Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Wühlmäuse. -- Die Wurzelmäuse.
wohl von ihm so befeindeten Raubthiere vermögen zu helfen. Man wendet mit gutem Erfolg
Mäusebohrer an, mit denen man da, wo es der Boden erlaubt, Löcher von 4 bis 6 Zoll Durchmesser
etwa 2 Fuß tief in die Erde gräbt, und erzielt damit, daß die hineinfallenden Mäuse, ohne daran
zu denken, sich Fluchtröhren zu graben, einander auffressen und sich so gegenseitig vernichten. Man
läßt beim Umackern der Felder Kinder mit Stöcken hinter dem Pfluge hergehen und soviel Mäuse
als möglich erschlagen; man treibt Rauch in ihre Höhlen, wirft vergiftete Körner hinein, über-
gießt sogar ganze Felder mit einem Absud von Brechnuß oder Wolfsmilch, kurz, man wendet Alles
an, um diese greuliche Plage los zu werden; aber gewöhnlich sind sämmtliche Mittel sogut wie ver-
geblich. Weit mehr leisten Thiere in Vertilgung der Mäuse. Schon wenn man nach der Ernte
die Schweineherden auf die Felder treibt, verspürt man bald einen sehr guten Erfolg; denn die
Schweine nähren sich dann fast ausschließlich von Mäusen und zerstören ihnen zu gleicher Zeit ihre
Wohnungen. Auch abgerichtete Pintscherhunde leisten Unglaubliches. Sie jagen sie zu ihrem
Vergnügen mit wirklich beispiellosem Eifer, wühlen ihr Wild aus der Erde, fassen es im Genick,
schütteln es zu Tode und werfen es weg, ohne sich weiter an ihm zu vergreifen. Doch auch sie sind
noch nicht die eigentlichen Feinde. Diese sind der Jltis, die beiden Wieselarten, die Haus-
katzen,
die Eulen und vor allen die Bussarde. Wenn wir die erstgenannten Thiere als nützliche
Geschöpfe ansehen müssen, sind wir geradezu gezwungen, die Bussarde als heilige Vögel zu erklären.
Was ein Bussard in Vertilgung der Mäuse leisten kann, ist schwer zu glauben. Blasius fand
Mäusebussarde, welche einige dreißig Feldmäuse im Magen hatten: -- und solche Mahlzeit ist
für die schnellverdauenden Räuber nur ein Frühstück; denn schon nach einigen Stunden ist der toll
und voll gefressene Bussard wieder im Stande, seine Jagd von neuem zu beginnen. Vernünftige
Landwirthe schonen deshalb diese vortrefflichen Vögel soviel als möglich und erleichtern ihnen ihre
Jagd auf jede Weise. Der reichbegüterte Graf Paleske hat auf allen seinen Feldern hohe Stangen
aufgerichtet und oben mit einem Querholz versehen. Ein solches Beispiel verdient Nachahmung;
wir können es gar nicht dringend genug allen vernünftigen Menschen empfehlen. Solche Stangen sind
herrliche Warten für Raubvögel, und man sieht sie auch fast immer besetzt. Wer auf das Treiben
der Bussarde achten will, wird bald bemerken, daß dem scharfen Falkenauge so leicht keine Maus
entgeht, und daß die sicher verloren ist, welche sich aus ihrem Loche herauswagt.

Die Liste der beachtenswerthen Wühlmäuse ist jedoch noch nicht geschlossen. Zwei von ihnen
verlangen noch eine ausführlichere Besprechung: die Wurzelmäuse, von denen die eine (Arvicola
oeconomus
) in Sibirien, die andere (Arvicola subterraneus) in Nord- und Mitteldeutschland vor-
kommt. Die erstere ist etwas größer, als unsere Feldmaus, 41/2 Zoll lang, wovon etwas über einen
Zoll auf den Schwanz kommt. Oben ist sie hellgelblichgrau, unten grau. Der Schwanz ist oben
braun, unten weiß. Von der Feldmaus unterscheidet sie sich durch den kürzeren Kopf, die kleineren
Augen und die kurzen, fast versteckten Ohren.

