aber die Weibchen theils während ihrer Tragzeit oder im Augenblicke des Gebärens, theils nach der Geburt untersucht, und fährt dann fort:
"Die Tragzeit der betreffenden Art fällt in den Herbstmonat und dauert etwa 25 Tage. Wäh- rend dieser Zeit bemerkt man einen Zufluß der Säfte gegen die Wände des Beutels, ein Anschwellen seiner Ränder und eine Erweiterung desselben. Die Embryonen oder Thierkeime liegen zum Theil in den Hörnern, zum Theil in dem Körper der Gebärmutter, nie aber in den henkelförmigen Fort- sätzen derselben. Nach den ersten Tagen der Empfängniß erscheinen sie blos als gallertartige, runde Körperchen, bei denen man selbst durch das Vergrößerungsglas keine Verbindung mit der Gebär- mutter, wohl aber als erste Spur der Ausbildung des Leibes einen feinen, blutigen Streifen bemerkt. Gegen das Ende der Tragzeit hingegen, wo die Embryonen eine Länge von beinahe sechs Linien erreicht haben, findet man sie von einer Haut umgeben und mit einem Nabelstrange, welcher sich vermittelst mehrerer Fasern an die Gebärmutter ansetzt. An der Frucht selbst nimmt man auch mit unbewaffnetem Auge deutlich den Kopf, die vier Beine und den Schwanz wahr. Uebrigens sind in diesem Zeitpunkte nicht alle Jungen gleich ausgebildet, es herrscht im Gegentheil unter ihnen eine Art von Stufenreihe; und zwar sind diejenigen, welche den fallopischen Röhren am nächsten liegen, in ihrer Organisation auch am wenigsten vorgerückt."
"Ueber die Art, wie der Embryo aus der Gebärmutter in die Scheide gelangt, habe ich Folgendes beobachtet: Bei einem Weibchen, das ich in den ersten Tagen des Weinmonats tödtete, fand ich in sei- nem verschlossenen Beutel zwei ganz kleine Junge, dann aber in dem linken henkelförmigen Fortsatze der Gebärmutter einen ausgewachsenen Embryo, der von keinem Häutchen mehr umgeben war und dessen Nabelstrang in keiner Verbindung mit den Wänden des Fortsatzes stand. Jn dem Körper der Gebärmutter lagen noch zwei andere Embryonen, deren Nabelstrang sich aber von denselben noch nicht abgelöst hatte. Uebrigens war die Gebärmutter sowie ihr Fortsatz außer der gewöhnlichen Ausdeh- nung nicht im geringsten verändert. Die Embryonen treten also bei dieser Beutelratte aus dem Körper der Gebärmutter in die henkelförmigen Fortsätze derselben und erst von diesen in die Scheide."
"Wie man sieht, werden die Jungen nicht alle zugleich geboren. Es verstreichen vielmehr drei bis vier Tage zwischen der Geburt des ersten und des letzten Jungen. Wie sie in den Beutel gelangen, habe ich nie beobachten können. Möglich ist, daß der Beutel während der Geburt gegen die Scheide zurückgezogen wird, so daß die Jungen durch die Geburtsarbeit selbst in den Beutel ge- schoben werden. Die neugeborenen Thierchen sind und bleiben noch einige Zeit wahre Embryonen. Jhre Größe beträgt höchstens sechs Linien, ihr Körper ist nackt, der Kopf ist im Verhältniß zu den übrigen Theilen groß, die Augen sind geschlossen, die Nasenlöcher und der Mund hingegen offen, die Ohren in Quer- und Längenfalten zusammengelegt. Die Vorderbeine sind über der Brust, die hinteren über dem Bauche gekreuzt und der Schwanz ist nach unten gerollt; sie zeigen auch auf äußere Reize nicht die geringste Bewegung. Nichtsdestoweniger findet man sie kurze Zeit, nachdem sie in den Beutel gelangt sind, an den Zitzen angesogen. Es ist nun kaum denkbar, daß Thiere in einem solchen Embryonenzustande ohne alle Hilfe eine Zitze aufsuchen und sich ansaugen können. Jch ver- muthe dagegen, daß sie von der Mutter an die Zitzen gelegt werden, wozu derselben ohne Zweifel die entgegensetzbaren Daumen dienen. Die Jungen bleiben nun beinahe zwei Monate in dem Beutel, ohne die Zitzen zu verlassen, ausgenommen in den letzten Tagen. Jn den ersten zwei Mo- naten bemerkt man keine andere Veränderung an ihnen, als daß sie bedeutend zunehmen und daß sich die Borstenhaare am Munde zu zeigen anfangen. Nach vier Wochen werden sie ungefähr die Größe einer Hausmaus erreicht haben, der Pelz tritt über den ganzen Körper hervor, und sie können einige Bewegung mit den Vorderfüßen machen. Nach Azara sollen sie sich in diesem Alter schon auf den Füßen halten können. Etwa in der siebenten Woche werden sie fast so groß, wie eine Ratte; dann öffnen sich die Augen. Von dieser Zeit an hängen sie nicht mehr den ganzen Tag an den Zitzen und verlassen auch zuweilen den Beutel, kehren aber sogleich wieder in denselben zurück, sowie ihnen
Die Beutelratten.
