und immer trauriger und sterben endlich dahin. Gibt man ihnen aber Weizen, Reis, etwas Milch und dann und wann eine Weinbeere, ein Stückchen Apfel, eine Möhre oder sonst eine andere Frucht, so befinden sie sich sehr wohl.
Nach Europa kommen die zarten Thiere äußerst selten, und ich darf es wohl als ein besonderes Glück betrachten, daß eben jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, eine Wüstenspringmaus in einem Käfig neben mir sitzt oder vielmehr schläft; denn es ist früher Morgen und sie ist vor wenigen Minuten eben zu Bette gegangen. Jch will versuchen, das Betragen dieses höchst liebenswürdigen und an- muthigen Geschöpfes so genau als möglich zu schildern, weil in den meisten Werken die Bewegung und das Wesen der Springmäuse ganz falsch beschrieben sind.
Die Springmäuse, welche Sonini in Egypten hielt, waren am lustigsten, wenn die Sonne durchs Fenster schien und sprangen dann oft an allen Wänden in die Höhe, "als wenn sie Gummi elasticum im Leibe hätten"; sie übten auch alle andern Bewegungen mit dem größten Vergnügen aus. Die, welche ich in ihrem Vaterlande zahm hielt, waren allerdings auch zuweilen bei Tage in Bewegung, bewiesen aber schlagend genug, daß die Nacht die wahre Zeit ihres munteren Treibens ist. Genau so beträgt sich mein jetziger liebwerther Stubengenosse. Er schläft den ganzen Tag vom frühen Morgen an bis zum späten Abend und wenn man ihn nicht stört, kommt er auch nicht einen Augenblick aus seinem Neste hervor. Gegenwärtig (November) begibt er sich Morgens um 1/47 Uhr zur Ruhe und nun schläft er seine guten zwölf Stunden in einem Zuge fort. Aber auch während der Nacht ruht er noch mehrere Male halbe Stündchen aus. Wenn man ihn bei Tage aus seinem Neste nimmt, zeigt er sich sehr schläfrig. Er fällt in der Hand hin und her und kann sich lange Zeit gar nicht ermuntern. Seine Stellung beim Schlafen ist recht eigenthümlich. Gewöhnlich sitzt er in seinem Neste auf den ziemlich eng zusammengestellten Fersen so, daß die weiter aus einanderstehenden Fußspitzen in der Luft schweben. Den Kopf biegt er ganz herab, so daß die Stirn unten auf dem Boden aufliegt und die Schnauze an den Unterleib angedrückt wird. Der Schwanz liegt in großem Bogen über die Fußspitzen weg. So gleicht das Thier einem Balle, über dessen Oberfläche blos die übermäßig langen Beine hervorragen. Manchmal legt sich die Springmaus aber auch auf die Seite oder selbst auf den Rücken und streckt dann die Beine sonderbar nach oben; immer aber bleibt sie in dieser zusammengerollten Stellung. Die Ohren werden beim Schlafen dicht an den Kopf gedrückt und an ihrer Spitze theilweise eingerollt, so daß sie ganz faltig sind und gleichsam wie zerknittert aussehen. Bewegungslos liegt das Thier in dem warmen Nestchen, bis der Abend ordentlich herein- gebrochen ist. Nunmehr macht sich ein leises Rascheln und Sichrühren im Neste bemerklich. Der Langschläfer putzt sich; er glättet die Ohren, er läßt einen leisen, wie schwacher Husten klingenden Ton vernehmen, und plötzlich springt er mit einem einzigen Satze durch die Nestöffnung hervor und beginnt nun sein eigenthümliches Nachtleben. Das erste Geschäft, welches er jetzt besorgt, ist das Putzen. Jn der Reinlichkeit übertrifft die Springmaus kein einziger anderer Nager. Fast alle ihre freie Zeit wird verwandt, um das seidenweiche Fell in Ordnung zu halten. Härchen für Härchen wird durchgekämmt und durchgeleckt, jeder Theil des Körpers, selbst der Schwanz, gehörig besorgt. Einen wesentlichen Dienst leistet ihr dabei feiner Sand; dieser ist ihr überhaupt ganz unentbehrlich. Als ich sie erhielt, mochte sie lange des Sandes entbehrt haben; denn sie wälzte sich, sobald ich ihr denselben gab, mit förmlicher Wollust in dem ihr so nothwendigen Stoffe umher, kratzte und wühlte und konnte sich gar nicht von ihm trennen. Beim Putzen nimmt sie die verschiedensten Stellungen an. Gewöhnlich sitzt sie nur auf den Zehenspitzen und gewissermaßen auf dem Schwanze. Sie hebt nämlich die Fersen etwa 11/2 Zoll vom Boden auf, bildet mit dem Schwanze einen großen Bogen und stemmt ihn, mit dem letzten Viertel etwa, auf den Boden auf; den Leib trägt sie dabei vorn nur ein wenig erhöht; die Hände legt sie mit den Handflächen gegen einander, daß die Fingerspitzen oder besser die Krallen sich berühren. Dabei hält sie diese kurzen, stummelartigen Glieder gerade nach vorn und gestreckt, so daß sie auf den ersten Blick hin als Zubehör zu ihrem Maule erscheinen. Wenn sie sich aber putzt, weiß sie die zierlichen Gliedmaßen ganz vortrefflich zu gebrauchen. Ehe sie
Die egyptiſche Springmaus.
