die Zahl der Klapperschlangen: ich mußte zuletzt die Hügel verlassen. Noch einmal besuchte ich die Wohnungen, bemerkte aber außer den Klapperschlangen kein anderes Thier, der giftige Lurch hatte sämmtliche Prairiehunde ausgerottet."
Noch will ich einige Beobachtungen erzählen, welche ich in Wood's Naturgeschichte fand. "Das Thierchen," sagt dieser Forscher, "besitzt hohen Muth und auch eine große Zuneigung gegen andere seiner Art, wie man aus folgender Geschichte ersehen mag. Ein nach den Prairiemurmelthieren jagen- der Trapper hatte glücklich einen der Wächter von dem Hügel vor seiner Wohnung herabgeschossen und getödtet. Jn diesem Augenblicke erschien ein Gefährte des Verwundeten, welcher bis dahin ge- fürchtet hatte, sich dem Feuer des Jägers auszusetzen, packte den Leib seines Freundes und schleppte ihn nach dem Jnnern der Höhle. Der Jäger war so ergriffen von der Kundgebung solcher Treue und Liebe des kleinen Geschöpfes, daß er es niemals wieder über sich bringen konnte, auf die Jagd der Prairiehunde auszuziehen. -- Die Lebenszähigkeit dieses Murme | thieres ist unglaublich groß; ein nur verwundetes, obschon tödlich getroffenes, geht regelmäßig verloren, es weiß sich noch nach seiner Höhle zu schleppen und verschwindet. Wirklich komisch ist die Art und Weise, mit welcher das Thier- chen in seine Wohnung eintritt. Es rennt nicht nach dem Eingange derselben, sondern macht einen
[Abbildung]
Der Bobak (Aretomys Bobac).
Sprung in die Luft, schießt einen ordentlichen Purzelbaum, schwingt kühn seine Hinterbeine, fegt mit seinem Schwänzchen in der üppigsten Weise durch die Luft und verschwindet wie durch Zauber. Gewöhnlich hat sich der Beobachter noch gar nicht von seinem Erstaunen über solche Künste des Thier- chens erholt, da erscheint der Kopf desselben bereits wieder in der Mündung der Höhle, und das alte Spiel beginnt, wenn weiter keine Störung eintritt, von neuem." Audubon bestätigt diese Mit- theilungen.
Die Gefangenschaft erträgt der Prairiehund nur kurze Zeit; doch ist es fraglich, ob man sich über- haupt bisher die Mühe gegeben hat, ihn ordentlich abzuwarten und zu pflegen.
Jn Osteuropa findet sich ebenfalls ein Murmelthier, welches fast ausschließlich in der Ebene lebt, der Bobak (Arctomys Bobac). Die Augenumgebung und Schnauze dieser Art sind gleichfarbig braun- gelb, der Nacken, die Ober- und Unterseite gleichmäßig graurostgelb, die Vorderzähne weiß. Der Leib ist funfzehn, der Schwanz fast vier Zoll lang. Man hat den Bobak erst in der neueren Zeit von unserem Murmelthiere getrennt. Die ganz verschiedene Verbreitung und die abweichende Färbung ließen vermuthen, daß das Murmelthier der Ebene nicht das unserer Hochgebirge sein könne, und
Die Murmelthiere.
die Zahl der Klapperſchlangen: ich mußte zuletzt die Hügel verlaſſen. Noch einmal beſuchte ich die Wohnungen, bemerkte aber außer den Klapperſchlangen kein anderes Thier, der giftige Lurch hatte ſämmtliche Prairiehunde ausgerottet.‟
Noch will ich einige Beobachtungen erzählen, welche ich in Wood’s Naturgeſchichte fand. „Das Thierchen,‟ ſagt dieſer Forſcher, „beſitzt hohen Muth und auch eine große Zuneigung gegen andere ſeiner Art, wie man aus folgender Geſchichte erſehen mag. Ein nach den Prairiemurmelthieren jagen- der Trapper hatte glücklich einen der Wächter von dem Hügel vor ſeiner Wohnung herabgeſchoſſen und getödtet. Jn dieſem Augenblicke erſchien ein Gefährte des Verwundeten, welcher bis dahin ge- fürchtet hatte, ſich dem Feuer des Jägers auszuſetzen, packte den Leib ſeines Freundes und ſchleppte ihn nach dem Jnnern der Höhle. Der Jäger war ſo ergriffen von der Kundgebung ſolcher Treue und Liebe des kleinen Geſchöpfes, daß er es niemals wieder über ſich bringen konnte, auf die Jagd der Prairiehunde auszuziehen. — Die Lebenszähigkeit dieſes Murme | thieres iſt unglaublich groß; ein nur verwundetes, obſchon tödlich getroffenes, geht regelmäßig verloren, es weiß ſich noch nach ſeiner Höhle zu ſchleppen und verſchwindet. Wirklich komiſch iſt die Art und Weiſe, mit welcher das Thier- chen in ſeine Wohnung eintritt. Es rennt nicht nach dem Eingange derſelben, ſondern macht einen
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Der Bobak (Aretomys Bobac).
