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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Erdgräber oder Wurfmäuse.
So kommt es, daß uns gegenwärtig die weit aus dem Maule hervorragenden gewaltigen Nagezähne
viel merkwürdiger erscheinen, als jene Säcke.

Der Goffer ist ziemlich weit verbreitet; östlich von dem Felsengebirge und westlich vom
Mississippi, und zwischen dem 34. und 52. Grade nördlicher Breite kommt er überall vor. Er
führt ein unterirdisches Leben, ganz wie der Maulwurf, gräbt zahlreiche und weit verzweigte Gänge
in den verschiedensten Richtungen und wirft Haufen auf, welche denen unseres Maulwurfes voll-
ständig ähneln. Manchmal geben seine Wühlereien der Oberfläche beinahe das Aussehen gepflügter
Felder, zu anderen Zeiten, zumal im Winter, bemerkt man seine Thätigkeit kaum. Blos während
der warmen Jahreszeit kommt er ab und zu einmal auf die Oberfläche der Erde; die kalte Zeit-
scheint er zu verschlafen. Erst in der Neuzeit haben tüchtige Naturforscher schärfere Beobachtungen
über die Lebensweise des bereits seit Ende des vorigen Jahrhunderts bekannten Goffer gemacht, und
namentlich Audubon, Bachmann und Gesner beschreiben das unterirdische Leben des Thieres
ziemlich genau. "Jn einem Garten, in welchem wir mehrere frisch aufgeworfene Hügel bemerkten,"
erzählen die Erstgenannten, "gruben wir einer Taschenratte nach und legten dadurch mehrere ihrer
unterirdischen Gänge in den verschiedensten Richtungen hin blos. Einer von den Hauptgängen verlief
ungefähr einen Fuß tief unter der Erde, außer wenn er die Gartengänge kreuzte, wo er dann tiefer
sank. Wir verfolgten den ganzen Gang, welcher durch ein breites Gartenbeet und unter zwei Wegen
hinweg noch in ein anderes Beet verlief, und fanden, daß viele der besten Pflanzen durch diese
Thiere vernichtet worden waren, indem sie die Wurzeln gerade an der Oberfläche der Erde abge-
bissen und aufgefressen hatten. Die Höhle endete in der Nähe der Pflanzung unter einem Rosen-
busch. Hierauf verfolgten wir einen andern Hauptgang, er lief bis in das Gewurzel eines großen
Buchenbaums; dort hatte die Ratte die Rinder abgenagt. Weiter und weiter untersuchend fanden
wir, daß viele Höhlen vorhanden waren, und einige davon ganz aus dem Garten hinaus in das
Feld, in den nahen Wald liefen, wo wir dann unsere Jagd aufgeben mußten. Die Haufen,
welche diese Art aufwirft, sind ungefähr zwölf oder funfzehn Zoll hoch und stehen ganz unregelmäßig,
manchmal nahe bei einander, gelegentlich auch zehn-, zwanzig-, ja sogar dreißigmal weiter entfernt.
Gewöhnlich aber sind sie nach oben, nahe an der Oberfläche, geöffnet, wohlbedeckt mit Gras oder an-
deren Pflanzen."

Jm übrigen entnehme ich den Schilderungen Audubon's und Gesner's (welcher zwar nicht
von der kanadischen, aber von der nahe verwandten georgischen Taschenratte spricht) das Nach-
stehende:

Der Goffer pflegt seine Höhlen etwa fußtief unter der Erde anzulegen und in Zwischenräumen
von ungefähr drei Fuß, gewöhnlich im Zickzack, Haufen aufzuwerfen. Aeltere Gänge sind innen
festgeschlagen, die neueren nicht. Hier und da zweigen sich Nebengänge ab. Die Kammer wird
unter Baumwurzeln in einer Tiefe von etwa fünf Fuß angelegt; die Höhle senkt sich schraubenförmig
zu ihr hinab. Sie ist groß, ganz mit weichem Gras ausgekleidet, einem Eichhoruneste nicht unähn-
lich und dient dem Thiere zum Ruhen und Schlafen. Das Nest, in welchem das Weibchen zu Ende
März oder im Anfang Aprils seine fünf bis sieben Jungen bringt, ist der Kammer ähnlich, jedoch
innen noch mit den Haaren der Mutter ausgekleidet. Wie das Nest des Maulwurfs, umgeben es
Rundgänge, von welchen aus die Röhren sich abzweigen. Gesner fand, daß vom Nest aus ein
Gang zu einer größeren Höhlung, der Vorrathskammer, führt. Sie ist gefüllt mit Wurzeln, Erd-
früchten (Kartoffeln), Nüssen und Sämereien.

