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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Spitzmäuse. -- Spitzhöruchen.
bis fünf Lück- und drei bis vier echten, vier- oder fünfzackigen Backenzähnen in jeder Reihe. Die
eigentlichen Eckzähne fehlen. Eigenthümliche Drüsen liegen an den Rumpfseiten oder an der Schwanz-
wurzel. Zwölf bis vierzehn Wirbel tragen die Rippen, sechs bis acht sind rippenlos, drei bis fünf
bilden das Kreuzbein, vierzehn bis achtundzwanzig den Schwanz.

Gegenwärtig verbreiten sich die Spitzmäuse über die alte Welt und einige aber wenige auch über
Amerika; in Australien fehlen sie gänzlich. Sie leben ebensowohl in Ebenen, wie in höher gelegenen
Gegenden, selbst auf den Voralpen und Alpen, am liebsten aber in dichteren Wäldern, im Gebüsch,
auf Wiesen und Auen, in Gärten und Häusern. Einige wohnen in Steppen, in offnen, steinigen,
ja selbst felsigen Gegenden; andere geben den feuchtesten Orten den Vorzug; diese treiben sich im
Wasser, jene auf den Bäumen herum. Die meisten sind an die Erde gebunden und führen hier ein
unterirdisches Leben, wobei sie sich selbst Löcher oder Gänge graben oder die schon vorhandenen be-
nutzen, nachdem sie den rechtmäßigen Eigenthümer mit Güte oder Gewalt vertrieben. Die meisten
suchen die Dunkelheit und den Schatten und scheuen die Hitze, das Licht oder den Regen. Gegen
derartige Einflüsse sind sie so empfindlich, daß sie den Sonnenstrahlen häufig unterliegen; andere
dagegen lieben die Wärme und lassen sich gern von der Sonne bescheinen. Jhre Bewegungen sind
außerordentlich rasch und behend, sie mögen so verschiedenartig sein, als sie wollen. Diejenigen, welche
blos laufen, huschen pfeilschnell dahin; die Kletterer wetteifern mit allen übrigen Thieren; die
Schwimmer stehen keinem Binnenlandsäugethiere nach, und die wenigen endlich, welche nach Känguru-
Art oft auf den Hinterbeinen satzweise springend sich bewegen, sind trotz ihrer geringen Größe so
behend, daß sie ein laufender Mensch kaum einholen kann.

Unter den Sinnen der Spitzmäuse scheint der Geruch überall obenanzustehen; nächstdem ist das
Gehör besonders ausgebildet. Dagegen ist das Auge mehr oder weniger verkümmert, und nur die
Baumbewohner, welche vollkommene Augen haben, machen hiervon eine Ausnahme. Jhre geistigen
Fähigkeiten sind gering; dennoch läßt sich ein gewisser Grad von Verstand nicht ableugnen. Sie sind
raub- und mordlustig im hohen Grade und kleineren Thieren wirklich furchtbar, während sie größeren
bedächtig ausweichen, dabei eine vorsichtige Scheuheit zeigend. Schon bei dem geringsten Geräusch
ziehen sich die meisten nach ihren Schlupfwinkeln zurück, haben aber auch Ursache, Dies zu thun, weil
sie gegen starke Thiere so gut als wehrlos sind. Wir müssen sie von unserm Standpunkt aus nicht
nur als harmlose, vollkommen unschädliche Thiere betrachten, sondern in ihnen höchst nützliche Ge-
schöpfe erkennen, welche uns durch Vertilgung schädlicher Kerfe große Dienste leisten. Jhre Nahrung
ziehen sie nämlich fast nur aus dem Thierreiche: Kerbthiere und deren Larven, Würmer, Weich-
thiere, kleine Vögel und Säugethiere, unter Umständen aber auch Fische und deren Eier, Krebse etc.
