Die Raubthiere. Maulwürfe. -- Gewöhnlicher Maulwurf.
Eindringen von Sand und Erde in dieselben vollkommen geschützt. Die aufgescharrte Erde läßt er so lange hinter sich liegen, in seinem eben gemachten Gange, bis die Menge ihm unbequem wird. Dann versucht er an die Oberfläche der Erde zu kommen und wirft die Erde nach und nach mit der Schnauze heraus. Dabei ist er fast immer mit einer fünf bis sechs Zoll hohen Schicht lockerer Erde überdeckt. Jn leichtem Boden gräbt er mit einer wirklich verwunderungswürdigen Schnelligkeit. Oken hat einen Maulwurf ein Vierteljahr lang in einer Kiste mit Sand gehabt und beobachtet, daß sich das Thier fast ebenso schnell, wie ein Fisch durch Wasser gleitet, durch den Sand wühlt, -- die Schnauze voran, dann die Tatzen, den Sand zur Seite werfend, die Hinterfüße nachschiebend. Noch schneller bewegt sich der Maulwurf in den Laufgängen, wie man durch sehr hübsche Beobachtungen nachgewiesen hat.
Ueberhaupt sind die Bewegungen des Thieres schneller, als man glauben möchte. Nicht blos in den Gängen, sondern auch auf der Oberfläche des Bodens, wo er gar nicht zu Haufe ist, läuft er verhältnißmäßig sehr rasch, so daß ihn ein Mann kaum einholen kann. Jn den Gängen aber soll er so rasch gehen, wie ein trabendes Pferd. Auch im Wasser ist er, wie bemerkt, sehr zu Hause, und man kennt Beispiele, daß er nicht blos breite Flüsse, sondern sogar Meeresarme durch- schwommen hat. So erzählt Bruce, daß mehrere Maulwürfe an einem Juniabend bei Edinburg über fünfhundert Fuß weit durch das Meer nach einer Jnsel geschwommen sind, um sich daselbst anzusiedeln. Nicht selten kommt es vor, daß der Wühler über breite Flüsse setzt, und Augenzeugen haben ihn dabei in sehr lebhafter Bewegung gesehen. Auch in großen Teichen bemerkt man ihn zuweilen; er schwimmt hier, den Rüssel sorgfältig in die Höhe gehalten, scheinbar ohne alle Noth und zwar mit der Schnelligkeit einer Wasserratte. Da er nun noch außerdem sich unter dem Bett selbst großer Flüsse durchwühlt und dann am andern Ufer lustig weitergräbt, giebt es für seine Verbreitung eigentlich gar kein Hinderniß, und mit der Zeit findet er jedes gut gelegene Oertchen sicher auf. So hat man, wie Tschudi sagt, öfters gefragt, wie der Maulwurf auf die Hochebene des Ueferuthales komme, "welche doch stundenweit von Felsen und Flühen, von einem Schneegebirgs- kranze und den Schrecken des Schöllemenschlundes umgeben ist." "Unsers Erachtens," bemerkt der genannte Forscher, "darf man sich nicht denken, es habe irgend einmal ein keckes von dem Jnstinkt geleitetes Maulwurfspaar die stundenweite Wanderung aus den Matten des untern Reußthales unternommen und sich dann, in der Höhe bleibend, angesiedelt. Die Einwanderung bedurfte vielleicht Jahrhunderte, bis das neue Kanaan gefunden war. Sie gingen unregelmäßig, langsam, ruckweise von unten über die Grasplätzchen und erdreichen Stellen der Felsenmauern nach oben mit vielen Unterbrechungen, Rückzügen, Seitenmärschen, im Winter oft auf den nackten Steinen unter der Schneedecke fort; und so gelangte das erste Paar wahrscheinlich von den Seitenbergen her in das Thal, in dessen duftigen Gründen es sich rasch genug vermehren konnte."
