sie im Flachlande häufiger auftritt. Jn den Alpen steigt sie bis 6000 Fuß über dem Meere empor. Baumleere Gegenden, Felder und Wiesen, seltener Waldränder und Waldblößen sind ihre bevor- zugten Wohnplätze, und nicht allein das trockene, bebaute Land, sondern auch die feuchten Sumpf- niederungen müssen ihr Herberge geben. Hier legt sie sich in den trockenen Bülten ihre Gänge und Nester an, dort baut sie sich seichte Gänge mit 4 bis 6 verschiedenen Eingangslöchern, welche außen durch niedergetretene, vertiefte Wege verbunden sind. Jm Herbst zieht sie sich unter Getreidehaufen zusammen oder kommt in die Wohnungen, in Scheuern, Ställe und Keller. Jn den Häusern lebt sie vorzugsweise in den Kellern, nicht auf dem Boden, wie die eigentlichen Mäuse. Jm Winter gräbt sie wohl auch lange Gänge unter dem Schnee. Sie sammelt, wo sie kann, Vorräthe ein, namentlich Getreide und andere Sämereien; bei eintretendem Mangel aber wandert sie gesellig aus, gewöhnlich blos nach einem benachbarten Felde, zuweilen aber auch scharenweise aus einer Gegend in die andere, und setzt dabei über Bergrücken und schwimmend über breite Flüsse. Sie läuft gut, schwimmt ganz vortrefflich, klettert aber wenig und unbeholfen. Das Graben versteht sie meisterhaft. Sie wühlt schneller, als irgend eine andere Maus, und ist im Höhlenbauen uner- müdlich. Jhrer Lebensweise nach ist sie fast ebensosehr Tag- als Nachtthier. Man sieht sie auch während des heißesten Sonnenbrandes außerhalb ihrer Baue, wenn sie gleich die Morgen- und Abendzeit dem heißen Mittag vorzuziehen scheint. Wärme und Trockenheit sind für sie Lebensbe- dingungen; bei anhaltender Feuchtigkeit geht sie zu Grunde.
Jhre Nahrung besteht aus allen möglichen Pflanzenstoffen. Wenn sie Sämereien hat, wählt sie nur diese, sonst begnügt sie sich auch mit frischen Gräsern und Kräutern, mit Wurzeln und Blät- tern, mit Klee, Früchten und Beeren. Bucheckern und Nüsse, Getreidekörner, Rüben und Kar- toffeln werden oft arg von ihr heimgesucht. Wenn das Getreide zu reifen beginnt, sammelt sie sich in Scharen auf den Feldern, beißt die Halme unten ab, bis sie umstürzen, nagt sie dann oben durch und schleppt die Aehren in ihre Baue. Während der Ernte folgt sie den Schnittern auf dem Fuße von den Winter- zu den Sommerfeldern nach, frißt die ausgefallenen Körner zwischen den Stoppeln auf, trägt sich die beim Binden der Garben verlorenen Aehren zusammen und findet sich zuletzt noch auf den Hagefeldern ein, auch dort noch Vorräthe für den Winter einsammelnd. Jn den Wäldern schleppt sie die abgefallenen Hagebutten und Wachholderbeeren, Bucheckern, Eicheln und Nüsse nach ihrem Baue. Während der rauhesten Jahreszeit verfällt sie in einen unterbrochenen Winterschlaf. Bei gelinder Witterung erwacht sie wieder und zehrt dann von ihren Vorräthen. Sie ist unglaublich gefräßig und bedarf sehr viel, um sich zu sättigen, kann auch das Wasser nicht entbehren.
Jm hohen Grade gesellig, lebt die Feldmaus ziemlich einträchtig mit ihres Gleichen, min- destens paarweise zusammen, häusiger aber in großen Scharen, und deshalb sieht man Bau an Bau gereiht. Jhre Vermehrung ist außerordeutlich stark. Schon im April findet man in ihren warmen Nestern, welche 11/2 bis 2 Fuß tief unter dem Boden liegen und mit zerbissenem Gras, fein zermalmten Halmen oder auch mit Mos weich ausgekleidet sind, 4 bis 8 Junge, und im Ver- lauf der warmen Jahreszeit wirft ein Weibchen noch vier bis sechs Mal. Höchst wahrscheinlich sind die Jungen des ersten Wurfes im Herbst schon wieder fortpflanzungsfähig, und daher nur läßt sich die zuweilen stattfindende erstannliche Vermehrung erklären.
