Menschen, so laufen beide zugleich davon; ja, man hat schon öfters beobachtet, wie der zuerst die Gefahr erkennende, statt das Weite zu suchen, erst um den Stall herumlief, um seinen schlafenden Kameraden zu wecken, worauf dann beide mit einander flüchteten. Sowie der Wind die sogenannten Staubecken entblößt hat, kehrt der Hase wieder auf die Hochalpen zurück."
"Ebenso hitzig in der Fortpflanzung, wie der gemeine Hase, bringt die Häsin in jedem Wurfe 2 bis 5 Junge, die nicht größer als rechte Mäuse und mit einem weißen Fleck an der Stirn versehen sind, schon am zweiten Tage der Mutter nachhüpfen und sehr bald junge Kräuter fressen. Der erste Wurf fällt gewöhnlich auf den April oder Mai, der zweite auf den Juli oder August; ob ein dritter nachfolge oder ein früherer vorausgehe, wird öfters bezweifelt, während die Jäger behaupten, vom Mai bis zum Oktober in jedem Monat Junge von Viertelsgröße angetroffen zu haben. Der Setzhafe trägt seine Frucht 30 bis 31 Tage und säugt sie dann kaum 20 Tage. Der wunderliche Jrrthum, daß es unter diesen Hasen Zwitter gebe, die sich selbst befruchten, dürfte den meisten Bergjägern schwer auszureden sein. Es ist fast unmöglich, das Getriebe des Familienlebens zu beobachten, da die Witterung der Thiere so scharf ist und die Jungen sich außerordentlich gut in alle Ritzen und Steinlöcher zu verstecken verstehen."
"Die Jagd hat ihre Mühen und ihren Lohn. Da sie gewöhnlich erst stattfinden kann, wenn die Alpenkette in Schnee liegt, ist sie beschwerlich genug. Doch ist sie vielleicht weniger unsicher, als auf anderes Wild, da des Hasen frische Spur seinen Stand genau anzeigt. Wenn man die Weid- gänge entdeckt hat, die er oft des Nachts im Schnee aufzuwühlen pflegt, und dann der Spur folgt, die sich einzeln davon abzweigt, so stößt man auf viele Widerspringe kreuz und quer, die das Thier nach beendeter Mahlzeit, von der es sich nie geraden Wegs in sein Lager begibt, zu machen pflegt. Vonhieraus geht eine ziemliche Strecke weit eine einzelne Spur ab. Diese krümmt sich zuletzt, zeigt einige wenige Widergänge (in der Regel weniger, als beim braunen Hasen), zuletzt eine ring- oder schlingenförmige Spur in der Nähe eines Steines, Busches oder Walles. Hier wird der Hase liegen und zwar oben auf dem Schnee der Länge nach ausgestreckt, oft mit offenen Augen schlafend, wobei er mit den Kinnladen etwas klappert, so daß seine Löffel beständig in zitternder Bewegung sind. Jst das Wetter aber rauh, begleitet von eisigem Winde, der so oft in jenen Höhen herrscht, so liegt der Hase entweder im Schutze eines Steines oder in einem Scharrloche im Schnee fest. So kann ihn der Jäger leicht schießen. Trifft er ihn nicht, so flieht zwar der Hase in gewaltigen Sätzen mit stürmi- scher Eile, geht aber nicht allzu weit und kommt leicht wieder vor den Schuß. Das Krachen und Knallen schreckt ihn nicht; er ist dessen im Gebirge gewohnt. Es stört auch die anderen nicht auf, und oft bringt ein Jäger drei bis vier Stück heim, die alle am Neste geschossen wurden. Jn diesem wird man aber nie zwei zusammenfinden, selbst in der Brunstzeit nicht. Die Fährte des Alpenhasen hat etwas Eigenthümliches; sie besteht aus großen Sätzen mit verhältnißmäßig sehr breitem Auftritte. Aehnlich der der Gemsen ist die Fußbildung des Alpenhasen vortrefflich für den Aufenthalt im Schneereiche. Die Sohle ist schon an sich breiter, die Füße sind dicker, als beim gemeinen Hasen. Jm Laufe breitet er die Zehen, die ihm dann wie Schneeschuhe dienen, weit aus und sinkt nicht leicht ein, auf dem Eise leisten ihm die ausschiebbaren Krallen vortreffliche Dienste. Jagt man ihn mit Hunden, so bleibt er viel länger vor dem Vorstehhunde liegen, als sein Vetter im Tieflande, und schlüpft bei der Verfolgung nur selten in die engen Röhren der Murmelthierbauten, nie aber in Fuchslöcher."
