wurf wird augenblicklich auf Tod oder Leben angefallen und, wenn er bezwungen worden ist, aufge- fressen. Aber der gierige Räuber geht auch wirklich auf die Oberfläche der Erde hinaus, um zu morden.
"Jch habe," sagt Blasius, "mehrere Mal im Freien beobachtet, daß ein Frosch von einem Maulwurfe überlistet und an den Hinterbeinen unter die Erde gezogen wurde, bei welcher unfrei- willigen Versenkung das unglückliche Opfer ein lautes, klägliches Geschrei ausstieß." Und Lenz beobachtete, daß er ähnlich auch mit den Schlangen verfährt; ich werde gleich erzählen, wie.
Der Hunger des Maulwurfs ist unstillbar. Er bedarf täglich soviel an Nahrung, als sein eignes Körpergewicht beträgt, und hält es nicht über zwölf Stunden ohne Fraß aus. Hiervon hat man sich durch mehrere sehr hübsche Beobachtungen überzeugt.
Flourens, welcher überhaupt wissen wollte, was das Thier am liebsten fräße, setzte zwei Maul- würfe in ein Gefäß mit Erde und legte eine Meerrettigwurzel vor. Am andern Tage fand er die Wurzel unversehrt, von einem Maulwurfe aber blos die Haut, das Uebrige, selbst die Knochen aufge- fressen. Er that sodann den Lebenden in ein leeres Gefäß. Das Thier sah schon wieder sehr unruhig und hungrig aus. Nun brachte der Beobachter einen Sperling mit ausgerupften Schwungfedern zu dem Maulwurf. Dieser näherte sich dem Vogel augenblicklich, bekam aber einige Schnabelhiebe, wich zwei bis drei Mal zurück, stürzte sich dann plötzlich auf den Spaz, riß ihm den Unterleib auf, erweiterte die Oeffnung mit den Tatzen und hatte in kurzer Zeit die Hälfte unter der Haut mit einer Art von Wuth aufgefressen. Flourens setzte sodann ein Glas Wasser in das Gefängniß. Als es der Maulwurf bemerkte, stellte er sich aufrecht mit den Vordertatzen auf das Glas und soff mit großer Begierde, dann fraß er nochmals von dem Sperling, und jetzt war er vollständig gesättigt. Es wurde ihm nun Fleisch und Wasser weggenommen; er war aber schon sehr bald wieder hungrig, leer, höchst unruhig und schwach, und der Rüssel schnüffelte beständig umher. Kaum kam ein neuer lebender Sperling hinzu, so fuhr er auf ihn los, biß ihm den Bauch auf, fraß die Hälfte, soff wieder gierig, sah dann sehr strotzend aus und wurde vollkommen ruhig. Am andern Tage hatte er das Uebrige bis auf den umgestülpten Balg aufgefressen und war schon wieder hungrig. Er fraß sogleich einen Frosch, welcher aber auch blos bis Nachmittag anhielt. Da gab man ihm eine Kröte; sobald er an sie stieß, blähte er sich auf und wandte wiederholt die Schnauze ab, als wenn er einen unüberwindlichen Ekel empfände; er fraß sie auch nicht. Am andern Tage war er Hungers gestorben, ohne die Kröte oder Etwas von einer Möhre, Kohl oder Salat augerührt zu haben. Drei andere Maulwürfe, welche Floureus blos zu Wurzeln und Blättern gesperrt hatte, starben alle drei vor Hunger. Diejenigen, welche mit lebendigen Sperlingen, Fröschen oder mit Rindfleisch und Kellerasseln genährt wurden, lebten sehr lange. Einmal setzte der Beobachter ihrer zehn in ein Zimmer ohne alle Nahrung. Einige Stunden später begann der Stärkere den Schwächern zu verfolgen; am andern Tage war dieser aufgefressen, und so ging Das fort, bis zuletzt nur noch zwei übrigblieben, von denen ebenfalls der eine den andern aufgefressen haben würde, wäre beiden nicht andere Nahrung gereicht worden.