fallen ihnen zur Beute. Die größere Anzahl von ihnen ist ungemein gefräßig. Einzelne verzehren
täglich soviel, als ihr eignes Gewicht beträgt. Andere werden selbst den Jungen ihrer Art gefährlich
und fressen sie auf, wo sie nur können, d. h. wenn die Mutter sie nicht vertheidigt. Keine einzige Art
kann den Hunger lange Zeit vertragen, nicht einmal im Winter. Sie halten deshalb auch keinen
eigeutlichen Winterschlaf, sondern treiben sich bei einigermaßen milder Witterung sogar auf dem ver-
schneiten Boden umher oder suchen an geschützten Orten, z. B. in menschlichen Wohnungen, ihre
Nahrung auf. Von den auf Bäumen Lebenden behauptet man, daß sie auch Nüsse und andere Früchte
zu sich nehmen; doch bedarf diese Angabe noch sehr einer Bestätigung, und ihr Gebiß scheint auch
wirklich nicht geeignet, eine derartige Kost zu zermalmen. Die Stimme aller Arten besteht in feinen,
zwitschernden oder quiekenden und pfeifenden Lauten oder (bei den Baumbewohnern) in einer Art von
kurzem Gebell. Jn der Angst lassen sie klägliche Töne vernehmen und bei Gefahr verbreiten alle
einen stärkern oder schwächern Moschus- oder Zibetgeruch, welcher sie im Leben zwar nicht gegen ihre
Feinde bewahrt, sie aber doch nur sehr wenigen Thieren als genießbar erscheinen läßt. So lassen die
Hunde, Katzen und Marder gewöhnlich die getödteten Spitzmäuse liegen, ohne sie aufzufressen,
während die meisten Vögel, bei denen der Geruch- und Geschmacksinn weniger entwickelt ist, sie als
Nahrung nicht verschmähen.

Die Raubthiere. Spitzmäuſe. — Spitzhöruchen.
bis fünf Lück- und drei bis vier echten, vier- oder fünfzackigen Backenzähnen in jeder Reihe. Die
eigentlichen Eckzähne fehlen. Eigenthümliche Drüſen liegen an den Rumpfſeiten oder an der Schwanz-
wurzel. Zwölf bis vierzehn Wirbel tragen die Rippen, ſechs bis acht ſind rippenlos, drei bis fünf
bilden das Kreuzbein, vierzehn bis achtundzwanzig den Schwanz.

Gegenwärtig verbreiten ſich die Spitzmäuſe über die alte Welt und einige aber wenige auch über
Amerika; in Auſtralien fehlen ſie gänzlich. Sie leben ebenſowohl in Ebenen, wie in höher gelegenen
Gegenden, ſelbſt auf den Voralpen und Alpen, am liebſten aber in dichteren Wäldern, im Gebüſch,
auf Wieſen und Auen, in Gärten und Häuſern. Einige wohnen in Steppen, in offnen, ſteinigen,
ja ſelbſt felſigen Gegenden; andere geben den feuchteſten Orten den Vorzug; dieſe treiben ſich im
Waſſer, jene auf den Bäumen herum. Die meiſten ſind an die Erde gebunden und führen hier ein
unterirdiſches Leben, wobei ſie ſich ſelbſt Löcher oder Gänge graben oder die ſchon vorhandenen be-
nutzen, nachdem ſie den rechtmäßigen Eigenthümer mit Güte oder Gewalt vertrieben. Die meiſten
ſuchen die Dunkelheit und den Schatten und ſcheuen die Hitze, das Licht oder den Regen. Gegen
derartige Einflüſſe ſind ſie ſo empfindlich, daß ſie den Sonnenſtrahlen häufig unterliegen; andere
dagegen lieben die Wärme und laſſen ſich gern von der Sonne beſcheinen. Jhre Bewegungen ſind
außerordentlich raſch und behend, ſie mögen ſo verſchiedenartig ſein, als ſie wollen. Diejenigen, welche
blos laufen, huſchen pfeilſchnell dahin; die Kletterer wetteifern mit allen übrigen Thieren; die
Schwimmer ſtehen keinem Binnenlandſäugethiere nach, und die wenigen endlich, welche nach Känguru-
Art oft auf den Hinterbeinen ſatzweiſe ſpringend ſich bewegen, ſind trotz ihrer geringen Größe ſo
behend, daß ſie ein laufender Menſch kaum einholen kann.

