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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Schrotmäuse oder die Trugratten. -- Der Schweif- oder Sumpfbiber.
unterhaltend in seinen Sitten. Er schwimmt fast ebenso gut, als der Biber und gebraucht dabei seine
hinteren Schwimmfüße ganz in derselben Weise. Mit seinen Vorderfüßen ist er außerordentlich ge-
schickt, er benutzt sie, wenn er aufrecht sitzt, wie Hände. Jch habe den spaßhaften Gaukeleien der
Sumpfbiber oft zugesehen und mich im höchsten Grade unterhalten über die Art und Weise, mit
welcher sie ihre Besitzung durchschwimmen und dabei jedes Ding auf's Genaueste prüfen, was ihnen
als neu vorkommt. Sobald man ein Häufchen Gras in ihr Becken wirft, nehmen sie es augenblick-
lich in ihre Vorderpfoten, schütteln es heftig, um die Wurzeln von aller Erde zu befreien, schaffen es
dann nach dem Wasser und waschen es dort mit einer so großen Gewandtheit, daß eine Wäscherin
von Gewerbe es kaum besser machen würde."

Ueber die Fortpflanzung ist noch nicht viel Sicheres bekannt. Das Weibchen wirft ein Mal
im Jahre vier bis sechs Junge in seiner Höhle. Diese wachsen rasch heran und folgen dann der
Alten lange Zeit bei ihren Ausflügen. Ein alter Naturforscher erzählt, daß man diese Jungen,
wenn man sich viel mit ihnen beschäftige, zum Fischfang abrichten könne. Doch scheint diese Angabe
auf einem Jrrthum zu beruhen und eher für den Fischotter zu gelten, dessen Namen "Nutria"
auch der Sumpfbiber bei den spanischen Einwohnern Amerikas führt.

Seines werthvollen Balges halber wird eifrig auf das Thier Jagd gemacht. Das weiche Haar
seines Pelzes wird hauptsächlich zu feinen Hüten verwandt und sehr theuer bezahlt. Bereits zu Ende
des vorigen Jahrhunderts verkaufte man zu Buenos Ayres einen Balg mit zwei Realen oder einem
Gulden unseres Geldes. Seitdem ist aber der Werth dieses Pelzwerkes noch gestiegen, obgleich man
jährlich Tausende von Fellen aus Südamerika nach Europa überführt, meist unter dem Namen
"Raconda-Nutria" oder amerikanischer Otterfelle. Bis zum Jahre 1823 wurden jährlich
zwischen 15 bis 20,000 Felle auf den europäischen Markt gebracht. Jm Jahre 1827 führte die
einzige Provinz Entre-Rios nach amtlichen Angaben des Zollhauses Buenos Ayres 300,000 Stück
aus und noch steigerte sich die Ausfuhr; denn zu Anfang der dreißiger Jahre wurden nur aus den
Sümpfen von Buenos Ayres und Montevideo gegen 50,000 Felle allein nach England gefandt.
So erging es dem Sumpfbiber wie seinem Namensvetter. Er wurde mehr und mehr vermindert, und
schon jetzt soll man in Buenos Ayres gewissermaßen ihn hegen und sehr schonen, um seiner gänzlichen
Ausrottung zu steuern. Das weiße, wohlschmeckende Fleisch wird an vielen Orten von den Ein-
geborenen gegessen, in anderen Gegenden aber verschmäht. Die katholischen Einwohner benutzen es
als Fastenspeise, da ja, wie bekannt, aller Naturgeschichte zum Trotz, die im Wasser lebenden
Säugethiere von den Herren Pfaffen als Fische betrachtet werden.

Man jagt die Sumpfbiber in Buenos Ayres hauptsächlich mit eigens abgerichteten Hunden,
welche jene im Wasser aufsuchen und dem Jäger zum Schuß treiben oder auch einen Kampf mit
ihnen ohne weiteres aufnehmen, obgleich der große Nager sich muthig und kräftig zu wehren weiß.
Auf den seichteren Stellen seiner Lieblingsorte und vor den Höhlen stellt man Schlagfallen auf. Jn
Paraguay wird nie anders Jagd auf den Sumpfbiber gemacht, als wenn man ihn zufälliger Weise
antrifft. Es ist nicht leicht, an ihn zu kommen, weil er sich bei dem geringsten Geräusch sofort flüchtet
und versteckt, und ebensowenig gelingt es dem Schützen, das Thier mit einem einzigen Schuß zu
tödten, weil das glatte, dicke Fell dem Eindringen der Schrote wehrt und ein nur verwundeter Sumpf-
biber sich noch zu retten weiß. Wird er aber durch den Kopf geschossen, so geht er unter wie Blei
und ist dann, wenn nicht ein vortrefflicher Hund dem Jäger zu Diensten steht, ebenfalls verloren.