Pallas und Steller haben uns sehr anziehende Schilderungen von dem Leben dieses Thieres
hinterlassen. Die Wurzelmaus findet sich von dem Obi bis nach Kamtschatka in allen Ebenen, oft
in großer Menge, und wird von den armen Einwohnern jener traurigöden Gegenden geradezu als
Wohlthäterin betrachtet. Sie ist das Gegentheil von der Feldmaus: sie arbeitet zum Besten des
Menschen, anstatt ihm zu schaden. Unter dem Rasen macht sich das Thier lange Gänge, welche zu
einem in geringer Tiefe liegenden, großen, runden Neste von einem Fuß Durchmesser führen, das
seinerseits mit einigen sehr geräumigen Vorrathskammern in Verbindung steht. Das Nest selbst ist
mit allerhand Pflanzenstoffen weich ausgefüttert und dient der Maus zum Lager und zum Wochen-
bette; die Vorrathskammern aber füllt sie mit allerhand Wurzeln an.

"Man vermag kaum zu begreifen," sagt Pallas, "wie ein Paar so kleiner Thiere eine so große
Menge Wurzeln aus dem zähen Rasen hervorgraben und zusammentragen können. Man findet oft
8 bis 10 Pfund in einer Kammer und manchmal deren 3 bis 4 in der Nähe eines Nestes. Die

Die Wühlmäuſe. — Die Wurzelmäuſe.
wohl von ihm ſo befeindeten Raubthiere vermögen zu helfen. Man wendet mit gutem Erfolg
Mäuſebohrer an, mit denen man da, wo es der Boden erlaubt, Löcher von 4 bis 6 Zoll Durchmeſſer
etwa 2 Fuß tief in die Erde gräbt, und erzielt damit, daß die hineinfallenden Mäuſe, ohne daran
zu denken, ſich Fluchtröhren zu graben, einander auffreſſen und ſich ſo gegenſeitig vernichten. Man
läßt beim Umackern der Felder Kinder mit Stöcken hinter dem Pfluge hergehen und ſoviel Mäuſe
als möglich erſchlagen; man treibt Rauch in ihre Höhlen, wirft vergiftete Körner hinein, über-
gießt ſogar ganze Felder mit einem Abſud von Brechnuß oder Wolfsmilch, kurz, man wendet Alles
an, um dieſe greuliche Plage los zu werden; aber gewöhnlich ſind ſämmtliche Mittel ſogut wie ver-
geblich. Weit mehr leiſten Thiere in Vertilgung der Mäuſe. Schon wenn man nach der Ernte
die Schweineherden auf die Felder treibt, verſpürt man bald einen ſehr guten Erfolg; denn die
Schweine nähren ſich dann faſt ausſchließlich von Mäuſen und zerſtören ihnen zu gleicher Zeit ihre
Wohnungen. Auch abgerichtete Pintſcherhunde leiſten Unglaubliches. Sie jagen ſie zu ihrem
Vergnügen mit wirklich beiſpielloſem Eifer, wühlen ihr Wild aus der Erde, faſſen es im Genick,
ſchütteln es zu Tode und werfen es weg, ohne ſich weiter an ihm zu vergreifen. Doch auch ſie ſind
noch nicht die eigentlichen Feinde. Dieſe ſind der Jltis, die beiden Wieſelarten, die Haus-
katzen,
die Eulen und vor allen die Buſſarde. Wenn wir die erſtgenannten Thiere als nützliche
Geſchöpfe anſehen müſſen, ſind wir geradezu gezwungen, die Buſſarde als heilige Vögel zu erklären.
Was ein Buſſard in Vertilgung der Mäuſe leiſten kann, iſt ſchwer zu glauben. Blaſius fand
Mäuſebuſſarde, welche einige dreißig Feldmäuſe im Magen hatten: — und ſolche Mahlzeit iſt
für die ſchnellverdauenden Räuber nur ein Frühſtück; denn ſchon nach einigen Stunden iſt der toll
und voll gefreſſene Buſſard wieder im Stande, ſeine Jagd von neuem zu beginnen. Vernünftige
Landwirthe ſchonen deshalb dieſe vortrefflichen Vögel ſoviel als möglich und erleichtern ihnen ihre
Jagd auf jede Weiſe. Der reichbegüterte Graf Paleske hat auf allen ſeinen Feldern hohe Stangen
aufgerichtet und oben mit einem Querholz verſehen. Ein ſolches Beiſpiel verdient Nachahmung;
wir können es gar nicht dringend genug allen vernünftigen Menſchen empfehlen. Solche Stangen ſind
herrliche Warten für Raubvögel, und man ſieht ſie auch faſt immer beſetzt. Wer auf das Treiben
der Buſſarde achten will, wird bald bemerken, daß dem ſcharfen Falkenauge ſo leicht keine Maus
entgeht, und daß die ſicher verloren iſt, welche ſich aus ihrem Loche herauswagt.