"Unter günstigen Umständen," sagt Blasius, "vermehren sich die Feldmäuse in unglaublicher Weise. Es sind viele Beispiele bekannt, daß durch ihre übermäßige Vermehrung auf weite Länder- strecken hin ein großer Theil der Ernte vernichtet worden ist, und mehr als tausend Morgen junge Buchenschonungen durch Abnagen der Rinde zerstört worden sind. Wer solche mäusereiche Jahre nicht erlebt hat, vermag sich schwerlich eine Vorstellung von dem fast unheimlichen, buntbeweglichen Treiben der Mäuse in Feld und Wald zu machen. Oft erscheinen sie in einer bestimmten Gegend, ohne daß man einen allmählichen Zuwachs hätte wahrnehmen können, wie plötzlich aus der Erde gezaubert. Es ist möglich, daß sie auch stellenweise plötzlich einwandern. Aber gewöhnlich ist ihre sehr große Vermehrung an der Zunahme der Mäusebussarde schon wochenlang voraus zu
Die Wühlmäuſe. — Die gemeine Feldmaus.
ſie im Flachlande häufiger auftritt. Jn den Alpen ſteigt ſie bis 6000 Fuß über dem Meere empor. Baumleere Gegenden, Felder und Wieſen, ſeltener Waldränder und Waldblößen ſind ihre bevor- zugten Wohnplätze, und nicht allein das trockene, bebaute Land, ſondern auch die feuchten Sumpf- niederungen müſſen ihr Herberge geben. Hier legt ſie ſich in den trockenen Bülten ihre Gänge und Neſter an, dort baut ſie ſich ſeichte Gänge mit 4 bis 6 verſchiedenen Eingangslöchern, welche außen durch niedergetretene, vertiefte Wege verbunden ſind. Jm Herbſt zieht ſie ſich unter Getreidehaufen zuſammen oder kommt in die Wohnungen, in Scheuern, Ställe und Keller. Jn den Häuſern lebt ſie vorzugsweiſe in den Kellern, nicht auf dem Boden, wie die eigentlichen Mäuſe. Jm Winter gräbt ſie wohl auch lange Gänge unter dem Schnee. Sie ſammelt, wo ſie kann, Vorräthe ein, namentlich Getreide und andere Sämereien; bei eintretendem Mangel aber wandert ſie geſellig aus, gewöhnlich blos nach einem benachbarten Felde, zuweilen aber auch ſcharenweiſe aus einer Gegend in die andere, und ſetzt dabei über Bergrücken und ſchwimmend über breite Flüſſe. Sie läuft gut, ſchwimmt ganz vortrefflich, klettert aber wenig und unbeholfen. Das Graben verſteht ſie meiſterhaft. Sie wühlt ſchneller, als irgend eine andere Maus, und iſt im Höhlenbauen uner- müdlich. Jhrer Lebensweiſe nach iſt ſie faſt ebenſoſehr Tag- als Nachtthier. Man ſieht ſie auch während des heißeſten Sonnenbrandes außerhalb ihrer Baue, wenn ſie gleich die Morgen- und Abendzeit dem heißen Mittag vorzuziehen ſcheint. Wärme und Trockenheit ſind für ſie Lebensbe- dingungen; bei anhaltender Feuchtigkeit geht ſie zu Grunde.
Jhre Nahrung beſteht aus allen möglichen Pflanzenſtoffen. Wenn ſie Sämereien hat, wählt ſie nur dieſe, ſonſt begnügt ſie ſich auch mit friſchen Gräſern und Kräutern, mit Wurzeln und Blät- tern, mit Klee, Früchten und Beeren. Bucheckern und Nüſſe, Getreidekörner, Rüben und Kar- toffeln werden oft arg von ihr heimgeſucht. Wenn das Getreide zu reifen beginnt, ſammelt ſie ſich in Scharen auf den Feldern, beißt die Halme unten ab, bis ſie umſtürzen, nagt ſie dann oben durch und ſchleppt die Aehren in ihre Baue. Während der Ernte folgt ſie den Schnittern auf dem Fuße von den Winter- zu den Sommerfeldern nach, frißt die ausgefallenen Körner zwiſchen den Stoppeln auf, trägt ſich die beim Binden der Garben verlorenen Aehren zuſammen und findet ſich zuletzt noch auf den Hagefeldern ein, auch dort noch Vorräthe für den Winter einſammelnd. Jn den Wäldern ſchleppt ſie die abgefallenen Hagebutten und Wachholderbeeren, Bucheckern, Eicheln und Nüſſe nach ihrem Baue. Während der rauheſten Jahreszeit verfällt ſie in einen unterbrochenen Winterſchlaf. Bei gelinder Witterung erwacht ſie wieder und zehrt dann von ihren Vorräthen. Sie iſt unglaublich gefräßig und bedarf ſehr viel, um ſich zu ſättigen, kann auch das Waſſer nicht entbehren.
