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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Wühlmäuse. -- Die Bisamratte oder Ondatra.
bindungen. Jn ihrer Lebensweise ähnelt sie in vielen Stücken dem Biber. Dies haben schon die
Wilden herausgefunden, welche beide Thiere Brüder nennen, und behaupten, daß der Biber der
ältere und gescheitere, die Bisamratte aber der dümmere sei. Die Baue sind, wie bei dem Biber,
von zweierlei Art: einfache Kessel unter der Erde mit mehreren Ausgangsröhren, welche sämmtlich
unter Wasser münden, und Burgen über der Erde. Letztere werden vorzüglich im Norden ange-
legt, wo die Teiche fest zufrieren. Sie sind rund und kugelförmig oder kuppelartig und stehen
auf einem Schlammhaufen, so daß sie über den Wasserspiegel emporragen. Jhre Wandungen wer-
den aus Schilf, Riedgräsern und Binsen hergestellt und mit Schlamm gekittet; doch behaupten einige
Beobachter, daß die ganze Hütte nur aus Schlamm bestände und nach und nach sich mit einer dünnen
Schicht von angetriebenem Gras und Binsen bedecke. Jm Jnnern enthält die Burg nur eine einzige
Kammer von 11/2 bis 2 Fuß Durchmesser. Zu ihr führt durch den Unterschlamm eine Röhre,
welche auf dem Boden des Wassers mündet. Andere, blinde Röhren laufen von ihr aus und gehen
ein Stück unter der Erde fort. Sie werden nach Umständen mehr oder weniger verlängert; denn sie
dienen eigentlich blos dazu, um die Wurzeln der Wassergewächse, von denen sich die Ondatra im
Winter ernährt, einernten zu können. Jm Winter füttert sie ihre Kammern mit Wafferlilien,
Blättern, Gräsern und Schilf weich aus und sorgt, nach Audubon, dadurch für Luftwechsel, daß
sie die Kuppelmitte ihrer Hütte mit lose zusammengeschichteten Pflanzen bedeckt, welche eben genug
frische Luft zu-, oder die verbrauchte ablassen. Solange der Sumpf oder Teich nicht bis auf den
Grund ausfriert, lebt sie dann dort sehr behaglich in der warmen, durch die dicke, über ihr lie-
gende Schneedecke noch besonders geschützten Wohnung. Dringt die Kälte freilich so tief ein, daß
der Bisamratte freier Ausgang verwehrt wird, so leidet sie erheblich von dem Ungemach der Verhält-
nisse, und manchmal gehen viele Hunderte einer Ansiedelung zu Grunde, weil es ihnen nicht gelingt,
Athmungslöcher durch die Eisdecke zu brechen und diese durch Auskleidung von Schlamm für längere
Zeit offen zu erhalten. Richardson, welcher diese Angaben über die Baue macht, fügt hinzu, daß
nur in sehr strengen Wintern die Thiere in wirkliche Noth gerathen; denn sie bauen nur in tiefere
Sümpfe und Teiche oder in die Nähe von Quellen, wo das Wasser nicht zufriert. Jst der Grund,
auf welchem der Bau errichtet werden soll, zu tief, so wird er durch Anhäufung von Schlamm und
Erde erhöht; ist er zu seicht, so wird er besonders ausgegraben. Dabei hält die Ondatra aber immer
darauf, daß sie auch zu Zeiten der Ueberschwemmung gesichert ist und in der Nähe Etwas zu fressen
hat. Deshalb wählt sie am liebsten Gewässer, welche einen möglichst gleichmäßigen Stand haben
und reich an Gewächsen sind.

Die Nahrung der Ondatra besteht fast ausschließlich in Wasserpflanzen, obgleich man in den
Bauen von mehreren auch ausgefressene Muschelschalen gefunden hat. An gefangenen hat Audubon
beobachtet, daß sie Muscheln sehr gern verzehrten; die weichschaligen wußten sie mit scharfen Bissen zu
öffnen, bei den hartschaligen warteten sie, bis sie sich selbst aufschlossen, dann fuhren sie schnell zu
und tödteten durch Bisse den Bewohner des festen Gehäuses. Wenn in der Nähe von einer An-
siedelung der Biberratten Gärten und andere Pflanzungen liegen, erhalten diese oft Besuch von den
Nagern und werden dann in ganz empfindlicher Weise gebrandschatzt. Dabei verwüsten die Ratten
noch weit mehr, als sie verzehren, weil sie zwischen den Wurzeln tiefe Höhlen graben und außer
den Pflanzen, welche sie abbeißen, noch viele entwurzeln und umwerfen.