Die Liſte der beachtenswerthen Wühlmäuſe iſt jedoch noch nicht geſchloſſen. Zwei von ihnen
verlangen noch eine ausführlichere Beſprechung: die Wurzelmäuſe, von denen die eine (Arvicola
oeconomus
) in Sibirien, die andere (Arvicola subterraneus) in Nord- und Mitteldeutſchland vor-
kommt. Die erſtere iſt etwas größer, als unſere Feldmaus, 4½ Zoll lang, wovon etwas über einen
Zoll auf den Schwanz kommt. Oben iſt ſie hellgelblichgrau, unten grau. Der Schwanz iſt oben
braun, unten weiß. Von der Feldmaus unterſcheidet ſie ſich durch den kürzeren Kopf, die kleineren
Augen und die kurzen, faſt verſteckten Ohren.

Pallas und Steller haben uns ſehr anziehende Schilderungen von dem Leben dieſes Thieres
hinterlaſſen. Die Wurzelmaus findet ſich von dem Obi bis nach Kamtſchatka in allen Ebenen, oft
in großer Menge, und wird von den armen Einwohnern jener traurigöden Gegenden geradezu als
Wohlthäterin betrachtet. Sie iſt das Gegentheil von der Feldmaus: ſie arbeitet zum Beſten des
Menſchen, anſtatt ihm zu ſchaden. Unter dem Raſen macht ſich das Thier lange Gänge, welche zu
einem in geringer Tiefe liegenden, großen, runden Neſte von einem Fuß Durchmeſſer führen, das
ſeinerſeits mit einigen ſehr geräumigen Vorrathskammern in Verbindung ſteht. Das Neſt ſelbſt iſt
mit allerhand Pflanzenſtoffen weich ausgefüttert und dient der Maus zum Lager und zum Wochen-
bette; die Vorrathskammern aber füllt ſie mit allerhand Wurzeln an.

„Man vermag kaum zu begreifen,‟ ſagt Pallas, „wie ein Paar ſo kleiner Thiere eine ſo große
Menge Wurzeln aus dem zähen Raſen hervorgraben und zuſammentragen können. Man findet oft
8 bis 10 Pfund in einer Kammer und manchmal deren 3 bis 4 in der Nähe eines Neſtes. Die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0178" n="162"/><fw place="top" type="header">Die Wühlmäu&#x017F;e. &#x2014; Die Wurzelmäu&#x017F;e.</fw><lb/>
wohl von ihm &#x017F;o befeindeten Raubthiere vermögen zu helfen. Man wendet mit gutem Erfolg<lb/>
Mäu&#x017F;ebohrer an, mit denen man da, wo es der Boden erlaubt, Löcher von 4 bis 6 Zoll Durchme&#x017F;&#x017F;er<lb/>
etwa 2 Fuß tief in die Erde gräbt, und erzielt damit, daß die hineinfallenden Mäu&#x017F;e, ohne daran<lb/>
zu denken, &#x017F;ich Fluchtröhren zu graben, einander auffre&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ich &#x017F;o gegen&#x017F;eitig vernichten. Man<lb/>
läßt beim Umackern der Felder Kinder mit Stöcken hinter dem Pfluge hergehen und &#x017F;oviel Mäu&#x017F;e<lb/>
als möglich er&#x017F;chlagen; man treibt Rauch in ihre Höhlen, wirft vergiftete Körner hinein, über-<lb/>
gießt &#x017F;ogar ganze Felder mit einem Ab&#x017F;ud von Brechnuß oder Wolfsmilch, kurz, man wendet Alles<lb/>
an, um die&#x017F;e greuliche Plage los zu werden; aber gewöhnlich &#x017F;ind &#x017F;ämmtliche Mittel &#x017F;ogut wie ver-<lb/>
geblich. Weit mehr lei&#x017F;ten Thiere in Vertilgung der Mäu&#x017F;e. Schon wenn man nach der Ernte<lb/>
die Schweineherden auf die Felder treibt, ver&#x017F;pürt man bald einen &#x017F;ehr guten Erfolg; denn die<lb/>
Schweine nähren &#x017F;ich dann fa&#x017F;t aus&#x017F;chließlich von Mäu&#x017F;en und zer&#x017F;tören ihnen zu gleicher Zeit ihre<lb/>
