Die Stachelschweine. -- Der merikanische Greifstachler.
ließ sich berühren, als ob er von Stein wäre; kam man ihm aber zu derb, so sträubte er seine Stacheln, ohne sich im übrigen zu bewegen."
"Man erzählt, daß er die Stacheln fortschleudert, und daß diese, falls sie die Haut treffen, weiter und weiter sich bohren, so gering auch die Wunden sind, welche sie verursachten, bis sie auf der entgegengesetzten Weiche wieder zum Vorschein kommen. Auch erzählt man von ihm, daß er die Früchte der Bäume abschüttelt und sich dann auf ihnen herumwälzt, sie anspießt und mit sich fort- trägt. Das sind Märchen; wahr ist blos, daß einige seiner Stacheln, wenn er sie zur Vertheidigung erhebt, wegen ihrer lockeren Einfügung in das Fell, ausfallen; auch kommt es wohl vor, daß die Stacheln, welche in der Schnauze unvorsichtiger Hunde stecken blieben, später tiefer in das Fleisch eingedrungen zu sein scheinen, einfach deshalb, weil die Wunde inzwischen geschwollen ist. Jm Kothe des Jaguar habe ich mehrmals diese Stacheln gefunden."
"Jn der Flohzeit litt mein Gefangener viel und mußte sich beständig kratzen."
Jch habe diesem Berichte des alten, gediegenen Naturforschers nur noch wenig hinzu zu fügen. Meine Beobachtungen stimmen wesentlich mit den seinigen und noch mehr mit der von Burmeister gegebenen Schilderung überein. Unser Gefangener saß während des ganzen Tages ruhig in seinem Kasten, in der angegebenen Weise zusammengekauert. Erst nach Sonnenuntergang begann er lang- sam umher zu klettern. Wenn man ihn berührte, ließ er auch seine Stimme vernehmen; ein ziemlich leises Quieken, welches dem Winseln eines jungen Hundes sehr ähnlich war. Eine Verührung war ihm entschieden unangenehm, doch machte er, wie Dies auch Burmeister sehr richtig sagt, "niemals einen Versuch zur Flucht, sondern ließ den Feind ruhig herankommen, wo er auch war, duckte sich nieder, sträubte die Stacheln und winselte, wenn er berührt wurde." Der unsrige machte keine Ver- suche, sich aus seiner Kiste zu befreien, Burmeister's Gefangener dagegen arbeitete, wenn man seinen Kasten nachts mit dem Deckel verschloß, sich schnell und heftig eine Oeffnung, indem er das Holz in großen Fetzen abnagte. Auffallend erscheint es, daß Azara's Gefangener kein Wasser trank, denn der, welchen ich beobachtete, verlangte Dies regelmäßig. Sobald er gefressen hatte, nahete er sich seinem Saufnapfe und schöpfte sich hier mit seiner breiten Hand einige Tropfen, welche er dann behaglich ableckte. Sehr unangenehm und ganz eigenthümlich war der Geruch, welchen er ver- breitete. Burmeister glaubt, daß dieser Geruch mehr auf Rechnung der faulen Nahrung in der Kiste und des Unraths, als auf eine Absonderung des Thieres geschoben werden müsse, ich muß ihm jedoch hierin entschieden widersprechen, weil ich mich durch wiederholte Versuche überzeugt habe, daß der Gestank am Thiere selbst haftet.
Wahrhaft entsetzlich wurde unser Gefangener von kleinen, braunen Läusen oder lausähnlichen Thieren geplagt. Diese Schmarotzer saßen zuweilen zu Hunderten an ein und derselben Stelle, am dicksten in der Schnauzengegend und ließen sich durch kein Kratzen vertreiben, nicht einmal durch per- fisches Jnsektenpulver, zu welchem wir schließlich unsere Zuflucht nahmen.
Rengger berichtet, daß sich beide Geschlechter der sonst einsam lebenden Thiere während des Winters aufsuchen und dann eine Zeitlang paarweise leben. Jm Anfange des Winters ihrer Heimat d. h. gegen Anfang des Oktobers, wirft dann das Weibchen ein bis zwei Junge. Azara, welcher ein trächtiges Weibchen untersuchte, fand nur ein Junges, welches wie seine Mutter bereits mit Stacheln bedeckt war. Genaueres über die Fortpflanzungsgeschichte vermag ich nicht mitzutheilen.