Audubon und Bachmann haben die Sitten und Gebräuche des Thieres sehr gut beschrieben.
"Biberratten," heißt es in ihrem Werk, "sind sehr lebendige, spiellustige Geschöpfe, wenn sie in
ihrem eigenen Element, im Wasser, sich befinden. Jn einer ruhigen Nacht kann man in einem
Mühlteich oder tiefen, abgelegenen Gewässer viele von ihnen sehen, wie sie sich belustigen und nach
allen Richtungen hin und wieder schwimmen, lange, glänzende Streifen im Wasser hinterlassend,
während andere einige Augenblicke lang bei Büscheln von Gras oder an Steinen oder Blöcken ver-
weilen, von wo aus sie die auf dem Wasser schwimmende Nahrung erreichen können, und andere an
den Ufern des Teiches sitzen, von wo aus sie dann eine nach der anderen, wie die Frösche, in das

Die Wühlmäuſe. — Die Biſamratte oder Ondatra.
bindungen. Jn ihrer Lebensweiſe ähnelt ſie in vielen Stücken dem Biber. Dies haben ſchon die
Wilden herausgefunden, welche beide Thiere Brüder nennen, und behaupten, daß der Biber der
ältere und geſcheitere, die Biſamratte aber der dümmere ſei. Die Baue ſind, wie bei dem Biber,
von zweierlei Art: einfache Keſſel unter der Erde mit mehreren Ausgangsröhren, welche ſämmtlich
unter Waſſer münden, und Burgen über der Erde. Letztere werden vorzüglich im Norden ange-
legt, wo die Teiche feſt zufrieren. Sie ſind rund und kugelförmig oder kuppelartig und ſtehen
auf einem Schlammhaufen, ſo daß ſie über den Waſſerſpiegel emporragen. Jhre Wandungen wer-
den aus Schilf, Riedgräſern und Binſen hergeſtellt und mit Schlamm gekittet; doch behaupten einige
Beobachter, daß die ganze Hütte nur aus Schlamm beſtände und nach und nach ſich mit einer dünnen
Schicht von angetriebenem Gras und Binſen bedecke. Jm Jnnern enthält die Burg nur eine einzige
Kammer von 1½ bis 2 Fuß Durchmeſſer. Zu ihr führt durch den Unterſchlamm eine Röhre,
welche auf dem Boden des Waſſers mündet. Andere, blinde Röhren laufen von ihr aus und gehen
ein Stück unter der Erde fort. Sie werden nach Umſtänden mehr oder weniger verlängert; denn ſie
dienen eigentlich blos dazu, um die Wurzeln der Waſſergewächſe, von denen ſich die Ondatra im
Winter ernährt, einernten zu können. Jm Winter füttert ſie ihre Kammern mit Wafferlilien,
Blättern, Gräſern und Schilf weich aus und ſorgt, nach Audubon, dadurch für Luftwechſel, daß
ſie die Kuppelmitte ihrer Hütte mit loſe zuſammengeſchichteten Pflanzen bedeckt, welche eben genug
friſche Luft zu-, oder die verbrauchte ablaſſen. Solange der Sumpf oder Teich nicht bis auf den
Grund ausfriert, lebt ſie dann dort ſehr behaglich in der warmen, durch die dicke, über ihr lie-
gende Schneedecke noch beſonders geſchützten Wohnung. Dringt die Kälte freilich ſo tief ein, daß
der Biſamratte freier Ausgang verwehrt wird, ſo leidet ſie erheblich von dem Ungemach der Verhält-
niſſe, und manchmal gehen viele Hunderte einer Anſiedelung zu Grunde, weil es ihnen nicht gelingt,
Athmungslöcher durch die Eisdecke zu brechen und dieſe durch Auskleidung von Schlamm für längere
Zeit offen zu erhalten. Richardſon, welcher dieſe Angaben über die Baue macht, fügt hinzu, daß
nur in ſehr ſtrengen Wintern die Thiere in wirkliche Noth gerathen; denn ſie bauen nur in tiefere
Sümpfe und Teiche oder in die Nähe von Quellen, wo das Waſſer nicht zufriert. Jſt der Grund,
auf welchem der Bau errichtet werden ſoll, zu tief, ſo wird er durch Anhäufung von Schlamm und
Erde erhöht; iſt er zu ſeicht, ſo wird er beſonders ausgegraben. Dabei hält die Ondatra aber immer
darauf, daß ſie auch zu Zeiten der Ueberſchwemmung geſichert iſt und in der Nähe Etwas zu freſſen
hat. Deshalb wählt ſie am liebſten Gewäſſer, welche einen möglichſt gleichmäßigen Stand haben
und reich an Gewächſen ſind.

