Die Raubthiere. Bären. -- Einsamer und geselliger Coati. Wickelbär.
Staaten machen. Zu diesem Behufe brachte ich sie in eine Kiste mit Scheidewänden, welche sich ver- mittelst getrennter Deckel öffnete. Wir hatten öfters sehr starke Kälte, Schnee und Eis, alsdann lagen die Coatis zusammengekauert im Stroh, und wenn man den Deckel aufhob, zeigten sie durchaus keine Lust herauszukommen."
"Das Männchen zeigte schon vor seiner völligen Ausbildung Neigung zum Beißen. Sei es nun aus Laugerweile in seinem engen Haus oder daß es scherzen wollte, es suchte die Finger zu erhaschen, welche man durch die Luftlöcher steckte, und bei meiner Ausschiffung in Frankreich wurde einem Zollbeamten der Finger blutig gebissen, der allzuneugierig die an einem der Löcher erscheinende fleischige Nase untersuchen wollte."
"Mehrere Monate behielt ich sodann meine Coatis auf dem Lande nicht weit von Genf. Sie schienen Gefallen an der Gesellschaft des Menschen zu haben und folgten mir selbst auf Spazier- gängen, indem sie sich immer rechts oder links wendeten, um auf Bäume zu klettern oder Löcher in die Erde zu graben. Sie hatten einen muntern, scherzhaften Charakter und liebten Affenstreiche. Sobald sie auf ihrem Wege einem Vorübergehenden begegneten, stürzten sie auf ihn los, kletterten ihm die Beine hinauf, waren in einer Sekunde auf seiner Schulter, sprangen wieder auf die Erde zurück und flohen blitzschnell davon, entzückt, eine Eulenspiegelei ausgeführt zu haben. Da nun aber ein solches Abenteuer den meisten Vorübergehenden mehr lästig, als augenehm war, so sah ich mich bald genöthigt, meinen Bären das freie Umherlaufen zu versagen. Uebrigens wurde Dies Tag für Tag nöthiger; denn je mehr sie die Freiheit kennen lernten, umsoweniger schienen sie sich um ihren Herrn zu bekümmern. Sie gingen überaus gern spazieren, aber jeweiter sie sich entfernt hatten, destoweniger wollte ihnen die Rückkehr gefallen, und ich war oft genöthigt, sie aus einer Entfernung von einer Viertelmeile holen zu lassen."
"Man hielt sie nun an langen Schnuren auf einer Wiese, und sie belustigten sich damit, die Erde aufzukratzen und nach Kerfen zu suchen, dachten aber auch jetzt nicht daran, die Schnur zu durch- beißen. Dies war im Sommer, und sie hatten also Nichts von der Kälte zu leiden. Leider hörten Kinder und Neugierige nicht auf, sie mit Stöcken zu reizen, und so zerstörten sie in ihnen das wenige Gute, was überhaupt noch vorhanden war. Nachdem die Thiere zwei Monate in freier Luft gelebt hatten, begannen sie, uns erst recht zu schaffen zu machen. Manchmal machten sie sich doch los und liefen ins Weite, nun mußte man sich aufmachen, um sie zu suchen. Am häusigsten fand man sie auf den großen Bäumen der benachbarten Dörfer. Einige Male verwickelte sich die Schnur, welche sie nachschleppten, und schnürte ihnen den Hals ein; man fand sie dann halb ohnmächtig oben hängen. Einmal kostete es viele Mühe, das Männchen wieder zum Leben zu bringen. Noch immer waren sie gegen ihre Pfleger leidlich zahm. So verbrachten sie oft mehrere Stunden mit Schlafen und Spielen auf dem Schose einer Frau, welche vor ihnen keine Furcht hatte und sie auch nicht mit Drohungen erschreckte, ihnen überhaupt sehr gewogen war. Nach und nach nahm das Männchen aber einen immer schlimmern Charakter an: sowie man es angriff, biß es. Da man nun sah, daß Dies ge- fährlich werden konnte, sperrte man es mit seinem Weibchen in ein leeres und vollkommen abgeschlossenes Zimmer ein. Am nächsten Morgen war kein Coati zu sehen, noch zu hören: sie waren in das Kamin geklettert und vom Dach aus an einem kanadischen Weinstock heruntergestiegen. Nachdem sie im Dorfe herumgelaufen waren, begegneten sie noch vor Tagesanbruch einer alten Frau, der sie auf den Rücken sprangen. Die Unglückliche, welche nicht wußte, wie ihr geschah, stieß sie, indem sie sich von ihnen befreien wollte. Sie sprangen nun zwar weg, brachten ihr aber doch in der Schnelligkeit noch mehrere bedeutende Bisse bei. Am Morgen fand man sie in einem Gebüsch. Das Männchen, nicht damit zufrieden, auf die Stimme seines Wärters nicht gekommen zu sein, leistete sogar beim Fangen noch großen Widerstand. Es wurde nun mit jedem Tage schwieriger, die Thiere freilaufen zu lassen, und ich beschloß klüglich, sie in einen großen Käfig zu setzen, um neuen Unglücksfällen vorzubeugen. Dieser Käfig wurde in den Stall gestellt, aber die Pferde wurden unruhig und schlugen die ganze Nacht durch aus."