Jn den Morgenstunden von 4 bis 10 Uhr arbeitet die Taschenratte am eifrigsten am Weiter-
oder Ausbau ihrer Wohnung, unzweifelhaft in der Absicht, sich mit Speise zu versorgen. Wenn
der Ort reich an Nahrung ist, werden in dieser Zeit zehn bis funfzehn Fuß Höhlung gebaut und zwei
bis fünf Hügel aufgeworfen; im entgegengesetzten Falle durchwühlt das Thier größere Strecken und
arbeitet länger. Zuweilen unterbricht es die Arbeit wochenlang; es scheint dann von den aufge-
speicherten Vorräthen zu zehren. Beim Aufwerfen der Erde, welches der Goffer ganz nach Art des

Die Erdgräber oder Wurfmäuſe.
So kommt es, daß uns gegenwärtig die weit aus dem Maule hervorragenden gewaltigen Nagezähne
viel merkwürdiger erſcheinen, als jene Säcke.

Der Goffer iſt ziemlich weit verbreitet; öſtlich von dem Felſengebirge und weſtlich vom
Miſſiſſippi, und zwiſchen dem 34. und 52. Grade nördlicher Breite kommt er überall vor. Er
führt ein unterirdiſches Leben, ganz wie der Maulwurf, gräbt zahlreiche und weit verzweigte Gänge
in den verſchiedenſten Richtungen und wirft Haufen auf, welche denen unſeres Maulwurfes voll-
ſtändig ähneln. Manchmal geben ſeine Wühlereien der Oberfläche beinahe das Ausſehen gepflügter
Felder, zu anderen Zeiten, zumal im Winter, bemerkt man ſeine Thätigkeit kaum. Blos während
der warmen Jahreszeit kommt er ab und zu einmal auf die Oberfläche der Erde; die kalte Zeit-
ſcheint er zu verſchlafen. Erſt in der Neuzeit haben tüchtige Naturforſcher ſchärfere Beobachtungen
über die Lebensweiſe des bereits ſeit Ende des vorigen Jahrhunderts bekannten Goffer gemacht, und
namentlich Audubon, Bachmann und Gesner beſchreiben das unterirdiſche Leben des Thieres
ziemlich genau. „Jn einem Garten, in welchem wir mehrere friſch aufgeworfene Hügel bemerkten,‟
erzählen die Erſtgenannten, „gruben wir einer Taſchenratte nach und legten dadurch mehrere ihrer
unterirdiſchen Gänge in den verſchiedenſten Richtungen hin blos. Einer von den Hauptgängen verlief
ungefähr einen Fuß tief unter der Erde, außer wenn er die Gartengänge kreuzte, wo er dann tiefer
ſank. Wir verfolgten den ganzen Gang, welcher durch ein breites Gartenbeet und unter zwei Wegen
hinweg noch in ein anderes Beet verlief, und fanden, daß viele der beſten Pflanzen durch dieſe
Thiere vernichtet worden waren, indem ſie die Wurzeln gerade an der Oberfläche der Erde abge-
biſſen und aufgefreſſen hatten. Die Höhle endete in der Nähe der Pflanzung unter einem Roſen-
buſch. Hierauf verfolgten wir einen andern Hauptgang, er lief bis in das Gewurzel eines großen
Buchenbaums; dort hatte die Ratte die Rinder abgenagt. Weiter und weiter unterſuchend fanden
wir, daß viele Höhlen vorhanden waren, und einige davon ganz aus dem Garten hinaus in das
Feld, in den nahen Wald liefen, wo wir dann unſere Jagd aufgeben mußten. Die Haufen,
welche dieſe Art aufwirft, ſind ungefähr zwölf oder funfzehn Zoll hoch und ſtehen ganz unregelmäßig,
manchmal nahe bei einander, gelegentlich auch zehn-, zwanzig-, ja ſogar dreißigmal weiter entfernt.
Gewöhnlich aber ſind ſie nach oben, nahe an der Oberfläche, geöffnet, wohlbedeckt mit Gras oder an-
deren Pflanzen.‟

