der Mutter nicht nur das Haar
aus, ſondern verderben auch noch ein gehöriges Stück des Pelzes durch den Harn, welchen ſie ohne
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[282/0302] Die Faulthiere. Dieſer ſagt, daß das Faulthier oft zwei Tage brauche, um auf den Gipfel eines mäßigen Baumes zu gelangen und denſelben nicht verlaſſe, ſolange es Etwas zu freſſen finde. Während des Hinauf- klimmens ſoll es nur verzehren, was ihm zur Reiſe nöthig iſt; im Wipfel angekommen, entblößt es dieſen aber gänzlich. So thut es, um nicht zu verhungern, wenn es wieder auf die unteren Aeſte kommt, um einen anderen Baum aufzuſuchen; denn hätte es den unteren Theil des Wipfels abgefreſſen, ſo müſſe es den Beſchwerden der Reiſe nach anderen Bäumen natürlich erliegen. Einige ſagen auch, daß es, um ſich die Mühe zu erſparen, ſeine Glieder zu bewegen, ſich zuſammenkugelt und vom Baume fällt. — Spätere Reiſebeſchreiber erwähnen noch hie und da des merkwürdigen Geſchöpfes, und jeder bemüht ſich, die alten Fabeln gehörig wieder aufzuwärmen und womöglich mit neuen Zuſätzen zu be- reichern. Erſt der Prinz von Wied gibt ſeine klaren und vorurtheilsfreien Beobachtungen, und nach ihm hauptſächlich Quoy und Gaimard, und endlich Schomburgk. Man unterſcheidet gegenwärtig fünf verſchiedene Arten von Faulthieren und zählt ſie zwei Sippen zu, von denen die eine (Bradypus) an den Vorder- und Hinterfüßen drei lange Sichelkrallen und einen äußerlich ſichtbaren Schwanz, die andere (Choloepus) an den Vorderfüßen nur zwei Sichelkrallen und einen nicht ſichtbaren Schwanz beſitzt. Auch unterſcheiden ſich die Sippen, wenn gleich nur wenig, durch ihr Gebiß. Es iſt wahrſcheinlich, daß ſpätere Entdeckungen uns noch mit einer oder der anderen Art bekannt machen werden, obgleich wohl anzunehmen iſt, daß gegenwärtig nur noch wenige Arten leben. Unſere größere Abbildung zeigt uns den Uano (Choloepus didactylus), ein Thier von unge- fähr zwei Fuß Länge oder etwas mehr als Katzengröße, von graubrauner Farbe, welche an der Jnnen- ſeite der Gliedmaßen etwas dunkelt, und auf der Oberſeite durch die ſchmuzig gelben, weißen Haar- ſpitzen lichter erſcheint. Die Haare ſelbſt ſind auf dem Rücken ſehr lang und ſchlicht, im Kreuz entgegen geſträubt, gegen das Geſicht hin aber ganz kurz. Die Vorderſchnauze iſt nackt und nur mit einigen Härchen bedeckt. Dieſe Sippe hat ſieben Halswirbel. Das kleinere Bild macht uns mit einem der häufigſten Mitglieder der zweiten Sippe be- kannt, mit dem dreizehigen Faulthier oder Ai (Bradypus tridactylus). Die Länge eines vollkommen ausgewachſenen Männchens beträgt nach Prinz von Wied’s Ausmeſſung 19½ Zoll, wovon 1½ Zoll auf den Schwanz kommen. Die Vorderklauen ſind 2¼ Zoll, die hinteren noch nicht ganz zwei Zoll lang. Der Pelz beſteht aus feinem, kurzen und dichten Wollenhaar, an welchem man die wahre Zeichnung des Thieres am beſten wahrnehmen kann, und einem langen, trockenen, harten, etwas glatten, heuähnlichen Grannenhaar. Auf jeder Seite des Rückens zieht von den Schultern bis in die Schwanzgegend ein mehr oder weniger deutlicher, breiter Längs- ſtreifen von bräunlicher Farbe herab. Der übrige Pelz iſt blaßröthlich, aſchgrau, am Bauche ſilber- grau gefärbt. Wenn man die langen Haare des Rückens bis auf die darunter befindliche Wolle abſchneidet, tritt die eigentliche Zeichnung des Thieres hervor, und man bemerkt dann einen längs des Rückens gerade hinablaufenden, dunkeln, ſchwarzbraunen Längsſtreifen, und zu jeder Seite deſſelben einen ähnlichen weißen, alle drei ſcharf begrenzt, während ſonſt durch die langen Haare die Beſtimmung der genauen Abgrenzung dieſer Farbenvertheilung unmöglich wird. Ueber die Augen weg zieht eine breite weißliche Binde zu den Schläfen hinab. Die Augen ſind ſchwarzbraun um- ringelt, und ein ebenſo gefärbter Streifen zieht ſich von den Schläfen herab. Die Klauen ſind gelblich oder bräunlich gelb gefärbt. Gewöhnlich bemerkt man graugelbe, anders als das übrige Fell gefärbte Flecken auf dem Rücken der Faulthiere. Hier ſind die Haare abgenutzt, entweder durch Reibung auf Baumäſten, oder aber durch die Jungen, welche die Mütter auf dem Rücken tragen; denn die ſaugen- den Faulthiere reißen, wenn ſie ſich anhängen, mit ihren Klauen der Mutter nicht nur das Haar aus, ſondern verderben auch noch ein gehöriges Stück des Pelzes durch den Harn, welchen ſie ohne weiteres der Mutter auf den Rücken laufen laſſen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/302>, abgerufen am 23.11.2024.