ein paar Jahrhunderten war sie viel gemeiner als gegenwärtig, wo sie nur in der wahren Wüste, wo sie die Unwirthbarkeit und Einöde des Landes am meisten schützt, noch häufig ist.
Ohngeachtet dieser Häufigkeit ist es nicht gerade leicht, das Thier zu erlangen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil man es ziemlich schwer zu sehen bekommt. Entweder liegt es in seiner Höhle verborgen oder hat sich platt auf die Erde gedrückt, und wird dann durch sein echt erdfarbiges Kleid gar leicht den Blicken entzogen. Dazu kommt noch seine Scheu und Furchtsamkeit. Die Mara ergreift bei der geringsten Gefahr sofort die Flucht. Dabei folgt die Gesellschaft, welche sich gerade bei einander befindet, einem Leitthiere in kurzen, aber ununterbrochenen Sätzen, und ohne von der geraden Linie abzuweichen. Alte Reisebeschreiber erzählen, daß die Mara ausschließlich die Löcher bewohne, welche die Viscacha gegraben, falls nicht schon ein anderes Erdthier den Bau in Beschlag genommen habe. Darwin glaubt aber, daß sie sich eigene Höhlen grabe. An diesen scheint sie jedoch nicht mit großer Liebe zu hängen. Darwin sah sie mehrmals in sitzender Stellung vor ihrem Baue, erfuhr jedoch, daß sie, ganz gegen die Gewohnheit der Nager und anderer Höhlenthiere, häufig von ihrem Wohnort sich entferne und in Gesellschaft mit anderen meilenweit umherstreife, ohne gerade regelmäßig nach ihrem Baue zurückzukehren. Die Mara ist ein vollkommenes Tagethier, obwohl sie während der Mittagshitze ihren Bau aufsucht. Jhre Nahrung besteht in Pflanzen, deren Wurzeln und Rinden, jedenfalls in Stoffen, welche andere Säugethiere verschmähen. Jn manchen Gegenden Patagoniens, wo auf dem kiesigen Boden nur wenig dürre und dornige Büsche ein erbärmliches Leben fristen können, ist sie das einzig lebende Thier, welches man bemerkt. Ueber die Fortpflan- zung weiß man nur, daß das Weibchen zwei Mal im Jahre zwei Junge wirft.
Die Jndianer und die Gauchos stellen der Mara eifrig nach, weniger ihres Fleisches wegen, als um das schöne Fell zu erlangen, welches zu Decken und Teppichen verarbeitet wird, die wegen ihrer Weichheit und ihres schmucken Aeußeren außerordentlich geschätzt sind.
Göring hat die Mara mehrfach beobachtet und die Güte gehabt, mir Nachstehendes über sie mitzutheilen. Jn der nächsten Nähe von Mendoza kommt sie nur noch sehr selten vor, häufiger bemerkt man sie 10 bis 15 Meilen südlicher. Am häufigsten findet sie sich in Einöden, welche nicht vollkommene Wüsten, sondern buschreich sind. Hier sieht man sie in Gesellschaften von 4 bis 8 Stück, zuweilen aber auch in Heerden von 30 bis 40. Ganz dieselben Gegenden bewohnt mit ihr ein sehr schönes Huhn, die Eudromia elegans, dort "Martinette" genannt, und man darf mit aller Sicherheit darauf rechnen, daß man da, wo der Vogel gefunden wird, auch die Mara bemerken kann und umgekehrt. Göring sah diese niemals in Höhlen, obwohl sie unzweifelhaft solche bewohnt, da man vor allen Höhlen große Haufen von der eigenthümlich gestalteten, länglichrunden Losung findet. Sie ist ein vollkommenes Tagethier, welches sich gerade im Sonnenschein recht behaglich fühlt. Wenn sie sich ungestört weiß, legt sie sich entweder auf die Seite oder platt auf den Bauch und schlägt dabei die Handgelenke der Vorderfüße nach innen um, wie kein anderer Nager es thut. Zu- weilen recken und dehnen sich die Ruhenden recht vergnüglich; beim geringsten Geräusch aber setzen sie sich auf, stemmen sich auf die Vorderfüße und hinten auf die Ferse, so daß die Pfoten in der Luft schweben, verweilen, starr wie eine Bildsäule, ohne die geringste Bewegung, in dieser Stellung und äugen und lauschen scharf nach der Gegend hin, von welcher das Geräusch kam; währt dieses fort, dann erheben sie sich vollends, bleiben eine Zeit lang stehen und fallen endlich, wenn es ihnen scheint, daß die Gefahr ihnen näher kommt, in einen ganz eigenthümlichen, sehr oft unterbrochenen Galopp. Sie laufen blos wenige Schritte weit weg, setzen sich nieder, stehen auf, laufen wieder einige Schritte weit weg, setzen sich von neuem, gehen dann vielleicht 50, 60 oder 100 Schritte weiter, setzen sich nochmals und flüchten nun erst, aber immer noch in gleichen Absätzen, weiter. Jhr Lauf fördert dennoch ziemlich rasch; denn sie sind im Stande, Sätze von 4 bis 6 Fuß zu machen. Ein gutes Windspiel würde sie wohl einholen können; ein Reiter aber muß sie schon lange verfolgt und ermüdet haben, wenn er ihnen nach- kommen will. Jhre Nahrung besteht aus den wenigen Gräsern, welche ihre arme Heimat erzeugt; sie kommen jedoch auch in die Pflanzungen herein und lassen es sich in den Feldern, namentlich in den mit
Die Mara.
