aus Alte Männchen unterscheiden sich von den Weibchen durch ihre Größe, dichteres und längeres Haar, reichlichern Bart und eigenthümliche Schwielen oder Hautlappen an den Wangen, welche sich halbmondförmig von den Augen an nach den Ohren hin und zum Oberkiefer herabziehen und das Gesicht auffallend verhäßlichen. Die jüngeren Thiere sind bartlos, sonst aber reicher behaart und dunkler gefärbt.
Gegenwärtig scheint es so ziemlich festzustehen, daß der Orang-Utang ausschließlich auf Borneo gefunden wird. Früher nannte man oft auch Sumatra und die anderen Sunda-Jnseln als seine Heimat; doch scheint es, daß solche Angaben auf falschen Aussagen der Eingebornen beruht haben. Lange Zeit war man nicht abgeneigt, zwei, drei, ja vier Arten des Thieres anzunehmen, von denen jede eine besondere Jusel bewohnen sollte; in der Neuzeit aber scheint man ziemlich einig ge- worden zu sein, daß alle die verschiedenen Orangaffen Asiens, welche man als eigene Arten ansah, blose Altersverschiedenheiten einer einzigen Art darstellen, deren Heimat Borneo ist. Hier lebt unser Thier auf der Süd- und Westseite der Jnsel in den großen, sumpsigen Waldniederungen, am liebsten an den Ufern der Flüsse. Jm Gebirge soll er niemals vorkommen. Ausgedehnte Wälder, in denen er unbehelligt von seinem Hauptfeinde, dem Menschen, hausen kann, dürften für sein Vorkommen unerläßliche Bedingung sein. Aus allen bevölkerten Gegenden, in deren Gebiet er sonst gefunden wurde, ist er jetzt verschwunden. Jn der eigentlichen Wildniß dagegen scheint er keineswegs selten zu sein, aber so selten besucht und belauscht zu werden, daß wir noch heute nur äußerst wenig von seinem Leben in der Freiheit wissen.
Er selbst ist schon seit alter Zeit bekannt. Bereits Plinius giebt an, daß es auf den indischen Bergen Satirn gäbe, "sehr bösartige Thiere mit einem Menschengesicht, welche bald aufrecht, bald auf allen Vieren gingen und wegen ihrer Schnelligkeit nur gefangen werden könnten, wenn sie alt oder krank seinen." Seine Erzählung erbt sich fort von Jahrhundert zu Jahrhundert und empfängt von jedem neuen Bearbeiter Zusätze. Man vergißt fast, daß man noch von Thieren redet; aus den Affen werden beinahe wilde Menschen. Uebertreibungen jeder Art verwirren die ersten Angaben und entstellen die Wahrheit. Bontius, ein Arzt, welcher um die Mitte des 17. Jahrhunderts auf Java lebte, spricht wieder einmal aus eigener Anschanung. Er sagt, daß er den Waldmenschen einige Male gesehen habe, und zwar ebenso wohl Männer als Weiber. Sie gingen öfters aufrecht und geberdeten sich ganz wie andere Menschen. Bewunderungswürdig wäre ein Weibchen gewesen. Es habe sich geschämt, wenn es unbekannte Menschen betrachtet hätten, und nicht nur das Gesicht, sondern auch seine Blöße mit den Händen bedeckt; es habe geseufzt, Thränen vergossen und alle menschlichen Handlungen so ausgeübt, daß ihm nur die Sprache gefehlt habe, um wie ein Mensch zu sein. Die Javaner sagten, daß die Affen wohl reden könnten, wenn sie nur wollten; allein sie thäten es nicht, weil sie fürchteten, arbeiten zu müssen. Daß die Waldmenschen aus der Vermischung von Affen und indianischen Weibern entständen, sei ganz sicher. Schonten bereichert diese Erzählung durch einige Entführungsgeschichten, in denen die Waldmenschen der angreifende, indische Mädchen aber der leidende Theil sind. Brosse versichert sogar, daß eine von den Affen entführte Negerin drei Jahre im Walde festgehalten worden wäre: -- ob die wilde Ehe in des Worts verwegenster Bedeutung, welche die Braut allem Anscheine nach mit ihrem Entführer einging, auch mit Kindern gesegnet wurde, steht nicht dabei. Es versteht sich fast von selbst, daß die Orang-Utangs nach allen diesen Erzählungen anfrecht auf den Hinterfüßen gehen, obwohl hinzugefügt wird, "daß sie auch auf allen vier Beinen laufen könnten." Eigentlich sind aber die Reisebeschreiber an den Uebertreibungen, welche sie auftischen, unschuldig; denn sie geben blos die Erzählungen der Eingebornen wieder. Diese wußten sich natürlich die Theilnahme der Europäer für unsere Affen zu Nutze zu machen, weil sie ihnen junge Pongos verkaufen wollten und deshalb ihre Waare nach Kräften priesen, -- nicht mehr und nicht minder, als es Thierschausteller bei uns zu Lande heutigen Tages auch noch thun.