aber die Weibchen theils während ihrer Tragzeit oder im Augenblicke des Gebärens, theils nach der Geburt unterſucht, und fährt dann fort:
„Die Tragzeit der betreffenden Art fällt in den Herbſtmonat und dauert etwa 25 Tage. Wäh- rend dieſer Zeit bemerkt man einen Zufluß der Säfte gegen die Wände des Beutels, ein Anſchwellen ſeiner Ränder und eine Erweiterung deſſelben. Die Embryonen oder Thierkeime liegen zum Theil in den Hörnern, zum Theil in dem Körper der Gebärmutter, nie aber in den henkelförmigen Fort- ſätzen derſelben. Nach den erſten Tagen der Empfängniß erſcheinen ſie blos als gallertartige, runde Körperchen, bei denen man ſelbſt durch das Vergrößerungsglas keine Verbindung mit der Gebär- mutter, wohl aber als erſte Spur der Ausbildung des Leibes einen feinen, blutigen Streifen bemerkt. Gegen das Ende der Tragzeit hingegen, wo die Embryonen eine Länge von beinahe ſechs Linien erreicht haben, findet man ſie von einer Haut umgeben und mit einem Nabelſtrange, welcher ſich vermittelſt mehrerer Faſern an die Gebärmutter anſetzt. An der Frucht ſelbſt nimmt man auch mit unbewaffnetem Auge deutlich den Kopf, die vier Beine und den Schwanz wahr. Uebrigens ſind in dieſem Zeitpunkte nicht alle Jungen gleich ausgebildet, es herrſcht im Gegentheil unter ihnen eine Art von Stufenreihe; und zwar ſind diejenigen, welche den fallopiſchen Röhren am nächſten liegen, in ihrer Organiſation auch am wenigſten vorgerückt.‟
„Ueber die Art, wie der Embryo aus der Gebärmutter in die Scheide gelangt, habe ich Folgendes beobachtet: Bei einem Weibchen, das ich in den erſten Tagen des Weinmonats tödtete, fand ich in ſei- nem verſchloſſenen Beutel zwei ganz kleine Junge, dann aber in dem linken henkelförmigen Fortſatze der Gebärmutter einen ausgewachſenen Embryo, der von keinem Häutchen mehr umgeben war und deſſen Nabelſtrang in keiner Verbindung mit den Wänden des Fortſatzes ſtand. Jn dem Körper der Gebärmutter lagen noch zwei andere Embryonen, deren Nabelſtrang ſich aber von denſelben noch nicht abgelöſt hatte. Uebrigens war die Gebärmutter ſowie ihr Fortſatz außer der gewöhnlichen Ausdeh- nung nicht im geringſten verändert. Die Embryonen treten alſo bei dieſer Beutelratte aus dem Körper der Gebärmutter in die henkelförmigen Fortſätze derſelben und erſt von dieſen in die Scheide.‟