Die Nahrung der Ondatra beſteht faſt ausſchließlich in Waſſerpflanzen, obgleich man in den
Bauen von mehreren auch ausgefreſſene Muſchelſchalen gefunden hat. An gefangenen hat Audubon
beobachtet, daß ſie Muſcheln ſehr gern verzehrten; die weichſchaligen wußten ſie mit ſcharfen Biſſen zu
öffnen, bei den hartſchaligen warteten ſie, bis ſie ſich ſelbſt aufſchloſſen, dann fuhren ſie ſchnell zu
und tödteten durch Biſſe den Bewohner des feſten Gehäuſes. Wenn in der Nähe von einer An-
ſiedelung der Biberratten Gärten und andere Pflanzungen liegen, erhalten dieſe oft Beſuch von den
Nagern und werden dann in ganz empfindlicher Weiſe gebrandſchatzt. Dabei verwüſten die Ratten
noch weit mehr, als ſie verzehren, weil ſie zwiſchen den Wurzeln tiefe Höhlen graben und außer
den Pflanzen, welche ſie abbeißen, noch viele entwurzeln und umwerfen.

Audubon und Bachmann haben die Sitten und Gebräuche des Thieres ſehr gut beſchrieben.
„Biberratten,‟ heißt es in ihrem Werk, „ſind ſehr lebendige, ſpielluſtige Geſchöpfe, wenn ſie in
ihrem eigenen Element, im Waſſer, ſich befinden. Jn einer ruhigen Nacht kann man in einem
Mühlteich oder tiefen, abgelegenen Gewäſſer viele von ihnen ſehen, wie ſie ſich beluſtigen und nach
allen Richtungen hin und wieder ſchwimmen, lange, glänzende Streifen im Waſſer hinterlaſſend,
während andere einige Augenblicke lang bei Büſcheln von Gras oder an Steinen oder Blöcken ver-
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[150/0166] Die Wühlmäuſe. — Die Biſamratte oder Ondatra. bindungen. Jn ihrer Lebensweiſe ähnelt ſie in vielen Stücken dem Biber. Dies haben ſchon die Wilden herausgefunden, welche beide Thiere Brüder nennen, und behaupten, daß der Biber der ältere und geſcheitere, die Biſamratte aber der dümmere ſei. Die Baue ſind, wie bei dem Biber, von zweierlei Art: einfache Keſſel unter der Erde mit mehreren Ausgangsröhren, welche ſämmtlich unter Waſſer münden, und Burgen über der Erde. Letztere werden vorzüglich im Norden ange- legt, wo die Teiche feſt zufrieren. Sie ſind rund und kugelförmig oder kuppelartig und ſtehen auf einem Schlammhaufen, ſo daß ſie über den Waſſerſpiegel emporragen. Jhre Wandungen wer- den aus Schilf, Riedgräſern und Binſen hergeſtellt und mit Schlamm gekittet; doch behaupten einige Beobachter, daß die ganze Hütte nur aus Schlamm beſtände und nach und nach ſich mit einer dünnen Schicht von angetriebenem Gras und Binſen bedecke. Jm Jnnern enthält die Burg nur eine einzige Kammer von 1½ bis 2 Fuß Durchmeſſer. Zu ihr führt durch den Unterſchlamm eine Röhre, welche auf dem Boden des Waſſers mündet. Andere, blinde Röhren laufen von ihr aus und gehen ein Stück unter der Erde fort. Sie werden nach Umſtänden mehr oder weniger verlängert; denn ſie dienen eigentlich blos dazu, um die Wurzeln der Waſſergewächſe, von denen ſich die Ondatra im Winter ernährt, einernten zu können. Jm Winter füttert ſie ihre Kammern mit Wafferlilien, Blättern, Gräſern und Schilf weich aus und ſorgt, nach Audubon, dadurch für Luftwechſel, daß ſie die Kuppelmitte ihrer