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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Haselmaus.
still bei Tage und tobt bei Nacht wie unsinnig in seinem Käfig umher, versucht, die Stäbe und das
Gitter durchzunagen und durchzubrechen, und rast dann im Zimmer herum, daß man meint, es
wären wohl ihrer zehn, die einander umherjagten. Was im Wege steht, wird natürlich umgeworfen
und zertrümmert, und so leicht gelingt es nicht, den einmal Freigekommenen wieder einzufangen.
Am besten ist immer noch das alte, bewährte Mittel, ihm allerlei hohle Gegenstände an die Wand zu
legen, namentlich Stiefeln und Kasten, welche auf der einen Seite geschlossen sind; da hinein rennt
er bei seinem eilfertigen Jagen und wird dann natürlich leicht gefangen.

Von dem räuberischen Wesen des Gartenschläfers kann man sich an den Gefangenen leicht über-
zeugen. Sie stürzen sich mit wahrer Wuth auf jedes kleinere Wirbelthier, welches man zu ihnen
bringt. Einen Vogel erwürgen sie im Nu, eine bissige Maus nach wenig Minuten, trotz aller Ge-
genwehr. Sie zeigen die Blutgier des Wiesels neben der Gefräßigkeit anderer Bilche.



Die dritte Sippe der Schläfer (Muscardinus) un-
terscheidet sich ebenfalls hauptsächlich durch das Gebiß
von den vorigen. Der erste obere Backenzahn hat zwei,
der zweite fünf, der dritte sieben, der vierte sechs, der
erste untere drei, und die drei folgenden sechs Quer-
leisten. Auch sind die Ohren kleiner, als bei dem vo-
rigen. Der Schwanz ist seiner ganzen Länge nach gleich-
mäßig und ziemlich kurz behaart; die Ober- und Unter-
seite sind gleichfarbig. Jn Europa lebt nur eine einzige
Art dieser Sippe, die Haselmaus (Muscardinus
avellanarius
), eines der niedlichsten, anmuthigsten und
lustigsten Geschöpfe unter allen europäischen Nagethieren,
ebenso ausgezeichnet durch zierliche Gestalt und Schön-
heit der Färbung, wie durch Reinlichkeit, Nettigkeit und
Sanftheit des Wesens. Kaum ein anderes Thier ist so
zum Stubengenossen des Menschen geeignet, wie dieser
kleine Nager, der sich unbedingt Jeden zum Freunde er-
wirbt, welcher sich mit ihm beschäftigen will. Das
Thierchen ist ungefähr so groß, wie unsere Haus-
maus;
seine Gesammtlänge beträgt höchstens sechs
Zoll, und davon kommt fast die Hälfte auf den
Schwanz. Gewöhnlich bleibt die Haselmaus aber hin-
ter den angegebenen Maßen zurück; die meisten werden
etwa fünf Zoll lang. Der Pelz ist gleichmäßig gelblich-
roth, unten etwas heller, an der Brust und der Kehle
weiß. Der Haargrund ist aschgrau, mit Ausnahme
der weißen Stellen, deren Haare gleichfarbig sind.
Die Augengegend und die Ohren sind hellröthlich, die [Abbildung] Die Haselmaus (Muscardinus avellanarius).
Oberseite des Schwanzes ist etwas dunkler bräunlichroth, die Füße sind roth, die Zehen weißlich.
Jm Winter erhält die Oberseite einen schwachen, schwärzlichen Anflug, namentlich die letzte Hälfte
des Schwanzes. Dies kommt daher, weil das frische Grannenhaar schwärzliche Spitzen hat, welche
sich später abnutzen und abschleifen. Junge Thiere sind lebhaft gelblichroth. Der Pelz ist dicht und
glatt anliegend, das Haar mittellang, glänzend und weich.