Oken fütterte seinen Gefangenen mit geschnittenem Fleisch und zwar mit rohem ebensowohl, wie mit gekochtem, sowie es gerade zur Hand war. Brod und Pflanzenstoffe rührte das Thier nie an. Als der Forscher einen zweiten Gefangenen zu dem ersten brachte, entstand augenblicklich Krieg unter den Thieren. Sie gingen sofort auf einander los, packten sich mit den Kiefern und bissen sich minuten- lang gegenseitig. Hierauf sing der Neuling an zu fliehen, der Alte suchte ihn überall und fuhr dabei blitzschnell durch den Sand. Oken machte nun dem Verfolgten in einem Zuckerglase eine Art von Nest zurecht und stellte es während der Nacht in den Kasten. Am andern Morgen lag der Schütz- ling aber doch todt im Sande. Wahrscheinlich war er aus dem Glase gekommen und von dem frühern Eigner des Gefängnisses todtgebissen worden, und zwar jedenfalls nicht aus Hunger, sondern aus angeborner Böswilligkeit. Der schwache Unterkiefer war dabei entzweigebissen. Am andern Tage war auch der Alte todt, nicht an einer Verwundung, sondern, wie es schien, an Uebereiferung und Erschöpfung im Kampfe.
Lenz nahm einen frischen und unversehrt gefangenen Maulwurf und ließ ihn in ein Kistchen,
Bewegungen, Nahrung und Gefräßigkeit. Sein Muth.
wurf wird augenblicklich auf Tod oder Leben angefallen und, wenn er bezwungen worden iſt, aufge- freſſen. Aber der gierige Räuber geht auch wirklich auf die Oberfläche der Erde hinaus, um zu morden.
„Jch habe,‟ ſagt Blaſius, „mehrere Mal im Freien beobachtet, daß ein Froſch von einem Maulwurfe überliſtet und an den Hinterbeinen unter die Erde gezogen wurde, bei welcher unfrei- willigen Verſenkung das unglückliche Opfer ein lautes, klägliches Geſchrei ausſtieß.‟ Und Lenz beobachtete, daß er ähnlich auch mit den Schlangen verfährt; ich werde gleich erzählen, wie.
Der Hunger des Maulwurfs iſt unſtillbar. Er bedarf täglich ſoviel an Nahrung, als ſein eignes Körpergewicht beträgt, und hält es nicht über zwölf Stunden ohne Fraß aus. Hiervon hat man ſich durch mehrere ſehr hübſche Beobachtungen überzeugt.
Flourens, welcher überhaupt wiſſen wollte, was das Thier am liebſten fräße, ſetzte zwei Maul- würfe in ein Gefäß mit Erde und legte eine Meerrettigwurzel vor. Am andern Tage fand er die Wurzel unverſehrt, von einem Maulwurfe aber blos die Haut, das Uebrige, ſelbſt die Knochen aufge- freſſen. Er that ſodann den Lebenden in ein leeres Gefäß. Das Thier ſah ſchon wieder ſehr unruhig und hungrig aus. Nun brachte der Beobachter einen Sperling mit ausgerupften Schwungfedern zu dem Maulwurf. Dieſer näherte ſich dem Vogel augenblicklich, bekam aber einige Schnabelhiebe, wich zwei bis drei Mal zurück, ſtürzte ſich dann plötzlich auf den Spaz, riß ihm den Unterleib auf, erweiterte die Oeffnung mit den Tatzen und hatte in kurzer Zeit die Hälfte unter der Haut mit einer Art von Wuth aufgefreſſen. Flourens ſetzte ſodann ein Glas Waſſer in das Gefängniß. Als es der Maulwurf bemerkte, ſtellte er ſich aufrecht mit den Vordertatzen auf das Glas und ſoff mit großer Begierde, dann fraß er nochmals von dem Sperling, und jetzt war er vollſtändig geſättigt. Es wurde ihm nun Fleiſch und Waſſer weggenommen; er war aber ſchon ſehr bald wieder hungrig, leer, höchſt unruhig und ſchwach, und der Rüſſel ſchnüffelte beſtändig umher. Kaum kam ein neuer lebender Sperling hinzu, ſo fuhr er auf ihn los, biß ihm den Bauch auf, fraß die Hälfte, ſoff wieder gierig, ſah dann ſehr ſtrotzend aus und wurde vollkommen ruhig. Am andern Tage hatte er das Uebrige bis auf den umgeſtülpten Balg aufgefreſſen und war ſchon wieder hungrig. Er fraß ſogleich einen Froſch, welcher aber auch blos bis Nachmittag anhielt. Da gab man ihm eine Kröte; ſobald er an ſie ſtieß, blähte er ſich auf und wandte wiederholt die Schnauze ab, als wenn er einen unüberwindlichen Ekel empfände; er fraß ſie auch nicht. Am andern Tage war er Hungers geſtorben, ohne die Kröte oder Etwas von einer Möhre, Kohl oder Salat augerührt zu haben. Drei andere Maulwürfe, welche Floureus blos zu Wurzeln und Blättern geſperrt hatte, ſtarben alle drei vor Hunger. Diejenigen, welche mit lebendigen Sperlingen, Fröſchen oder mit Rindfleiſch und Kelleraſſeln genährt wurden, lebten ſehr lange. Einmal ſetzte der Beobachter ihrer zehn in ein Zimmer ohne alle Nahrung. Einige Stunden ſpäter begann der Stärkere den Schwächern zu verfolgen; am andern Tage war dieſer aufgefreſſen, und ſo ging Das fort, bis zuletzt nur noch zwei übrigblieben, von denen ebenfalls der eine den andern aufgefreſſen haben würde, wäre beiden nicht andere Nahrung gereicht worden.
