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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Stachelschweine.
große Aehnlichkeit mit einander, und es ist deshalb eigentlich unthunlich, eine allgemeine Beschreibung
der Familie zu geben. Man kann im voraus höchstens Folgendes sagen: Der Leib ist gedrungen,
der Hals kurz, der Kopf dick, der Schwanz kurz oder merkwürdig verlängert und dann greiffähig.
Die Beine sind ziemlich gleich lang, die Füße vier-oder fünfzehig, breitsohlig, die Zehen mit stark
gekrümmten Nägeln bewehrt, die Ohren und Augen klein, die Schnauze ist kurz, stumpf und an der
Oberlippe gespalten. Die Stacheln sind sehr verschieden hinsichtlich ihrer Länge und Stärke. Sie
stehen in geraden Reihen zwischen einem spärlichen Unterhaar oder umgekehrt einem längeren
Grannenhaar, welches so überwiegend werden kann, daß es die Stacheln gänzlich bedeckt. Be-
zeichnend für letztere ist eine verhältnißmäßig lebhafte Färbung. Die Wirbelsäule zählt außer den
Halswirbeln zwölf bis dreizehn rippentragende, fünf rippenlose, drei bis vier Kreuz- und bis zwölf
oder dreizehn Schwanzwirbel. Die Nagezähne sind auf der Vorderseite glatt oder gerinnelt, die vier
Backzähne in jeder Reihe sind fast gleich groß und schmelzfaltig.

Alle Stachelschweine bewohnen gemäßigte und warme Länder der alten und neuen Welt. Dort
finden sich die kurzschwänzigen, auf der Erde lebenden, hier die langschwänzigen, kletternden Arten.
Sie sind ohne Ausnahme Nachtthiere, träge in ihrem Thun und Wesen, stumpfsinnig und schwach-
geistig. Die altweltlichen Arten sind an den Boden gebunden, die neuweltlichen Baumthiere. Dem
entsprechend leben sie in dünn bestandenen Wäldern und Steppen oder in großen Waldungen; die
Ersteren bei Tage in selbst gegrabenen Gängen und Höhlen verborgen, die Letzteren zusammengeknäuelt
auf einer Astgabel dichter Baumwipfel oder in einer Baumhöhlung sitzend. Ungesellig wie sie sind,
vereinigen sie sich nur während der Fortpflanzungszeit zu kleinen Trupps, welche mehrere Tage mit
einander verbringen können. Den übrigen Theil des Jahres lebt jedes einsam für sich. Jhre Be-
wegungen sind langsam, gemessen, träge, zumal die kletternden Arten leisten Erstaunliches in der
gewiß schweren Kunst, stunden- und tagelang bewegungslos auf ein und derselben Stelle zu verharren.
Jedoch würde man irren, wenn man behaupten wollte, daß die Stachelschweine rascher und geschickter
Bewegungen unfähig wären. Wenn einmal die Nacht eingetreten ist und die Thiere ordentlich
munter geworden sind, laufen die Einen trippelnden Ganges sehr rasch auf dem Boden hin, und die
Anderen klettern, wenn auch nicht mit der Behendigkeit des Eichhorns, so doch immer gewandt
genug, in dem Gezweige auf und nieder. Die Bodenbewohner verstehen auch das Graben meister-
haft und wissen allen Schwierigkeiten, welche ihnen harter Boden entgegensetzt, zu begegnen. Unter
den Sinnen scheint ausnahmlos der Geruch obenan zu stehen und bei den Kletterstachelschweinen noch
der Tastsinn einigermaßen ausgebildet zu sein; Gesicht und Gehör dagegen sind bei allen schwach.
Die geistigen Fähigkeiten sind gering. Jhr Verstand steht auf einer tiefen Stufe. Sie sind furchtsam
jedem anderen Thiere gegenüber, obgleich sie sich bei drohender Gefahr durch Sträuben ihres
Stachelkleides und ein eigenthümliches Rasseln mit den Schwanzstacheln Furcht einzuflößen suchen.
Sie sind dumm, vergeßlich, wenig erfinderisch, boshaft und jähzornig. Mit anderen Geschöpfen
halten sie ebensowenig Freundschaft, als mit ihres Gleichen. Ein beliebter Bissen kann selbst
unter den Gatten eines Paares ernsthaften Streit hervorrufen. Niemals sieht man zwei Stachel-
schweine mit einander spielen oder auch nur freundschaftlich zusammen verkehren. Jedes geht seinen
eigenen Weg und bekümmert sich so wenig als möglich um das Andere, und höchstens um zu schla-
fen, legen sich ihrer zwei nahe neben einander nieder. Mit dem Menschen, welcher sie gefangen
hält und pflegt, befreunden sie sich nie; sie lernen auch ihren Wärter von anderen Personen nicht
unterscheiden. Jhre Stimme besteht in grunzenden, dumpfen Lauten, in Schnauben, leisem Stöhnen
und einem schwer zu beschreibenden Quieken; eine Art soll auch laut aufschreien können. Wahrschein-
lich des Grunzens halber ist ihnen der Name Schwein geworden, welcher im übrigen als gänzlich
unpassend erscheinen muß.