Die Hauptnahrung des Maulwurfs besteht in Regenwürmern und Kerbthierlarven, welche unter der Erde leben. Namentlich der Regenwürmer halber legt er seine großen und ausgedehnten Baue an. Und diese Thiere wissen auch wirklich, daß sie an dem Maulwurfe einen Feind haben, wie man sich sehr leicht überzeugen kann, wenn man einen Pfahl in lockeres Erdreich stößt und dann mit ihm rüttelt. Da kommen von allen Seiten Regenwürmer aus der Erde hervor und versuchen, sich auf der Oberfläche zu retten, ganz offenbar, weil sie glauben, daß die Erschütterung von einem wühlenden Maulwurf herrührte. Außer diesen Würmern und Larven frißt er aber noch Käfer, namentlich Mai- und Mistkäfer, Maulwurfsgrillen und alle übrigen Kerbthiere, welche er erwischen kann, wie auch Schnecken und Asseln, die ihm besonders zu behagen scheinen. Sein ungewöhnlich feiner Geruch hilft ihm die Thiere aufspüren, und er folgt ihnen in größeren oder kleineren Tiefen, je nachdem sie selbst höher oder niedriger gehen. Aber er betreibt nicht blos in seinem Bau die Jagd, sondern holt sich auch ab und zu von der Oberfläche, ja wie man sagt, sogar aus dem Wasser eine Mahlzeit. Die arme Spitz- maus oder Wühlmaus, der Frosch, die Eidechse oder Blindschleiche und Natter (im Winter sogar die Kreuzotter), welche sich in seinen Bau verirren, sind verloren. Selbst ein anderer Maul-
Die Raubthiere. Maulwürfe. — Gewöhnlicher Maulwurf.
Eindringen von Sand und Erde in dieſelben vollkommen geſchützt. Die aufgeſcharrte Erde läßt er ſo lange hinter ſich liegen, in ſeinem eben gemachten Gange, bis die Menge ihm unbequem wird. Dann verſucht er an die Oberfläche der Erde zu kommen und wirft die Erde nach und nach mit der Schnauze heraus. Dabei iſt er faſt immer mit einer fünf bis ſechs Zoll hohen Schicht lockerer Erde überdeckt. Jn leichtem Boden gräbt er mit einer wirklich verwunderungswürdigen Schnelligkeit. Oken hat einen Maulwurf ein Vierteljahr lang in einer Kiſte mit Sand gehabt und beobachtet, daß ſich das Thier faſt ebenſo ſchnell, wie ein Fiſch durch Waſſer gleitet, durch den Sand wühlt, — die Schnauze voran, dann die Tatzen, den Sand zur Seite werfend, die Hinterfüße nachſchiebend. Noch ſchneller bewegt ſich der Maulwurf in den Laufgängen, wie man durch ſehr hübſche Beobachtungen nachgewieſen hat.
Ueberhaupt ſind die Bewegungen des Thieres ſchneller, als man glauben möchte. Nicht blos in den Gängen, ſondern auch auf der Oberfläche des Bodens, wo er gar nicht zu Haufe iſt, läuft er verhältnißmäßig ſehr raſch, ſo daß ihn ein Mann kaum einholen kann. Jn den Gängen aber ſoll er ſo raſch gehen, wie ein trabendes Pferd. Auch im Waſſer iſt er, wie bemerkt, ſehr zu Hauſe, und man kennt Beiſpiele, daß er nicht blos breite Flüſſe, ſondern ſogar Meeresarme durch- ſchwommen hat. So erzählt Bruce, daß mehrere Maulwürfe an einem Juniabend bei Edinburg über fünfhundert Fuß weit durch das Meer nach einer Jnſel geſchwommen ſind, um ſich daſelbſt anzuſiedeln. Nicht ſelten kommt es vor, daß der Wühler über breite Flüſſe ſetzt, und Augenzeugen haben ihn dabei in ſehr lebhafter Bewegung geſehen. Auch in großen Teichen bemerkt man ihn zuweilen; er ſchwimmt hier, den Rüſſel ſorgfältig in die Höhe gehalten, ſcheinbar ohne alle Noth und zwar mit der Schnelligkeit einer Waſſerratte. Da er nun noch außerdem ſich unter dem Bett ſelbſt großer Flüſſe durchwühlt und dann am andern Ufer luſtig weitergräbt, giebt es für ſeine Verbreitung eigentlich gar kein Hinderniß, und mit der Zeit findet er jedes gut gelegene Oertchen ſicher auf. So hat man, wie Tſchudi ſagt, öfters gefragt, wie der Maulwurf auf die Hochebene des Ueferuthales komme, „welche doch ſtundenweit von Felſen und Flühen, von einem Schneegebirgs- kranze und den Schrecken des Schöllemenſchlundes umgeben iſt.