Die Springmäuse bewohnen vorzugsweise Afrika und Asien; einige Arten reichen aber auch nach Südosteuropa herüber und zwei Sippen sind Nordamerika eigen. Sie sind Bewohner des trockenen, freien Feldes, der grasreichen Steppe und der dürren Sandwüsten, also eigentliche Wü- stenthiere, wie auch die Färbung augenblicklich erkennen läßt. Auf lehmigem oder sandigen Boden, in den Niederungen, nur selten auf Anhöhen oder an dichten, buschigen Wiesensäumen und in der Nähe von Feldern schlagen sie ihre Wohnsitze auf. Eine einzige Art findet sich auch im Gebirge. Sie hausen in selbstgegrabenen, unterirdischen Höhlen, mit vielen verzweigten, aber meist sehr seichten Gängen, welche immer in zahlreiche Ausgänge münden. Stets leben sie gesellig und sind deshalb regelmäßig zu größeren Trupps vereinigt. Bei Tage in ihren Bauen verborgen, erscheinen sie nach Sonnenuntergang und führen dann ein gar lustiges Leben; nur wenige sind auch im Sonnen- schein thätig.
Jhre Nahrung besteht aus Wurzeln, Zwiebeln, mancherlei Körnern und Samen, Früchten, Blättern, Gras und Kräutern. Einige benagen auch die Rinde der niederen Sträucher und manche verzehren auch Kerbthiere, ja selbst kleine Vögel, gehen sogar das Aas an und fressen unter Um- ständen einander auf. Die Nahrung nehmen sie in halb aufrechter Stellung zu sich, sitzend auf das Hintertheil und den Schwanz gestützt; das Futter führen sie mit den Vorderpfoten zum Munde.
Jhre Bewegungen sind eigenthümlicher Art. Der ruhige Gang unterscheidet sich von dem des Känguru insofern, als sie in rascher Folge ein Bein vor das andere setzen; auf der Flucht aber för- dern sie sich sprungweise allein auf den Hinterbeinen. Sie schnellen sich dann mit den kräftigen Hinterfüßen hoch auf in die Luft, mit dem zweizeiligen Schwanze regeln sie die Richtung und erhalten sich das Gleichgewicht des Körpers. Dabei legen sie die Vorderbeine entweder an das Kinn oder gekreuzt, wie ein schnelllaufender Mensch an die Brust, und deshalb führen sie eben den Namen "Dipus" oder zweifüßig; denn wirklich scheint es, als besäßen sie blos die Hinterfüße, während sie springen. Die größeren Arten vermögen ganz gewaltige Sätze auszuführen; und man kann von allen sagen, daß die weiteren Sätze das Zwanzigfache ihrer Leibeslänge betragen. So ist die größte Art im Stande, Entfernungen von 20 Fuß zu überspringen. Ein Sprung folgt unmittelbar auf den andern und wenn sie in voller Flucht sind, sieht man eigentlich blos einen gelben Gegenstand, welcher in seichten Bogen wie ein Pfeil die Luft durchschießt. Mit ebensogroßer Behendigkeit graben sie auch im Boden, trotz der schwachen Vorderfüße, welche diese Arbeit hauptsächlich verrichten müssen. Während sie weiden, gehen sie, ebenfalls wieder wie das Känguru, auf vier Beinen, sehr langsam und immer nur auf kurze Zeit. Jm Sitzen ruhen sie immer auf den Sohlen der Hinterfüße.
Alle Arten sind scharfsinnig, namentlich feinhörig und fernsichtig und wissen daher drohenden Gefahren leicht zu entgehen. Sie sind äußerst furchtsam, scheu und flüchtig, und suchen sich bei jeder Störung so eilig als möglich nach ihrem Bau zu retten, oder ergreifen, wenn ihnen Dies nicht möglich wird, mit rasender Schnelligkeit die Flucht. Die größte Art vertheidigt sich im allerhöchsten Nothfalle nach Känguruart auch mit den Hinterbeinen; die Kleineren machen, wenn sie ergriffen wer- den, nie von ihrer natürlichen Waffe Gebrauch.
