Die Familie der Wühlmäuse (Arvicolini oder Hypudaei) umfaßt eine ziemliche Anzahl von kleinen, einander sehr ähnlichen Nagethieren, welche noch vielfach an die Mäuse erinnern und des- halb ihnen früher auch untergeordnet wurden. Aeußerlich unterscheiden sie hauptsächlich der plumpe Körperbau, der dicke Kopf, die ganz versteckten oder nur wenig aus dem Kopfe hervorragenden Ohren und der kurze Schwanz, welcher höchstens zwei Drittel der Körperlänge erreicht. Jm Ge- biß finden sich drei Backzähne, welche aus mehreren in der Mitte schwach geknickten Platten bestehen und keine eigentlichen Wurzeln haben. Jhre Kaufläche erscheint zickzackförmig, weil an den Seiten tiefe Furchen zwischen den einzelnen Platten herablaufen. Je nach der größeren oder geringeren Ein- buchtung der Zähne und der Verhältnisse zu einander ordnen sich nun die verschiedenen Sippen; für uns aber würde es zu weit führen, wenn wir diese spitzfindigen Unterscheidungsmerkmale genauer prüfen wollten.
Die Wühlmäuse bewohnen den Norden der alten und neuen Welt. Sie leben in Erdröhren und Erdlöchern, welche sie selbst graben, sowohl in Ebenen, als im Gebirge, auf bebautem Lande, wie auf ziemlich wüstem, auf Feldern, Wiesen, in Gärten, an den Ufern von Flüssen, Bächen, Seen, Teichen. Fast alle meiden die Nähe des Menschen, und nur wenige kommen zuweilen in seine Ställe und Scheuern oder in seine Gärten herein. Jhre Baue bestehen aus längeren oder kürzeren, einfacheren oder verzweigteren Röhren, welche sich vor anderen oft durch große Flachheit auszeichnen. Manche bauen aber hüttenförmige Kessel und andere mehr oder minder künstliche Wohnungen. Die meisten wohnen einzeln oder paarweise zusammen; doch scheinen sie die Geselligkeit zu lieben und vereinigen sich zuweilen in bedeutenden Scharen. Jhre Nahrung nehmen sie vorzugsweise aus dem Pflanzenreiche, und viele tragen sich Wintervorräthe ein, obgleich sie keinen Winterschlaf abhalten. Manche verschmähen aber auch thierische Stoffe nicht. Jm übrigen ähneln sie den wirklichen Mäu- sen fast in jeder Hinsicht. Jhre Lebensweise ist ebensogut eine nächtliche, als tägliche, wie bei jenen; ihre Bewegungen sind ziemlich rasch, jedoch nicht so behend und gewandt, wie die echter Mäuse. Wenige Arten können klettern; aber fast alle verstehen das Schwimmen meisterhaft, einige leben ja ganz und gar im Wasser, andere monatelang wenigstens im Schnee, wo sie sich lange Gänge ausgraben und selbst künstliche Nester bauen. Einzelne Arten unternehmen, wahrscheinlich vom Nahrungsmangel getrieben, große Wanderungen, und diesen Wanderungen haben wir es zuzu- schreiben, daß gegenwärtig mehrere Arten in Europa heimisch geworden sind, welche früher nur in Asien lebten. Unter ihren Sinnen stehen Geruch und Gesicht obenan. Das Gehör ist gewöhnlich nicht besonders entwickelt. Jhre geistigen Fähigkeiten sind gering. Alle vermehren sich stark, manche Arten geradezu in unglaublicher Weise. Dem Menschen nützt nur eine einzige Art; die meisten der übrigen bringen ihm Schaden und werden deshalb von ihm gehaßt und auf jede Weise verfolgt.