Die Fischer von der Jnsel Chiloe berichten noch von einer zweiten "Nutria," welche nicht im
Süßwasser, sondern nur in kleinen Meerarmen oder Baien und Kanälen lebt und hauptsächlich
zwischen den Jnseln im Süden von Chiloe sich findet. Das Thier soll ausschließlich im Salzwasser
leben und sich auch durch die Nahrung von dem Sumpfbiber unterscheiden, indem es nicht allein
Wasserpflanzen, sondern auch allerhand Meerthiere, zumal Weichthiere, frißt. Bisjetzt ist aber noch
kein Fell dieser "Nutria" und noch viel weniger ein wissenschaftlich zubereiteter Balg den Naturfor-
schern zu Händen gekommen, und deshalb entbehrt jene Angabe noch jeder Bestätigung.



Die Schrotmäuſe oder die Trugratten. — Der Schweif- oder Sumpfbiber.
unterhaltend in ſeinen Sitten. Er ſchwimmt faſt ebenſo gut, als der Biber und gebraucht dabei ſeine
hinteren Schwimmfüße ganz in derſelben Weiſe. Mit ſeinen Vorderfüßen iſt er außerordentlich ge-
ſchickt, er benutzt ſie, wenn er aufrecht ſitzt, wie Hände. Jch habe den ſpaßhaften Gaukeleien der
Sumpfbiber oft zugeſehen und mich im höchſten Grade unterhalten über die Art und Weiſe, mit
welcher ſie ihre Beſitzung durchſchwimmen und dabei jedes Ding auf’s Genaueſte prüfen, was ihnen
als neu vorkommt. Sobald man ein Häufchen Gras in ihr Becken wirft, nehmen ſie es augenblick-
lich in ihre Vorderpfoten, ſchütteln es heftig, um die Wurzeln von aller Erde zu befreien, ſchaffen es
dann nach dem Waſſer und waſchen es dort mit einer ſo großen Gewandtheit, daß eine Wäſcherin
von Gewerbe es kaum beſſer machen würde.‟

Ueber die Fortpflanzung iſt noch nicht viel Sicheres bekannt. Das Weibchen wirft ein Mal
im Jahre vier bis ſechs Junge in ſeiner Höhle. Dieſe wachſen raſch heran und folgen dann der
Alten lange Zeit bei ihren Ausflügen. Ein alter Naturforſcher erzählt, daß man dieſe Jungen,
wenn man ſich viel mit ihnen beſchäftige, zum Fiſchfang abrichten könne. Doch ſcheint dieſe Angabe
auf einem Jrrthum zu beruhen und eher für den Fiſchotter zu gelten, deſſen Namen „Nutria‟
auch der Sumpfbiber bei den ſpaniſchen Einwohnern Amerikas führt.

Seines werthvollen Balges halber wird eifrig auf das Thier Jagd gemacht. Das weiche Haar
ſeines Pelzes wird hauptſächlich zu feinen Hüten verwandt und ſehr theuer bezahlt. Bereits zu Ende
des vorigen Jahrhunderts verkaufte man zu Buenos Ayres einen Balg mit zwei Realen oder einem
Gulden unſeres Geldes. Seitdem iſt aber der Werth dieſes Pelzwerkes noch geſtiegen, obgleich man
jährlich Tauſende von Fellen aus Südamerika nach Europa überführt, meiſt unter dem Namen
„Raconda-Nutria‟ oder amerikaniſcher Otterfelle. Bis zum Jahre 1823 wurden jährlich
zwiſchen 15 bis 20,000 Felle auf den europäiſchen Markt gebracht. Jm Jahre 1827 führte die
einzige Provinz Entre-Rios nach amtlichen Angaben des Zollhauſes Buenos Ayres 300,000 Stück
aus und noch ſteigerte ſich die Ausfuhr; denn zu Anfang der dreißiger Jahre wurden nur aus den
Sümpfen von Buenos Ayres und Montevideo gegen 50,000 Felle allein nach England gefandt.
So erging es dem Sumpfbiber wie ſeinem Namensvetter. Er wurde mehr und mehr vermindert, und
ſchon jetzt ſoll man in Buenos Ayres gewiſſermaßen ihn hegen und ſehr ſchonen, um ſeiner gänzlichen
Ausrottung zu ſteuern. Das weiße, wohlſchmeckende Fleiſch wird an vielen Orten von den Ein-
geborenen gegeſſen, in anderen Gegenden aber verſchmäht. Die katholiſchen Einwohner benutzen es
als Faſtenſpeiſe, da ja, wie bekannt, aller Naturgeſchichte zum Trotz, die im Waſſer lebenden
Säugethiere von den Herren Pfaffen als Fiſche betrachtet werden.