Sprung in die Luft, ſchießt einen ordentlichen Purzelbaum, ſchwingt kühn ſeine Hinterbeine, fegt mit ſeinem Schwänzchen in der üppigſten Weiſe durch die Luft und verſchwindet wie durch Zauber. Gewöhnlich hat ſich der Beobachter noch gar nicht von ſeinem Erſtaunen über ſolche Künſte des Thier- chens erholt, da erſcheint der Kopf deſſelben bereits wieder in der Mündung der Höhle, und das alte Spiel beginnt, wenn weiter keine Störung eintritt, von neuem.‟ Audubon beſtätigt dieſe Mit- theilungen.
Die Gefangenſchaft erträgt der Prairiehund nur kurze Zeit; doch iſt es fraglich, ob man ſich über- haupt bisher die Mühe gegeben hat, ihn ordentlich abzuwarten und zu pflegen.
Jn Oſteuropa findet ſich ebenfalls ein Murmelthier, welches faſt ausſchließlich in der Ebene lebt, der Bobak (Arctomys Bobac). Die Augenumgebung und Schnauze dieſer Art ſind gleichfarbig braun- gelb, der Nacken, die Ober- und Unterſeite gleichmäßig grauroſtgelb, die Vorderzähne weiß. Der Leib iſt funfzehn, der Schwanz faſt vier Zoll lang. Man hat den Bobak erſt in der neueren Zeit von unſerem Murmelthiere getrennt. Die ganz verſchiedene Verbreitung und die abweichende Färbung ließen vermuthen, daß das Murmelthier der Ebene nicht das unſerer Hochgebirge ſein könne, und
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Die Murmelthiere.
die Zahl der Klapperſchlangen: ich mußte zuletzt die Hügel verlaſſen. Noch einmal beſuchte ich die
Wohnungen, bemerkte aber außer den Klapperſchlangen kein anderes Thier, der giftige Lurch hatte
ſämmtliche Prairiehunde ausgerottet.‟
Noch will ich einige Beobachtungen erzählen, welche ich in Wood’s Naturgeſchichte fand. „Das
Thierchen,‟ ſagt dieſer Forſcher, „beſitzt hohen Muth und auch eine große Zuneigung gegen andere
ſeiner Art, wie man aus folgender Geſchichte erſehen mag. Ein nach den Prairiemurmelthieren jagen-
der Trapper hatte glücklich einen der Wächter von dem Hügel vor ſeiner Wohnung herabgeſchoſſen
und getödtet. Jn dieſem Augenblicke erſchien ein Gefährte des Verwundeten, welcher bis dahin ge-
fürchtet hatte, ſich dem Feuer des Jägers auszuſetzen, packte den Leib ſeines Freundes und ſchleppte
ihn nach dem Jnnern der Höhle. Der Jäger war ſo ergriffen von der Kundgebung ſolcher Treue
und Liebe des kleinen Geſchöpfes, daß er es niemals wieder über ſich bringen konnte, auf die Jagd
der Prairiehunde auszuziehen. — Die Lebenszähigkeit dieſes Murme | thieres iſt unglaublich groß; ein
nur verwundetes, obſchon tödlich getroffenes, geht regelmäßig verloren, es weiß ſich noch nach ſeiner
Höhle zu ſchleppen und verſchwindet. Wirklich komiſch iſt die Art und Weiſe, mit welcher das Thier-
chen in ſeine Wohnung eintritt. Es rennt nicht nach dem Eingange derſelben, ſondern macht einen
[Abbildung Der Bobak (Aretomys Bobac).]
Sprung in die Luft, ſchießt einen ordentlichen Purzelbaum, ſchwingt kühn ſeine Hinterbeine, fegt mit
ſeinem Schwänzchen in der üppigſten Weiſe durch die Luft und verſchwindet wie durch Zauber.
Gewöhnlich hat ſich der Beobachter noch gar nicht von ſeinem Erſtaunen über ſolche Künſte des Thier-
chens erholt, da erſcheint der Kopf deſſelben bereits wieder in der Mündung der Höhle, und das alte
Spiel beginnt, wenn weiter keine Störung eintritt, von neuem.‟ Audubon beſtätigt dieſe Mit-
theilungen.
Die Gefangenſchaft erträgt der Prairiehund nur kurze Zeit; doch iſt es fraglich, ob man ſich über-
haupt bisher die Mühe gegeben hat, ihn ordentlich abzuwarten und zu pflegen.
Jn Oſteuropa findet ſich ebenfalls ein Murmelthier, welches faſt ausſchließlich in der Ebene lebt,
der Bobak (Arctomys Bobac). Die Augenumgebung und Schnauze dieſer Art ſind gleichfarbig braun-
gelb, der Nacken, die Ober- und Unterſeite gleichmäßig grauroſtgelb, die Vorderzähne weiß. Der
Leib iſt funfzehn, der Schwanz faſt vier Zoll lang. Man hat den Bobak erſt in der neueren Zeit von
unſerem Murmelthiere getrennt. Die ganz verſchiedene Verbreitung und die abweichende Färbung
ließen vermuthen, daß das Murmelthier der Ebene nicht das unſerer Hochgebirge ſein könne, und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/104>, abgerufen am 23.11.2024.
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