Wohnungen. Auch abgerichtete <hi rendition="#g">Pint&#x017F;cherhunde</hi> lei&#x017F;ten Unglaubliches. Sie jagen &#x017F;ie zu ihrem<lb/>
Vergnügen mit wirklich bei&#x017F;piello&#x017F;em Eifer, wühlen ihr Wild aus der Erde, fa&#x017F;&#x017F;en es im Genick,<lb/>
&#x017F;chütteln es zu Tode und werfen es weg, ohne &#x017F;ich weiter an ihm zu vergreifen. Doch auch &#x017F;ie &#x017F;ind<lb/>
noch nicht die eigentlichen Feinde. Die&#x017F;e &#x017F;ind der <hi rendition="#g">Jltis,</hi> die beiden <hi rendition="#g">Wie&#x017F;elarten,</hi> die <hi rendition="#g">Haus-<lb/>
katzen,</hi> die <hi rendition="#g">Eulen</hi> und vor allen die <hi rendition="#g">Bu&#x017F;&#x017F;arde.</hi> Wenn wir die er&#x017F;tgenannten Thiere als nützliche<lb/>
Ge&#x017F;chöpfe an&#x017F;ehen mü&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ind wir geradezu gezwungen, die Bu&#x017F;&#x017F;arde als <hi rendition="#g">heilige</hi> Vögel zu erklären.<lb/>
Was ein Bu&#x017F;&#x017F;ard in Vertilgung der Mäu&#x017F;e lei&#x017F;ten kann, i&#x017F;t &#x017F;chwer zu glauben. <hi rendition="#g">Bla&#x017F;ius</hi> fand<lb/>
Mäu&#x017F;ebu&#x017F;&#x017F;arde, welche <hi rendition="#g">einige dreißig Feldmäu&#x017F;e</hi> im Magen hatten: &#x2014; und &#x017F;olche Mahlzeit i&#x017F;t<lb/>
für die &#x017F;chnellverdauenden Räuber nur ein Früh&#x017F;tück; denn &#x017F;chon nach einigen Stunden i&#x017F;t der toll<lb/>
und voll gefre&#x017F;&#x017F;ene Bu&#x017F;&#x017F;ard wieder im Stande, &#x017F;eine Jagd von neuem zu beginnen. Vernünftige<lb/>
Landwirthe &#x017F;chonen deshalb die&#x017F;e vortrefflichen Vögel &#x017F;oviel als möglich und erleichtern ihnen ihre<lb/>
Jagd auf jede Wei&#x017F;e. Der reichbegüterte Graf <hi rendition="#g">Paleske</hi> hat auf allen &#x017F;einen Feldern hohe Stangen<lb/>
aufgerichtet und oben mit einem Querholz ver&#x017F;ehen. Ein &#x017F;olches Bei&#x017F;piel verdient Nachahmung;<lb/>
wir können es gar nicht dringend genug allen vernünftigen Men&#x017F;chen empfehlen. Solche Stangen &#x017F;ind<lb/>
herrliche Warten für Raubvögel, und man &#x017F;ieht &#x017F;ie auch fa&#x017F;t immer be&#x017F;etzt. Wer auf das Treiben<lb/>
der Bu&#x017F;&#x017F;arde achten will, wird bald bemerken, daß dem &#x017F;charfen Falkenauge &#x017F;o leicht keine Maus<lb/>
entgeht, und daß die &#x017F;icher verloren i&#x017F;t, welche &#x017F;ich aus ihrem Loche herauswagt.</p><lb/>
              <p>Die Li&#x017F;te der beachtenswerthen Wühlmäu&#x017F;e i&#x017F;t jedoch noch nicht ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Zwei von ihnen<lb/>
verlangen noch eine ausführlichere Be&#x017F;prechung: die <hi rendition="#g">Wurzelmäu&#x017F;e,</hi> von denen die eine (<hi rendition="#aq">Arvicola<lb/>
oeconomus</hi>) in Sibirien, die andere (<hi rendition="#aq">Arvicola subterraneus</hi>) in Nord- und Mitteldeut&#x017F;chland vor-<lb/>
kommt. Die er&#x017F;tere i&#x017F;t etwas größer, als un&#x017F;ere Feldmaus, 4½ Zoll lang, wovon etwas über einen<lb/>
Zoll auf den Schwanz kommt. Oben i&#x017F;t &#x017F;ie hellgelblichgrau, unten grau. Der Schwanz i&#x017F;t oben<lb/>