Die Raubthiere. Bären. — Einſamer und geſelliger Coati. Wickelbär.
Staaten machen. Zu dieſem Behufe brachte ich ſie in eine Kiſte mit Scheidewänden, welche ſich ver- mittelſt getrennter Deckel öffnete. Wir hatten öfters ſehr ſtarke Kälte, Schnee und Eis, alsdann lagen die Coatis zuſammengekauert im Stroh, und wenn man den Deckel aufhob, zeigten ſie durchaus keine Luſt herauszukommen.‟
„Das Männchen zeigte ſchon vor ſeiner völligen Ausbildung Neigung zum Beißen. Sei es nun aus Laugerweile in ſeinem engen Haus oder daß es ſcherzen wollte, es ſuchte die Finger zu erhaſchen, welche man durch die Luftlöcher ſteckte, und bei meiner Ausſchiffung in Frankreich wurde einem Zollbeamten der Finger blutig gebiſſen, der allzuneugierig die an einem der Löcher erſcheinende fleiſchige Naſe unterſuchen wollte.‟
„Mehrere Monate behielt ich ſodann meine Coatis auf dem Lande nicht weit von Genf. Sie ſchienen Gefallen an der Geſellſchaft des Menſchen zu haben und folgten mir ſelbſt auf Spazier- gängen, indem ſie ſich immer rechts oder links wendeten, um auf Bäume zu klettern oder Löcher in die Erde zu graben. Sie hatten einen muntern, ſcherzhaften Charakter und liebten Affenſtreiche. Sobald ſie auf ihrem Wege einem Vorübergehenden begegneten, ſtürzten ſie auf ihn los, kletterten ihm die Beine hinauf, waren in einer Sekunde auf ſeiner Schulter, ſprangen wieder auf die Erde zurück und flohen blitzſchnell davon, entzückt, eine Eulenſpiegelei ausgeführt zu haben. Da nun aber ein ſolches Abenteuer den meiſten Vorübergehenden mehr läſtig, als augenehm war, ſo ſah ich mich bald genöthigt, meinen Bären das freie Umherlaufen zu verſagen. Uebrigens wurde Dies Tag für Tag nöthiger; denn je mehr ſie die Freiheit kennen lernten, umſoweniger ſchienen ſie ſich um ihren Herrn zu bekümmern. Sie gingen überaus gern ſpazieren, aber jeweiter ſie ſich entfernt hatten, deſtoweniger wollte ihnen die Rückkehr gefallen, und ich war oft genöthigt, ſie aus einer Entfernung von einer Viertelmeile holen zu laſſen.‟
„Man hielt ſie nun an langen Schnuren auf einer Wieſe, und ſie beluſtigten ſich damit, die Erde aufzukratzen und nach Kerfen zu ſuchen, dachten aber auch jetzt nicht daran, die Schnur zu durch- beißen. Dies war im Sommer, und ſie hatten alſo Nichts von der Kälte zu leiden. Leider hörten Kinder und Neugierige nicht auf, ſie mit Stöcken zu reizen, und ſo zerſtörten ſie in ihnen das wenige Gute, was überhaupt noch vorhanden war. Nachdem die Thiere zwei Monate in freier Luft gelebt hatten, begannen ſie, uns erſt recht zu ſchaffen zu machen. Manchmal machten ſie ſich doch los und liefen ins Weite, nun mußte man ſich aufmachen, um ſie zu ſuchen. Am häuſigſten fand man ſie auf den großen Bäumen der benachbarten Dörfer. Einige Male verwickelte ſich die Schnur, welche ſie nachſchleppten, und ſchnürte ihnen den Hals ein; man fand