Jm übrigen entnehme ich den Schilderungen Audubon’s und Gesner’s (welcher zwar nicht
von der kanadiſchen, aber von der nahe verwandten georgiſchen Taſchenratte ſpricht) das Nach-
ſtehende:

Der Goffer pflegt ſeine Höhlen etwa fußtief unter der Erde anzulegen und in Zwiſchenräumen
von ungefähr drei Fuß, gewöhnlich im Zickzack, Haufen aufzuwerfen. Aeltere Gänge ſind innen
feſtgeſchlagen, die neueren nicht. Hier und da zweigen ſich Nebengänge ab. Die Kammer wird
unter Baumwurzeln in einer Tiefe von etwa fünf Fuß angelegt; die Höhle ſenkt ſich ſchraubenförmig
zu ihr hinab. Sie iſt groß, ganz mit weichem Gras ausgekleidet, einem Eichhoruneſte nicht unähn-
lich und dient dem Thiere zum Ruhen und Schlafen. Das Neſt, in welchem das Weibchen zu Ende
März oder im Anfang Aprils ſeine fünf bis ſieben Jungen bringt, iſt der Kammer ähnlich, jedoch
innen noch mit den Haaren der Mutter ausgekleidet. Wie das Neſt des Maulwurfs, umgeben es
Rundgänge, von welchen aus die Röhren ſich abzweigen. Gesner fand, daß vom Neſt aus ein
Gang zu einer größeren Höhlung, der Vorrathskammer, führt. Sie iſt gefüllt mit Wurzeln, Erd-
früchten (Kartoffeln), Nüſſen und Sämereien.

Jn den Morgenſtunden von 4 bis 10 Uhr arbeitet die Taſchenratte am eifrigſten am Weiter-
oder Ausbau ihrer Wohnung, unzweifelhaft in der Abſicht, ſich mit Speiſe zu verſorgen. Wenn
der Ort reich an Nahrung iſt, werden in dieſer Zeit zehn bis funfzehn Fuß Höhlung gebaut und zwei
bis fünf Hügel aufgeworfen; im entgegengeſetzten Falle durchwühlt das Thier größere Strecken und
arbeitet länger. Zuweilen unterbricht es die Arbeit wochenlang; es ſcheint dann von den aufge-
ſpeicherten Vorräthen zu zehren. Beim Aufwerfen der Erde, welches der Goffer ganz nach Art des

