mit den Wurfkugeln erlegen kann. Fast immer findet man mehrere beisammen, oder wenigstens die Männchen in der Nähe der Weibchen. Gewöhnlich erheben sich beide zugleich und laufen mit einander weg. Oft habe ich in der Nacht seine unangenehme, scharfe Stimme vernommen, welche ungefähr wie "Oovi" klingt; wenn man es gefangen hat und in der Hand hält, schreit es ebenso. Die Barbaren und unsere gemeinen Leute essen sein weiches Fleisch, achten es aber viel weniger, als das der Gürtelthiere. Auch soll es einen ganz verschiedenen Geschmack von dem unseres europäischen Hasen haben. Jch habe vernommen, daß es seine Wohnungen in den Löchern der Viscacha anlegt und daß es, wenn es bedroht wird, sich in dieselben flüchtet. Doch alle diejenigen, welche ich ver- folgte, suchten immer ihr Heil in den Füßen, obgleich es in der Nähe einige Löcher der Viscacha gab. Niemals fand ich es in seinem Lager, sondern immer aufrechtstehend nach Art der Hirsche oder Rehe
[Abbildung]
Die Mara (Dolichotis patagonica).
und gewöhnlich ergriff es augenblicklich die Flucht und lief ein gutes Stück fort. Die Jungeinge- fangenen werden oft zahm gehalten; sie verlassen das Haus und kehren zurück, gehen auf die Weide und fressen von Allem. Ein Freund schickte mir zwei, welche er in seinem Hause großgezogen hatte. Sie waren außerordentlich zahm und nett; leider aber wurden sie mir, als sie mein Haus verließen, von den Hunden der Straße todtgebissen."
Später machte Darwin Genaueres über das merkwürdige Thier bekannt. Von ihm erfahren wir, daß die Mara nach Norden nicht über den 37.° s. Br. hinausgeht. Die steinige und wasser- arme Wüste Patagoniens ist ihre Heimat. Dort wo die Sierra Talpaquen diese Wüste begrenzt, der Boden feuchter und pflanzenreicher zu werden beginnt, verschwindet sie gänzlich. Nach Westen hin reicht sie bis in die Nähe von Mendoza und somit sogar bis zum 33.° s. Br. Möglich ist es auch, daß sie noch in der Umgegend von Cordova, in der Republik Argentina, vorkommt. Noch vor
Die Ferkelhafen oder Hufpfötler. — Die Mara.
mit den Wurfkugeln erlegen kann. Faſt immer findet man mehrere beiſammen, oder wenigſtens die Männchen in der Nähe der Weibchen. Gewöhnlich erheben ſich beide zugleich und laufen mit einander weg. Oft habe ich in der Nacht ſeine unangenehme, ſcharfe Stimme vernommen, welche ungefähr wie „Oovi‟ klingt; wenn man es gefangen hat und in der Hand hält, ſchreit es ebenſo. Die Barbaren und unſere gemeinen Leute eſſen ſein weiches Fleiſch, achten es aber viel weniger, als das der Gürtelthiere. Auch ſoll es einen ganz verſchiedenen Geſchmack von dem unſeres europäiſchen Haſen haben. Jch habe vernommen, daß es ſeine Wohnungen in den Löchern der Viscacha anlegt und daß es, wenn es bedroht wird, ſich in dieſelben flüchtet. Doch alle diejenigen, welche ich ver- folgte, ſuchten immer ihr Heil in den Füßen, obgleich es in der Nähe einige Löcher der Viscacha gab. Niemals fand ich es in ſeinem Lager, ſondern immer aufrechtſtehend nach Art der Hirſche oder Rehe
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Die Mara (Dolichotis patagonica).
und gewöhnlich ergriff es augenblicklich die Flucht und lief ein gutes Stück fort. Die Jungeinge- fangenen werden oft zahm gehalten; ſie verlaſſen das Haus und kehren zurück, gehen auf die Weide und freſſen von Allem. Ein Freund ſchickte mir zwei, welche er in ſeinem Hauſe großgezogen hatte. Sie waren außerordentlich zahm und nett; leider aber wurden ſie mir, als ſie mein Haus verließen, von den Hunden der Straße todtgebiſſen.‟
Später machte Darwin Genaueres über das merkwürdige Thier bekannt. Von ihm erfahren wir, daß die Mara nach Norden nicht über den 37.° ſ. Br. hinausgeht. Die ſteinige und waſſer- arme Wüſte Patagoniens iſt ihre Heimat. Dort wo die Sierra Talpaquen dieſe Wüſte begrenzt, der Boden feuchter und pflanzenreicher zu werden beginnt, verſchwindet ſie gänzlich. Nach Weſten hin reicht ſie bis in die Nähe von Mendoza und ſomit ſogar bis zum 33.° ſ. Br. Möglich iſt es auch, daß ſie noch in der Umgegend von Cordova, in der Republik Argentina, vorkommt. Noch vor
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Die Ferkelhafen oder Hufpfötler. — Die Mara.
mit den Wurfkugeln erlegen kann. Faſt immer findet man mehrere beiſammen, oder wenigſtens
die Männchen in der Nähe der Weibchen. Gewöhnlich erheben ſich beide zugleich und laufen mit
einander weg. Oft habe ich in der Nacht ſeine unangenehme, ſcharfe Stimme vernommen, welche
ungefähr wie „Oovi‟ klingt; wenn man es gefangen hat und in der Hand hält, ſchreit es ebenſo. Die
Barbaren und unſere gemeinen Leute eſſen ſein weiches Fleiſch, achten es aber viel weniger, als das
der Gürtelthiere. Auch ſoll es einen ganz verſchiedenen Geſchmack von dem unſeres europäiſchen
Haſen haben. Jch habe vernommen, daß es ſeine Wohnungen in den Löchern der Viscacha anlegt
und daß es, wenn es bedroht wird, ſich in dieſelben flüchtet. Doch alle diejenigen, welche ich ver-
folgte, ſuchten immer ihr Heil in den Füßen, obgleich es in der Nähe einige Löcher der Viscacha gab.
Niemals fand ich es in ſeinem Lager, ſondern immer aufrechtſtehend nach Art der Hirſche oder Rehe
[Abbildung Die Mara (Dolichotis patagonica).]
und gewöhnlich ergriff es augenblicklich die Flucht und lief ein gutes Stück fort. Die Jungeinge-
fangenen werden oft zahm gehalten; ſie verlaſſen das Haus und kehren zurück, gehen auf die Weide
und freſſen von Allem. Ein Freund ſchickte mir zwei, welche er in ſeinem Hauſe großgezogen hatte.
Sie waren außerordentlich zahm und nett; leider aber wurden ſie mir, als ſie mein Haus verließen,
von den Hunden der Straße todtgebiſſen.‟
Später machte Darwin Genaueres über das merkwürdige Thier bekannt. Von ihm erfahren
wir, daß die Mara nach Norden nicht über den 37.° ſ. Br. hinausgeht. Die ſteinige und waſſer-
arme Wüſte Patagoniens iſt ihre Heimat. Dort wo die Sierra Talpaquen dieſe Wüſte begrenzt,
der Boden feuchter und pflanzenreicher zu werden beginnt, verſchwindet ſie gänzlich. Nach Weſten
hin reicht ſie bis in die Nähe von Mendoza und ſomit ſogar bis zum 33.° ſ. Br. Möglich iſt es
auch, daß ſie noch in der Umgegend von Cordova, in der Republik Argentina, vorkommt. Noch vor
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/254>, abgerufen am 23.11.2024.
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