ſie dann halb ohnmächtig oben hängen. Einmal koſtete es viele Mühe, das Männchen wieder zum Leben zu bringen. Noch immer waren ſie gegen ihre Pfleger leidlich zahm. So verbrachten ſie oft mehrere Stunden mit Schlafen und Spielen auf dem Schoſe einer Frau, welche vor ihnen keine Furcht hatte und ſie auch nicht mit Drohungen erſchreckte, ihnen überhaupt ſehr gewogen war. Nach und nach nahm das Männchen aber einen immer ſchlimmern Charakter an: ſowie man es angriff, biß es. Da man nun ſah, daß Dies ge- fährlich werden konnte, ſperrte man es mit ſeinem Weibchen in ein leeres und vollkommen abgeſchloſſenes Zimmer ein. Am nächſten Morgen war kein Coati zu ſehen, noch zu hören: ſie waren in das Kamin geklettert und vom Dach aus an einem kanadiſchen Weinſtock heruntergeſtiegen. Nachdem ſie im Dorfe herumgelaufen waren, begegneten ſie noch vor Tagesanbruch einer alten Frau, der ſie auf den Rücken ſprangen. Die Unglückliche, welche nicht wußte, wie ihr geſchah, ſtieß ſie, indem ſie ſich von ihnen befreien wollte. Sie ſprangen nun zwar weg, brachten ihr aber doch in der Schnelligkeit noch mehrere bedeutende Biſſe bei. Am Morgen fand man ſie in einem Gebüſch. Das Männchen, nicht damit zufrieden, auf die Stimme ſeines Wärters nicht gekommen zu ſein, leiſtete ſogar beim Fangen noch großen Widerſtand. Es wurde nun mit jedem Tage ſchwieriger, die Thiere freilaufen zu laſſen, und ich beſchloß klüglich, ſie in einen großen Käfig zu ſetzen, um neuen Unglücksfällen vorzubeugen. Dieſer Käfig wurde in den Stall geſtellt, aber die Pferde wurden unruhig und ſchlugen die ganze Nacht durch aus.‟
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Die Raubthiere. Bären. — Einſamer und geſelliger Coati. Wickelbär.
Staaten machen. Zu dieſem Behufe brachte ich ſie in eine Kiſte mit Scheidewänden, welche ſich ver-
mittelſt getrennter Deckel öffnete. Wir hatten öfters ſehr ſtarke Kälte, Schnee und Eis, alsdann
lagen die Coatis zuſammengekauert im Stroh, und wenn man den Deckel aufhob, zeigten ſie durchaus
keine Luſt herauszukommen.‟
„Das Männchen zeigte ſchon vor ſeiner völligen Ausbildung Neigung zum Beißen. Sei es
nun aus Laugerweile in ſeinem engen Haus oder daß es ſcherzen wollte, es ſuchte die Finger zu
erhaſchen, welche man durch die Luftlöcher ſteckte, und bei meiner Ausſchiffung in Frankreich wurde
einem Zollbeamten der Finger blutig gebiſſen, der allzuneugierig die an einem der Löcher erſcheinende
fleiſchige Naſe unterſuchen wollte.‟
„Mehrere Monate behielt ich ſodann meine Coatis auf dem Lande nicht weit von Genf. Sie
ſchienen Gefallen an der Geſellſchaft des Menſchen zu haben und folgten mir ſelbſt auf Spazier-
gängen, indem ſie ſich immer rechts oder links wendeten, um auf Bäume zu klettern oder Löcher in
die Erde zu graben. Sie hatten einen muntern, ſcherzhaften Charakter und liebten Affenſtreiche.