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[98/0112] Die Erdgräber oder Wurfmäuſe. So kommt es, daß uns gegenwärtig die weit aus dem Maule hervorragenden gewaltigen Nagezähne viel merkwürdiger erſcheinen, als jene Säcke. Der Goffer iſt ziemlich weit verbreitet; öſtlich von dem Felſengebirge und weſtlich vom Miſſiſſippi, und zwiſchen dem 34. und 52. Grade nördlicher Breite kommt er überall vor. Er führt ein unterirdiſches Leben, ganz wie der Maulwurf, gräbt zahlreiche und weit verzweigte Gänge in den verſchiedenſten Richtungen und wirft Haufen auf, welche denen unſeres Maulwurfes voll- ſtändig ähneln. Manchmal geben ſeine Wühlereien der Oberfläche beinahe das Ausſehen gepflügter Felder, zu anderen Zeiten, zumal im Winter, bemerkt man ſeine Thätigkeit kaum. Blos während der warmen Jahreszeit kommt er ab und zu einmal auf die Oberfläche der Erde; die kalte Zeit- ſcheint er zu verſchlafen. Erſt in der Neuzeit haben tüchtige Naturforſcher ſchärfere Beobachtungen über die Lebensweiſe des bereits ſeit Ende des vorigen Jahrhunderts bekannten Goffer gemacht, und namentlich Audubon, Bachmann und Gesner beſchreiben das unterirdiſche Leben des Thieres ziemlich genau. „Jn einem Garten, in welchem wir mehrere friſch aufgeworfene Hügel bemerkten,‟ erzählen die Erſtgenannten, „gruben wir einer Taſchenratte nach und legten dadurch mehrere ihrer unterirdiſchen Gänge in den verſchiedenſten Richtungen hin blos. Einer von den Hauptgängen verlief ungefähr einen Fuß tief unter der Erde, außer wenn er die Gartengänge kreuzte, wo er dann tiefer ſank. Wir verfolgten den ganzen Gang, welcher durch ein breites Gartenbeet und unter zwei Wegen hinweg noch in ein anderes Beet verlief, und fanden, daß viele der beſten Pflanzen durch dieſe Thiere vernichtet worden waren, indem ſie die Wurzeln gerade an der Oberfläche der Erde abge- biſſen und aufgefreſſen hatten. Die Höhle endete in der Nähe der Pflanzung unter einem Roſen- buſch. Hierauf verfolgten wir einen andern Hauptgang, er lief bis in das Gewurzel eines großen Buchenbaums; dort hatte die Ratte die Rinder abgenagt. Weiter und weiter unterſuchend fanden wir, daß viele Höhlen vorhanden waren, und einige davon ganz aus dem Garten hinaus in das Feld, in den nahen Wald liefen, wo wir dann unſere Jagd aufgeben mußten. Die Haufen, welche dieſe Art aufwirft, ſind ungefähr zwölf oder funfzehn Zoll hoch und ſtehen ganz unregelmäßig, manchmal nahe bei einander, gelegentlich auch zehn-, zwanzig-, ja ſogar dreißigmal weiter entfernt. Gewöhnlich aber ſind ſie nach oben, nahe an der Oberfläche, geöffnet, wohlbedeckt mit Gras oder an- deren Pflanzen.‟ Jm übrigen entnehme ich den Schilderungen Audubon’s und Gesner’s (welcher zwar nicht von der kanadiſchen, aber von der nahe verwandten georgiſchen Taſchenratte ſpricht) das Nach- ſtehende: Der Goffer pflegt ſeine Höhlen etwa fußtief unter der Erde anzulegen und in Zwiſchenräumen von ungefähr drei Fuß, gewöhnlich im Zickzack, Haufen aufzuwerfen. Aeltere Gänge ſind innen feſtgeſchlagen, die neueren nicht. Hier und da zweigen ſich Nebengänge ab. Die Kammer wird unter Baumwurzeln in einer Tiefe von etwa fünf Fuß angelegt; die Höhle ſenkt ſich ſchraubenförmig zu ihr hinab. Sie iſt groß, ganz mit weichem Gras ausgekleidet, einem Eichhoruneſte nicht unähn- lich und dient dem Thiere zum Ruhen und Schlafen. Das Neſt, in welchem das Weibchen zu Ende März oder im Anfang Aprils ſeine fünf bis ſieben Jungen bringt, iſt der Kammer ähnlich, jedoch innen noch mit den Haaren der Mutter ausgekleidet. Wie das Neſt des Maulwurfs, umgeben es Rundgänge, von welchen aus die Röhren ſich abzweigen. Gesner fand, daß vom Neſt aus ein Gang zu einer größeren Höhlung, der Vorrathskammer, führt. Sie iſt gefüllt mit Wurzeln, Erd- früchten (Kartoffeln), Nüſſen und Sämereien. Jn den Morgenſtunden von 4 bis 10 Uhr arbeitet die Taſchenratte am eifrigſten am Weiter- oder Ausbau ihrer Wohnung, unzweifelhaft in der Abſicht, ſich mit Speiſe zu verſorgen. Wenn der Ort reich an Nahrung iſt, werden in dieſer Zeit zehn bis funfzehn Fuß Höhlung gebaut und zwei bis fünf Hügel aufgeworfen; im entgegengeſetzten Falle durchwühlt das Thier größere Strecken und arbeitet länger. Zuweilen unterbricht es die Arbeit wochenlang; es ſcheint dann von den aufge- ſpeicherten Vorräthen zu zehren. Beim Aufwerfen der Erde, welches der Goffer ganz nach Art des

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/112>, abgerufen am 24.11.2024.