Jm hohen Grade geſellig, lebt die Feldmaus ziemlich einträchtig mit ihres Gleichen, min- deſtens paarweiſe zuſammen, häuſiger aber in großen Scharen, und deshalb ſieht man Bau an Bau gereiht. Jhre Vermehrung iſt außerordeutlich ſtark. Schon im April findet man in ihren warmen Neſtern, welche 1½ bis 2 Fuß tief unter dem Boden liegen und mit zerbiſſenem Gras, fein zermalmten Halmen oder auch mit Mos weich ausgekleidet ſind, 4 bis 8 Junge, und im Ver- lauf der warmen Jahreszeit wirft ein Weibchen noch vier bis ſechs Mal. Höchſt wahrſcheinlich ſind die Jungen des erſten Wurfes im Herbſt ſchon wieder fortpflanzungsfähig, und daher nur läßt ſich die zuweilen ſtattfindende erſtannliche Vermehrung erklären.
„Unter günſtigen Umſtänden,‟ ſagt Blaſius, „vermehren ſich die Feldmäuſe in unglaublicher Weiſe. Es ſind viele Beiſpiele bekannt, daß durch ihre übermäßige Vermehrung auf weite Länder- ſtrecken hin ein großer Theil der Ernte vernichtet worden iſt, und mehr als tauſend Morgen junge Buchenſchonungen durch Abnagen der Rinde zerſtört worden ſind. Wer ſolche mäuſereiche Jahre nicht erlebt hat, vermag ſich ſchwerlich eine Vorſtellung von dem faſt unheimlichen, buntbeweglichen Treiben der Mäuſe in Feld und Wald zu machen. Oft erſcheinen ſie in einer beſtimmten Gegend, ohne daß man einen allmählichen Zuwachs hätte wahrnehmen können, wie plötzlich aus der Erde gezaubert. Es iſt möglich, daß ſie auch ſtellenweiſe plötzlich einwandern. Aber gewöhnlich iſt ihre ſehr große Vermehrung an der Zunahme der Mäuſebuſſarde ſchon wochenlang voraus zu
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[160/0176]
Die Wühlmäuſe. — Die gemeine Feldmaus.
ſie im Flachlande häufiger auftritt. Jn den Alpen ſteigt ſie bis 6000 Fuß über dem Meere empor.
Baumleere Gegenden, Felder und Wieſen, ſeltener Waldränder und Waldblößen ſind ihre bevor-
zugten Wohnplätze, und nicht allein das trockene, bebaute Land, ſondern auch die feuchten Sumpf-
niederungen müſſen ihr Herberge geben. Hier legt ſie ſich in den trockenen Bülten ihre Gänge und
Neſter an, dort baut ſie ſich ſeichte Gänge mit 4 bis 6 verſchiedenen Eingangslöchern, welche außen
durch niedergetretene, vertiefte Wege verbunden ſind. Jm Herbſt zieht ſie ſich unter Getreidehaufen
zuſammen oder kommt in die Wohnungen, in Scheuern, Ställe und Keller. Jn den Häuſern lebt
ſie vorzugsweiſe in den Kellern, nicht auf dem Boden, wie die eigentlichen Mäuſe. Jm Winter
gräbt ſie wohl auch lange Gänge unter dem Schnee. Sie ſammelt, wo ſie kann, Vorräthe ein,
namentlich Getreide und andere Sämereien; bei eintretendem Mangel aber wandert ſie geſellig aus,
gewöhnlich blos nach einem benachbarten Felde, zuweilen aber auch ſcharenweiſe aus einer Gegend
in die andere, und ſetzt dabei über Bergrücken und ſchwimmend über breite Flüſſe. Sie läuft
gut, ſchwimmt ganz vortrefflich, klettert aber wenig und unbeholfen. Das Graben verſteht ſie
meiſterhaft. Sie wühlt ſchneller, als irgend eine andere Maus, und iſt im Höhlenbauen uner-
müdlich. Jhrer Lebensweiſe nach iſt ſie faſt ebenſoſehr Tag- als Nachtthier. Man ſieht ſie auch
während des heißeſten Sonnenbrandes außerhalb ihrer Baue, wenn ſie gleich die Morgen- und
Abendzeit dem heißen Mittag vorzuziehen ſcheint. Wärme und Trockenheit ſind für ſie Lebensbe-
dingungen; bei anhaltender Feuchtigkeit geht ſie zu Grunde.