und immer trauriger und ſterben endlich dahin. Gibt man ihnen aber Weizen, Reis, etwas Milch und dann und wann eine Weinbeere, ein Stückchen Apfel, eine Möhre oder ſonſt eine andere Frucht, ſo befinden ſie ſich ſehr wohl.
Nach Europa kommen die zarten Thiere äußerſt ſelten, und ich darf es wohl als ein beſonderes Glück betrachten, daß eben jetzt, wo ich dieſe Zeilen ſchreibe, eine Wüſtenſpringmaus in einem Käfig neben mir ſitzt oder vielmehr ſchläft; denn es iſt früher Morgen und ſie iſt vor wenigen Minuten eben zu Bette gegangen. Jch will verſuchen, das Betragen dieſes höchſt liebenswürdigen und an- muthigen Geſchöpfes ſo genau als möglich zu ſchildern, weil in den meiſten Werken die Bewegung und das Weſen der Springmäuſe ganz falſch beſchrieben ſind.
Die Springmäuſe, welche Sonini in Egypten hielt, waren am luſtigſten, wenn die Sonne durchs Fenſter ſchien und ſprangen dann oft an allen Wänden in die Höhe, „als wenn ſie Gummi elaſticum im Leibe hätten‟; ſie übten auch alle andern Bewegungen mit dem größten Vergnügen aus. Die, welche ich in ihrem Vaterlande zahm hielt, waren allerdings auch zuweilen bei Tage in Bewegung, bewieſen aber ſchlagend genug, daß die Nacht die wahre Zeit ihres munteren Treibens iſt. Genau ſo beträgt ſich mein jetziger liebwerther Stubengenoſſe. Er ſchläft den ganzen Tag vom frühen Morgen an bis zum ſpäten Abend und wenn man ihn nicht ſtört, kommt er auch nicht einen Augenblick aus ſeinem Neſte hervor. Gegenwärtig (November) begibt er ſich Morgens um ¼7 Uhr zur Ruhe und nun ſchläft er ſeine guten zwölf Stunden in einem Zuge fort. Aber auch während der Nacht ruht er noch mehrere Male halbe Stündchen aus. Wenn man ihn bei Tage aus ſeinem Neſte nimmt, zeigt er ſich ſehr ſchläfrig. Er fällt in der Hand hin und her und kann ſich lange Zeit gar nicht ermuntern. Seine Stellung beim Schlafen iſt recht eigenthümlich. Gewöhnlich ſitzt er in ſeinem Neſte auf den ziemlich eng zuſammengeſtellten Ferſen ſo, daß die weiter aus einanderſtehenden Fußſpitzen in der Luft ſchweben. Den Kopf biegt er ganz herab, ſo daß die Stirn unten auf dem Boden aufliegt und die Schnauze an den Unterleib angedrückt wird. Der Schwanz liegt in großem Bogen über die Fußſpitzen weg. So gleicht das Thier einem Balle, über deſſen Oberfläche blos die übermäßig langen Beine hervorragen. Manchmal legt ſich die Springmaus aber auch auf die Seite oder ſelbſt auf den Rücken und ſtreckt dann die Beine ſonderbar nach oben; immer aber bleibt ſie in dieſer zuſammengerollten Stellung. Die Ohren werden beim Schlafen dicht an den Kopf gedrückt und an ihrer Spitze theilweiſe eingerollt, ſo daß ſie ganz faltig ſind und gleichſam wie zerknittert ausſehen. Bewegungslos