Da das Aeußere des Greifstachlers wenig Einladendes hat, wird er von den Einwohnern Para- guays nur selten eingefangen und aufgezogen; demungeachtet entgeht er den Nachstellungen nicht. Die Wilden verzehren sein Fleisch, welches des unangenehmen Geruchs wegen von den Europäern verschmäht wird. Gleichwohl scheinen auch Diese ihm nachzustellen, in gleicher Weise, wie der unge- bildete Europäer dem Jgel. Burmeister erhielt bald nach seiner Ankunft in Rio de Janeiro einen lebendigen Greifstachler, welcher nach dortiger Gewohnheit der Länge nach an einen Knittel gebunden und jämmerlich zerschlagen war, so daß das arme Geschöpf die erste Zeit nach dem Ablösen kaum gehen konnte, und fand ein zweites später todt neben dem Wege liegen, welches wahrscheinlich auch der
Die Stachelſchweine. — Der merikaniſche Greifſtachler.
ließ ſich berühren, als ob er von Stein wäre; kam man ihm aber zu derb, ſo ſträubte er ſeine Stacheln, ohne ſich im übrigen zu bewegen.‟
„Man erzählt, daß er die Stacheln fortſchleudert, und daß dieſe, falls ſie die Haut treffen, weiter und weiter ſich bohren, ſo gering auch die Wunden ſind, welche ſie verurſachten, bis ſie auf der entgegengeſetzten Weiche wieder zum Vorſchein kommen. Auch erzählt man von ihm, daß er die Früchte der Bäume abſchüttelt und ſich dann auf ihnen herumwälzt, ſie anſpießt und mit ſich fort- trägt. Das ſind Märchen; wahr iſt blos, daß einige ſeiner Stacheln, wenn er ſie zur Vertheidigung erhebt, wegen ihrer lockeren Einfügung in das Fell, ausfallen; auch kommt es wohl vor, daß die Stacheln, welche in der Schnauze unvorſichtiger Hunde ſtecken blieben, ſpäter tiefer in das Fleiſch eingedrungen zu ſein ſcheinen, einfach deshalb, weil die Wunde inzwiſchen geſchwollen iſt. Jm Kothe des Jaguar habe ich mehrmals dieſe Stacheln gefunden.‟
„Jn der Flohzeit litt mein Gefangener viel und mußte ſich beſtändig kratzen.‟
Jch habe dieſem Berichte des alten, gediegenen Naturforſchers nur noch wenig hinzu zu fügen. Meine Beobachtungen ſtimmen weſentlich mit den ſeinigen und noch mehr mit der von Burmeiſter gegebenen Schilderung überein. Unſer Gefangener ſaß während des ganzen Tages ruhig in ſeinem Kaſten, in der angegebenen Weiſe zuſammengekauert. Erſt nach Sonnenuntergang begann er lang- ſam umher zu klettern. Wenn man ihn berührte, ließ er auch ſeine Stimme vernehmen; ein ziemlich leiſes Quieken, welches dem Winſeln eines jungen Hundes ſehr ähnlich war. Eine Verührung war ihm entſchieden unangenehm, doch machte er, wie Dies auch Burmeiſter ſehr richtig ſagt, „niemals einen Verſuch zur Flucht, ſondern ließ den Feind ruhig herankommen, wo er auch war, duckte ſich nieder, ſträubte die Stacheln und winſelte, wenn er berührt wurde.‟ Der unſrige machte keine Ver- ſuche, ſich aus ſeiner Kiſte zu befreien, Burmeiſter’s Gefangener dagegen arbeitete, wenn man ſeinen Kaſten nachts mit dem Deckel verſchloß, ſich ſchnell und heftig eine Oeffnung, indem er das Holz in großen Fetzen abnagte. Auffallend erſcheint es, daß Azara’s Gefangener kein Waſſer trank, denn der, welchen ich beobachtete, verlangte Dies regelmäßig. Sobald er gefreſſen hatte, nahete er ſich ſeinem Saufnapfe und ſchöpfte ſich hier mit ſeiner breiten Hand einige Tropfen, welche er dann behaglich ableckte. Sehr unangenehm und ganz eigenthümlich war der Geruch, welchen er ver- breitete. Burmeiſter glaubt, daß dieſer Geruch mehr auf Rechnung der faulen Nahrung in der Kiſte und des Unraths, als auf eine Abſonderung des Thieres geſchoben werden müſſe, ich muß ihm jedoch hierin entſchieden widerſprechen, weil ich mich durch wiederholte Verſuche überzeugt habe, daß der Geſtank am Thiere ſelbſt haftet.