Die verschiedenen Wühlmäuse stimmen im allgemeinen sehr überein und sind schwieriger zu unter- scheiden, als die meisten übrigen Säugethiere. Durch Verschiedenheit in der Lebensweise, in Aufent- halt und Verbreitung unterscheiden sich manche sehr auffallend, während sie in der Gestalt und Fär- bung einander außerordentlich nahe stehen. Deshalb sind bis heutigen Tag noch die Untersuchungen über sie keineswegs geschlossen und viele Forscher noch sehr im Unklaren. Als die sichersten Anhalts- punkte dieser Bestimmung der Arten gilt die Bildung der Backzähne, welcher sich einige Eigenthüm- lichkeiten des Schädels anschließen; auch die bezügliche Größe der Ohren ist von Bedeutung. Die Färbung dagegen zeigt vielfache Schwankungen; junge Thiere sind durchgängig trüber gefärbt, als die Alten, und diese in Gebirgsgegenden wieder dunkler und trüber, als in der Ebene. Wir be- schränken uns hier auf die wichtigsten Arten der Gruppe.
Jn der Bisamratte oder Ondatra (Fiber zibethicus), der einzigen nützlichen Art dieser Fa- milie, sehen wir den Vertreter der ersten Sippe vor uns. Sie bildet gleichsam einen Uebergang von der Familie der Biber zu den Wühlmäusen, gehört aber doch ganz unzweifelhaft den letzteren zu.
Die Wühlmäuſe. — Die Biſamratte oder Ondatra.
Die Familie der Wühlmäuſe (Arvicolini oder Hypudaei) umfaßt eine ziemliche Anzahl von kleinen, einander ſehr ähnlichen Nagethieren, welche noch vielfach an die Mäuſe erinnern und des- halb ihnen früher auch untergeordnet wurden. Aeußerlich unterſcheiden ſie hauptſächlich der plumpe Körperbau, der dicke Kopf, die ganz verſteckten oder nur wenig aus dem Kopfe hervorragenden Ohren und der kurze Schwanz, welcher höchſtens zwei Drittel der Körperlänge erreicht. Jm Ge- biß finden ſich drei Backzähne, welche aus mehreren in der Mitte ſchwach geknickten Platten beſtehen und keine eigentlichen Wurzeln haben. Jhre Kaufläche erſcheint zickzackförmig, weil an den Seiten tiefe Furchen zwiſchen den einzelnen Platten herablaufen. Je nach der größeren oder geringeren Ein- buchtung der Zähne und der Verhältniſſe zu einander ordnen ſich nun die verſchiedenen Sippen; für uns aber würde es zu weit führen, wenn wir dieſe ſpitzfindigen Unterſcheidungsmerkmale genauer prüfen wollten.
Die Wühlmäuſe bewohnen den Norden der alten und neuen Welt. Sie leben in Erdröhren und Erdlöchern, welche ſie ſelbſt graben, ſowohl in Ebenen, als im Gebirge, auf bebautem Lande, wie auf ziemlich wüſtem, auf Feldern, Wieſen, in Gärten, an den Ufern von Flüſſen, Bächen, Seen, Teichen. Faſt alle meiden die Nähe des Menſchen, und nur wenige kommen zuweilen in ſeine Ställe und Scheuern oder in ſeine Gärten herein. Jhre Baue beſtehen aus längeren oder kürzeren, einfacheren oder verzweigteren Röhren, welche ſich vor anderen oft durch große Flachheit auszeichnen. Manche bauen aber hüttenförmige Keſſel und andere mehr oder minder künſtliche Wohnungen. Die meiſten wohnen einzeln oder paarweiſe zuſammen; doch ſcheinen ſie die Geſelligkeit zu lieben und vereinigen ſich zuweilen in bedeutenden Scharen. Jhre Nahrung nehmen ſie vorzugsweiſe aus dem Pflanzenreiche, und viele tragen ſich Wintervorräthe ein, obgleich ſie keinen Winterſchlaf abhalten. Manche verſchmähen aber auch thieriſche Stoffe nicht. Jm übrigen ähneln ſie den wirklichen Mäu- ſen faſt in jeder Hinſicht. Jhre Lebensweiſe iſt ebenſogut eine nächtliche, als tägliche, wie bei jenen; ihre Bewegungen ſind ziemlich raſch, jedoch nicht ſo behend und gewandt, wie die echter Mäuſe. Wenige Arten können klettern; aber faſt alle verſtehen das Schwimmen meiſterhaft, einige leben ja ganz und gar im Waſſer, andere monatelang wenigſtens im Schnee, wo ſie ſich lange Gänge ausgraben und ſelbſt künſtliche Neſter bauen. Einzelne Arten unternehmen, wahrſcheinlich vom Nahrungsmangel getrieben, große Wanderungen, und dieſen Wanderungen haben wir es zuzu- ſchreiben, daß gegenwärtig mehrere Arten in Europa heimiſch geworden ſind, welche früher nur in Aſien lebten. Unter ihren Sinnen ſtehen Geruch und Geſicht obenan. Das Gehör iſt gewöhnlich nicht beſonders entwickelt. Jhre geiſtigen Fähigkeiten ſind gering. Alle vermehren ſich ſtark, manche Arten geradezu in unglaublicher Weiſe. Dem Menſchen nützt nur eine einzige Art; die meiſten der übrigen bringen ihm Schaden und werden deshalb von ihm gehaßt und auf jede Weiſe verfolgt.