ein paar Jahrhunderten war ſie viel gemeiner als gegenwärtig, wo ſie nur in der wahren Wüſte, wo ſie die Unwirthbarkeit und Einöde des Landes am meiſten ſchützt, noch häufig iſt.
Ohngeachtet dieſer Häufigkeit iſt es nicht gerade leicht, das Thier zu erlangen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil man es ziemlich ſchwer zu ſehen bekommt. Entweder liegt es in ſeiner Höhle verborgen oder hat ſich platt auf die Erde gedrückt, und wird dann durch ſein echt erdfarbiges Kleid gar leicht den Blicken entzogen. Dazu kommt noch ſeine Scheu und Furchtſamkeit. Die Mara ergreift bei der geringſten Gefahr ſofort die Flucht. Dabei folgt die Geſellſchaft, welche ſich gerade bei einander befindet, einem Leitthiere in kurzen, aber ununterbrochenen Sätzen, und ohne von der geraden Linie abzuweichen. Alte Reiſebeſchreiber erzählen, daß die Mara ausſchließlich die Löcher bewohne, welche die Viscacha gegraben, falls nicht ſchon ein anderes Erdthier den Bau in Beſchlag genommen habe. Darwin glaubt aber, daß ſie ſich eigene Höhlen grabe. An dieſen ſcheint ſie jedoch nicht mit großer Liebe zu hängen. Darwin ſah ſie mehrmals in ſitzender Stellung vor ihrem Baue, erfuhr jedoch, daß ſie, ganz gegen die Gewohnheit der Nager und anderer Höhlenthiere, häufig von ihrem Wohnort ſich entferne und in Geſellſchaft mit anderen meilenweit umherſtreife, ohne gerade regelmäßig nach ihrem Baue zurückzukehren. Die Mara iſt ein vollkommenes Tagethier, obwohl ſie während der Mittagshitze ihren Bau aufſucht. Jhre Nahrung beſteht in Pflanzen, deren Wurzeln und Rinden, jedenfalls in Stoffen, welche andere Säugethiere verſchmähen. Jn manchen Gegenden Patagoniens, wo auf dem kieſigen Boden nur wenig dürre und dornige Büſche ein erbärmliches Leben friſten können, iſt ſie das einzig lebende Thier, welches man bemerkt. Ueber die Fortpflan- zung weiß man nur, daß das Weibchen zwei Mal im Jahre zwei Junge wirft.
Die Jndianer und die Gauchos ſtellen der Mara eifrig nach, weniger ihres Fleiſches wegen, als um das ſchöne Fell zu erlangen, welches zu Decken und Teppichen verarbeitet wird, die wegen ihrer Weichheit und ihres ſchmucken Aeußeren außerordentlich geſchätzt ſind.