braun, unten weiß. Von der Feldmaus unter&#x017F;cheidet &#x017F;ie &#x017F;ich durch den kürzeren Kopf, die kleineren<lb/>
Augen und die kurzen, fa&#x017F;t ver&#x017F;teckten Ohren.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Pallas</hi> und <hi rendition="#g">Steller</hi> haben uns &#x017F;ehr anziehende Schilderungen von dem Leben die&#x017F;es Thieres<lb/>
hinterla&#x017F;&#x017F;en. Die Wurzelmaus findet &#x017F;ich von dem Obi bis nach Kamt&#x017F;chatka in allen Ebenen, oft<lb/>
in großer Menge, und wird von den armen Einwohnern jener traurigöden Gegenden geradezu als<lb/>
Wohlthäterin betrachtet. Sie i&#x017F;t das Gegentheil von der Feldmaus: &#x017F;ie arbeitet zum Be&#x017F;ten des<lb/>
Men&#x017F;chen, an&#x017F;tatt ihm zu &#x017F;chaden. Unter dem Ra&#x017F;en macht &#x017F;ich das Thier lange Gänge, welche zu<lb/>
einem in geringer Tiefe liegenden, großen, runden Ne&#x017F;te von einem Fuß Durchme&#x017F;&#x017F;er führen, das<lb/>
&#x017F;einer&#x017F;eits mit einigen &#x017F;ehr geräumigen Vorrathskammern in Verbindung &#x017F;teht. Das Ne&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t<lb/>
mit allerhand Pflanzen&#x017F;toffen weich ausgefüttert und dient der Maus zum Lager und zum Wochen-<lb/>
bette; die Vorrathskammern aber füllt &#x017F;ie mit allerhand Wurzeln an.</p><lb/>
              <p>&#x201E;Man vermag kaum zu begreifen,&#x201F; &#x017F;agt <hi rendition="#g">Pallas,</hi> &#x201E;wie ein Paar &#x017F;o kleiner Thiere eine &#x017F;o große<lb/>
Menge Wurzeln aus dem zähen Ra&#x017F;en hervorgraben und zu&#x017F;ammentragen können. Man findet oft<lb/>
8 bis 10 Pfund in einer Kammer und manchmal deren 3 bis 4 in der Nähe eines Ne&#x017F;tes. Die<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0178] Die Wühlmäuſe. — Die Wurzelmäuſe. wohl von ihm ſo befeindeten Raubthiere vermögen zu helfen. Man wendet mit gutem Erfolg Mäuſebohrer an, mit denen man da, wo es der Boden erlaubt, Löcher von 4 bis 6 Zoll Durchmeſſer etwa 2 Fuß tief in die Erde gräbt, und erzielt damit, daß die hineinfallenden Mäuſe, ohne daran zu denken, ſich Fluchtröhren zu graben, einander auffreſſen und ſich ſo gegenſeitig vernichten. Man läßt beim Umackern der Felder Kinder mit Stöcken hinter dem Pfluge hergehen und ſoviel Mäuſe als möglich erſchlagen; man treibt Rauch in ihre Höhlen, wirft vergiftete Körner hinein, über- gießt ſogar ganze Felder mit einem Abſud von Brechnuß oder Wolfsmilch, kurz, man wendet Alles an, um dieſe greuliche Plage los zu werden; aber gewöhnlich ſind ſämmtliche Mittel ſogut wie ver- geblich. Weit mehr leiſten Thiere in Vertilgung der Mäuſe. Schon wenn man nach der Ernte die Schweineherden auf die Felder treibt, verſpürt man bald einen ſehr guten Erfolg; denn die Schweine nähren ſich dann faſt ausſchließlich von Mäuſen und zerſtören ihnen zu gleicher Zeit ihre Wohnungen. Auch abgerichtete Pintſcherhunde leiſten Unglaubliches. Sie jagen ſie zu ihrem Vergnügen mit wirklich beiſpielloſem Eifer, wühlen ihr Wild aus der Erde, faſſen es im Genick, ſchütteln es zu Tode und werfen es weg, ohne ſich weiter an ihm zu vergreifen. Doch auch ſie