Man jagt die Sumpfbiber in Buenos Ayres hauptſächlich mit eigens abgerichteten Hunden,
welche jene im Waſſer aufſuchen und dem Jäger zum Schuß treiben oder auch einen Kampf mit
ihnen ohne weiteres aufnehmen, obgleich der große Nager ſich muthig und kräftig zu wehren weiß.
Auf den ſeichteren Stellen ſeiner Lieblingsorte und vor den Höhlen ſtellt man Schlagfallen auf. Jn
Paraguay wird nie anders Jagd auf den Sumpfbiber gemacht, als wenn man ihn zufälliger Weiſe
antrifft. Es iſt nicht leicht, an ihn zu kommen, weil er ſich bei dem geringſten Geräuſch ſofort flüchtet
und verſteckt, und ebenſowenig gelingt es dem Schützen, das Thier mit einem einzigen Schuß zu
tödten, weil das glatte, dicke Fell dem Eindringen der Schrote wehrt und ein nur verwundeter Sumpf-
biber ſich noch zu retten weiß. Wird er aber durch den Kopf geſchoſſen, ſo geht er unter wie Blei
und iſt dann, wenn nicht ein vortrefflicher Hund dem Jäger zu Dienſten ſteht, ebenfalls verloren.

Die Fiſcher von der Jnſel Chiloe berichten noch von einer zweiten „Nutria,‟ welche nicht im
Süßwaſſer, ſondern nur in kleinen Meerarmen oder Baien und Kanälen lebt und hauptſächlich
zwiſchen den Jnſeln im Süden von Chiloe ſich findet. Das Thier ſoll ausſchließlich im Salzwaſſer
leben und ſich auch durch die Nahrung von dem Sumpfbiber unterſcheiden, indem es nicht allein
Waſſerpflanzen, ſondern auch allerhand Meerthiere, zumal Weichthiere, frißt. Bisjetzt iſt aber noch
kein Fell dieſer „Nutria‟ und noch viel weniger ein wiſſenſchaftlich zubereiteter Balg den Naturfor-
ſchern zu Händen gekommen, und deshalb entbehrt jene Angabe noch jeder Beſtätigung.



