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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Benutzung des Jgels.
gelernt haben. Noch jetzt verfolgt man den Jgel als Milchdieb und glaubt sogar, daß er den Kühen
nachts die Milch aus ihren Eutern sauge; noch heutigen Tages betrachtet man ihn hier und da als
ein Wesen, dessen Erscheinen Unglück bringt etc. Kurz, man sucht sich gleichsam selbst zu entschuldigen,
daß man ein so nützliches Thier ohne Grund verfolgt und tödtet.

Eine zweite Art unserer Sippe, den großohrigen Jgel (Erinaceus auritus), zeigt neben-
stehendes Bild. Er unterscheidet sich durch die größeren Ohren und die verlängerte Schnauze von
den übrigen; auch sind seine Füße etwas länger und dünner. Der Schwanz ist kurz, kugelförmig
geringelt und dunkelbraun. Die Stacheln sind blos zwanzig bis zweiundzwanzigmal gefurcht und die
Leistchen zwischen den Furchen mit feinen Haaren besetzt. Die braunen Schnurren sind in vier Reihen
geordnet und hinten sehr lang, das Haar ist weich und weiß am Kopfe, aber schmuziggrau, und die
Stacheln sind am Grunde weiß, in der Mitte braun und an der Spitze gelblich gezeichnet. Die
Leibeslänge beträgt 91/2 Zoll, die des Schwanzes einen Zoll. Diese Art befindet sich in Sibirien
und in allen übrigen östlichen Ländern des asiatischen Rußlands, zumal in der Tartarei. Jn Egypten
leben ihm sehr verwandte Arten, welche sich hauptsächlich durch den Bau ihrer Stacheln unterscheiden.
Die Lebensweise stimmt mit der des unfrigen überein; wenigstens fehlen zur Zeit noch Beobachtungen,
welche die etwa bestehenden Unterschiede zu unserer Kenntniß gebracht hätten.



Die Borstenigel (Centetes) bilden eine zweite Gruppe der Familie und gleichsam einen Ueber-
gang von ihr zu der folgenden, welche die Spitzmäuse umfaßt. Noch tragen die hierhergehörigen
Thiere ein Stachelkleid, aber die Stacheln sind nicht mehr folang und viel weicher, als bei den eigent-
lichen Jgeln, auch sind dieselben schon sehr mit Borsten untermengt, während der Kopf mit Haaren
bedeckt ist. Die Schnauze ist stark verlängert, und namentlich die Nase ragt weit über die Unterlippe
vor. Die Ohren sind kurz, der Schwanz fehlt gänzlich; Vorder- und Hinterbeine sind fünfzehig.
Allen Borstenigeln fehlt die Fähigkeit, sich zusammenzurollen, und hierdurch unterscheiden sie sich
allerdings sehr wesentlich von den erstbeschriebenen. Die Arten dieser Sippe bewohnen Madagaskar.
Sie graben sich während der heißen Jahreszeit in Höhlen ein, in denen sie ebenfalls einen Winter-
schlaf halten. Sie lieben die Nähe des Wassers und wälzen sich gern im Schlamm. Die Zahl ihrer
Jungen soll sehr groß sein, nämlich bis achtzehn ansteigen. Jhr Fleisch wird von den Eingebornen
gern gegessen.