Allerhand Pflanzentheile, von der Wurzel an bis zur Frucht, bilden die Nahrung der Stachel-
schweine. Nach anderer Nager Art führen sie das Futter mit den Vorderpfoten zum Munde, oder

Die Stachelſchweine.
große Aehnlichkeit mit einander, und es iſt deshalb eigentlich unthunlich, eine allgemeine Beſchreibung
der Familie zu geben. Man kann im voraus höchſtens Folgendes ſagen: Der Leib iſt gedrungen,
der Hals kurz, der Kopf dick, der Schwanz kurz oder merkwürdig verlängert und dann greiffähig.
Die Beine ſind ziemlich gleich lang, die Füße vier-oder fünfzehig, breitſohlig, die Zehen mit ſtark
gekrümmten Nägeln bewehrt, die Ohren und Augen klein, die Schnauze iſt kurz, ſtumpf und an der
Oberlippe geſpalten. Die Stacheln ſind ſehr verſchieden hinſichtlich ihrer Länge und Stärke. Sie
ſtehen in geraden Reihen zwiſchen einem ſpärlichen Unterhaar oder umgekehrt einem längeren
Grannenhaar, welches ſo überwiegend werden kann, daß es die Stacheln gänzlich bedeckt. Be-
zeichnend für letztere iſt eine verhältnißmäßig lebhafte Färbung. Die Wirbelſäule zählt außer den
Halswirbeln zwölf bis dreizehn rippentragende, fünf rippenloſe, drei bis vier Kreuz- und bis zwölf
oder dreizehn Schwanzwirbel. Die Nagezähne ſind auf der Vorderſeite glatt oder gerinnelt, die vier
Backzähne in jeder Reihe ſind faſt gleich groß und ſchmelzfaltig.