"Auffallenderweise ist der Alpenhase leichter zu zähmen, als der gemeine, benimmt sich ruhiger und zutraulicher, hält aber nicht lange aus und wird selbst bei der reichlichsten Nahrung nicht fett. Die Alpenluft fehlt ihm allzubald im Thale. Jm Winter wird er auch hier weiß. Sein Fell wird nicht hoch gehalten; dagegen ist sein Fleisch sehr schmackhaft. Ein ganzer Hase gilt je nach der Gegend, in der er verkauft wird, 36 Kreuzer bis 1 Gulden. --"
"Die Vermischung des gemeinen Hasen mit dem Alpenhasen und die Hervorbringung von Ba- starden ist oft bezweifelt worden. Doch wird sie durch genaue Nachforschung bestätigt. So wurde
Der Schnee- oder Alxenhaſe.
Menſchen, ſo laufen beide zugleich davon; ja, man hat ſchon öfters beobachtet, wie der zuerſt die Gefahr erkennende, ſtatt das Weite zu ſuchen, erſt um den Stall herumlief, um ſeinen ſchlafenden Kameraden zu wecken, worauf dann beide mit einander flüchteten. Sowie der Wind die ſogenannten Staubecken entblößt hat, kehrt der Haſe wieder auf die Hochalpen zurück.‟
„Ebenſo hitzig in der Fortpflanzung, wie der gemeine Haſe, bringt die Häſin in jedem Wurfe 2 bis 5 Junge, die nicht größer als rechte Mäuſe und mit einem weißen Fleck an der Stirn verſehen ſind, ſchon am zweiten Tage der Mutter nachhüpfen und ſehr bald junge Kräuter freſſen. Der erſte Wurf fällt gewöhnlich auf den April oder Mai, der zweite auf den Juli oder Auguſt; ob ein dritter nachfolge oder ein früherer vorausgehe, wird öfters bezweifelt, während die Jäger behaupten, vom Mai bis zum Oktober in jedem Monat Junge von Viertelsgröße angetroffen zu haben. Der Setzhafe trägt ſeine Frucht 30 bis 31 Tage und ſäugt ſie dann kaum 20 Tage. Der wunderliche Jrrthum, daß es unter dieſen Haſen Zwitter gebe, die ſich ſelbſt befruchten, dürfte den meiſten Bergjägern ſchwer auszureden ſein. Es iſt faſt unmöglich, das Getriebe des Familienlebens zu beobachten, da die Witterung der Thiere ſo ſcharf iſt und die Jungen ſich außerordentlich gut in alle Ritzen und Steinlöcher zu verſtecken verſtehen.‟
„Die Jagd hat ihre Mühen und ihren Lohn. Da ſie gewöhnlich erſt ſtattfinden kann, wenn die Alpenkette in Schnee liegt, iſt ſie beſchwerlich genug. Doch iſt ſie vielleicht weniger unſicher, als auf anderes Wild, da des Haſen friſche Spur ſeinen Stand genau anzeigt. Wenn man die Weid- gänge entdeckt hat, die er oft des Nachts im Schnee aufzuwühlen pflegt, und dann der Spur folgt, die ſich einzeln davon abzweigt, ſo ſtößt man auf viele Widerſpringe kreuz und quer, die das Thier nach beendeter Mahlzeit, von der es ſich nie geraden Wegs in ſein Lager begibt, zu machen pflegt. Vonhieraus geht eine ziemliche Strecke weit eine einzelne Spur ab. Dieſe krümmt ſich zuletzt, zeigt einige wenige Widergänge (in der Regel weniger, als beim braunen Haſen), zuletzt eine ring- oder ſchlingenförmige Spur in der Nähe eines Steines, Buſches oder Walles. Hier wird der Haſe liegen und zwar oben auf dem Schnee der Länge nach ausgeſtreckt, oft mit offenen Augen ſchlafend, wobei er mit den Kinnladen etwas klappert, ſo daß ſeine Löffel beſtändig in zitternder Bewegung ſind. Jſt das Wetter aber rauh, begleitet von eiſigem Winde, der ſo oft in jenen Höhen herrſcht, ſo liegt der Haſe entweder im Schutze eines Steines oder in einem Scharrloche im Schnee feſt. So kann ihn der Jäger leicht ſchießen. Trifft er ihn nicht, ſo flieht zwar der Haſe in gewaltigen Sätzen mit ſtürmi- ſcher Eile, geht aber nicht allzu weit und kommt leicht wieder vor den Schuß. Das Krachen und Knallen ſchreckt ihn nicht; er iſt deſſen im Gebirge gewohnt. Es ſtört auch die anderen