Jhre Stimme besteht in einer Art von Winseln, welches dem Geschrei junger Katzen ähnlich ist, bei anderen wohl auch in einem dumpfen Grunzen. Aber man hört nur selten überhaupt einen Ton von ihnen. Bei geringer Wärme verfallen sie in eine Art von Winterschlaf oder erstarren wenig- stens auf kurze Zeit; niemals aber tragen sie sich, wie andere Nager, Vorräthe für den Winter ein.
Für die Gefangenschaft sind leider wenige zu gebrauchen; denn die meisten Arten sind überaus zart und gehen, selbst bei der besten Pflege, leicht zu Grunde, wahrscheinlich weil man ihnen die natürliche Nahrung doch nicht ersetzen kann. Aber für die kurze Zeit, welche man sie erhalten kann, sind sie, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, überaus angenehme und anmuthige Gesellschafter des Menschen; namentlich ihre große Gutmüthigkeit, Sanftmuth und Harmlosigkeit erwirbt ihren Gewalt- herrn bald zum Freunde. Nur wenige können lebend nach anderen Erdtheilen geführt werden, halten aber dort leider nie lange aus.
Die Springmäuſe.
Die Springmäuſe bewohnen vorzugsweiſe Afrika und Aſien; einige Arten reichen aber auch nach Südoſteuropa herüber und zwei Sippen ſind Nordamerika eigen. Sie ſind Bewohner des trockenen, freien Feldes, der grasreichen Steppe und der dürren Sandwüſten, alſo eigentliche Wü- ſtenthiere, wie auch die Färbung augenblicklich erkennen läßt. Auf lehmigem oder ſandigen Boden, in den Niederungen, nur ſelten auf Anhöhen oder an dichten, buſchigen Wieſenſäumen und in der Nähe von Feldern ſchlagen ſie ihre Wohnſitze auf. Eine einzige Art findet ſich auch im Gebirge. Sie hauſen in ſelbſtgegrabenen, unterirdiſchen Höhlen, mit vielen verzweigten, aber meiſt ſehr ſeichten Gängen, welche immer in zahlreiche Ausgänge münden. Stets leben ſie geſellig und ſind deshalb regelmäßig zu größeren Trupps vereinigt. Bei Tage in ihren Bauen verborgen, erſcheinen ſie nach Sonnenuntergang und führen dann ein gar luſtiges Leben; nur wenige ſind auch im Sonnen- ſchein thätig.
Jhre Nahrung beſteht aus Wurzeln, Zwiebeln, mancherlei Körnern und Samen, Früchten, Blättern, Gras und Kräutern. Einige benagen auch die Rinde der niederen Sträucher und manche verzehren auch Kerbthiere, ja ſelbſt kleine Vögel, gehen ſogar das Aas an und freſſen unter Um- ſtänden einander auf. Die Nahrung nehmen ſie in halb aufrechter Stellung zu ſich, ſitzend auf das Hintertheil und den Schwanz geſtützt; das Futter führen ſie mit den Vorderpfoten zum Munde.
Jhre Bewegungen ſind eigenthümlicher Art. Der ruhige Gang unterſcheidet ſich von dem des Känguru inſofern, als ſie in raſcher Folge ein Bein vor das andere ſetzen; auf der Flucht aber för- dern ſie ſich ſprungweiſe allein auf den Hinterbeinen. Sie ſchnellen ſich dann mit den kräftigen Hinterfüßen hoch auf in die Luft, mit dem zweizeiligen Schwanze regeln ſie die Richtung und erhalten ſich das Gleichgewicht des Körpers. Dabei legen ſie die Vorderbeine entweder an das Kinn oder gekreuzt, wie ein ſchnelllaufender Menſch an die Bruſt, und deshalb führen ſie eben den Namen „Dipus‟ oder zweifüßig; denn wirklich ſcheint es, als beſäßen ſie blos die Hinterfüße, während ſie ſpringen. Die größeren Arten vermögen ganz gewaltige Sätze auszuführen; und man kann von allen ſagen, daß die weiteren Sätze das Zwanzigfache ihrer Leibeslänge betragen. So iſt die größte Art im Stande, Entfernungen von 20 Fuß zu überſpringen. Ein Sprung folgt unmittelbar auf den andern und wenn ſie in voller Flucht ſind, ſieht man eigentlich blos einen gelben Gegenſtand, welcher in ſeichten Bogen wie ein Pfeil die Luft durchſchießt. Mit ebenſogroßer Behendigkeit graben ſie auch im Boden, trotz der ſchwachen Vorderfüße, welche dieſe Arbeit hauptſächlich verrichten müſſen. Während ſie weiden, gehen ſie, ebenfalls wieder wie das Känguru, auf vier Beinen, ſehr langſam und immer nur auf kurze Zeit. Jm Sitzen ruhen ſie immer auf den Sohlen der Hinterfüße.