Alle Stachelſchweine bewohnen gemäßigte und warme Länder der alten und neuen Welt. Dort
finden ſich die kurzſchwänzigen, auf der Erde lebenden, hier die langſchwänzigen, kletternden Arten.
Sie ſind ohne Ausnahme Nachtthiere, träge in ihrem Thun und Weſen, ſtumpfſinnig und ſchwach-
geiſtig. Die altweltlichen Arten ſind an den Boden gebunden, die neuweltlichen Baumthiere. Dem
entſprechend leben ſie in dünn beſtandenen Wäldern und Steppen oder in großen Waldungen; die
Erſteren bei Tage in ſelbſt gegrabenen Gängen und Höhlen verborgen, die Letzteren zuſammengeknäuelt
auf einer Aſtgabel dichter Baumwipfel oder in einer Baumhöhlung ſitzend. Ungeſellig wie ſie ſind,
vereinigen ſie ſich nur während der Fortpflanzungszeit zu kleinen Trupps, welche mehrere Tage mit
einander verbringen können. Den übrigen Theil des Jahres lebt jedes einſam für ſich. Jhre Be-
wegungen ſind langſam, gemeſſen, träge, zumal die kletternden Arten leiſten Erſtaunliches in der
gewiß ſchweren Kunſt, ſtunden- und tagelang bewegungslos auf ein und derſelben Stelle zu verharren.
Jedoch würde man irren, wenn man behaupten wollte, daß die Stachelſchweine raſcher und geſchickter
Bewegungen unfähig wären. Wenn einmal die Nacht eingetreten iſt und die Thiere ordentlich
munter geworden ſind, laufen die Einen trippelnden Ganges ſehr raſch auf dem Boden hin, und die
Anderen klettern, wenn auch nicht mit der Behendigkeit des Eichhorns, ſo doch immer gewandt
genug, in dem Gezweige auf und nieder. Die Bodenbewohner verſtehen auch das Graben meiſter-
haft und wiſſen allen Schwierigkeiten, welche ihnen harter Boden entgegenſetzt, zu begegnen. Unter
den Sinnen ſcheint ausnahmlos der Geruch obenan zu ſtehen und bei den Kletterſtachelſchweinen noch
der Taſtſinn einigermaßen ausgebildet zu ſein; Geſicht und Gehör dagegen ſind bei allen ſchwach.
Die geiſtigen Fähigkeiten ſind gering. Jhr Verſtand ſteht auf einer tiefen Stufe. Sie ſind furchtſam
jedem anderen Thiere gegenüber, obgleich ſie ſich bei drohender Gefahr durch Sträuben ihres
Stachelkleides und ein eigenthümliches Raſſeln mit den Schwanzſtacheln Furcht einzuflößen ſuchen.
Sie ſind dumm, vergeßlich, wenig erfinderiſch, boshaft und jähzornig. Mit anderen Geſchöpfen
halten ſie ebenſowenig Freundſchaft, als mit ihres Gleichen. Ein beliebter Biſſen kann ſelbſt
unter den Gatten eines Paares ernſthaften Streit hervorrufen. Niemals ſieht man zwei Stachel-
ſchweine mit einander ſpielen oder auch nur freundſchaftlich zuſammen verkehren. Jedes geht ſeinen
eigenen Weg und bekümmert ſich ſo wenig als möglich um das Andere, und höchſtens um zu ſchla-
fen, legen ſich ihrer zwei nahe neben einander nieder. Mit dem Menſchen, welcher ſie gefangen
hält und pflegt, befreunden ſie ſich nie; ſie lernen auch ihren Wärter von anderen Perſonen nicht
unterſcheiden. Jhre Stimme beſteht in grunzenden, dumpfen Lauten, in Schnauben, leiſem Stöhnen
und einem ſchwer zu beſchreibenden Quieken; eine Art ſoll auch laut aufſchreien können. Wahrſchein-
lich des Grunzens halber iſt ihnen der Name Schwein geworden, welcher im übrigen als gänzlich
unpaſſend erſcheinen muß.

Allerhand Pflanzentheile, von der Wurzel an bis zur Frucht, bilden die Nahrung der Stachel-
ſchweine. Nach anderer Nager Art führen ſie das Futter mit den Vorderpfoten zum Munde, oder