Wahrhaft entſetzlich wurde unſer Gefangener von kleinen, braunen Läuſen oder lausähnlichen Thieren geplagt. Dieſe Schmarotzer ſaßen zuweilen zu Hunderten an ein und derſelben Stelle, am dickſten in der Schnauzengegend und ließen ſich durch kein Kratzen vertreiben, nicht einmal durch per- fiſches Jnſektenpulver, zu welchem wir ſchließlich unſere Zuflucht nahmen.
Rengger berichtet, daß ſich beide Geſchlechter der ſonſt einſam lebenden Thiere während des Winters aufſuchen und dann eine Zeitlang paarweiſe leben. Jm Anfange des Winters ihrer Heimat d. h. gegen Anfang des Oktobers, wirft dann das Weibchen ein bis zwei Junge. Azara, welcher ein trächtiges Weibchen unterſuchte, fand nur ein Junges, welches wie ſeine Mutter bereits mit Stacheln bedeckt war. Genaueres über die Fortpflanzungsgeſchichte vermag ich nicht mitzutheilen.
Da das Aeußere des Greifſtachlers wenig Einladendes hat, wird er von den Einwohnern Para- guays nur ſelten eingefangen und aufgezogen; demungeachtet entgeht er den Nachſtellungen nicht. Die Wilden verzehren ſein Fleiſch, welches des unangenehmen Geruchs wegen von den Europäern verſchmäht wird. Gleichwohl ſcheinen auch Dieſe ihm nachzuſtellen, in gleicher Weiſe, wie der unge- bildete Europäer dem Jgel. Burmeiſter erhielt bald nach ſeiner Ankunft in Rio de Janeiro einen lebendigen Greifſtachler, welcher nach dortiger Gewohnheit der Länge nach an einen Knittel gebunden und jämmerlich zerſchlagen war, ſo daß das arme Geſchöpf die erſte Zeit nach dem Ablöſen kaum gehen konnte, und fand ein zweites ſpäter todt neben dem Wege liegen, welches wahrſcheinlich auch der
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Die Stachelſchweine. — Der merikaniſche Greifſtachler.
ließ ſich berühren, als ob er von Stein wäre; kam man ihm aber zu derb, ſo ſträubte er ſeine
Stacheln, ohne ſich im übrigen zu bewegen.‟
„Man erzählt, daß er die Stacheln fortſchleudert, und daß dieſe, falls ſie die Haut treffen,
weiter und weiter ſich bohren, ſo gering auch die Wunden ſind, welche ſie verurſachten, bis ſie auf
der entgegengeſetzten Weiche wieder zum Vorſchein kommen. Auch erzählt man von ihm, daß er die
Früchte der Bäume abſchüttelt und ſich dann auf ihnen herumwälzt, ſie anſpießt und mit ſich fort-
trägt. Das ſind Märchen; wahr iſt blos, daß einige ſeiner Stacheln, wenn er ſie zur Vertheidigung
erhebt, wegen ihrer lockeren Einfügung in das Fell, ausfallen; auch kommt es wohl vor, daß die
Stacheln, welche in der Schnauze unvorſichtiger Hunde ſtecken blieben, ſpäter tiefer in das Fleiſch
eingedrungen zu ſein ſcheinen, einfach deshalb, weil die Wunde inzwiſchen geſchwollen iſt. Jm
Kothe des Jaguar habe ich mehrmals dieſe Stacheln gefunden.‟
„Jn der Flohzeit litt mein Gefangener viel und mußte ſich beſtändig kratzen.‟
Jch habe dieſem Berichte des alten, gediegenen Naturforſchers nur noch wenig hinzu zu fügen.
