nicht; es harnte überhaupt so wenig, daß die untergestreuten Sägespähne stets trocken blieben. An den Drähten des Käfigs nagte es stundenlang, versuchte aber nie, eine Oeffnung zu machen. Wenn es sich auf die Hinterfüße setzte, erinnerte es sehr an die bekannten Stellungen der Springmäuse. Die Vorderfüße waren beinahe unter dem langen, seidenartigen Pelze versteckt. Eine eigentliche Stimme habe ich nie von ihm gehört, sondern nur manchmal einen in Zwischenräumen von mehreren Sekunden wiederholten Ton, welcher wie unterdrücktes Husten klang."
"Später bekam ich ein junges, halb ausgewachsenes Weibchen. Es ist weit lebhafter, als das ernstere Männchen. Die ganze Nacht läuft es im Käfig hin und her; den Tag verbringt es mit Schlafen. Jm Schlafe sitzt es auf den Hinterfüßen, den Kopf zwischen die Schenkel gesteckt und den Schwanz kreisförmig unter den Kopf gelegt."
"Am 1. September warf bei mir eine ungefähr ein Jahr alte Sandrenumaus sechs Junge. Jch entfernte sogleich das Männchen aus dem Käfig und gab der Mutter frisches Heu, woraus sie sich als- bald ein bequemes Nest verfertigte."
"Die neugeborenen Jungen hatten das Aussehen junger Wanderratten, schienen mir aber um ein wenig größer zu sein. Sie gaben einen piependen Ton von sich, auch noch im Alter von einigen Wochen. Die Mutter war sehr besorgt um ihre Kleinen und verdeckte sie, wenn sie das Lager verließ, mit Heu. Manchmal, vorzüglich in der ihr sehr wohlthuenden Mittagshitze, legte sie sich beim Säugen auf die Seite, so daß man die Jungen sehr gut beobachten konnte. Diese waren sehr lebhaft und saugten mit Begierde. Vier Tage nach ihrer Geburt waren sie schon ganz grau, am sechsten Tage ihres Lebens hatten sie die Größe der Zwergmäuse, und der ganze Oberkörper war mit einem außer- ordentlich feinen Flaum von schieferblauer Farbe bedeckt. Jhr Wachsthum ging sehr rasch von statten. Am dreizehnten Tage waren sie überall mit kurzen Haaren bedeckt, der Oberkörper hatte schon die eigen- thümliche, rehfahle Farbe der Alten, und die schwarze Schwanzspitze konnte man bereits recht deutlich er- kennen. Sie liefen manchmal, wenn auch noch etwas unbeholfen und schwerfällig, um ihr Lager und machten, obgleich noch blind, öfters Männchen und putzten sich. Die Mutter versuchte sie aber immer der Beobachtung zu entziehen, nahm eine nach der andern ins Maul, brachte sie eiligst nach dem Neste zurück und verbarg sie dort sorgfältig. Wenn man längere Zeit in ihrer Nähe verweilte, wurde sie sehr ängstlich und lief mit der größten Schnelligkeit im Käfig herum, eines oder das andere der Jungen im Maule tragend. Man glaubte, befürchten zu müssen, daß sie die zarten Thierchen verletzen möchte; doch war Dies nie der Fall, und die Jungen gaben auch kein Zeichen des Schmerzes oder Unbehagens. Am sechzehnten Tage ihres Lebens wurden sie sehend. Nun benagten sie schon Hafer, Gerste, Mais, und man konnte nach einigen weiteren Tagen sich auch durchs Gehör von der Thätigkeit ihrer Nage- zähne überzeugen. Am 21. Tage hatten sie die Größe der Hausmäuse, am 25. die der Waldmäuse. Jetzt saugten sie nur selten, doch bemerkte ich Dies von einigen noch, nachdem sie über einen Monat alt geworden waren. Sie fraßen schon von allem, was ihre Mutter zur Nahrung bekam: in Wasser gequellte Semmel, Zwieback, Brod, Hafer, Gerste, Mais. Der letztere behagte ihnen vorzüglich, wenn er frisch abgenommen und noch etwas weich war. Hanfsamen, Kürbißkörner liebten sie sehr; aus Birnen, Aepfeln und anderem Obst schienen sie sich wenig zu machen: sie kosteten nur zuweilen etwas davon."