Oken fütterte ſeinen Gefangenen mit geſchnittenem Fleiſch und zwar mit rohem ebenſowohl, wie mit gekochtem, ſowie es gerade zur Hand war. Brod und Pflanzenſtoffe rührte das Thier nie an. Als der Forſcher einen zweiten Gefangenen zu dem erſten brachte, entſtand augenblicklich Krieg unter den Thieren. Sie gingen ſofort auf einander los, packten ſich mit den Kiefern und biſſen ſich minuten- lang gegenſeitig. Hierauf ſing der Neuling an zu fliehen, der Alte ſuchte ihn überall und fuhr dabei blitzſchnell durch den Sand. Oken machte nun dem Verfolgten in einem Zuckerglaſe eine Art von Neſt zurecht und ſtellte es während der Nacht in den Kaſten. Am andern Morgen lag der Schütz- ling aber doch todt im Sande. Wahrſcheinlich war er aus dem Glaſe gekommen und von dem frühern Eigner des Gefängniſſes todtgebiſſen worden, und zwar jedenfalls nicht aus Hunger, ſondern aus angeborner Böswilligkeit. Der ſchwache Unterkiefer war dabei entzweigebiſſen. Am andern Tage war auch der Alte todt, nicht an einer Verwundung, ſondern, wie es ſchien, an Uebereiferung und Erſchöpfung im Kampfe.
Lenz nahm einen friſchen und unverſehrt gefangenen Maulwurf und ließ ihn in ein Kiſtchen,
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[687/0765]
Bewegungen, Nahrung und Gefräßigkeit. Sein Muth.
wurf wird augenblicklich auf Tod oder Leben angefallen und, wenn er bezwungen worden iſt, aufge-
freſſen. Aber der gierige Räuber geht auch wirklich auf die Oberfläche der Erde hinaus, um zu morden.
„Jch habe,‟ ſagt Blaſius, „mehrere Mal im Freien beobachtet, daß ein Froſch von einem
Maulwurfe überliſtet und an den Hinterbeinen unter die Erde gezogen wurde, bei welcher unfrei-
willigen Verſenkung das unglückliche Opfer ein lautes, klägliches Geſchrei ausſtieß.‟ Und Lenz
beobachtete, daß er ähnlich auch mit den Schlangen verfährt; ich werde gleich erzählen, wie.
Der Hunger des Maulwurfs iſt unſtillbar. Er bedarf täglich ſoviel an Nahrung, als ſein
eignes Körpergewicht beträgt, und hält es nicht über zwölf Stunden ohne Fraß aus. Hiervon hat
man ſich durch mehrere ſehr hübſche Beobachtungen überzeugt.