liegt das Thier in dem warmen Neſtchen, bis der Abend ordentlich herein- gebrochen iſt. Nunmehr macht ſich ein leiſes Raſcheln und Sichrühren im Neſte bemerklich. Der Langſchläfer putzt ſich; er glättet die Ohren, er läßt einen leiſen, wie ſchwacher Huſten klingenden Ton vernehmen, und plötzlich ſpringt er mit einem einzigen Satze durch die Neſtöffnung hervor und beginnt nun ſein eigenthümliches Nachtleben. Das erſte Geſchäft, welches er jetzt beſorgt, iſt das Putzen. Jn der Reinlichkeit übertrifft die Springmaus kein einziger anderer Nager. Faſt alle ihre freie Zeit wird verwandt, um das ſeidenweiche Fell in Ordnung zu halten. Härchen für Härchen wird durchgekämmt und durchgeleckt, jeder Theil des Körpers, ſelbſt der Schwanz, gehörig beſorgt. Einen weſentlichen Dienſt leiſtet ihr dabei feiner Sand; dieſer iſt ihr überhaupt ganz unentbehrlich. Als ich ſie erhielt, mochte ſie lange des Sandes entbehrt haben; denn ſie wälzte ſich, ſobald ich ihr denſelben gab, mit förmlicher Wolluſt in dem ihr ſo nothwendigen Stoffe umher, kratzte und wühlte und konnte ſich gar nicht von ihm trennen. Beim Putzen nimmt ſie die verſchiedenſten Stellungen an. Gewöhnlich ſitzt ſie nur auf den Zehenſpitzen und gewiſſermaßen auf dem Schwanze. Sie hebt nämlich die Ferſen etwa 1½ Zoll vom Boden auf, bildet mit dem Schwanze einen großen Bogen und ſtemmt ihn, mit dem letzten Viertel etwa, auf den Boden auf; den Leib trägt ſie dabei vorn nur ein wenig erhöht; die Hände legt ſie mit den Handflächen gegen einander, daß die Fingerſpitzen oder beſſer die Krallen ſich berühren. Dabei hält ſie dieſe kurzen, ſtummelartigen Glieder gerade nach vorn und geſtreckt, ſo daß ſie auf den erſten Blick hin als Zubehör zu ihrem Maule erſcheinen. Wenn ſie ſich aber putzt, weiß ſie die zierlichen Gliedmaßen ganz vortrefflich zu gebrauchen. Ehe ſie
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[185/0201]
Die egyptiſche Springmaus.
und immer trauriger und ſterben endlich dahin. Gibt man ihnen aber Weizen, Reis, etwas Milch
und dann und wann eine Weinbeere, ein Stückchen Apfel, eine Möhre oder ſonſt eine andere Frucht,
ſo befinden ſie ſich ſehr wohl.
Nach Europa kommen die zarten Thiere äußerſt ſelten, und ich darf es wohl als ein beſonderes
Glück betrachten, daß eben jetzt, wo ich dieſe Zeilen ſchreibe, eine Wüſtenſpringmaus in einem Käfig
neben mir ſitzt oder vielmehr ſchläft; denn es iſt früher Morgen und ſie iſt vor wenigen Minuten
eben zu Bette gegangen. Jch will verſuchen, das Betragen dieſes höchſt liebenswürdigen und an-
muthigen Geſchöpfes ſo genau als möglich zu ſchildern, weil in den meiſten Werken die Bewegung
und das Weſen der Springmäuſe ganz falſch beſchrieben ſind.