Bis jetzt kennt man blos zwei Arten dieser Thiere, von denen der Taurek (Centetes ecaudatus)
die in unseren Sammlungen häufigste ist. Wie die Abbildung zeigt, ist die Gestalt des Thieres noch
mehr schweinsähnlich, als die unsers Jgels. Dazu ist der Tanrek schlanker und hochbeiniger, als
sein europäischer Verwandter. Der Kopf- und Schnauzenbau, sowie die Bildung der Beine sind
jedenfalls das Merkwürdigste an ihm; aber auch das Haarkleid ist ganz eigenthümlich. An dem
schlanken Leib sitzt der sehr lange Kopf, welcher etwa ein Drittel der ganzen Körperlänge einnimmt,
hinten besonders dick ist, nach vornhin aber sich verschmälert; die rundlichen Ohren sind kurz und
hinten ausgebuchtet; die Augen klein, aber doch größer, als bei den eigentlichen Jgeln; der Hals ist
kurz und dünner, als der Leib, aber wenigstens einigermaßen abgesetzt; die Beine sind mittelhoch, die
hinteren nur wenig länger, als die vorderen. Von den fünf Zehen an den Füßen ist die mittle am
längsten; die Krallen sind mittelstark. Der ganze Körper ist ziemlich dicht mit Stacheln, Borsten und
Haaren bedeckt, welche gewissermaßen in einander übergehen oder wenigstens deutlich zeigen, daß der
Stachel blos eine Umänderung des Haares ist. Nur am Hinterkopf, am Nacken und an den Seiten
des Halses finden sich wahre, wenn auch nicht sehr harte, etwas biegsame Stacheln von ungefähr
1/2 Zoll in der Länge. Sie bilden einen Schopf, stehen jedoch nicht besonders dick. Weiter gegen die
Seiten hin werden die Stacheln länger, zugleich aber auch dünner, weicher und biegsamer. Dazu

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Benutzung des Jgels.
gelernt haben. Noch jetzt verfolgt man den Jgel als Milchdieb und glaubt ſogar, daß er den Kühen
nachts die Milch aus ihren Eutern ſauge; noch heutigen Tages betrachtet man ihn hier und da als
ein Weſen, deſſen Erſcheinen Unglück bringt ꝛc. Kurz, man ſucht ſich gleichſam ſelbſt zu entſchuldigen,
daß man ein ſo nützliches Thier ohne Grund verfolgt und tödtet.

Eine zweite Art unſerer Sippe, den großohrigen Jgel (Erinaceus auritus), zeigt neben-
ſtehendes Bild. Er unterſcheidet ſich durch die größeren Ohren und die verlängerte Schnauze von
den übrigen; auch ſind ſeine Füße etwas länger und dünner. Der Schwanz iſt kurz, kugelförmig
geringelt und dunkelbraun. Die Stacheln ſind blos zwanzig bis zweiundzwanzigmal gefurcht und die
Leiſtchen zwiſchen den Furchen mit feinen Haaren beſetzt. Die braunen Schnurren ſind in vier Reihen
geordnet und hinten ſehr lang, das Haar iſt weich und weiß am Kopfe, aber ſchmuziggrau, und die
Stacheln ſind am Grunde weiß, in der Mitte braun und an der Spitze gelblich gezeichnet. Die
Leibeslänge beträgt 9½ Zoll, die des Schwanzes einen Zoll. Dieſe Art befindet ſich in Sibirien
und in allen übrigen öſtlichen Ländern des aſiatiſchen Rußlands, zumal in der Tartarei. Jn Egypten
leben ihm ſehr verwandte Arten, welche ſich hauptſächlich durch den Bau ihrer Stacheln unterſcheiden.
Die Lebensweiſe ſtimmt mit der des unfrigen überein; wenigſtens fehlen zur Zeit noch Beobachtungen,
welche die etwa beſtehenden Unterſchiede zu unſerer Kenntniß gebracht hätten.



Die Borſtenigel (Centetes) bilden eine zweite Gruppe der Familie und gleichſam einen Ueber-
gang von ihr zu der folgenden, welche die Spitzmäuſe umfaßt. Noch tragen die hierhergehörigen
Thiere ein Stachelkleid, aber die Stacheln ſind nicht mehr folang und viel weicher, als bei den eigent-
lichen Jgeln, auch ſind dieſelben ſchon ſehr mit Borſten untermengt, während der Kopf mit Haaren
bedeckt iſt. Die Schnauze iſt ſtark verlängert, und namentlich die Naſe ragt weit über die Unterlippe
vor. Die Ohren ſind kurz, der Schwanz fehlt gänzlich; Vorder- und Hinterbeine ſind fünfzehig.
Allen Borſtenigeln fehlt die Fähigkeit, ſich zuſammenzurollen, und hierdurch unterſcheiden ſie ſich
allerdings ſehr weſentlich von den erſtbeſchriebenen. Die Arten dieſer Sippe bewohnen Madagaskar.
Sie graben ſich während der heißen Jahreszeit in Höhlen ein, in denen ſie ebenfalls einen Winter-
ſchlaf halten. Sie lieben die Nähe des Waſſers und wälzen ſich gern im Schlamm. Die Zahl ihrer
Jungen ſoll ſehr groß ſein, nämlich bis achtzehn anſteigen. Jhr Fleiſch wird von den Eingebornen
gern gegeſſen.