"Am 5. Oktober gab das seit dem 1. September abgesperrte Männchen zum ersten Male deutlich wahrnehmbare Töne von sich. Sie bestanden aus girrenden, trillernden Strophen, in denen zum Theil etwas Melodie lag, ähnlich denen des Meerschweinchens, nur schwächer. Dieser Gesang dauerte wohl eine Viertelstunde; früher hatte ich nie etwas Aehnliches von meinem Gefangenen ver- nommen. Am 6. Oktober bemerkte ich zu meinem großen Erstaunen, daß die Mutter der zur Welt gekommenen Jungen schon wieder fünf Kleine geboren hatte. Sie war demnach 36 Tage trächtig gegangen und hatte sich also gleich nach ihrer Entbindung wieder mit ihrem Männchen begattet. Hier- aus läßt sich die ungeheuere Vermehrung der Nager erklären."
Die eigentlichen Mäuſe.
nicht; es harnte überhaupt ſo wenig, daß die untergeſtreuten Sägeſpähne ſtets trocken blieben. An den Drähten des Käfigs nagte es ſtundenlang, verſuchte aber nie, eine Oeffnung zu machen. Wenn es ſich auf die Hinterfüße ſetzte, erinnerte es ſehr an die bekannten Stellungen der Springmäuſe. Die Vorderfüße waren beinahe unter dem langen, ſeidenartigen Pelze verſteckt. Eine eigentliche Stimme habe ich nie von ihm gehört, ſondern nur manchmal einen in Zwiſchenräumen von mehreren Sekunden wiederholten Ton, welcher wie unterdrücktes Huſten klang.‟
„Später bekam ich ein junges, halb ausgewachſenes Weibchen. Es iſt weit lebhafter, als das ernſtere Männchen. Die ganze Nacht läuft es im Käfig hin und her; den Tag verbringt es mit Schlafen. Jm Schlafe ſitzt es auf den Hinterfüßen, den Kopf zwiſchen die Schenkel geſteckt und den Schwanz kreisförmig unter den Kopf gelegt.‟
„Am 1. September warf bei mir eine ungefähr ein Jahr alte Sandrenumaus ſechs Junge. Jch entfernte ſogleich das Männchen aus dem Käfig und gab der Mutter friſches Heu, woraus ſie ſich als- bald ein bequemes Neſt verfertigte.‟
„Die neugeborenen Jungen hatten das Ausſehen junger Wanderratten, ſchienen mir aber um ein wenig größer zu ſein. Sie gaben einen piependen Ton von ſich, auch noch im Alter von einigen Wochen. Die Mutter war ſehr beſorgt um ihre Kleinen und verdeckte ſie, wenn ſie das Lager verließ, mit Heu. Manchmal, vorzüglich in der ihr ſehr wohlthuenden Mittagshitze, legte ſie ſich beim Säugen auf die Seite, ſo daß man die Jungen ſehr gut beobachten konnte. Dieſe waren ſehr lebhaft und ſaugten mit Begierde. Vier Tage nach ihrer Geburt waren ſie ſchon ganz grau, am ſechſten Tage ihres Lebens hatten ſie die Größe der Zwergmäuſe, und der ganze Oberkörper war mit einem außer- ordentlich feinen Flaum von ſchieferblauer Farbe bedeckt. Jhr Wachsthum ging ſehr raſch von ſtatten. Am dreizehnten Tage waren ſie überall mit kurzen Haaren bedeckt, der Oberkörper hatte ſchon die eigen- thümliche, rehfahle Farbe der Alten, und die ſchwarze Schwanzſpitze konnte man bereits recht deutlich er- kennen. Sie liefen manchmal, wenn auch noch etwas unbeholfen und ſchwerfällig, um ihr Lager und