Göring hat die Mara mehrfach beobachtet und die Güte gehabt, mir Nachſtehendes über ſie mitzutheilen. Jn der nächſten Nähe von Mendoza kommt ſie nur noch ſehr ſelten vor, häufiger bemerkt man ſie 10 bis 15 Meilen ſüdlicher. Am häufigſten findet ſie ſich in Einöden, welche nicht vollkommene Wüſten, ſondern buſchreich ſind. Hier ſieht man ſie in Geſellſchaften von 4 bis 8 Stück, zuweilen aber auch in Heerden von 30 bis 40. Ganz dieſelben Gegenden bewohnt mit ihr ein ſehr ſchönes Huhn, die Eudromia elegans, dort „Martinette‟ genannt, und man darf mit aller Sicherheit darauf rechnen, daß man da, wo der Vogel gefunden wird, auch die Mara bemerken kann und umgekehrt. Göring ſah dieſe niemals in Höhlen, obwohl ſie unzweifelhaft ſolche bewohnt, da man vor allen Höhlen große Haufen von der eigenthümlich geſtalteten, länglichrunden Loſung findet. Sie iſt ein vollkommenes Tagethier, welches ſich gerade im Sonnenſchein recht behaglich fühlt. Wenn ſie ſich ungeſtört weiß, legt ſie ſich entweder auf die Seite oder platt auf den Bauch und ſchlägt dabei die Handgelenke der Vorderfüße nach innen um, wie kein anderer Nager es thut. Zu- weilen recken und dehnen ſich die Ruhenden recht vergnüglich; beim geringſten Geräuſch aber ſetzen ſie ſich auf, ſtemmen ſich auf die Vorderfüße und hinten auf die Ferſe, ſo daß die Pfoten in der Luft ſchweben, verweilen, ſtarr wie eine Bildſäule, ohne die geringſte Bewegung, in dieſer Stellung und äugen und lauſchen ſcharf nach der Gegend hin, von welcher das Geräuſch kam; währt dieſes fort, dann erheben ſie ſich vollends, bleiben eine Zeit lang ſtehen und fallen endlich, wenn es ihnen ſcheint, daß die Gefahr ihnen näher kommt, in einen ganz eigenthümlichen, ſehr oft unterbrochenen Galopp. Sie laufen blos wenige Schritte weit weg, ſetzen ſich nieder, ſtehen auf, laufen wieder einige Schritte weit weg, ſetzen ſich von neuem, gehen dann vielleicht 50, 60 oder 100 Schritte weiter, ſetzen ſich nochmals und flüchten nun erſt, aber immer noch in gleichen Abſätzen, weiter. Jhr Lauf fördert dennoch ziemlich raſch; denn ſie ſind im Stande, Sätze von 4 bis 6 Fuß zu machen. Ein gutes Windſpiel würde ſie wohl einholen können; ein Reiter aber muß ſie ſchon lange verfolgt und ermüdet haben, wenn er ihnen nach- kommen will. Jhre Nahrung beſteht aus den wenigen Gräſern, welche ihre arme Heimat erzeugt; ſie kommen jedoch auch in die Pflanzungen herein und laſſen es ſich in den Feldern, namentlich in den mit
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Die Mara.
ein paar Jahrhunderten war ſie viel gemeiner als gegenwärtig, wo ſie nur in der wahren Wüſte, wo
ſie die Unwirthbarkeit und Einöde des Landes am meiſten ſchützt, noch häufig iſt.
Ohngeachtet dieſer Häufigkeit iſt es nicht gerade leicht, das Thier zu erlangen, und zwar aus
dem einfachen Grunde, weil man es ziemlich ſchwer zu ſehen bekommt. Entweder liegt es in ſeiner
Höhle verborgen oder hat ſich platt auf die Erde gedrückt, und wird dann durch ſein echt erdfarbiges
Kleid gar leicht den Blicken entzogen. Dazu kommt noch ſeine Scheu und Furchtſamkeit. Die Mara
ergreift bei der geringſten Gefahr ſofort die Flucht. Dabei folgt die Geſellſchaft, welche ſich gerade
bei einander befindet, einem Leitthiere in kurzen, aber ununterbrochenen Sätzen, und ohne von der
geraden Linie abzuweichen. Alte Reiſebeſchreiber erzählen, daß die Mara ausſchließlich die Löcher
bewohne, welche die Viscacha gegraben, falls nicht ſchon ein anderes Erdthier den Bau in Beſchlag
genommen habe. Darwin glaubt aber, daß ſie ſich eigene Höhlen grabe. An dieſen ſcheint ſie
jedoch nicht mit großer Liebe zu hängen. Darwin ſah ſie mehrmals in ſitzender Stellung vor ihrem
Baue, erfuhr jedoch, daß ſie, ganz gegen die Gewohnheit der Nager und anderer Höhlenthiere, häufig
von ihrem Wohnort ſich entferne und in Geſellſchaft mit anderen meilenweit umherſtreife, ohne gerade
regelmäßig nach ihrem Baue zurückzukehren. Die Mara iſt ein vollkommenes Tagethier, obwohl ſie
während der Mittagshitze ihren Bau aufſucht. Jhre Nahrung beſteht in Pflanzen, deren Wurzeln
und Rinden, jedenfalls in Stoffen, welche andere Säugethiere verſchmähen. Jn manchen Gegenden
Patagoniens, wo auf dem kieſigen Boden nur wenig dürre und dornige Büſche ein erbärmliches
Leben friſten können, iſt ſie das einzig lebende Thier, welches man bemerkt. Ueber die Fortpflan-
zung weiß man nur, daß das Weibchen zwei Mal im Jahre zwei Junge wirft.