Hütte mit loſe zuſammengeſchichteten Pflanzen bedeckt, welche eben genug friſche Luft zu-, oder die verbrauchte ablaſſen. Solange der Sumpf oder Teich nicht bis auf den Grund ausfriert, lebt ſie dann dort ſehr behaglich in der warmen, durch die dicke, über ihr lie- gende Schneedecke noch beſonders geſchützten Wohnung. Dringt die Kälte freilich ſo tief ein, daß der Biſamratte freier Ausgang verwehrt wird, ſo leidet ſie erheblich von dem Ungemach der Verhält- niſſe, und manchmal gehen viele Hunderte einer Anſiedelung zu Grunde, weil es ihnen nicht gelingt, Athmungslöcher durch die Eisdecke zu brechen und dieſe durch Auskleidung von Schlamm für längere Zeit offen zu erhalten. Richardſon, welcher dieſe Angaben über die Baue macht, fügt hinzu, daß nur in ſehr ſtrengen Wintern die Thiere in wirkliche Noth gerathen; denn ſie bauen nur in tiefere Sümpfe und Teiche oder in die Nähe von Quellen, wo das Waſſer nicht zufriert. Jſt der Grund, auf welchem der Bau errichtet werden ſoll, zu tief, ſo wird er durch Anhäufung von Schlamm und Erde erhöht; iſt er zu ſeicht, ſo wird er beſonders ausgegraben. Dabei hält die Ondatra aber immer darauf, daß ſie auch zu Zeiten der Ueberſchwemmung geſichert iſt und in der Nähe Etwas zu freſſen hat. Deshalb wählt ſie am liebſten Gewäſſer, welche einen möglichſt gleichmäßigen Stand haben und reich an Gewächſen ſind. Die Nahrung der Ondatra beſteht faſt ausſchließlich in Waſſerpflanzen, obgleich man in den Bauen von mehreren auch ausgefreſſene Muſchelſchalen gefunden hat. An gefangenen hat Audubon beobachtet, daß ſie Muſcheln ſehr gern verzehrten; die weichſchaligen wußten ſie mit ſcharfen Biſſen zu öffnen, bei den hartſchaligen warteten ſie, bis ſie ſich ſelbſt aufſchloſſen, dann fuhren ſie ſchnell zu und tödteten durch Biſſe den Bewohner des feſten Gehäuſes. Wenn in der Nähe von einer An- ſiedelung der Biberratten Gärten und andere Pflanzungen liegen, erhalten dieſe oft Beſuch von den Nagern und werden dann in ganz empfindlicher Weiſe gebrandſchatzt. Dabei verwüſten die Ratten noch weit mehr, als ſie verzehren, weil ſie zwiſchen den Wurzeln tiefe Höhlen graben und außer den Pflanzen, welche ſie abbeißen, noch viele entwurzeln und umwerfen. Audubon und Bachmann haben die Sitten und Gebräuche des Thieres ſehr gut beſchrieben. „Biberratten,‟ heißt es in ihrem Werk, „ſind ſehr lebendige, ſpielluſtige Geſchöpfe, wenn ſie in ihrem eigenen Element, im Waſſer, ſich befinden. Jn einer ruhigen Nacht kann man in einem Mühlteich oder tiefen, abgelegenen Gewäſſer viele von ihnen ſehen, wie ſie ſich beluſtigen und nach allen Richtungen hin und wieder ſchwimmen, lange, glänzende Streifen im Waſſer hinterlaſſend, während andere einige Augenblicke lang bei Büſcheln von Gras oder an Steinen oder Blöcken ver- weilen, von wo aus ſie die auf dem Waſſer ſchwimmende Nahrung erreichen können, und andere an den Ufern des Teiches ſitzen, von wo aus ſie dann eine nach der anderen, wie die Fröſche, in das

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/166>, abgerufen am 28.11.2024.