‟ „Unſers Erachtens,‟ bemerkt der genannte Forſcher, „darf man ſich nicht denken, es habe irgend einmal ein keckes von dem Jnſtinkt geleitetes Maulwurfspaar die ſtundenweite Wanderung aus den Matten des untern Reußthales unternommen und ſich dann, in der Höhe bleibend, angeſiedelt. Die Einwanderung bedurfte vielleicht Jahrhunderte, bis das neue Kanaan gefunden war. Sie gingen unregelmäßig, langſam, ruckweiſe von unten über die Grasplätzchen und erdreichen Stellen der Felſenmauern nach oben mit vielen Unterbrechungen, Rückzügen, Seitenmärſchen, im Winter oft auf den nackten Steinen unter der Schneedecke fort; und ſo gelangte das erſte Paar wahrſcheinlich von den Seitenbergen her in das Thal, in deſſen duftigen Gründen es ſich raſch genug vermehren konnte.‟
Die Hauptnahrung des Maulwurfs beſteht in Regenwürmern und Kerbthierlarven, welche unter der Erde leben. Namentlich der Regenwürmer halber legt er ſeine großen und ausgedehnten Baue an. Und dieſe Thiere wiſſen auch wirklich, daß ſie an dem Maulwurfe einen Feind haben, wie man ſich ſehr leicht überzeugen kann, wenn man einen Pfahl in lockeres Erdreich ſtößt und dann mit ihm rüttelt. Da kommen von allen Seiten Regenwürmer aus der Erde hervor und verſuchen, ſich auf der Oberfläche zu retten, ganz offenbar, weil ſie glauben, daß die Erſchütterung von einem wühlenden Maulwurf herrührte. Außer dieſen Würmern und Larven frißt er aber noch Käfer, namentlich Mai- und Miſtkäfer, Maulwurfsgrillen und alle übrigen Kerbthiere, welche er erwiſchen kann, wie auch Schnecken und Aſſeln, die ihm beſonders zu behagen ſcheinen. Sein ungewöhnlich feiner Geruch hilft ihm die Thiere aufſpüren, und er folgt ihnen in größeren oder kleineren Tiefen, je nachdem ſie ſelbſt höher oder niedriger gehen. Aber er betreibt nicht blos in ſeinem Bau die Jagd, ſondern holt ſich auch ab und zu von der Oberfläche, ja wie man ſagt, ſogar aus dem Waſſer eine Mahlzeit. Die arme Spitz- maus oder Wühlmaus, der Froſch, die Eidechſe oder Blindſchleiche und Natter (im Winter ſogar die Kreuzotter), welche ſich in ſeinen Bau verirren, ſind verloren. Selbſt ein anderer Maul-
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Die Raubthiere. Maulwürfe. — Gewöhnlicher Maulwurf.
Eindringen von Sand und Erde in dieſelben vollkommen geſchützt. Die aufgeſcharrte Erde läßt er
ſo lange hinter ſich liegen, in ſeinem eben gemachten Gange, bis die Menge ihm unbequem wird.
Dann verſucht er an die Oberfläche der Erde zu kommen und wirft die Erde nach und nach mit der
Schnauze heraus. Dabei iſt er faſt immer mit einer fünf bis ſechs Zoll hohen Schicht lockerer Erde
überdeckt. Jn leichtem Boden gräbt er mit einer wirklich verwunderungswürdigen Schnelligkeit.
Oken hat einen Maulwurf ein Vierteljahr lang in einer Kiſte mit Sand gehabt und beobachtet, daß
ſich das Thier faſt ebenſo ſchnell, wie ein Fiſch durch Waſſer gleitet, durch den Sand wühlt, — die
Schnauze voran, dann die Tatzen, den Sand zur Seite werfend, die Hinterfüße nachſchiebend. Noch
ſchneller bewegt ſich der Maulwurf in den Laufgängen, wie man durch ſehr hübſche Beobachtungen
nachgewieſen hat.