Jhre Nahrung beſteht aus allen möglichen Pflanzenſtoffen. Wenn ſie Sämereien hat, wählt
ſie nur dieſe, ſonſt begnügt ſie ſich auch mit friſchen Gräſern und Kräutern, mit Wurzeln und Blät-
tern, mit Klee, Früchten und Beeren. Bucheckern und Nüſſe, Getreidekörner, Rüben und Kar-
toffeln werden oft arg von ihr heimgeſucht. Wenn das Getreide zu reifen beginnt, ſammelt ſie ſich
in Scharen auf den Feldern, beißt die Halme unten ab, bis ſie umſtürzen, nagt ſie dann oben durch
und ſchleppt die Aehren in ihre Baue. Während der Ernte folgt ſie den Schnittern auf dem Fuße
von den Winter- zu den Sommerfeldern nach, frißt die ausgefallenen Körner zwiſchen den Stoppeln
auf, trägt ſich die beim Binden der Garben verlorenen Aehren zuſammen und findet ſich zuletzt noch
auf den Hagefeldern ein, auch dort noch Vorräthe für den Winter einſammelnd. Jn den Wäldern
ſchleppt ſie die abgefallenen Hagebutten und Wachholderbeeren, Bucheckern, Eicheln und Nüſſe nach
ihrem Baue. Während der rauheſten Jahreszeit verfällt ſie in einen unterbrochenen Winterſchlaf.
Bei gelinder Witterung erwacht ſie wieder und zehrt dann von ihren Vorräthen. Sie iſt unglaublich
gefräßig und bedarf ſehr viel, um ſich zu ſättigen, kann auch das Waſſer nicht entbehren.
Jm hohen Grade geſellig, lebt die Feldmaus ziemlich einträchtig mit ihres Gleichen, min-
deſtens paarweiſe zuſammen, häuſiger aber in großen Scharen, und deshalb ſieht man Bau an
Bau gereiht. Jhre Vermehrung iſt außerordeutlich ſtark. Schon im April findet man in ihren
warmen Neſtern, welche 1½ bis 2 Fuß tief unter dem Boden liegen und mit zerbiſſenem Gras,
fein zermalmten Halmen oder auch mit Mos weich ausgekleidet ſind, 4 bis 8 Junge, und im Ver-
lauf der warmen Jahreszeit wirft ein Weibchen noch vier bis ſechs Mal. Höchſt wahrſcheinlich ſind
die Jungen des erſten Wurfes im Herbſt ſchon wieder fortpflanzungsfähig, und daher nur läßt ſich
die zuweilen ſtattfindende erſtannliche Vermehrung erklären.
„Unter günſtigen Umſtänden,‟ ſagt Blaſius, „vermehren ſich die Feldmäuſe in unglaublicher
Weiſe. Es ſind viele Beiſpiele bekannt, daß durch ihre übermäßige Vermehrung auf weite Länder-
ſtrecken hin ein großer Theil der Ernte vernichtet worden iſt, und mehr als tauſend Morgen junge
Buchenſchonungen durch Abnagen der Rinde zerſtört worden ſind. Wer ſolche mäuſereiche Jahre
nicht erlebt hat, vermag ſich ſchwerlich eine Vorſtellung von dem faſt unheimlichen, buntbeweglichen
Treiben der Mäuſe in Feld und Wald zu machen. Oft erſcheinen ſie in einer beſtimmten Gegend,
ohne daß man einen allmählichen Zuwachs hätte wahrnehmen können, wie plötzlich aus der Erde
gezaubert. Es iſt möglich, daß ſie auch ſtellenweiſe plötzlich einwandern. Aber gewöhnlich iſt ihre
ſehr große Vermehrung an der Zunahme der Mäuſebuſſarde ſchon wochenlang voraus zu
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/176>, abgerufen am 18.07.2024.
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