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[212/0230] Die Schrotmäuſe oder die Trugratten. — Der Schweif- oder Sumpfbiber. unterhaltend in ſeinen Sitten. Er ſchwimmt faſt ebenſo gut, als der Biber und gebraucht dabei ſeine hinteren Schwimmfüße ganz in derſelben Weiſe. Mit ſeinen Vorderfüßen iſt er außerordentlich ge- ſchickt, er benutzt ſie, wenn er aufrecht ſitzt, wie Hände. Jch habe den ſpaßhaften Gaukeleien der Sumpfbiber oft zugeſehen und mich im höchſten Grade unterhalten über die Art und Weiſe, mit welcher ſie ihre Beſitzung durchſchwimmen und dabei jedes Ding auf’s Genaueſte prüfen, was ihnen als neu vorkommt. Sobald man ein Häufchen Gras in ihr Becken wirft, nehmen ſie es augenblick- lich in ihre Vorderpfoten, ſchütteln es heftig, um die Wurzeln von aller Erde zu befreien, ſchaffen es dann nach dem Waſſer und waſchen es dort mit einer ſo großen Gewandtheit, daß eine Wäſcherin von Gewerbe es kaum beſſer machen würde.‟ Ueber die Fortpflanzung iſt noch nicht viel Sicheres bekannt. Das Weibchen wirft ein Mal im Jahre vier bis ſechs Junge in ſeiner Höhle. Dieſe wachſen raſch heran und folgen dann der Alten lange Zeit bei ihren Ausflügen. Ein alter Naturforſcher erzählt, daß man dieſe Jungen, wenn man ſich viel mit ihnen beſchäftige, zum Fiſchfang abrichten könne. Doch ſcheint dieſe Angabe auf einem Jrrthum zu beruhen und eher für den Fiſchotter zu gelten, deſſen Namen „Nutria‟ auch der Sumpfbiber bei den ſpaniſchen Einwohnern Amerikas führt. Seines werthvollen Balges halber wird eifrig auf das Thier Jagd gemacht. Das weiche Haar ſeines Pelzes wird hauptſächlich zu feinen Hüten verwandt und ſehr theuer bezahlt. Bereits zu Ende des vorigen Jahrhunderts verkaufte man zu Buenos Ayres einen Balg mit zwei Realen oder einem Gulden unſeres Geldes. Seitdem iſt aber der Werth dieſes Pelzwerkes noch geſtiegen, obgleich man jährlich Tauſende von Fellen aus Südamerika nach Europa überführt, meiſt unter dem Namen „Raconda-Nutria‟ oder amerikaniſcher Otterfelle. Bis zum Jahre 1823 wurden jährlich zwiſchen 15 bis 20,000 Felle auf den europäiſchen Markt gebracht. Jm Jahre 1827 führte die einzige Provinz Entre-Rios nach amtlichen Angaben des Zollhauſes Buenos Ayres 300,000 Stück aus und noch ſteigerte ſich die Ausfuhr; denn zu Anfang der dreißiger Jahre wurden nur aus den Sümpfen von Buenos Ayres und Montevideo gegen 50,000 Felle allein nach England gefandt. So erging es dem Sumpfbiber wie ſeinem Namensvetter. Er wurde mehr und mehr vermindert, und ſchon jetzt ſoll man in Buenos Ayres gewiſſermaßen ihn hegen und ſehr ſchonen, um ſeiner gänzlichen Ausrottung zu ſteuern. Das weiße, wohlſchmeckende Fleiſch wird an vielen Orten von den Ein- geborenen gegeſſen, in anderen Gegenden aber verſchmäht. Die katholiſchen Einwohner benutzen es als Faſtenſpeiſe, da ja, wie bekannt, aller Naturgeſchichte zum Trotz, die im Waſſer lebenden Säugethiere von den Herren Pfaffen als Fiſche betrachtet werden. Man jagt die Sumpfbiber in Buenos Ayres hauptſächlich mit eigens abgerichteten Hunden, welche jene im Waſſer aufſuchen und dem Jäger zum Schuß treiben oder auch einen Kampf mit ihnen ohne weiteres aufnehmen, obgleich der große Nager ſich muthig und kräftig zu wehren weiß. Auf den ſeichteren Stellen ſeiner Lieblingsorte und vor den Höhlen ſtellt man Schlagfallen auf. Jn Paraguay wird nie anders Jagd auf den Sumpfbiber gemacht, als wenn man ihn zufälliger Weiſe antrifft. Es iſt nicht leicht, an ihn zu kommen, weil er ſich bei dem geringſten Geräuſch ſofort flüchtet und verſteckt, und ebenſowenig gelingt es dem Schützen, das Thier mit einem einzigen Schuß zu tödten, weil das glatte, dicke Fell dem Eindringen der Schrote wehrt und ein nur verwundeter Sumpf- biber ſich noch zu retten weiß. Wird er aber durch den Kopf geſchoſſen, ſo geht er unter wie Blei und iſt dann, wenn nicht ein vortrefflicher Hund dem Jäger zu Dienſten ſteht, ebenfalls verloren. Die Fiſcher von der Jnſel Chiloe berichten noch von einer zweiten „Nutria,‟ welche nicht im Süßwaſſer, ſondern nur in kleinen Meerarmen oder Baien und Kanälen lebt und hauptſächlich zwiſchen den Jnſeln im Süden von Chiloe ſich findet. Das Thier ſoll ausſchließlich im Salzwaſſer leben und ſich auch durch die Nahrung von dem Sumpfbiber unterſcheiden, indem es nicht allein Waſſerpflanzen, ſondern auch allerhand Meerthiere, zumal Weichthiere, frißt. Bisjetzt iſt aber noch kein Fell dieſer „Nutria‟ und noch viel weniger ein wiſſenſchaftlich zubereiteter Balg den Naturfor- ſchern zu Händen gekommen, und deshalb entbehrt jene Angabe noch jeder Beſtätigung.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/230>, abgerufen am 23.11.2024.