Ueberhaupt ſind die Bewegungen des Thieres ſchneller, als man glauben möchte. Nicht blos
in den Gängen, ſondern auch auf der Oberfläche des Bodens, wo er gar nicht zu Haufe iſt, läuft er
verhältnißmäßig ſehr raſch, ſo daß ihn ein Mann kaum einholen kann. Jn den Gängen aber
ſoll er ſo raſch gehen, wie ein trabendes Pferd. Auch im Waſſer iſt er, wie bemerkt, ſehr zu
Hauſe, und man kennt Beiſpiele, daß er nicht blos breite Flüſſe, ſondern ſogar Meeresarme durch-
ſchwommen hat. So erzählt Bruce, daß mehrere Maulwürfe an einem Juniabend bei Edinburg
über fünfhundert Fuß weit durch das Meer nach einer Jnſel geſchwommen ſind, um ſich daſelbſt
anzuſiedeln. Nicht ſelten kommt es vor, daß der Wühler über breite Flüſſe ſetzt, und Augenzeugen
haben ihn dabei in ſehr lebhafter Bewegung geſehen. Auch in großen Teichen bemerkt man ihn
zuweilen; er ſchwimmt hier, den Rüſſel ſorgfältig in die Höhe gehalten, ſcheinbar ohne alle Noth
und zwar mit der Schnelligkeit einer Waſſerratte. Da er nun noch außerdem ſich unter dem
Bett ſelbſt großer Flüſſe durchwühlt und dann am andern Ufer luſtig weitergräbt, giebt es für ſeine
Verbreitung eigentlich gar kein Hinderniß, und mit der Zeit findet er jedes gut gelegene Oertchen
ſicher auf. So hat man, wie Tſchudi ſagt, öfters gefragt, wie der Maulwurf auf die Hochebene
des Ueferuthales komme, „welche doch ſtundenweit von Felſen und Flühen, von einem Schneegebirgs-
kranze und den Schrecken des Schöllemenſchlundes umgeben iſt.‟ „Unſers Erachtens,‟ bemerkt der
genannte Forſcher, „darf man ſich nicht denken, es habe irgend einmal ein keckes von dem Jnſtinkt
geleitetes Maulwurfspaar die ſtundenweite Wanderung aus den Matten des untern Reußthales
unternommen und ſich dann, in der Höhe bleibend, angeſiedelt. Die Einwanderung bedurfte vielleicht
Jahrhunderte, bis das neue Kanaan gefunden war. Sie gingen unregelmäßig, langſam, ruckweiſe
von unten über die Grasplätzchen und erdreichen Stellen der Felſenmauern nach oben mit vielen
Unterbrechungen, Rückzügen, Seitenmärſchen, im Winter oft auf den nackten Steinen unter der
Schneedecke fort; und ſo gelangte das erſte Paar wahrſcheinlich von den Seitenbergen her in das
Thal, in deſſen duftigen Gründen es ſich raſch genug vermehren konnte.‟
Die Hauptnahrung des Maulwurfs beſteht in Regenwürmern und Kerbthierlarven, welche unter
der Erde leben. Namentlich der Regenwürmer halber legt er ſeine großen und ausgedehnten Baue
an. Und dieſe Thiere wiſſen auch wirklich, daß ſie an dem Maulwurfe einen Feind haben, wie man
ſich ſehr leicht überzeugen kann, wenn man einen Pfahl in lockeres Erdreich ſtößt und dann mit ihm
rüttelt. Da kommen von allen Seiten Regenwürmer aus der Erde hervor und verſuchen, ſich auf der
Oberfläche zu retten, ganz offenbar, weil ſie glauben, daß die Erſchütterung von einem wühlenden
Maulwurf herrührte. Außer dieſen Würmern und Larven frißt er aber noch Käfer, namentlich Mai-
und Miſtkäfer, Maulwurfsgrillen und alle übrigen Kerbthiere, welche er erwiſchen kann, wie auch
Schnecken und Aſſeln, die ihm beſonders zu behagen ſcheinen. Sein ungewöhnlich feiner Geruch hilft ihm
die Thiere aufſpüren, und er folgt ihnen in größeren oder kleineren Tiefen, je nachdem ſie ſelbſt höher
oder niedriger gehen. Aber er betreibt nicht blos in ſeinem Bau die Jagd, ſondern holt ſich auch ab
und zu von der Oberfläche, ja wie man ſagt, ſogar aus dem Waſſer eine Mahlzeit. Die arme Spitz-
maus oder Wühlmaus, der Froſch, die Eidechſe oder Blindſchleiche und Natter (im Winter
ſogar die Kreuzotter), welche ſich in ſeinen Bau verirren, ſind verloren. Selbſt ein anderer Maul-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/764>, abgerufen am 24.11.2024.
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