ſind noch nicht die eigentlichen Feinde. Dieſe ſind der Jltis, die beiden Wieſelarten, die Haus- katzen, die Eulen und vor allen die Buſſarde. Wenn wir die erſtgenannten Thiere als nützliche Geſchöpfe anſehen müſſen, ſind wir geradezu gezwungen, die Buſſarde als heilige Vögel zu erklären. Was ein Buſſard in Vertilgung der Mäuſe leiſten kann, iſt ſchwer zu glauben. Blaſius fand Mäuſebuſſarde, welche einige dreißig Feldmäuſe im Magen hatten: — und ſolche Mahlzeit iſt für die ſchnellverdauenden Räuber nur ein Frühſtück; denn ſchon nach einigen Stunden iſt der toll und voll gefreſſene Buſſard wieder im Stande, ſeine Jagd von neuem zu beginnen. Vernünftige Landwirthe ſchonen deshalb dieſe vortrefflichen Vögel ſoviel als möglich und erleichtern ihnen ihre Jagd auf jede Weiſe. Der reichbegüterte Graf Paleske hat auf allen ſeinen Feldern hohe Stangen aufgerichtet und oben mit einem Querholz verſehen. Ein ſolches Beiſpiel verdient Nachahmung; wir können es gar nicht dringend genug allen vernünftigen Menſchen empfehlen. Solche Stangen ſind herrliche Warten für Raubvögel, und man ſieht ſie auch faſt immer beſetzt. Wer auf das Treiben der Buſſarde achten will, wird bald bemerken, daß dem ſcharfen Falkenauge ſo leicht keine Maus entgeht, und daß die ſicher verloren iſt, welche ſich aus ihrem Loche herauswagt. Die Liſte der beachtenswerthen Wühlmäuſe iſt jedoch noch nicht geſchloſſen. Zwei von ihnen verlangen noch eine ausführlichere Beſprechung: die Wurzelmäuſe, von denen die eine (Arvicola oeconomus) in Sibirien, die andere (Arvicola subterraneus) in Nord- und Mitteldeutſchland vor- kommt. Die erſtere iſt etwas größer, als unſere Feldmaus, 4½ Zoll lang, wovon etwas über einen Zoll auf den Schwanz kommt. Oben iſt ſie hellgelblichgrau, unten grau. Der Schwanz iſt oben braun, unten weiß. Von der Feldmaus unterſcheidet ſie ſich durch den kürzeren Kopf, die kleineren Augen und die kurzen, faſt verſteckten Ohren. Pallas und Steller haben uns ſehr anziehende Schilderungen von dem Leben dieſes Thieres hinterlaſſen. Die Wurzelmaus findet ſich von dem Obi bis nach Kamtſchatka in allen Ebenen, oft in großer Menge, und wird von den armen Einwohnern jener traurigöden Gegenden geradezu als Wohlthäterin betrachtet. Sie iſt das Gegentheil von der Feldmaus: ſie arbeitet zum Beſten des Menſchen, anſtatt ihm zu ſchaden. Unter dem Raſen macht ſich das Thier lange Gänge, welche zu einem in geringer Tiefe liegenden, großen, runden Neſte von einem Fuß Durchmeſſer führen, das ſeinerſeits mit einigen ſehr geräumigen Vorrathskammern in Verbindung ſteht. Das Neſt ſelbſt iſt mit allerhand Pflanzenſtoffen weich ausgefüttert und dient der Maus zum Lager und zum Wochen- bette; die Vorrathskammern aber füllt ſie mit allerhand Wurzeln an. „Man vermag kaum zu begreifen,‟ ſagt Pallas, „wie ein Paar ſo kleiner Thiere eine ſo große Menge Wurzeln aus dem zähen Raſen hervorgraben und zuſammentragen können. Man findet oft 8 bis 10 Pfund in einer Kammer und manchmal deren 3 bis 4 in der Nähe eines Neſtes. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/178
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/178>, abgerufen am 02.05.2024.