Meine Beobachtungen ſtimmen weſentlich mit den ſeinigen und noch mehr mit der von Burmeiſter
gegebenen Schilderung überein. Unſer Gefangener ſaß während des ganzen Tages ruhig in ſeinem
Kaſten, in der angegebenen Weiſe zuſammengekauert. Erſt nach Sonnenuntergang begann er lang-
ſam umher zu klettern. Wenn man ihn berührte, ließ er auch ſeine Stimme vernehmen; ein ziemlich
leiſes Quieken, welches dem Winſeln eines jungen Hundes ſehr ähnlich war. Eine Verührung war
ihm entſchieden unangenehm, doch machte er, wie Dies auch Burmeiſter ſehr richtig ſagt, „niemals
einen Verſuch zur Flucht, ſondern ließ den Feind ruhig herankommen, wo er auch war, duckte ſich
nieder, ſträubte die Stacheln und winſelte, wenn er berührt wurde.‟ Der unſrige machte keine Ver-
ſuche, ſich aus ſeiner Kiſte zu befreien, Burmeiſter’s Gefangener dagegen arbeitete, wenn man
ſeinen Kaſten nachts mit dem Deckel verſchloß, ſich ſchnell und heftig eine Oeffnung, indem er das
Holz in großen Fetzen abnagte. Auffallend erſcheint es, daß Azara’s Gefangener kein Waſſer
trank, denn der, welchen ich beobachtete, verlangte Dies regelmäßig. Sobald er gefreſſen hatte, nahete
er ſich ſeinem Saufnapfe und ſchöpfte ſich hier mit ſeiner breiten Hand einige Tropfen, welche er
dann behaglich ableckte. Sehr unangenehm und ganz eigenthümlich war der Geruch, welchen er ver-
breitete. Burmeiſter glaubt, daß dieſer Geruch mehr auf Rechnung der faulen Nahrung in der
Kiſte und des Unraths, als auf eine Abſonderung des Thieres geſchoben werden müſſe, ich muß ihm
jedoch hierin entſchieden widerſprechen, weil ich mich durch wiederholte Verſuche überzeugt habe, daß
der Geſtank am Thiere ſelbſt haftet.
Wahrhaft entſetzlich wurde unſer Gefangener von kleinen, braunen Läuſen oder lausähnlichen
Thieren geplagt. Dieſe Schmarotzer ſaßen zuweilen zu Hunderten an ein und derſelben Stelle, am
dickſten in der Schnauzengegend und ließen ſich durch kein Kratzen vertreiben, nicht einmal durch per-
fiſches Jnſektenpulver, zu welchem wir ſchließlich unſere Zuflucht nahmen.
Rengger berichtet, daß ſich beide Geſchlechter der ſonſt einſam lebenden Thiere während des
Winters aufſuchen und dann eine Zeitlang paarweiſe leben. Jm Anfange des Winters ihrer Heimat
d. h. gegen Anfang des Oktobers, wirft dann das Weibchen ein bis zwei Junge. Azara, welcher
ein trächtiges Weibchen unterſuchte, fand nur ein Junges, welches wie ſeine Mutter bereits mit
Stacheln bedeckt war. Genaueres über die Fortpflanzungsgeſchichte vermag ich nicht mitzutheilen.
Da das Aeußere des Greifſtachlers wenig Einladendes hat, wird er von den Einwohnern Para-
guays nur ſelten eingefangen und aufgezogen; demungeachtet entgeht er den Nachſtellungen nicht.
Die Wilden verzehren ſein Fleiſch, welches des unangenehmen Geruchs wegen von den Europäern
verſchmäht wird. Gleichwohl ſcheinen auch Dieſe ihm nachzuſtellen, in gleicher Weiſe, wie der unge-
bildete Europäer dem Jgel. Burmeiſter erhielt bald nach ſeiner Ankunft in Rio de Janeiro einen
lebendigen Greifſtachler, welcher nach dortiger Gewohnheit der Länge nach an einen Knittel gebunden
und jämmerlich zerſchlagen war, ſo daß das arme Geſchöpf die erſte Zeit nach dem Ablöſen kaum
gehen konnte, und fand ein zweites ſpäter todt neben dem Wege liegen, welches wahrſcheinlich auch der
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/236>, abgerufen am 23.11.2024.
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