Die Springmäuſe, welche Sonini in Egypten hielt, waren am luſtigſten, wenn die Sonne
durchs Fenſter ſchien und ſprangen dann oft an allen Wänden in die Höhe, „als wenn ſie Gummi
elaſticum im Leibe hätten‟; ſie übten auch alle andern Bewegungen mit dem größten Vergnügen
aus. Die, welche ich in ihrem Vaterlande zahm hielt, waren allerdings auch zuweilen bei Tage in
Bewegung, bewieſen aber ſchlagend genug, daß die Nacht die wahre Zeit ihres munteren Treibens
iſt. Genau ſo beträgt ſich mein jetziger liebwerther Stubengenoſſe. Er ſchläft den ganzen Tag vom
frühen Morgen an bis zum ſpäten Abend und wenn man ihn nicht ſtört, kommt er auch nicht einen
Augenblick aus ſeinem Neſte hervor. Gegenwärtig (November) begibt er ſich Morgens um ¼7 Uhr
zur Ruhe und nun ſchläft er ſeine guten zwölf Stunden in einem Zuge fort. Aber auch während
der Nacht ruht er noch mehrere Male halbe Stündchen aus. Wenn man ihn bei Tage aus ſeinem
Neſte nimmt, zeigt er ſich ſehr ſchläfrig. Er fällt in der Hand hin und her und kann ſich lange Zeit
gar nicht ermuntern. Seine Stellung beim Schlafen iſt recht eigenthümlich. Gewöhnlich ſitzt er in
ſeinem Neſte auf den ziemlich eng zuſammengeſtellten Ferſen ſo, daß die weiter aus einanderſtehenden
Fußſpitzen in der Luft ſchweben. Den Kopf biegt er ganz herab, ſo daß die Stirn unten auf dem
Boden aufliegt und die Schnauze an den Unterleib angedrückt wird. Der Schwanz liegt in großem
Bogen über die Fußſpitzen weg. So gleicht das Thier einem Balle, über deſſen Oberfläche blos die
übermäßig langen Beine hervorragen. Manchmal legt ſich die Springmaus aber auch auf die Seite
oder ſelbſt auf den Rücken und ſtreckt dann die Beine ſonderbar nach oben; immer aber bleibt ſie in
dieſer zuſammengerollten Stellung. Die Ohren werden beim Schlafen dicht an den Kopf gedrückt
und an ihrer Spitze theilweiſe eingerollt, ſo daß ſie ganz faltig ſind und gleichſam wie zerknittert
ausſehen. Bewegungslos liegt das Thier in dem warmen Neſtchen, bis der Abend ordentlich herein-
gebrochen iſt. Nunmehr macht ſich ein leiſes Raſcheln und Sichrühren im Neſte bemerklich. Der
Langſchläfer putzt ſich; er glättet die Ohren, er läßt einen leiſen, wie ſchwacher Huſten klingenden
Ton vernehmen, und plötzlich ſpringt er mit einem einzigen Satze durch die Neſtöffnung hervor und
beginnt nun ſein eigenthümliches Nachtleben. Das erſte Geſchäft, welches er jetzt beſorgt, iſt das
Putzen. Jn der Reinlichkeit übertrifft die Springmaus kein einziger anderer Nager. Faſt alle ihre
freie Zeit wird verwandt, um das ſeidenweiche Fell in Ordnung zu halten. Härchen für Härchen
wird durchgekämmt und durchgeleckt, jeder Theil des Körpers, ſelbſt der Schwanz, gehörig beſorgt.
Einen weſentlichen Dienſt leiſtet ihr dabei feiner Sand; dieſer iſt ihr überhaupt ganz unentbehrlich.
Als ich ſie erhielt, mochte ſie lange des Sandes entbehrt haben; denn ſie wälzte ſich, ſobald ich ihr
denſelben gab, mit förmlicher Wolluſt in dem ihr ſo nothwendigen Stoffe umher, kratzte und wühlte
und konnte ſich gar nicht von ihm trennen. Beim Putzen nimmt ſie die verſchiedenſten Stellungen
an. Gewöhnlich ſitzt ſie nur auf den Zehenſpitzen und gewiſſermaßen auf dem Schwanze. Sie hebt
nämlich die Ferſen etwa 1½ Zoll vom Boden auf, bildet mit dem Schwanze einen großen Bogen
und ſtemmt ihn, mit dem letzten Viertel etwa, auf den Boden auf; den Leib trägt ſie dabei vorn nur
ein wenig erhöht; die Hände legt ſie mit den Handflächen gegen einander, daß die Fingerſpitzen oder
beſſer die Krallen ſich berühren. Dabei hält ſie dieſe kurzen, ſtummelartigen Glieder gerade nach
vorn und geſtreckt, ſo daß ſie auf den erſten Blick hin als Zubehör zu ihrem Maule erſcheinen.
Wenn ſie ſich aber putzt, weiß ſie die zierlichen Gliedmaßen ganz vortrefflich zu gebrauchen. Ehe ſie
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/201>, abgerufen am 24.11.2024.
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