machten, obgleich noch blind, öfters Männchen und putzten ſich. Die Mutter verſuchte ſie aber immer der Beobachtung zu entziehen, nahm eine nach der andern ins Maul, brachte ſie eiligſt nach dem Neſte zurück und verbarg ſie dort ſorgfältig. Wenn man längere Zeit in ihrer Nähe verweilte, wurde ſie ſehr ängſtlich und lief mit der größten Schnelligkeit im Käfig herum, eines oder das andere der Jungen im Maule tragend. Man glaubte, befürchten zu müſſen, daß ſie die zarten Thierchen verletzen möchte; doch war Dies nie der Fall, und die Jungen gaben auch kein Zeichen des Schmerzes oder Unbehagens. Am ſechzehnten Tage ihres Lebens wurden ſie ſehend. Nun benagten ſie ſchon Hafer, Gerſte, Mais, und man konnte nach einigen weiteren Tagen ſich auch durchs Gehör von der Thätigkeit ihrer Nage- zähne überzeugen. Am 21. Tage hatten ſie die Größe der Hausmäuſe, am 25. die der Waldmäuſe. Jetzt ſaugten ſie nur ſelten, doch bemerkte ich Dies von einigen noch, nachdem ſie über einen Monat alt geworden waren. Sie fraßen ſchon von allem, was ihre Mutter zur Nahrung bekam: in Waſſer gequellte Semmel, Zwieback, Brod, Hafer, Gerſte, Mais. Der letztere behagte ihnen vorzüglich, wenn er friſch abgenommen und noch etwas weich war. Hanfſamen, Kürbißkörner liebten ſie ſehr; aus Birnen, Aepfeln und anderem Obſt ſchienen ſie ſich wenig zu machen: ſie koſteten nur zuweilen etwas davon.‟
„Am 5. Oktober gab das ſeit dem 1. September abgeſperrte Männchen zum erſten Male deutlich wahrnehmbare Töne von ſich. Sie beſtanden aus girrenden, trillernden Strophen, in denen zum Theil etwas Melodie lag, ähnlich denen des Meerſchweinchens, nur ſchwächer. Dieſer Geſang dauerte wohl eine Viertelſtunde; früher hatte ich nie etwas Aehnliches von meinem Gefangenen ver- nommen. Am 6. Oktober bemerkte ich zu meinem großen Erſtaunen, daß die Mutter der zur Welt gekommenen Jungen ſchon wieder fünf Kleine geboren hatte. Sie war demnach 36 Tage trächtig gegangen und hatte ſich alſo gleich nach ihrer Entbindung wieder mit ihrem Männchen begattet. Hier- aus läßt ſich die ungeheuere Vermehrung der Nager erklären.‟
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[116/0130]
Die eigentlichen Mäuſe.
nicht; es harnte überhaupt ſo wenig, daß die untergeſtreuten Sägeſpähne ſtets trocken blieben. An
den Drähten des Käfigs nagte es ſtundenlang, verſuchte aber nie, eine Oeffnung zu machen. Wenn
es ſich auf die Hinterfüße ſetzte, erinnerte es ſehr an die bekannten Stellungen der Springmäuſe.
Die Vorderfüße waren beinahe unter dem langen, ſeidenartigen Pelze verſteckt. Eine eigentliche
Stimme habe ich nie von ihm gehört, ſondern nur manchmal einen in Zwiſchenräumen von mehreren
Sekunden wiederholten Ton, welcher wie unterdrücktes Huſten klang.‟
„Später bekam ich ein junges, halb ausgewachſenes Weibchen. Es iſt weit lebhafter, als das
ernſtere Männchen. Die ganze Nacht läuft es im Käfig hin und her; den Tag verbringt es mit Schlafen.