Unser Mitteleuropa ist die Heimat der kleinen Haselmaus; Schweden und England scheinen ihre
nördlichste, Toskana und die nördliche Türkei ihre südlichste Grenze zu bilden; ostwärts geht sie nicht

Die Haſelmaus.
ſtill bei Tage und tobt bei Nacht wie unſinnig in ſeinem Käfig umher, verſucht, die Stäbe und das
Gitter durchzunagen und durchzubrechen, und raſt dann im Zimmer herum, daß man meint, es
wären wohl ihrer zehn, die einander umherjagten. Was im Wege ſteht, wird natürlich umgeworfen
und zertrümmert, und ſo leicht gelingt es nicht, den einmal Freigekommenen wieder einzufangen.
Am beſten iſt immer noch das alte, bewährte Mittel, ihm allerlei hohle Gegenſtände an die Wand zu
legen, namentlich Stiefeln und Kaſten, welche auf der einen Seite geſchloſſen ſind; da hinein rennt
er bei ſeinem eilfertigen Jagen und wird dann natürlich leicht gefangen.

Von dem räuberiſchen Weſen des Gartenſchläfers kann man ſich an den Gefangenen leicht über-
zeugen. Sie ſtürzen ſich mit wahrer Wuth auf jedes kleinere Wirbelthier, welches man zu ihnen
bringt. Einen Vogel erwürgen ſie im Nu, eine biſſige Maus nach wenig Minuten, trotz aller Ge-
genwehr. Sie zeigen die Blutgier des Wieſels neben der Gefräßigkeit anderer Bilche.



Die dritte Sippe der Schläfer (Muscardinus) un-
terſcheidet ſich ebenfalls hauptſächlich durch das Gebiß
von den vorigen. Der erſte obere Backenzahn hat zwei,
der zweite fünf, der dritte ſieben, der vierte ſechs, der
erſte untere drei, und die drei folgenden ſechs Quer-
leiſten. Auch ſind die Ohren kleiner, als bei dem vo-
rigen. Der Schwanz iſt ſeiner ganzen Länge nach gleich-
mäßig und ziemlich kurz behaart; die Ober- und Unter-
ſeite ſind gleichfarbig. Jn Europa lebt nur eine einzige
Art dieſer Sippe, die Haſelmaus (Muscardinus
avellanarius
), eines der niedlichſten, anmuthigſten und
luſtigſten Geſchöpfe unter allen europäiſchen Nagethieren,
ebenſo ausgezeichnet durch zierliche Geſtalt und Schön-
heit der Färbung, wie durch Reinlichkeit, Nettigkeit und
Sanftheit des Weſens. Kaum ein anderes Thier iſt ſo
zum Stubengenoſſen des Menſchen geeignet, wie dieſer
kleine Nager, der ſich unbedingt Jeden zum Freunde er-
wirbt, welcher ſich mit ihm beſchäftigen will. Das
Thierchen iſt ungefähr ſo groß, wie unſere Haus-
maus;
ſeine Geſammtlänge beträgt höchſtens ſechs
Zoll, und davon kommt faſt die Hälfte auf den
Schwanz. Gewöhnlich bleibt die Haſelmaus aber hin-
ter den angegebenen Maßen zurück; die meiſten werden
etwa fünf Zoll lang. Der Pelz iſt gleichmäßig gelblich-
roth, unten etwas heller, an der Bruſt und der Kehle
weiß. Der Haargrund iſt aſchgrau, mit Ausnahme
der weißen Stellen, deren Haare gleichfarbig ſind.
Die Augengegend und die Ohren ſind hellröthlich, die [Abbildung] Die Haſelmaus (Muscardinus avellanarius).
Oberſeite des Schwanzes iſt etwas dunkler bräunlichroth, die Füße ſind roth, die Zehen weißlich.
Jm Winter erhält die Oberſeite einen ſchwachen, ſchwärzlichen Anflug, namentlich die letzte Hälfte
des Schwanzes. Dies kommt daher, weil das friſche Grannenhaar ſchwärzliche Spitzen hat, welche
ſich ſpäter abnutzen und abſchleifen. Junge Thiere ſind lebhaft gelblichroth. Der Pelz iſt dicht und
glatt anliegend, das Haar mittellang, glänzend und weich.