Alle Arten ſind ſcharfſinnig, namentlich feinhörig und fernſichtig und wiſſen daher drohenden Gefahren leicht zu entgehen. Sie ſind äußerſt furchtſam, ſcheu und flüchtig, und ſuchen ſich bei jeder Störung ſo eilig als möglich nach ihrem Bau zu retten, oder ergreifen, wenn ihnen Dies nicht möglich wird, mit raſender Schnelligkeit die Flucht. Die größte Art vertheidigt ſich im allerhöchſten Nothfalle nach Känguruart auch mit den Hinterbeinen; die Kleineren machen, wenn ſie ergriffen wer- den, nie von ihrer natürlichen Waffe Gebrauch.
Jhre Stimme beſteht in einer Art von Winſeln, welches dem Geſchrei junger Katzen ähnlich iſt, bei anderen wohl auch in einem dumpfen Grunzen. Aber man hört nur ſelten überhaupt einen Ton von ihnen. Bei geringer Wärme verfallen ſie in eine Art von Winterſchlaf oder erſtarren wenig- ſtens auf kurze Zeit; niemals aber tragen ſie ſich, wie andere Nager, Vorräthe für den Winter ein.
Für die Gefangenſchaft ſind leider wenige zu gebrauchen; denn die meiſten Arten ſind überaus zart und gehen, ſelbſt bei der beſten Pflege, leicht zu Grunde, wahrſcheinlich weil man ihnen die natürliche Nahrung doch nicht erſetzen kann. Aber für die kurze Zeit, welche man ſie erhalten kann, ſind ſie, wie ich aus eigener Erfahrung beſtätigen kann, überaus angenehme und anmuthige Geſellſchafter des Menſchen; namentlich ihre große Gutmüthigkeit, Sanftmuth und Harmloſigkeit erwirbt ihren Gewalt- herrn bald zum Freunde. Nur wenige können lebend nach anderen Erdtheilen geführt werden, halten aber dort leider nie lange aus.
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Die Springmäuſe.
Die Springmäuſe bewohnen vorzugsweiſe Afrika und Aſien; einige Arten reichen aber auch
nach Südoſteuropa herüber und zwei Sippen ſind Nordamerika eigen. Sie ſind Bewohner des
trockenen, freien Feldes, der grasreichen Steppe und der dürren Sandwüſten, alſo eigentliche Wü-
ſtenthiere, wie auch die Färbung augenblicklich erkennen läßt. Auf lehmigem oder ſandigen Boden,
in den Niederungen, nur ſelten auf Anhöhen oder an dichten, buſchigen Wieſenſäumen und in der
Nähe von Feldern ſchlagen ſie ihre Wohnſitze auf. Eine einzige Art findet ſich auch im Gebirge.
Sie hauſen in ſelbſtgegrabenen, unterirdiſchen Höhlen, mit vielen verzweigten, aber meiſt ſehr ſeichten
Gängen, welche immer in zahlreiche Ausgänge münden. Stets leben ſie geſellig und ſind deshalb
regelmäßig zu größeren Trupps vereinigt. Bei Tage in ihren Bauen verborgen, erſcheinen ſie nach
Sonnenuntergang und führen dann ein gar luſtiges Leben; nur wenige ſind auch im Sonnen-
ſchein thätig.
Jhre Nahrung beſteht aus Wurzeln, Zwiebeln, mancherlei Körnern und Samen, Früchten,
Blättern, Gras und Kräutern. Einige benagen auch die Rinde der niederen Sträucher und manche
verzehren auch Kerbthiere, ja ſelbſt kleine Vögel, gehen ſogar das Aas an und freſſen unter Um-
ſtänden einander auf. Die Nahrung nehmen ſie in halb aufrechter Stellung zu ſich, ſitzend auf das
Hintertheil und den Schwanz geſtützt; das Futter führen ſie mit den Vorderpfoten zum Munde.