Die verſchiedenen Wühlmäuſe ſtimmen im allgemeinen ſehr überein und ſind ſchwieriger zu unter- ſcheiden, als die meiſten übrigen Säugethiere. Durch Verſchiedenheit in der Lebensweiſe, in Aufent- halt und Verbreitung unterſcheiden ſich manche ſehr auffallend, während ſie in der Geſtalt und Fär- bung einander außerordentlich nahe ſtehen. Deshalb ſind bis heutigen Tag noch die Unterſuchungen über ſie keineswegs geſchloſſen und viele Forſcher noch ſehr im Unklaren. Als die ſicherſten Anhalts- punkte dieſer Beſtimmung der Arten gilt die Bildung der Backzähne, welcher ſich einige Eigenthüm- lichkeiten des Schädels anſchließen; auch die bezügliche Größe der Ohren iſt von Bedeutung. Die Färbung dagegen zeigt vielfache Schwankungen; junge Thiere ſind durchgängig trüber gefärbt, als die Alten, und dieſe in Gebirgsgegenden wieder dunkler und trüber, als in der Ebene. Wir be- ſchränken uns hier auf die wichtigſten Arten der Gruppe.
Jn der Biſamratte oder Ondatra (Fiber zibethicus), der einzigen nützlichen Art dieſer Fa- milie, ſehen wir den Vertreter der erſten Sippe vor uns. Sie bildet gleichſam einen Uebergang von der Familie der Biber zu den Wühlmäuſen, gehört aber doch ganz unzweifelhaft den letzteren zu.
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Die Wühlmäuſe. — Die Biſamratte oder Ondatra.
Die Familie der Wühlmäuſe (Arvicolini oder Hypudaei) umfaßt eine ziemliche Anzahl von
kleinen, einander ſehr ähnlichen Nagethieren, welche noch vielfach an die Mäuſe erinnern und des-
halb ihnen früher auch untergeordnet wurden. Aeußerlich unterſcheiden ſie hauptſächlich der plumpe
Körperbau, der dicke Kopf, die ganz verſteckten oder nur wenig aus dem Kopfe hervorragenden
Ohren und der kurze Schwanz, welcher höchſtens zwei Drittel der Körperlänge erreicht. Jm Ge-
biß finden ſich drei Backzähne, welche aus mehreren in der Mitte ſchwach geknickten Platten beſtehen
und keine eigentlichen Wurzeln haben. Jhre Kaufläche erſcheint zickzackförmig, weil an den Seiten
tiefe Furchen zwiſchen den einzelnen Platten herablaufen. Je nach der größeren oder geringeren Ein-
buchtung der Zähne und der Verhältniſſe zu einander ordnen ſich nun die verſchiedenen Sippen; für
uns aber würde es zu weit führen, wenn wir dieſe ſpitzfindigen Unterſcheidungsmerkmale genauer
prüfen wollten.