Jm Schlafe ſitzt es auf den Hinterfüßen, den Kopf zwiſchen die Schenkel geſteckt und den Schwanz
kreisförmig unter den Kopf gelegt.‟
„Am 1. September warf bei mir eine ungefähr ein Jahr alte Sandrenumaus ſechs Junge. Jch
entfernte ſogleich das Männchen aus dem Käfig und gab der Mutter friſches Heu, woraus ſie ſich als-
bald ein bequemes Neſt verfertigte.‟
„Die neugeborenen Jungen hatten das Ausſehen junger Wanderratten, ſchienen mir aber um ein
wenig größer zu ſein. Sie gaben einen piependen Ton von ſich, auch noch im Alter von einigen
Wochen. Die Mutter war ſehr beſorgt um ihre Kleinen und verdeckte ſie, wenn ſie das Lager verließ,
mit Heu. Manchmal, vorzüglich in der ihr ſehr wohlthuenden Mittagshitze, legte ſie ſich beim Säugen
auf die Seite, ſo daß man die Jungen ſehr gut beobachten konnte. Dieſe waren ſehr lebhaft und
ſaugten mit Begierde. Vier Tage nach ihrer Geburt waren ſie ſchon ganz grau, am ſechſten Tage
ihres Lebens hatten ſie die Größe der Zwergmäuſe, und der ganze Oberkörper war mit einem außer-
ordentlich feinen Flaum von ſchieferblauer Farbe bedeckt. Jhr Wachsthum ging ſehr raſch von ſtatten.
Am dreizehnten Tage waren ſie überall mit kurzen Haaren bedeckt, der Oberkörper hatte ſchon die eigen-
thümliche, rehfahle Farbe der Alten, und die ſchwarze Schwanzſpitze konnte man bereits recht deutlich er-
kennen. Sie liefen manchmal, wenn auch noch etwas unbeholfen und ſchwerfällig, um ihr Lager und
machten, obgleich noch blind, öfters Männchen und putzten ſich. Die Mutter verſuchte ſie aber immer der
Beobachtung zu entziehen, nahm eine nach der andern ins Maul, brachte ſie eiligſt nach dem Neſte zurück
und verbarg ſie dort ſorgfältig. Wenn man längere Zeit in ihrer Nähe verweilte, wurde ſie ſehr
ängſtlich und lief mit der größten Schnelligkeit im Käfig herum, eines oder das andere der Jungen
im Maule tragend. Man glaubte, befürchten zu müſſen, daß ſie die zarten Thierchen verletzen möchte;
doch war Dies nie der Fall, und die Jungen gaben auch kein Zeichen des Schmerzes oder Unbehagens.
Am ſechzehnten Tage ihres Lebens wurden ſie ſehend. Nun benagten ſie ſchon Hafer, Gerſte, Mais,
und man konnte nach einigen weiteren Tagen ſich auch durchs Gehör von der Thätigkeit ihrer Nage-
zähne überzeugen. Am 21. Tage hatten ſie die Größe der Hausmäuſe, am 25. die der Waldmäuſe.
Jetzt ſaugten ſie nur ſelten, doch bemerkte ich Dies von einigen noch, nachdem ſie über einen Monat alt
geworden waren. Sie fraßen ſchon von allem, was ihre Mutter zur Nahrung bekam: in Waſſer
gequellte Semmel, Zwieback, Brod, Hafer, Gerſte, Mais. Der letztere behagte ihnen vorzüglich,
wenn er friſch abgenommen und noch etwas weich war. Hanfſamen, Kürbißkörner liebten ſie ſehr;
aus Birnen, Aepfeln und anderem Obſt ſchienen ſie ſich wenig zu machen: ſie koſteten nur zuweilen
etwas davon.‟
„Am 5. Oktober gab das ſeit dem 1. September abgeſperrte Männchen zum erſten Male deutlich
wahrnehmbare Töne von ſich. Sie beſtanden aus girrenden, trillernden Strophen, in denen zum
Theil etwas Melodie lag, ähnlich denen des Meerſchweinchens, nur ſchwächer. Dieſer Geſang
dauerte wohl eine Viertelſtunde; früher hatte ich nie etwas Aehnliches von meinem Gefangenen ver-
nommen. Am 6. Oktober bemerkte ich zu meinem großen Erſtaunen, daß die Mutter der zur Welt
gekommenen Jungen ſchon wieder fünf Kleine geboren hatte. Sie war demnach 36 Tage trächtig
gegangen und hatte ſich alſo gleich nach ihrer Entbindung wieder mit ihrem Männchen begattet. Hier-
aus läßt ſich die ungeheuere Vermehrung der Nager erklären.‟
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/130>, abgerufen am 26.11.2024.
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