nicht auf, und oft bringt ein Jäger drei bis vier Stück heim, die alle am Neſte geſchoſſen wurden. Jn dieſem wird man aber nie zwei zuſammenfinden, ſelbſt in der Brunſtzeit nicht. Die Fährte des Alpenhaſen hat etwas Eigenthümliches; ſie beſteht aus großen Sätzen mit verhältnißmäßig ſehr breitem Auftritte. Aehnlich der der Gemſen iſt die Fußbildung des Alpenhaſen vortrefflich für den Aufenthalt im Schneereiche. Die Sohle iſt ſchon an ſich breiter, die Füße ſind dicker, als beim gemeinen Haſen. Jm Laufe breitet er die Zehen, die ihm dann wie Schneeſchuhe dienen, weit aus und ſinkt nicht leicht ein, auf dem Eiſe leiſten ihm die ausſchiebbaren Krallen vortreffliche Dienſte. Jagt man ihn mit Hunden, ſo bleibt er viel länger vor dem Vorſtehhunde liegen, als ſein Vetter im Tieflande, und ſchlüpft bei der Verfolgung nur ſelten in die engen Röhren der Murmelthierbauten, nie aber in Fuchslöcher.‟
„Auffallenderweiſe iſt der Alpenhaſe leichter zu zähmen, als der gemeine, benimmt ſich ruhiger und zutraulicher, hält aber nicht lange aus und wird ſelbſt bei der reichlichſten Nahrung nicht fett. Die Alpenluft fehlt ihm allzubald im Thale. Jm Winter wird er auch hier weiß. Sein Fell wird nicht hoch gehalten; dagegen iſt ſein Fleiſch ſehr ſchmackhaft. Ein ganzer Haſe gilt je nach der Gegend, in der er verkauft wird, 36 Kreuzer bis 1 Gulden. —‟
„Die Vermiſchung des gemeinen Haſen mit dem Alpenhaſen und die Hervorbringung von Ba- ſtarden iſt oft bezweifelt worden. Doch wird ſie durch genaue Nachforſchung beſtätigt. So wurde
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[261/0279]
Der Schnee- oder Alxenhaſe.
Menſchen, ſo laufen beide zugleich davon; ja, man hat ſchon öfters beobachtet, wie der zuerſt die
Gefahr erkennende, ſtatt das Weite zu ſuchen, erſt um den Stall herumlief, um ſeinen ſchlafenden
Kameraden zu wecken, worauf dann beide mit einander flüchteten. Sowie der Wind die ſogenannten
Staubecken entblößt hat, kehrt der Haſe wieder auf die Hochalpen zurück.‟
„Ebenſo hitzig in der Fortpflanzung, wie der gemeine Haſe, bringt die Häſin in jedem Wurfe
2 bis 5 Junge, die nicht größer als rechte Mäuſe und mit einem weißen Fleck an der Stirn verſehen
ſind, ſchon am zweiten Tage der Mutter nachhüpfen und ſehr bald junge Kräuter freſſen. Der
erſte Wurf fällt gewöhnlich auf den April oder Mai, der zweite auf den Juli oder Auguſt; ob ein
dritter nachfolge oder ein früherer vorausgehe, wird öfters bezweifelt, während die Jäger behaupten,
vom Mai bis zum Oktober in jedem Monat Junge von Viertelsgröße angetroffen zu haben. Der
Setzhafe trägt ſeine Frucht 30 bis 31 Tage und ſäugt ſie dann kaum 20 Tage. Der wunderliche
Jrrthum, daß es unter dieſen Haſen Zwitter gebe, die ſich ſelbſt befruchten, dürfte den meiſten
Bergjägern ſchwer auszureden ſein. Es iſt faſt unmöglich, das Getriebe des Familienlebens zu
beobachten, da die Witterung der Thiere ſo ſcharf iſt und die Jungen ſich außerordentlich gut in alle
Ritzen und Steinlöcher zu verſtecken verſtehen.‟
„Die Jagd hat ihre Mühen und ihren Lohn. Da ſie gewöhnlich erſt ſtattfinden kann, wenn
die Alpenkette in Schnee liegt, iſt ſie beſchwerlich genug. Doch iſt ſie vielleicht weniger unſicher, als
auf anderes Wild, da des Haſen friſche Spur ſeinen Stand genau anzeigt. Wenn man die Weid-
gänge entdeckt hat, die er oft des Nachts im Schnee aufzuwühlen pflegt, und dann der Spur folgt,
die ſich einzeln davon abzweigt, ſo ſtößt man auf viele Widerſpringe kreuz und quer, die das Thier
nach beendeter Mahlzeit, von der es ſich nie geraden Wegs in ſein Lager begibt, zu machen pflegt.