Die Wühlmäuſe bewohnen den Norden der alten und neuen Welt. Sie leben in Erdröhren
und Erdlöchern, welche ſie ſelbſt graben, ſowohl in Ebenen, als im Gebirge, auf bebautem
Lande, wie auf ziemlich wüſtem, auf Feldern, Wieſen, in Gärten, an den Ufern von Flüſſen, Bächen,
Seen, Teichen. Faſt alle meiden die Nähe des Menſchen, und nur wenige kommen zuweilen in ſeine
Ställe und Scheuern oder in ſeine Gärten herein. Jhre Baue beſtehen aus längeren oder kürzeren,
einfacheren oder verzweigteren Röhren, welche ſich vor anderen oft durch große Flachheit auszeichnen.
Manche bauen aber hüttenförmige Keſſel und andere mehr oder minder künſtliche Wohnungen. Die
meiſten wohnen einzeln oder paarweiſe zuſammen; doch ſcheinen ſie die Geſelligkeit zu lieben und
vereinigen ſich zuweilen in bedeutenden Scharen. Jhre Nahrung nehmen ſie vorzugsweiſe aus dem
Pflanzenreiche, und viele tragen ſich Wintervorräthe ein, obgleich ſie keinen Winterſchlaf abhalten.
Manche verſchmähen aber auch thieriſche Stoffe nicht. Jm übrigen ähneln ſie den wirklichen Mäu-
ſen faſt in jeder Hinſicht. Jhre Lebensweiſe iſt ebenſogut eine nächtliche, als tägliche, wie bei
jenen; ihre Bewegungen ſind ziemlich raſch, jedoch nicht ſo behend und gewandt, wie die echter
Mäuſe. Wenige Arten können klettern; aber faſt alle verſtehen das Schwimmen meiſterhaft, einige
leben ja ganz und gar im Waſſer, andere monatelang wenigſtens im Schnee, wo ſie ſich lange Gänge
ausgraben und ſelbſt künſtliche Neſter bauen. Einzelne Arten unternehmen, wahrſcheinlich vom
Nahrungsmangel getrieben, große Wanderungen, und dieſen Wanderungen haben wir es zuzu-
ſchreiben, daß gegenwärtig mehrere Arten in Europa heimiſch geworden ſind, welche früher nur in
Aſien lebten. Unter ihren Sinnen ſtehen Geruch und Geſicht obenan. Das Gehör iſt gewöhnlich
nicht beſonders entwickelt. Jhre geiſtigen Fähigkeiten ſind gering. Alle vermehren ſich ſtark, manche
Arten geradezu in unglaublicher Weiſe. Dem Menſchen nützt nur eine einzige Art; die meiſten der
übrigen bringen ihm Schaden und werden deshalb von ihm gehaßt und auf jede Weiſe verfolgt.
Die verſchiedenen Wühlmäuſe ſtimmen im allgemeinen ſehr überein und ſind ſchwieriger zu unter-
ſcheiden, als die meiſten übrigen Säugethiere. Durch Verſchiedenheit in der Lebensweiſe, in Aufent-
halt und Verbreitung unterſcheiden ſich manche ſehr auffallend, während ſie in der Geſtalt und Fär-
bung einander außerordentlich nahe ſtehen. Deshalb ſind bis heutigen Tag noch die Unterſuchungen
über ſie keineswegs geſchloſſen und viele Forſcher noch ſehr im Unklaren. Als die ſicherſten Anhalts-
punkte dieſer Beſtimmung der Arten gilt die Bildung der Backzähne, welcher ſich einige Eigenthüm-
lichkeiten des Schädels anſchließen; auch die bezügliche Größe der Ohren iſt von Bedeutung. Die
Färbung dagegen zeigt vielfache Schwankungen; junge Thiere ſind durchgängig trüber gefärbt, als
die Alten, und dieſe in Gebirgsgegenden wieder dunkler und trüber, als in der Ebene. Wir be-
ſchränken uns hier auf die wichtigſten Arten der Gruppe.
Jn der Biſamratte oder Ondatra (Fiber zibethicus), der einzigen nützlichen Art dieſer Fa-
milie, ſehen wir den Vertreter der erſten Sippe vor uns. Sie bildet gleichſam einen Uebergang von
der Familie der Biber zu den Wühlmäuſen, gehört aber doch ganz unzweifelhaft den letzteren zu.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/164>, abgerufen am 28.11.2024.
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