„Wie man ſieht, werden die Jungen nicht alle zugleich geboren. Es verſtreichen vielmehr drei bis vier Tage zwiſchen der Geburt des erſten und des letzten Jungen. Wie ſie in den Beutel gelangen, habe ich nie beobachten können. Möglich iſt, daß der Beutel während der Geburt gegen die Scheide zurückgezogen wird, ſo daß die Jungen durch die Geburtsarbeit ſelbſt in den Beutel ge- ſchoben werden. Die neugeborenen Thierchen ſind und bleiben noch einige Zeit wahre Embryonen. Jhre Größe beträgt höchſtens ſechs Linien, ihr Körper iſt nackt, der Kopf iſt im Verhältniß zu den übrigen Theilen groß, die Augen ſind geſchloſſen, die Naſenlöcher und der Mund hingegen offen, die Ohren in Quer- und Längenfalten zuſammengelegt. Die Vorderbeine ſind über der Bruſt, die hinteren über dem Bauche gekreuzt und der Schwanz iſt nach unten gerollt; ſie zeigen auch auf äußere Reize nicht die geringſte Bewegung. Nichtsdeſtoweniger findet man ſie kurze Zeit, nachdem ſie in den Beutel gelangt ſind, an den Zitzen angeſogen. Es iſt nun kaum denkbar, daß Thiere in einem ſolchen Embryonenzuſtande ohne alle Hilfe eine Zitze aufſuchen und ſich anſaugen können. Jch ver- muthe dagegen, daß ſie von der Mutter an die Zitzen gelegt werden, wozu derſelben ohne Zweifel die entgegenſetzbaren Daumen dienen. Die Jungen bleiben nun beinahe zwei Monate in dem Beutel, ohne die Zitzen zu verlaſſen, ausgenommen in den letzten Tagen. Jn den erſten zwei Mo- naten bemerkt man keine andere Veränderung an ihnen, als daß ſie bedeutend zunehmen und daß ſich die Borſtenhaare am Munde zu zeigen anfangen. Nach vier Wochen werden ſie ungefähr die Größe einer Hausmaus erreicht haben, der Pelz tritt über den ganzen Körper hervor, und ſie können einige Bewegung mit den Vorderfüßen machen. Nach Azara ſollen ſie ſich in dieſem Alter ſchon auf den Füßen halten können. Etwa in der ſiebenten Woche werden ſie faſt ſo groß, wie eine Ratte; dann öffnen ſich die Augen. Von dieſer Zeit an hängen ſie nicht mehr den ganzen Tag an den Zitzen und verlaſſen auch zuweilen den Beutel, kehren aber ſogleich wieder in denſelben zurück, ſowie ihnen
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[16/0028]
Die Beutelratten.
aber die Weibchen theils während ihrer Tragzeit oder im Augenblicke des Gebärens, theils nach der
Geburt unterſucht, und fährt dann fort:
„Die Tragzeit der betreffenden Art fällt in den Herbſtmonat und dauert etwa 25 Tage. Wäh-
rend dieſer Zeit bemerkt man einen Zufluß der Säfte gegen die Wände des Beutels, ein Anſchwellen
ſeiner Ränder und eine Erweiterung deſſelben. Die Embryonen oder Thierkeime liegen zum Theil
in den Hörnern, zum Theil in dem Körper der Gebärmutter, nie aber in den henkelförmigen Fort-
ſätzen derſelben. Nach den erſten Tagen der Empfängniß erſcheinen ſie blos als gallertartige, runde
Körperchen, bei denen man ſelbſt durch das Vergrößerungsglas keine Verbindung mit der Gebär-
mutter, wohl aber als erſte Spur der Ausbildung des Leibes einen feinen, blutigen Streifen bemerkt.