Unſer Mitteleuropa iſt die Heimat der kleinen Haſelmaus; Schweden und England ſcheinen ihre
nördlichſte, Toskana und die nördliche Türkei ihre ſüdlichſte Grenze zu bilden; oſtwärts geht ſie nicht

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[109/0123] Die Haſelmaus. ſtill bei Tage und tobt bei Nacht wie unſinnig in ſeinem Käfig umher, verſucht, die Stäbe und das Gitter durchzunagen und durchzubrechen, und raſt dann im Zimmer herum, daß man meint, es wären wohl ihrer zehn, die einander umherjagten. Was im Wege ſteht, wird natürlich umgeworfen und zertrümmert, und ſo leicht gelingt es nicht, den einmal Freigekommenen wieder einzufangen. Am beſten iſt immer noch das alte, bewährte Mittel, ihm allerlei hohle Gegenſtände an die Wand zu legen, namentlich Stiefeln und Kaſten, welche auf der einen Seite geſchloſſen ſind; da hinein rennt er bei ſeinem eilfertigen Jagen und wird dann natürlich leicht gefangen. Von dem räuberiſchen Weſen des Gartenſchläfers kann man ſich an den Gefangenen leicht über- zeugen. Sie ſtürzen ſich mit wahrer Wuth auf jedes kleinere Wirbelthier, welches man zu ihnen bringt. Einen Vogel erwürgen ſie im Nu, eine biſſige Maus nach wenig Minuten, trotz aller Ge- genwehr. Sie zeigen die Blutgier des Wieſels neben der Gefräßigkeit anderer Bilche. Die dritte Sippe der Schläfer (Muscardinus) un- terſcheidet ſich ebenfalls hauptſächlich durch das Gebiß von den vorigen. Der erſte obere Backenzahn hat zwei, der zweite fünf, der dritte ſieben, der vierte ſechs, der erſte untere drei, und die drei folgenden ſechs Quer- leiſten. Auch ſind die Ohren kleiner, als bei dem vo- rigen. Der Schwanz iſt ſeiner ganzen Länge nach gleich- mäßig und ziemlich kurz behaart; die Ober- und Unter- ſeite ſind gleichfarbig. Jn Europa lebt nur eine einzige Art dieſer Sippe, die Haſelmaus (Muscardinus avellanarius), eines der niedlichſten, anmuthigſten und luſtigſten Geſchöpfe unter allen europäiſchen Nagethieren, ebenſo ausgezeichnet durch zierliche Geſtalt und Schön- heit der Färbung, wie durch Reinlichkeit, Nettigkeit und Sanftheit des Weſens. Kaum ein anderes Thier iſt ſo zum Stubengenoſſen des Menſchen geeignet, wie dieſer kleine Nager, der ſich unbedingt Jeden zum Freunde er- wirbt, welcher ſich mit ihm beſchäftigen will. Das Thierchen iſt ungefähr ſo groß, wie unſere Haus- maus; ſeine Geſammtlänge beträgt höchſtens ſechs Zoll, und davon kommt faſt die Hälfte auf den Schwanz. Gewöhnlich bleibt die Haſelmaus aber hin- ter den angegebenen Maßen zurück; die meiſten werden etwa fünf Zoll lang. Der Pelz iſt gleichmäßig gelblich- roth, unten etwas heller, an der Bruſt und der Kehle weiß. Der Haargrund iſt aſchgrau, mit Ausnahme der weißen Stellen, deren Haare gleichfarbig ſind. Die Augengegend und die Ohren ſind hellröthlich, die [Abbildung Die Haſelmaus (Muscardinus avellanarius).] Oberſeite des Schwanzes iſt etwas dunkler bräunlichroth, die Füße ſind roth, die Zehen weißlich. Jm Winter erhält die Oberſeite einen ſchwachen, ſchwärzlichen Anflug, namentlich die letzte Hälfte des Schwanzes. Dies kommt daher, weil das friſche Grannenhaar ſchwärzliche Spitzen hat, welche ſich ſpäter abnutzen und abſchleifen. Junge Thiere ſind lebhaft gelblichroth. Der Pelz iſt dicht und glatt anliegend, das Haar mittellang, glänzend und weich. Unſer Mitteleuropa iſt die Heimat der kleinen Haſelmaus; Schweden und England ſcheinen ihre nördlichſte, Toskana und die nördliche Türkei ihre ſüdlichſte Grenze zu bilden; oſtwärts geht ſie nicht

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/123>, abgerufen am 25.11.2024.