Die Jndianer und die Gauchos ſtellen der Mara eifrig nach, weniger ihres Fleiſches wegen, als
um das ſchöne Fell zu erlangen, welches zu Decken und Teppichen verarbeitet wird, die wegen ihrer
Weichheit und ihres ſchmucken Aeußeren außerordentlich geſchätzt ſind.
Göring hat die Mara mehrfach beobachtet und die Güte gehabt, mir Nachſtehendes über ſie
mitzutheilen. Jn der nächſten Nähe von Mendoza kommt ſie nur noch ſehr ſelten vor, häufiger
bemerkt man ſie 10 bis 15 Meilen ſüdlicher. Am häufigſten findet ſie ſich in Einöden, welche nicht
vollkommene Wüſten, ſondern buſchreich ſind. Hier ſieht man ſie in Geſellſchaften von 4 bis 8
Stück, zuweilen aber auch in Heerden von 30 bis 40. Ganz dieſelben Gegenden bewohnt mit ihr ein
ſehr ſchönes Huhn, die Eudromia elegans, dort „Martinette‟ genannt, und man darf mit aller
Sicherheit darauf rechnen, daß man da, wo der Vogel gefunden wird, auch die Mara bemerken kann
und umgekehrt. Göring ſah dieſe niemals in Höhlen, obwohl ſie unzweifelhaft ſolche bewohnt,
da man vor allen Höhlen große Haufen von der eigenthümlich geſtalteten, länglichrunden Loſung
findet. Sie iſt ein vollkommenes Tagethier, welches ſich gerade im Sonnenſchein recht behaglich fühlt.
Wenn ſie ſich ungeſtört weiß, legt ſie ſich entweder auf die Seite oder platt auf den Bauch und
ſchlägt dabei die Handgelenke der Vorderfüße nach innen um, wie kein anderer Nager es thut. Zu-
weilen recken und dehnen ſich die Ruhenden recht vergnüglich; beim geringſten Geräuſch aber ſetzen ſie
ſich auf, ſtemmen ſich auf die Vorderfüße und hinten auf die Ferſe, ſo daß die Pfoten in der Luft
ſchweben, verweilen, ſtarr wie eine Bildſäule, ohne die geringſte Bewegung, in dieſer Stellung und
äugen und lauſchen ſcharf nach der Gegend hin, von welcher das Geräuſch kam; währt dieſes fort,
dann erheben ſie ſich vollends, bleiben eine Zeit lang ſtehen und fallen endlich, wenn es ihnen ſcheint,
daß die Gefahr ihnen näher kommt, in einen ganz eigenthümlichen, ſehr oft unterbrochenen Galopp. Sie
laufen blos wenige Schritte weit weg, ſetzen ſich nieder, ſtehen auf, laufen wieder einige Schritte weit
weg, ſetzen ſich von neuem, gehen dann vielleicht 50, 60 oder 100 Schritte weiter, ſetzen ſich nochmals
und flüchten nun erſt, aber immer noch in gleichen Abſätzen, weiter. Jhr Lauf fördert dennoch ziemlich
raſch; denn ſie ſind im Stande, Sätze von 4 bis 6 Fuß zu machen. Ein gutes Windſpiel würde ſie wohl
einholen können; ein Reiter aber muß ſie ſchon lange verfolgt und ermüdet haben, wenn er ihnen nach-
kommen will. Jhre Nahrung beſteht aus den wenigen Gräſern, welche ihre arme Heimat erzeugt; ſie
kommen jedoch auch in die Pflanzungen herein und laſſen es ſich in den Feldern, namentlich in den mit
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/255>, abgerufen am 23.11.2024.
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