Bis jetzt kennt man blos zwei Arten dieſer Thiere, von denen der Taurek (Centetes ecaudatus)
die in unſeren Sammlungen häufigſte iſt. Wie die Abbildung zeigt, iſt die Geſtalt des Thieres noch
mehr ſchweinsähnlich, als die unſers Jgels. Dazu iſt der Tanrek ſchlanker und hochbeiniger, als
ſein europäiſcher Verwandter. Der Kopf- und Schnauzenbau, ſowie die Bildung der Beine ſind
jedenfalls das Merkwürdigſte an ihm; aber auch das Haarkleid iſt ganz eigenthümlich. An dem
ſchlanken Leib ſitzt der ſehr lange Kopf, welcher etwa ein Drittel der ganzen Körperlänge einnimmt,
hinten beſonders dick iſt, nach vornhin aber ſich verſchmälert; die rundlichen Ohren ſind kurz und
hinten ausgebuchtet; die Augen klein, aber doch größer, als bei den eigentlichen Jgeln; der Hals iſt
kurz und dünner, als der Leib, aber wenigſtens einigermaßen abgeſetzt; die Beine ſind mittelhoch, die
hinteren nur wenig länger, als die vorderen. Von den fünf Zehen an den Füßen iſt die mittle am
längſten; die Krallen ſind mittelſtark. Der ganze Körper iſt ziemlich dicht mit Stacheln, Borſten und
Haaren bedeckt, welche gewiſſermaßen in einander übergehen oder wenigſtens deutlich zeigen, daß der
Stachel blos eine Umänderung des Haares iſt. Nur am Hinterkopf, am Nacken und an den Seiten
des Halſes finden ſich wahre, wenn auch nicht ſehr harte, etwas biegſame Stacheln von ungefähr
½ Zoll in der Länge. Sie bilden einen Schopf, ſtehen jedoch nicht beſonders dick. Weiter gegen die
Seiten hin werden die Stacheln länger, zugleich aber auch dünner, weicher und biegſamer. Dazu