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[214/0232] Die Stachelſchweine. große Aehnlichkeit mit einander, und es iſt deshalb eigentlich unthunlich, eine allgemeine Beſchreibung der Familie zu geben. Man kann im voraus höchſtens Folgendes ſagen: Der Leib iſt gedrungen, der Hals kurz, der Kopf dick, der Schwanz kurz oder merkwürdig verlängert und dann greiffähig. Die Beine ſind ziemlich gleich lang, die Füße vier-oder fünfzehig, breitſohlig, die Zehen mit ſtark gekrümmten Nägeln bewehrt, die Ohren und Augen klein, die Schnauze iſt kurz, ſtumpf und an der Oberlippe geſpalten. Die Stacheln ſind ſehr verſchieden hinſichtlich ihrer Länge und Stärke. Sie ſtehen in geraden Reihen zwiſchen einem ſpärlichen Unterhaar oder umgekehrt einem längeren Grannenhaar, welches ſo überwiegend werden kann, daß es die Stacheln gänzlich bedeckt. Be- zeichnend für letztere iſt eine verhältnißmäßig lebhafte Färbung. Die Wirbelſäule zählt außer den Halswirbeln zwölf bis dreizehn rippentragende, fünf rippenloſe, drei bis vier Kreuz- und bis zwölf oder dreizehn Schwanzwirbel. Die Nagezähne ſind auf der Vorderſeite glatt oder gerinnelt, die vier Backzähne in jeder Reihe ſind faſt gleich groß und ſchmelzfaltig. Alle Stachelſchweine bewohnen gemäßigte und warme Länder der alten und neuen Welt. Dort finden ſich die kurzſchwänzigen, auf der Erde lebenden, hier die langſchwänzigen, kletternden Arten. Sie ſind ohne Ausnahme Nachtthiere, träge in ihrem Thun und Weſen, ſtumpfſinnig und ſchwach- geiſtig. Die altweltlichen Arten ſind an den Boden gebunden, die neuweltlichen Baumthiere. Dem entſprechend leben ſie in dünn beſtandenen Wäldern und Steppen oder in großen Waldungen; die Erſteren bei Tage in ſelbſt gegrabenen Gängen und Höhlen verborgen, die Letzteren zuſammengeknäuelt auf einer Aſtgabel dichter Baumwipfel oder in einer Baumhöhlung ſitzend. Ungeſellig wie ſie ſind, vereinigen ſie ſich nur während der Fortpflanzungszeit zu kleinen Trupps, welche mehrere Tage mit einander verbringen können. Den übrigen Theil des Jahres lebt jedes einſam für ſich. Jhre Be- wegungen ſind langſam, gemeſſen, träge, zumal die kletternden Arten leiſten Erſtaunliches in der gewiß ſchweren Kunſt, ſtunden- und tagelang bewegungslos auf ein und derſelben Stelle zu verharren. Jedoch würde man irren, wenn man behaupten wollte, daß die Stachelſchweine raſcher und geſchickter Bewegungen unfähig wären. Wenn einmal die Nacht eingetreten iſt und die Thiere ordentlich munter geworden ſind, laufen die Einen trippelnden Ganges ſehr raſch auf dem Boden hin, und die Anderen klettern, wenn auch nicht mit der Behendigkeit des Eichhorns, ſo doch immer gewandt genug, in dem Gezweige auf und nieder. Die Bodenbewohner verſtehen auch das Graben meiſter- haft und wiſſen allen Schwierigkeiten, welche ihnen harter Boden entgegenſetzt, zu begegnen. Unter den Sinnen ſcheint ausnahmlos der Geruch obenan zu ſtehen und bei den Kletterſtachelſchweinen noch der Taſtſinn einigermaßen ausgebildet zu ſein; Geſicht und Gehör dagegen ſind bei allen ſchwach. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind gering. Jhr Verſtand ſteht auf einer tiefen Stufe. Sie ſind furchtſam jedem anderen Thiere gegenüber, obgleich ſie ſich bei drohender Gefahr durch Sträuben ihres Stachelkleides und ein eigenthümliches Raſſeln mit den Schwanzſtacheln Furcht einzuflößen ſuchen. Sie ſind dumm, vergeßlich, wenig erfinderiſch, boshaft und jähzornig. Mit anderen Geſchöpfen halten ſie ebenſowenig Freundſchaft, als mit ihres Gleichen. Ein beliebter Biſſen kann ſelbſt unter den Gatten eines Paares ernſthaften Streit hervorrufen. Niemals ſieht man zwei Stachel- ſchweine mit einander ſpielen oder auch nur freundſchaftlich zuſammen verkehren. Jedes geht ſeinen eigenen Weg und bekümmert ſich ſo wenig als möglich um das Andere, und höchſtens um zu ſchla- fen, legen ſich ihrer zwei nahe neben einander nieder. Mit dem Menſchen, welcher ſie gefangen hält und pflegt, befreunden ſie ſich nie; ſie lernen auch ihren Wärter von anderen Perſonen nicht unterſcheiden. Jhre Stimme beſteht in grunzenden, dumpfen Lauten, in Schnauben, leiſem Stöhnen und einem ſchwer zu beſchreibenden Quieken; eine Art ſoll auch laut aufſchreien können. Wahrſchein- lich des Grunzens halber iſt ihnen der Name Schwein geworden, welcher im übrigen als gänzlich unpaſſend erſcheinen muß. Allerhand Pflanzentheile, von der Wurzel an bis zur Frucht, bilden die Nahrung der Stachel- ſchweine. Nach anderer Nager Art führen ſie das Futter mit den Vorderpfoten zum Munde, oder

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/232>, abgerufen am 27.11.2024.