Versucht man nun, die Naturgeschichte des Orang-Utang von allen Ausschmückungen, Zu- thaten, Lügen und Fabeln zu entkleiden, so ergiebt sich etwa Folgendes:
Beſchreibung. Heimat. Fabeln.
aus Alte Männchen unterſcheiden ſich von den Weibchen durch ihre Größe, dichteres und längeres Haar, reichlichern Bart und eigenthümliche Schwielen oder Hautlappen an den Wangen, welche ſich halbmondförmig von den Augen an nach den Ohren hin und zum Oberkiefer herabziehen und das Geſicht auffallend verhäßlichen. Die jüngeren Thiere ſind bartlos, ſonſt aber reicher behaart und dunkler gefärbt.
Gegenwärtig ſcheint es ſo ziemlich feſtzuſtehen, daß der Orang-Utang ausſchließlich auf Borneo gefunden wird. Früher nannte man oft auch Sumatra und die anderen Sunda-Jnſeln als ſeine Heimat; doch ſcheint es, daß ſolche Angaben auf falſchen Ausſagen der Eingebornen beruht haben. Lange Zeit war man nicht abgeneigt, zwei, drei, ja vier Arten des Thieres anzunehmen, von denen jede eine beſondere Juſel bewohnen ſollte; in der Neuzeit aber ſcheint man ziemlich einig ge- worden zu ſein, daß alle die verſchiedenen Orangaffen Aſiens, welche man als eigene Arten anſah, bloſe Altersverſchiedenheiten einer einzigen Art darſtellen, deren Heimat Borneo iſt. Hier lebt unſer Thier auf der Süd- und Weſtſeite der Jnſel in den großen, ſumpſigen Waldniederungen, am liebſten an den Ufern der Flüſſe. Jm Gebirge ſoll er niemals vorkommen. Ausgedehnte Wälder, in denen er unbehelligt von ſeinem Hauptfeinde, dem Menſchen, hauſen kann, dürften für ſein Vorkommen unerläßliche Bedingung ſein. Aus allen bevölkerten Gegenden, in deren Gebiet er ſonſt gefunden wurde, iſt er jetzt verſchwunden. Jn der eigentlichen Wildniß dagegen ſcheint er keineswegs ſelten zu ſein, aber ſo ſelten beſucht und belauſcht zu werden, daß wir noch heute nur äußerſt wenig von ſeinem Leben in der Freiheit wiſſen.