Sobald ſie auf ihrem Wege einem Vorübergehenden begegneten, ſtürzten ſie auf ihn los, kletterten
ihm die Beine hinauf, waren in einer Sekunde auf ſeiner Schulter, ſprangen wieder auf die Erde
zurück und flohen blitzſchnell davon, entzückt, eine Eulenſpiegelei ausgeführt zu haben. Da nun aber
ein ſolches Abenteuer den meiſten Vorübergehenden mehr läſtig, als augenehm war, ſo ſah ich mich
bald genöthigt, meinen Bären das freie Umherlaufen zu verſagen. Uebrigens wurde Dies Tag für
Tag nöthiger; denn je mehr ſie die Freiheit kennen lernten, umſoweniger ſchienen ſie ſich um ihren
Herrn zu bekümmern. Sie gingen überaus gern ſpazieren, aber jeweiter ſie ſich entfernt hatten,
deſtoweniger wollte ihnen die Rückkehr gefallen, und ich war oft genöthigt, ſie aus einer Entfernung
von einer Viertelmeile holen zu laſſen.‟
„Man hielt ſie nun an langen Schnuren auf einer Wieſe, und ſie beluſtigten ſich damit, die
Erde aufzukratzen und nach Kerfen zu ſuchen, dachten aber auch jetzt nicht daran, die Schnur zu durch-
beißen. Dies war im Sommer, und ſie hatten alſo Nichts von der Kälte zu leiden. Leider hörten
Kinder und Neugierige nicht auf, ſie mit Stöcken zu reizen, und ſo zerſtörten ſie in ihnen das wenige
Gute, was überhaupt noch vorhanden war. Nachdem die Thiere zwei Monate in freier Luft gelebt
hatten, begannen ſie, uns erſt recht zu ſchaffen zu machen. Manchmal machten ſie ſich doch los und
liefen ins Weite, nun mußte man ſich aufmachen, um ſie zu ſuchen. Am häuſigſten fand man ſie auf
den großen Bäumen der benachbarten Dörfer. Einige Male verwickelte ſich die Schnur, welche ſie
nachſchleppten, und ſchnürte ihnen den Hals ein; man fand ſie dann halb ohnmächtig oben hängen.
Einmal koſtete es viele Mühe, das Männchen wieder zum Leben zu bringen. Noch immer waren ſie
gegen ihre Pfleger leidlich zahm. So verbrachten ſie oft mehrere Stunden mit Schlafen und Spielen
auf dem Schoſe einer Frau, welche vor ihnen keine Furcht hatte und ſie auch nicht mit Drohungen
erſchreckte, ihnen überhaupt ſehr gewogen war. Nach und nach nahm das Männchen aber einen
immer ſchlimmern Charakter an: ſowie man es angriff, biß es. Da man nun ſah, daß Dies ge-
fährlich werden konnte, ſperrte man es mit ſeinem Weibchen in ein leeres und vollkommen abgeſchloſſenes
Zimmer ein. Am nächſten Morgen war kein Coati zu ſehen, noch zu hören: ſie waren in das Kamin
geklettert und vom Dach aus an einem kanadiſchen Weinſtock heruntergeſtiegen. Nachdem ſie im Dorfe
herumgelaufen waren, begegneten ſie noch vor Tagesanbruch einer alten Frau, der ſie auf den Rücken
ſprangen. Die Unglückliche, welche nicht wußte, wie ihr geſchah, ſtieß ſie, indem ſie ſich von ihnen
befreien wollte. Sie ſprangen nun zwar weg, brachten ihr aber doch in der Schnelligkeit noch mehrere
bedeutende Biſſe bei. Am Morgen fand man ſie in einem Gebüſch. Das Männchen, nicht damit
zufrieden, auf die Stimme ſeines Wärters nicht gekommen zu ſein, leiſtete ſogar beim Fangen noch
großen Widerſtand. Es wurde nun mit jedem Tage ſchwieriger, die Thiere freilaufen zu laſſen, und
ich beſchloß klüglich, ſie in einen großen Käfig zu ſetzen, um neuen Unglücksfällen vorzubeugen.
Dieſer Käfig wurde in den Stall geſtellt, aber die Pferde wurden unruhig und ſchlugen die ganze
Nacht durch aus.‟
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/716>, abgerufen am 24.11.2024.
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