Jhre Bewegungen ſind eigenthümlicher Art. Der ruhige Gang unterſcheidet ſich von dem des
Känguru inſofern, als ſie in raſcher Folge ein Bein vor das andere ſetzen; auf der Flucht aber för-
dern ſie ſich ſprungweiſe allein auf den Hinterbeinen. Sie ſchnellen ſich dann mit den kräftigen
Hinterfüßen hoch auf in die Luft, mit dem zweizeiligen Schwanze regeln ſie die Richtung und erhalten
ſich das Gleichgewicht des Körpers. Dabei legen ſie die Vorderbeine entweder an das Kinn oder
gekreuzt, wie ein ſchnelllaufender Menſch an die Bruſt, und deshalb führen ſie eben den Namen
„Dipus‟ oder zweifüßig; denn wirklich ſcheint es, als beſäßen ſie blos die Hinterfüße, während ſie
ſpringen. Die größeren Arten vermögen ganz gewaltige Sätze auszuführen; und man kann von
allen ſagen, daß die weiteren Sätze das Zwanzigfache ihrer Leibeslänge betragen. So iſt die größte
Art im Stande, Entfernungen von 20 Fuß zu überſpringen. Ein Sprung folgt unmittelbar auf
den andern und wenn ſie in voller Flucht ſind, ſieht man eigentlich blos einen gelben Gegenſtand,
welcher in ſeichten Bogen wie ein Pfeil die Luft durchſchießt. Mit ebenſogroßer Behendigkeit graben
ſie auch im Boden, trotz der ſchwachen Vorderfüße, welche dieſe Arbeit hauptſächlich verrichten
müſſen. Während ſie weiden, gehen ſie, ebenfalls wieder wie das Känguru, auf vier Beinen, ſehr
langſam und immer nur auf kurze Zeit. Jm Sitzen ruhen ſie immer auf den Sohlen der Hinterfüße.
Alle Arten ſind ſcharfſinnig, namentlich feinhörig und fernſichtig und wiſſen daher drohenden
Gefahren leicht zu entgehen. Sie ſind äußerſt furchtſam, ſcheu und flüchtig, und ſuchen ſich bei jeder
Störung ſo eilig als möglich nach ihrem Bau zu retten, oder ergreifen, wenn ihnen Dies nicht
möglich wird, mit raſender Schnelligkeit die Flucht. Die größte Art vertheidigt ſich im allerhöchſten
Nothfalle nach Känguruart auch mit den Hinterbeinen; die Kleineren machen, wenn ſie ergriffen wer-
den, nie von ihrer natürlichen Waffe Gebrauch.
Jhre Stimme beſteht in einer Art von Winſeln, welches dem Geſchrei junger Katzen ähnlich iſt,
bei anderen wohl auch in einem dumpfen Grunzen. Aber man hört nur ſelten überhaupt einen Ton
von ihnen. Bei geringer Wärme verfallen ſie in eine Art von Winterſchlaf oder erſtarren wenig-
ſtens auf kurze Zeit; niemals aber tragen ſie ſich, wie andere Nager, Vorräthe für den Winter ein.
Für die Gefangenſchaft ſind leider wenige zu gebrauchen; denn die meiſten Arten ſind überaus zart
und gehen, ſelbſt bei der beſten Pflege, leicht zu Grunde, wahrſcheinlich weil man ihnen die natürliche
Nahrung doch nicht erſetzen kann. Aber für die kurze Zeit, welche man ſie erhalten kann, ſind ſie,
wie ich aus eigener Erfahrung beſtätigen kann, überaus angenehme und anmuthige Geſellſchafter des
Menſchen; namentlich ihre große Gutmüthigkeit, Sanftmuth und Harmloſigkeit erwirbt ihren Gewalt-
herrn bald zum Freunde. Nur wenige können lebend nach anderen Erdtheilen geführt werden, halten
aber dort leider nie lange aus.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/194>, abgerufen am 27.11.2024.
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