Er ſelbſt iſt ſchon ſeit alter Zeit bekannt. Bereits Plinius giebt an, daß es auf den indiſchen Bergen Satirn gäbe, „ſehr bösartige Thiere mit einem Menſchengeſicht, welche bald aufrecht, bald auf allen Vieren gingen und wegen ihrer Schnelligkeit nur gefangen werden könnten, wenn ſie alt oder krank ſeinen.‟ Seine Erzählung erbt ſich fort von Jahrhundert zu Jahrhundert und empfängt von jedem neuen Bearbeiter Zuſätze. Man vergißt faſt, daß man noch von Thieren redet; aus den Affen werden beinahe wilde Menſchen. Uebertreibungen jeder Art verwirren die erſten Angaben und entſtellen die Wahrheit. Bontius, ein Arzt, welcher um die Mitte des 17. Jahrhunderts auf Java lebte, ſpricht wieder einmal aus eigener Anſchanung. Er ſagt, daß er den Waldmenſchen einige Male geſehen habe, und zwar ebenſo wohl Männer als Weiber. Sie gingen öfters aufrecht und geberdeten ſich ganz wie andere Menſchen. Bewunderungswürdig wäre ein Weibchen geweſen. Es habe ſich geſchämt, wenn es unbekannte Menſchen betrachtet hätten, und nicht nur das Geſicht, ſondern auch ſeine Blöße mit den Händen bedeckt; es habe geſeufzt, Thränen vergoſſen und alle menſchlichen Handlungen ſo ausgeübt, daß ihm nur die Sprache gefehlt habe, um wie ein Menſch zu ſein. Die Javaner ſagten, daß die Affen wohl reden könnten, wenn ſie nur wollten; allein ſie thäten es nicht, weil ſie fürchteten, arbeiten zu müſſen. Daß die Waldmenſchen aus der Vermiſchung von Affen und indianiſchen Weibern entſtänden, ſei ganz ſicher. Schonten bereichert dieſe Erzählung durch einige Entführungsgeſchichten, in denen die Waldmenſchen der angreifende, indiſche Mädchen aber der leidende Theil ſind. Broſſe verſichert ſogar, daß eine von den Affen entführte Negerin drei Jahre im Walde feſtgehalten worden wäre: — ob die wilde Ehe in des Worts verwegenſter Bedeutung, welche die Braut allem Anſcheine nach mit ihrem Entführer einging, auch mit Kindern geſegnet wurde, ſteht nicht dabei. Es verſteht ſich faſt von ſelbſt, daß die Orang-Utangs nach allen dieſen Erzählungen anfrecht auf den Hinterfüßen gehen, obwohl hinzugefügt wird, „daß ſie auch auf allen vier Beinen laufen könnten.‟ Eigentlich ſind aber die Reiſebeſchreiber an den Uebertreibungen, welche ſie auftiſchen, unſchuldig; denn ſie geben blos die Erzählungen der Eingebornen wieder. Dieſe wußten ſich natürlich die Theilnahme der Europäer für unſere Affen zu Nutze zu machen, weil ſie ihnen junge Pongos verkaufen wollten und deshalb ihre Waare nach Kräften prieſen, — nicht mehr und nicht minder, als es Thierſchauſteller bei uns zu Lande heutigen Tages auch noch thun.
Verſucht man nun, die Naturgeſchichte des Orang-Utang von allen Ausſchmückungen, Zu- thaten, Lügen und Fabeln zu entkleiden, ſo ergiebt ſich etwa Folgendes:
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[29/0079]
Beſchreibung. Heimat. Fabeln.
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halbmondförmig von den Augen an nach den Ohren hin und zum Oberkiefer herabziehen und das
Geſicht auffallend verhäßlichen. Die jüngeren Thiere ſind bartlos, ſonſt aber reicher behaart und
dunkler gefärbt.
Gegenwärtig ſcheint es ſo ziemlich feſtzuſtehen, daß der Orang-Utang ausſchließlich auf
Borneo gefunden wird. Früher nannte man oft auch Sumatra und die anderen Sunda-Jnſeln
als ſeine Heimat; doch ſcheint es, daß ſolche Angaben auf falſchen Ausſagen der Eingebornen beruht
haben. Lange Zeit war man nicht abgeneigt, zwei, drei, ja vier Arten des Thieres anzunehmen, von
denen jede eine beſondere Juſel bewohnen ſollte; in der Neuzeit aber ſcheint man ziemlich einig ge-
worden zu ſein, daß alle die verſchiedenen Orangaffen Aſiens, welche man als eigene Arten anſah,
bloſe Altersverſchiedenheiten einer einzigen Art darſtellen, deren Heimat Borneo iſt. Hier lebt unſer
Thier auf der Süd- und Weſtſeite der Jnſel in den großen, ſumpſigen Waldniederungen, am liebſten
an den Ufern der Flüſſe. Jm Gebirge ſoll er niemals vorkommen. Ausgedehnte Wälder, in denen
er unbehelligt von ſeinem Hauptfeinde, dem Menſchen, hauſen kann, dürften für ſein Vorkommen
unerläßliche Bedingung ſein. Aus allen bevölkerten Gegenden, in deren Gebiet er ſonſt gefunden
wurde, iſt er jetzt verſchwunden. Jn der eigentlichen Wildniß dagegen ſcheint er keineswegs ſelten zu
ſein, aber ſo ſelten beſucht und belauſcht zu werden, daß wir noch heute nur äußerſt wenig von ſeinem
Leben in der Freiheit wiſſen.