Vonhieraus geht eine ziemliche Strecke weit eine einzelne Spur ab. Dieſe krümmt ſich zuletzt, zeigt
einige wenige Widergänge (in der Regel weniger, als beim braunen Haſen), zuletzt eine ring- oder
ſchlingenförmige Spur in der Nähe eines Steines, Buſches oder Walles. Hier wird der Haſe liegen
und zwar oben auf dem Schnee der Länge nach ausgeſtreckt, oft mit offenen Augen ſchlafend, wobei
er mit den Kinnladen etwas klappert, ſo daß ſeine Löffel beſtändig in zitternder Bewegung ſind. Jſt
das Wetter aber rauh, begleitet von eiſigem Winde, der ſo oft in jenen Höhen herrſcht, ſo liegt der
Haſe entweder im Schutze eines Steines oder in einem Scharrloche im Schnee feſt. So kann ihn der
Jäger leicht ſchießen. Trifft er ihn nicht, ſo flieht zwar der Haſe in gewaltigen Sätzen mit ſtürmi-
ſcher Eile, geht aber nicht allzu weit und kommt leicht wieder vor den Schuß. Das Krachen und
Knallen ſchreckt ihn nicht; er iſt deſſen im Gebirge gewohnt. Es ſtört auch die anderen nicht auf,
und oft bringt ein Jäger drei bis vier Stück heim, die alle am Neſte geſchoſſen wurden. Jn dieſem
wird man aber nie zwei zuſammenfinden, ſelbſt in der Brunſtzeit nicht. Die Fährte des Alpenhaſen
hat etwas Eigenthümliches; ſie beſteht aus großen Sätzen mit verhältnißmäßig ſehr breitem Auftritte.
Aehnlich der der Gemſen iſt die Fußbildung des Alpenhaſen vortrefflich für den Aufenthalt im
Schneereiche. Die Sohle iſt ſchon an ſich breiter, die Füße ſind dicker, als beim gemeinen Haſen. Jm
Laufe breitet er die Zehen, die ihm dann wie Schneeſchuhe dienen, weit aus und ſinkt nicht leicht
ein, auf dem Eiſe leiſten ihm die ausſchiebbaren Krallen vortreffliche Dienſte. Jagt man ihn mit
Hunden, ſo bleibt er viel länger vor dem Vorſtehhunde liegen, als ſein Vetter im Tieflande, und
ſchlüpft bei der Verfolgung nur ſelten in die engen Röhren der Murmelthierbauten, nie aber in
Fuchslöcher.‟
„Auffallenderweiſe iſt der Alpenhaſe leichter zu zähmen, als der gemeine, benimmt ſich ruhiger
und zutraulicher, hält aber nicht lange aus und wird ſelbſt bei der reichlichſten Nahrung nicht fett.
Die Alpenluft fehlt ihm allzubald im Thale. Jm Winter wird er auch hier weiß. Sein Fell wird
nicht hoch gehalten; dagegen iſt ſein Fleiſch ſehr ſchmackhaft. Ein ganzer Haſe gilt je nach der Gegend,
in der er verkauft wird, 36 Kreuzer bis 1 Gulden. —‟
„Die Vermiſchung des gemeinen Haſen mit dem Alpenhaſen und die Hervorbringung von Ba-
ſtarden iſt oft bezweifelt worden. Doch wird ſie durch genaue Nachforſchung beſtätigt. So wurde
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/279>, abgerufen am 23.11.2024.
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