Flourens, welcher überhaupt wiſſen wollte, was das Thier am liebſten fräße, ſetzte zwei Maul-
würfe in ein Gefäß mit Erde und legte eine Meerrettigwurzel vor. Am andern Tage fand er die
Wurzel unverſehrt, von einem Maulwurfe aber blos die Haut, das Uebrige, ſelbſt die Knochen aufge-
freſſen. Er that ſodann den Lebenden in ein leeres Gefäß. Das Thier ſah ſchon wieder ſehr unruhig
und hungrig aus. Nun brachte der Beobachter einen Sperling mit ausgerupften Schwungfedern zu
dem Maulwurf. Dieſer näherte ſich dem Vogel augenblicklich, bekam aber einige Schnabelhiebe, wich zwei
bis drei Mal zurück, ſtürzte ſich dann plötzlich auf den Spaz, riß ihm den Unterleib auf, erweiterte die
Oeffnung mit den Tatzen und hatte in kurzer Zeit die Hälfte unter der Haut mit einer Art von Wuth
aufgefreſſen. Flourens ſetzte ſodann ein Glas Waſſer in das Gefängniß. Als es der Maulwurf
bemerkte, ſtellte er ſich aufrecht mit den Vordertatzen auf das Glas und ſoff mit großer Begierde, dann
fraß er nochmals von dem Sperling, und jetzt war er vollſtändig geſättigt. Es wurde ihm nun Fleiſch
und Waſſer weggenommen; er war aber ſchon ſehr bald wieder hungrig, leer, höchſt unruhig und
ſchwach, und der Rüſſel ſchnüffelte beſtändig umher. Kaum kam ein neuer lebender Sperling hinzu,
ſo fuhr er auf ihn los, biß ihm den Bauch auf, fraß die Hälfte, ſoff wieder gierig, ſah dann ſehr
ſtrotzend aus und wurde vollkommen ruhig. Am andern Tage hatte er das Uebrige bis auf den
umgeſtülpten Balg aufgefreſſen und war ſchon wieder hungrig. Er fraß ſogleich einen Froſch, welcher
aber auch blos bis Nachmittag anhielt. Da gab man ihm eine Kröte; ſobald er an ſie ſtieß, blähte
er ſich auf und wandte wiederholt die Schnauze ab, als wenn er einen unüberwindlichen Ekel empfände;
er fraß ſie auch nicht. Am andern Tage war er Hungers geſtorben, ohne die Kröte oder Etwas von
einer Möhre, Kohl oder Salat augerührt zu haben. Drei andere Maulwürfe, welche Floureus blos
zu Wurzeln und Blättern geſperrt hatte, ſtarben alle drei vor Hunger. Diejenigen, welche mit
lebendigen Sperlingen, Fröſchen oder mit Rindfleiſch und Kelleraſſeln genährt wurden, lebten ſehr
lange. Einmal ſetzte der Beobachter ihrer zehn in ein Zimmer ohne alle Nahrung. Einige Stunden
ſpäter begann der Stärkere den Schwächern zu verfolgen; am andern Tage war dieſer aufgefreſſen,
und ſo ging Das fort, bis zuletzt nur noch zwei übrigblieben, von denen ebenfalls der eine den andern
aufgefreſſen haben würde, wäre beiden nicht andere Nahrung gereicht worden.
Oken fütterte ſeinen Gefangenen mit geſchnittenem Fleiſch und zwar mit rohem ebenſowohl, wie
mit gekochtem, ſowie es gerade zur Hand war. Brod und Pflanzenſtoffe rührte das Thier nie an.
Als der Forſcher einen zweiten Gefangenen zu dem erſten brachte, entſtand augenblicklich Krieg unter
den Thieren. Sie gingen ſofort auf einander los, packten ſich mit den Kiefern und biſſen ſich minuten-
lang gegenſeitig. Hierauf ſing der Neuling an zu fliehen, der Alte ſuchte ihn überall und fuhr dabei
blitzſchnell durch den Sand. Oken machte nun dem Verfolgten in einem Zuckerglaſe eine Art von
Neſt zurecht und ſtellte es während der Nacht in den Kaſten. Am andern Morgen lag der Schütz-
ling aber doch todt im Sande. Wahrſcheinlich war er aus dem Glaſe gekommen und von dem
frühern Eigner des Gefängniſſes todtgebiſſen worden, und zwar jedenfalls nicht aus Hunger, ſondern
aus angeborner Böswilligkeit. Der ſchwache Unterkiefer war dabei entzweigebiſſen. Am andern
Tage war auch der Alte todt, nicht an einer Verwundung, ſondern, wie es ſchien, an Uebereiferung und
Erſchöpfung im Kampfe.
Lenz nahm einen friſchen und unverſehrt gefangenen Maulwurf und ließ ihn in ein Kiſtchen,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/765>, abgerufen am 24.11.2024.
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