Gegen das Ende der Tragzeit hingegen, wo die Embryonen eine Länge von beinahe ſechs Linien
erreicht haben, findet man ſie von einer Haut umgeben und mit einem Nabelſtrange, welcher ſich
vermittelſt mehrerer Faſern an die Gebärmutter anſetzt. An der Frucht ſelbſt nimmt man auch mit
unbewaffnetem Auge deutlich den Kopf, die vier Beine und den Schwanz wahr. Uebrigens ſind in
dieſem Zeitpunkte nicht alle Jungen gleich ausgebildet, es herrſcht im Gegentheil unter ihnen eine
Art von Stufenreihe; und zwar ſind diejenigen, welche den fallopiſchen Röhren am nächſten liegen, in
ihrer Organiſation auch am wenigſten vorgerückt.‟
„Ueber die Art, wie der Embryo aus der Gebärmutter in die Scheide gelangt, habe ich Folgendes
beobachtet: Bei einem Weibchen, das ich in den erſten Tagen des Weinmonats tödtete, fand ich in ſei-
nem verſchloſſenen Beutel zwei ganz kleine Junge, dann aber in dem linken henkelförmigen Fortſatze
der Gebärmutter einen ausgewachſenen Embryo, der von keinem Häutchen mehr umgeben war und
deſſen Nabelſtrang in keiner Verbindung mit den Wänden des Fortſatzes ſtand. Jn dem Körper der
Gebärmutter lagen noch zwei andere Embryonen, deren Nabelſtrang ſich aber von denſelben noch nicht
abgelöſt hatte. Uebrigens war die Gebärmutter ſowie ihr Fortſatz außer der gewöhnlichen Ausdeh-
nung nicht im geringſten verändert. Die Embryonen treten alſo bei dieſer Beutelratte aus dem
Körper der Gebärmutter in die henkelförmigen Fortſätze derſelben und erſt von dieſen in die
Scheide.‟
„Wie man ſieht, werden die Jungen nicht alle zugleich geboren. Es verſtreichen vielmehr drei
bis vier Tage zwiſchen der Geburt des erſten und des letzten Jungen. Wie ſie in den Beutel
gelangen, habe ich nie beobachten können. Möglich iſt, daß der Beutel während der Geburt gegen
die Scheide zurückgezogen wird, ſo daß die Jungen durch die Geburtsarbeit ſelbſt in den Beutel ge-
ſchoben werden. Die neugeborenen Thierchen ſind und bleiben noch einige Zeit wahre Embryonen.
Jhre Größe beträgt höchſtens ſechs Linien, ihr Körper iſt nackt, der Kopf iſt im Verhältniß zu den
übrigen Theilen groß, die Augen ſind geſchloſſen, die Naſenlöcher und der Mund hingegen offen,
die Ohren in Quer- und Längenfalten zuſammengelegt. Die Vorderbeine ſind über der Bruſt, die
hinteren über dem Bauche gekreuzt und der Schwanz iſt nach unten gerollt; ſie zeigen auch auf äußere
Reize nicht die geringſte Bewegung. Nichtsdeſtoweniger findet man ſie kurze Zeit, nachdem ſie in
den Beutel gelangt ſind, an den Zitzen angeſogen. Es iſt nun kaum denkbar, daß Thiere in einem
ſolchen Embryonenzuſtande ohne alle Hilfe eine Zitze aufſuchen und ſich anſaugen können. Jch ver-
muthe dagegen, daß ſie von der Mutter an die Zitzen gelegt werden, wozu derſelben ohne Zweifel
die entgegenſetzbaren Daumen dienen. Die Jungen bleiben nun beinahe zwei Monate in dem
Beutel, ohne die Zitzen zu verlaſſen, ausgenommen in den letzten Tagen. Jn den erſten zwei Mo-
naten bemerkt man keine andere Veränderung an ihnen, als daß ſie bedeutend zunehmen und daß ſich
die Borſtenhaare am Munde zu zeigen anfangen. Nach vier Wochen werden ſie ungefähr die Größe
einer Hausmaus erreicht haben, der Pelz tritt über den ganzen Körper hervor, und ſie können einige
Bewegung mit den Vorderfüßen machen. Nach Azara ſollen ſie ſich in dieſem Alter ſchon auf den
Füßen halten können. Etwa in der ſiebenten Woche werden ſie faſt ſo groß, wie eine Ratte; dann
öffnen ſich die Augen. Von dieſer Zeit an hängen ſie nicht mehr den ganzen Tag an den Zitzen und
verlaſſen auch zuweilen den Beutel, kehren aber ſogleich wieder in denſelben zurück, ſowie ihnen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/28>, abgerufen am 27.11.2024.
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