Er ſelbſt iſt ſchon ſeit alter Zeit bekannt. Bereits Plinius giebt an, daß es auf den indiſchen
Bergen Satirn gäbe, „ſehr bösartige Thiere mit einem Menſchengeſicht, welche bald aufrecht, bald
auf allen Vieren gingen und wegen ihrer Schnelligkeit nur gefangen werden könnten, wenn ſie alt
oder krank ſeinen.‟ Seine Erzählung erbt ſich fort von Jahrhundert zu Jahrhundert und empfängt
von jedem neuen Bearbeiter Zuſätze. Man vergißt faſt, daß man noch von Thieren redet; aus den
Affen werden beinahe wilde Menſchen. Uebertreibungen jeder Art verwirren die erſten Angaben
und entſtellen die Wahrheit. Bontius, ein Arzt, welcher um die Mitte des 17. Jahrhunderts auf
Java lebte, ſpricht wieder einmal aus eigener Anſchanung. Er ſagt, daß er den Waldmenſchen einige
Male geſehen habe, und zwar ebenſo wohl Männer als Weiber. Sie gingen öfters aufrecht und
geberdeten ſich ganz wie andere Menſchen. Bewunderungswürdig wäre ein Weibchen geweſen. Es
habe ſich geſchämt, wenn es unbekannte Menſchen betrachtet hätten, und nicht nur das Geſicht,
ſondern auch ſeine Blöße mit den Händen bedeckt; es habe geſeufzt, Thränen vergoſſen und alle
menſchlichen Handlungen ſo ausgeübt, daß ihm nur die Sprache gefehlt habe, um wie ein Menſch
zu ſein. Die Javaner ſagten, daß die Affen wohl reden könnten, wenn ſie nur wollten; allein ſie
thäten es nicht, weil ſie fürchteten, arbeiten zu müſſen. Daß die Waldmenſchen aus der Vermiſchung
von Affen und indianiſchen Weibern entſtänden, ſei ganz ſicher. Schonten bereichert dieſe Erzählung
durch einige Entführungsgeſchichten, in denen die Waldmenſchen der angreifende, indiſche Mädchen
aber der leidende Theil ſind. Broſſe verſichert ſogar, daß eine von den Affen entführte Negerin
drei Jahre im Walde feſtgehalten worden wäre: — ob die wilde Ehe in des Worts verwegenſter
Bedeutung, welche die Braut allem Anſcheine nach mit ihrem Entführer einging, auch mit Kindern
geſegnet wurde, ſteht nicht dabei. Es verſteht ſich faſt von ſelbſt, daß die Orang-Utangs nach allen
dieſen Erzählungen anfrecht auf den Hinterfüßen gehen, obwohl hinzugefügt wird, „daß ſie auch auf
allen vier Beinen laufen könnten.‟ Eigentlich ſind aber die Reiſebeſchreiber an den Uebertreibungen,
welche ſie auftiſchen, unſchuldig; denn ſie geben blos die Erzählungen der Eingebornen wieder. Dieſe
wußten ſich natürlich die Theilnahme der Europäer für unſere Affen zu Nutze zu machen, weil ſie
ihnen junge Pongos verkaufen wollten und deshalb ihre Waare nach Kräften prieſen, — nicht mehr
und nicht minder, als es Thierſchauſteller bei uns zu Lande heutigen Tages auch noch thun.
Verſucht man nun, die Naturgeſchichte des Orang-Utang von allen Ausſchmückungen, Zu-
thaten, Lügen und Fabeln zu entkleiden, ſo ergiebt ſich etwa Folgendes:
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/79>, abgerufen am 22.11.2024.
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