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[659/0737] Benutzung des Jgels. gelernt haben. Noch jetzt verfolgt man den Jgel als Milchdieb und glaubt ſogar, daß er den Kühen nachts die Milch aus ihren Eutern ſauge; noch heutigen Tages betrachtet man ihn hier und da als ein Weſen, deſſen Erſcheinen Unglück bringt ꝛc. Kurz, man ſucht ſich gleichſam ſelbſt zu entſchuldigen, daß man ein ſo nützliches Thier ohne Grund verfolgt und tödtet. Eine zweite Art unſerer Sippe, den großohrigen Jgel (Erinaceus auritus), zeigt neben- ſtehendes Bild. Er unterſcheidet ſich durch die größeren Ohren und die verlängerte Schnauze von den übrigen; auch ſind ſeine Füße etwas länger und dünner. Der Schwanz iſt kurz, kugelförmig geringelt und dunkelbraun. Die Stacheln ſind blos zwanzig bis zweiundzwanzigmal gefurcht und die Leiſtchen zwiſchen den Furchen mit feinen Haaren beſetzt. Die braunen Schnurren ſind in vier Reihen geordnet und hinten ſehr lang, das Haar iſt weich und weiß am Kopfe, aber ſchmuziggrau, und die Stacheln ſind am Grunde weiß, in der Mitte braun und an der Spitze gelblich gezeichnet. Die Leibeslänge beträgt 9½ Zoll, die des Schwanzes einen Zoll. Dieſe Art befindet ſich in Sibirien und in allen übrigen öſtlichen Ländern des aſiatiſchen Rußlands, zumal in der Tartarei. Jn Egypten leben ihm ſehr verwandte Arten, welche ſich hauptſächlich durch den Bau ihrer Stacheln unterſcheiden. Die Lebensweiſe ſtimmt mit der des unfrigen überein; wenigſtens fehlen zur Zeit noch Beobachtungen, welche die etwa beſtehenden Unterſchiede zu unſerer Kenntniß gebracht hätten. Die Borſtenigel (Centetes) bilden eine zweite Gruppe der Familie und gleichſam einen Ueber- gang von ihr zu der folgenden, welche die Spitzmäuſe umfaßt. Noch tragen die hierhergehörigen Thiere ein Stachelkleid, aber die Stacheln ſind nicht mehr folang und viel weicher, als bei den eigent- lichen Jgeln, auch ſind dieſelben ſchon ſehr mit Borſten untermengt, während der Kopf mit Haaren bedeckt iſt. Die Schnauze iſt ſtark verlängert, und namentlich die Naſe ragt weit über die Unterlippe vor. Die Ohren ſind kurz, der Schwanz fehlt gänzlich; Vorder- und Hinterbeine ſind fünfzehig. Allen Borſtenigeln fehlt die Fähigkeit, ſich zuſammenzurollen, und hierdurch unterſcheiden ſie ſich allerdings ſehr weſentlich von den erſtbeſchriebenen. Die Arten dieſer Sippe bewohnen Madagaskar. Sie graben ſich während der heißen Jahreszeit in Höhlen ein, in denen ſie ebenfalls einen Winter- ſchlaf halten. Sie lieben die Nähe des Waſſers und wälzen ſich gern im Schlamm. Die Zahl ihrer Jungen ſoll ſehr groß ſein, nämlich bis achtzehn anſteigen. Jhr Fleiſch wird von den Eingebornen gern gegeſſen. Bis jetzt kennt man blos zwei Arten dieſer Thiere, von denen der Taurek (Centetes ecaudatus) die in unſeren Sammlungen häufigſte iſt. Wie die Abbildung zeigt, iſt die Geſtalt des Thieres noch mehr ſchweinsähnlich, als die unſers Jgels. Dazu iſt der Tanrek ſchlanker und hochbeiniger, als ſein europäiſcher Verwandter. Der Kopf- und Schnauzenbau, ſowie die Bildung der Beine ſind jedenfalls das Merkwürdigſte an ihm; aber auch das Haarkleid iſt ganz eigenthümlich. An dem ſchlanken Leib ſitzt der ſehr lange Kopf, welcher etwa ein Drittel der ganzen Körperlänge einnimmt, hinten beſonders dick iſt, nach vornhin aber ſich verſchmälert; die rundlichen Ohren ſind kurz und hinten ausgebuchtet; die Augen klein, aber doch größer, als bei den eigentlichen Jgeln; der Hals iſt kurz und dünner, als der Leib, aber wenigſtens einigermaßen abgeſetzt; die Beine ſind mittelhoch, die hinteren nur wenig länger, als die vorderen. Von den fünf Zehen an den Füßen iſt die mittle am längſten; die Krallen ſind mittelſtark. Der ganze Körper iſt ziemlich dicht mit Stacheln, Borſten und Haaren bedeckt, welche gewiſſermaßen in einander übergehen oder wenigſtens deutlich zeigen, daß der Stachel blos eine Umänderung des Haares iſt. Nur am Hinterkopf, am Nacken und an den Seiten des Halſes finden ſich wahre, wenn auch nicht ſehr harte, etwas biegſame Stacheln von ungefähr ½ Zoll in der Länge. Sie bilden einen Schopf, ſtehen jedoch nicht beſonders dick. Weiter gegen die Seiten hin werden die Stacheln länger, zugleich aber auch dünner, weicher und biegſamer. Dazu 42 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 659. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/737>, abgerufen am 24.11.2024.