Unter den Sinnen der Spitzmäuſe ſcheint der Geruch überall obenanzuſtehen; nächſtdem iſt das
Gehör beſonders ausgebildet. Dagegen iſt das Auge mehr oder weniger verkümmert, und nur die
Baumbewohner, welche vollkommene Augen haben, machen hiervon eine Ausnahme. Jhre geiſtigen
Fähigkeiten ſind gering; dennoch läßt ſich ein gewiſſer Grad von Verſtand nicht ableugnen. Sie ſind
raub- und mordluſtig im hohen Grade und kleineren Thieren wirklich furchtbar, während ſie größeren
bedächtig ausweichen, dabei eine vorſichtige Scheuheit zeigend. Schon bei dem geringſten Geräuſch
ziehen ſich die meiſten nach ihren Schlupfwinkeln zurück, haben aber auch Urſache, Dies zu thun, weil
ſie gegen ſtarke Thiere ſo gut als wehrlos ſind. Wir müſſen ſie von unſerm Standpunkt aus nicht
nur als harmloſe, vollkommen unſchädliche Thiere betrachten, ſondern in ihnen höchſt nützliche Ge-
ſchöpfe erkennen, welche uns durch Vertilgung ſchädlicher Kerfe große Dienſte leiſten. Jhre Nahrung
ziehen ſie nämlich faſt nur aus dem Thierreiche: Kerbthiere und deren Larven, Würmer, Weich-
thiere, kleine Vögel und Säugethiere, unter Umſtänden aber auch Fiſche und deren Eier, Krebſe ꝛc.
fallen ihnen zur Beute. Die größere Anzahl von ihnen iſt ungemein gefräßig. Einzelne verzehren
täglich ſoviel, als ihr eignes Gewicht beträgt. Andere werden ſelbſt den Jungen ihrer Art gefährlich
und freſſen ſie auf, wo ſie nur können, d. h. wenn die Mutter ſie nicht vertheidigt. Keine einzige Art
kann den Hunger lange Zeit vertragen, nicht einmal im Winter. Sie halten deshalb auch keinen
eigeutlichen Winterſchlaf, ſondern treiben ſich bei einigermaßen milder Witterung ſogar auf dem ver-
ſchneiten Boden umher oder ſuchen an geſchützten Orten, z. B. in menſchlichen Wohnungen, ihre
Nahrung auf. Von den auf Bäumen Lebenden behauptet man, daß ſie auch Nüſſe und andere Früchte
zu ſich nehmen; doch bedarf dieſe Angabe noch ſehr einer Beſtätigung, und ihr Gebiß ſcheint auch
wirklich nicht geeignet, eine derartige Koſt zu zermalmen. Die Stimme aller Arten beſteht in feinen,
zwitſchernden oder quiekenden und pfeifenden Lauten oder (bei den Baumbewohnern) in einer Art von
kurzem Gebell. Jn der Angſt laſſen ſie klägliche Töne vernehmen und bei Gefahr verbreiten alle
einen ſtärkern oder ſchwächern Moſchus- oder Zibetgeruch, welcher ſie im Leben zwar nicht gegen ihre
Feinde bewahrt, ſie aber doch nur ſehr wenigen Thieren als genießbar erſcheinen läßt. So laſſen die
Hunde, Katzen und Marder gewöhnlich die getödteten Spitzmäuſe liegen, ohne ſie aufzufreſſen,
während die meiſten Vögel, bei denen der Geruch- und Geſchmackſinn weniger entwickelt iſt, ſie als
Nahrung nicht verſchmähen.

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[662/0740] Die Raubthiere. Spitzmäuſe. — Spitzhöruchen. bis fünf Lück- und drei bis vier echten, vier- oder fünfzackigen Backenzähnen in jeder Reihe. Die eigentlichen Eckzähne fehlen. Eigenthümliche Drüſen liegen an den Rumpfſeiten oder an der Schwanz- wurzel. Zwölf bis vierzehn Wirbel tragen die Rippen, ſechs bis acht ſind rippenlos, drei bis fünf bilden das Kreuzbein, vierzehn bis achtundzwanzig den Schwanz. Gegenwärtig verbreiten ſich die Spitzmäuſe über die alte Welt und einige aber wenige auch über Amerika; in Auſtralien fehlen ſie gänzlich. Sie leben ebenſowohl in Ebenen, wie in höher gelegenen Gegenden, ſelbſt auf den Voralpen und Alpen, am liebſten aber in dichteren Wäldern, im Gebüſch, auf Wieſen und Auen, in Gärten und Häuſern. Einige wohnen in Steppen, in offnen, ſteinigen, ja ſelbſt felſigen Gegenden; andere geben den feuchteſten Orten den Vorzug; dieſe treiben ſich im Waſſer, jene auf den Bäumen herum. Die meiſten ſind an die Erde gebunden und führen hier ein unterirdiſches Leben, wobei ſie ſich ſelbſt Löcher oder Gänge graben oder die ſchon vorhandenen be- nutzen, nachdem ſie den rechtmäßigen Eigenthümer mit Güte oder Gewalt vertrieben. Die meiſten ſuchen die Dunkelheit und den Schatten und ſcheuen die Hitze, das Licht oder den Regen. Gegen derartige Einflüſſe ſind ſie ſo empfindlich, daß ſie den Sonnenſtrahlen häufig unterliegen; andere dagegen lieben die Wärme und laſſen ſich gern von der Sonne beſcheinen. Jhre Bewegungen ſind außerordentlich raſch und behend, ſie mögen ſo verſchiedenartig ſein, als ſie wollen. Diejenigen, welche blos laufen, huſchen pfeilſchnell dahin; die Kletterer wetteifern mit allen übrigen Thieren; die Schwimmer ſtehen keinem Binnenlandſäugethiere nach, und die wenigen endlich, welche nach Känguru- Art oft auf den Hinterbeinen ſatzweiſe ſpringend ſich bewegen, ſind trotz ihrer geringen Größe ſo behend, daß ſie ein laufender Menſch kaum einholen kann. Unter den Sinnen der Spitzmäuſe ſcheint der Geruch überall obenanzuſtehen; nächſtdem iſt das Gehör beſonders ausgebildet. Dagegen iſt das Auge mehr oder weniger verkümmert, und nur die Baumbewohner, welche vollkommene Augen haben, machen hiervon eine Ausnahme. Jhre geiſtigen Fähigkeiten ſind gering; dennoch läßt ſich ein gewiſſer Grad von Verſtand nicht ableugnen. Sie ſind raub- und mordluſtig im hohen Grade und kleineren Thieren wirklich furchtbar, während ſie größeren bedächtig ausweichen, dabei eine vorſichtige Scheuheit zeigend. Schon bei dem geringſten Geräuſch ziehen ſich die meiſten nach ihren Schlupfwinkeln zurück, haben aber auch Urſache, Dies zu thun, weil ſie gegen ſtarke Thiere ſo gut als wehrlos ſind. Wir müſſen ſie von unſerm Standpunkt aus nicht nur als harmloſe, vollkommen unſchädliche Thiere betrachten, ſondern in ihnen höchſt nützliche Ge- ſchöpfe erkennen, welche uns durch Vertilgung ſchädlicher Kerfe große Dienſte leiſten. Jhre Nahrung ziehen ſie nämlich faſt nur aus dem Thierreiche: Kerbthiere und deren Larven, Würmer, Weich- thiere, kleine Vögel und Säugethiere, unter Umſtänden aber auch Fiſche und deren Eier, Krebſe ꝛc. fallen ihnen zur Beute. Die größere Anzahl von ihnen iſt ungemein gefräßig. Einzelne verzehren täglich ſoviel, als ihr eignes Gewicht beträgt. Andere werden ſelbſt den Jungen ihrer Art gefährlich und freſſen ſie auf, wo ſie nur können, d. h. wenn die Mutter ſie nicht vertheidigt. Keine einzige Art kann den Hunger lange Zeit vertragen, nicht einmal im Winter. Sie halten deshalb auch keinen eigeutlichen Winterſchlaf, ſondern treiben ſich bei einigermaßen milder Witterung ſogar auf dem ver- ſchneiten Boden umher oder ſuchen an geſchützten Orten, z. B. in menſchlichen Wohnungen, ihre Nahrung auf. Von den auf Bäumen Lebenden behauptet man, daß ſie auch Nüſſe und andere Früchte zu ſich nehmen; doch bedarf dieſe Angabe noch ſehr einer Beſtätigung, und ihr Gebiß ſcheint auch wirklich nicht geeignet, eine derartige Koſt zu zermalmen. Die Stimme aller Arten beſteht in feinen, zwitſchernden oder quiekenden und pfeifenden Lauten oder (bei den Baumbewohnern) in einer Art von kurzem Gebell. Jn der Angſt laſſen ſie klägliche Töne vernehmen und bei Gefahr verbreiten alle einen ſtärkern oder ſchwächern Moſchus- oder Zibetgeruch, welcher ſie im Leben zwar nicht gegen ihre Feinde bewahrt, ſie aber doch nur ſehr wenigen Thieren als genießbar erſcheinen läßt. So laſſen die Hunde, Katzen und Marder gewöhnlich die getödteten Spitzmäuſe liegen, ohne ſie aufzufreſſen, während die meiſten Vögel, bei denen der Geruch- und Geſchmackſinn weniger entwickelt iſt, ſie als Nahrung nicht verſchmähen.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/740>, abgerufen am 22.07.2024.