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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Fähigkeiten. Nahrung. Fang. Jagd. Nutzen.
auszusuchen weiß. Die verschiedensten Fruchtarten, wie Kastanien, wilde Trauben, Mais, solange die
Kolben noch weich sind, Obst aller Art, liefern ihm schätzbare Nahrungsmittel; aber er stellt auch den
Vögeln und ihren Nestern nach, weiß listig ein Hühnchen oder eine Taube zu beschleichen, versteht
es meisterhaft, selbst das verborgenste Nest aufzuspüren, und labt sich dann an den Eiern, welche er
erstaunlich geschickt zu öffnen und zu leeren weiß, ohne daß irgend Etwas von dem Jnhalte verloren
geht. Nicht selten kommt er blos deshalb an die Gärten oder in die Wohnungen herein, um Hühner
zu rauben und Hühnernester zu plündern, und aus diesem Grunde steht er bei den Farmern nicht eben
in gutem Ansehen. Die Gewässer in der Nähe müssen ihm ebenfalls zollen. Er fängt gewandt Fische,
Krebse und Schalthiere heraus und wagt sich bei der Ebbe, solchem Schmaus zu Liebe, oft weit hinein.
Besonders die Austern soll er sehr gern verzehren und geschickt zu öffnen verstehen, obgleich von
Einigen behauptet wird, daß er dabei manchmal arg zu Schaden käme. Eine besonders starke Auster
nämlich soll ihn durch plötzliches Zusammenschließen ihrer Schalen wie in einer Falle fangen und
dann dem erbärmlichen Tode des Ertrinkeus überliefern, wenn die zurückkehrende Fluth die Austerbank
wieder bedeckt. Daß das blos eine müßige Fabel ist, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Sehr
gern verzehrt der Schupp auch Kerbthiere. Die dicken Larven mancher Käfer scheinen wahre Lecker-
bissen für ihn zu sein, die Heuschrecken fängt er mit großer Geschicklichkeit, und den maikäferartigen
Kerfen zu Gefallen klettert er bis in die höchsten Baumkronen hinauf. Er hat die Eigenthümlichkeit,
seine Nahrung vorher in das Wasser zu tauchen und hier zwischen seinen Vorderpfoten zu reiben, sie
gleichsam zu waschen. Das thut er jedoch nur dann, wenn er nicht besonders hungrig ist; in letzterm
Falle lassen ihm die Anforderungen des Magens wahrscheinlich keine Zeit zu der ihm sonst so lieben,
spielenden Beschäftigung, welcher er seinen Namen verdankt. -- Uebrigens geht er blos bei gutem
Wetter auf Nahrungserwerb aus. Wenn es stürmt, regnet oder schneit, liegt er oft mehrere Tage
lang ruhig in seinem geschützten Lager, ohne das Geringste zu verzehren.

Jm Mai wirft das Weibchen seine zwei bis drei -- nach Audubon vier bis sechs -- sehr
kleinen Jungen auf ein ziemlich sorgfältig hergerichtetes Lager in einem hohlen Baume.

Der Waschbär wird nicht blos seines guten Pelzes wegen verfolgt, sondern auch aus reiner
Jagdlust aufgesucht und getödtet. Wenn man blos seinem Felle nachstrebt, fängt man ihn leicht in
Schlageisen und Fallen aller Art, welche mit einem Fische oder einem Fleischstückchen geködert werden.
Weniger einfach ist seine Jagd. Die Amerikaner üben sie mit wahrer Leidenschaft aus, und Dies
wird begreiflich, wenn man ihre Schilderungen liest. Man jagt nämlich nicht bei Tage, sondern bei
Nacht, mit Hilfe der Hunde und unter Fackelbeleuchtung. Wenn der Waschbär sein einsames Lager
verlassen hat und mit leisen, unhörbaren Schritten durch das Unterholz gleitet, wenn es im Wald
sonst sehr still geworden ist unter dem Einflusse der Nacht, macht man sich auf, um sich unsers Thieres
zu bemächtigen. Ein guter, erfahrner Hund nimmt bald die Fährte auf, und die ganze Meute stürzt
jetzt dem sich flüchteuden, behenden Thiere nach, welches zuletzt mit Affengeschwindigkeit einen Baum
ersteigt und sich hier im dunkelsten Gezweig zu verbergen sucht. Ringsum unten bilden die Hunde
einen Kreis, bellend und heulend; oben liegt das gehetzte Thier in behaglicher Ruhe, gedeckt von dem
dunklen Mantel der Nacht. Da nahen sich die Jäger. Die Fackeln werden zusammengeworfen,
trocknes Holz, Kienspäne, Fichtenzapfen aufgelesen, zusammengetragen, und plötzlich flammt unter dem
Baume ein gewaltiges Feuer auf, die ganze Umgebung wahrhaft zanberisch beleuchtend. Nunmehr
ersteigt ein guter Kletterer den Baum und übernimmt das Amt der Hunde oben im Gezweig. Der
Mensch und der Affenbär jagen sich wechselseitig in der Baumkrone herum, bis endlich der Waschbär
auf einem schwankenden Zweige hinausgeht, in der Hoffnung, sich dadurch auf einen andern Baum
flüchten zu können. Sein Verfolger eilt ihm nach, soweit, als er es vermag, und beginnt plötzlich den
betreffenden Ast mit Macht zu schütteln. Der arme gehetzte Bursch muß sich nun gewaltsam festhalten,
um nicht zur Erde geschleudert zu werden. Doch Dies hilft ihm Nichts. Näher und näher kommt
ihm sein Feind, gewaltsamer werden die Anstrengungen, sich zu halten: -- ein Fehlgriff und er stürzt
sanfend zu Boden. Ein jauchzendes Gebell der Hunde begleitet seinen Fall und wiederum beginnt

Brehm, Thierleben. 40

Fähigkeiten. Nahrung. Fang. Jagd. Nutzen.
auszuſuchen weiß. Die verſchiedenſten Fruchtarten, wie Kaſtanien, wilde Trauben, Mais, ſolange die
Kolben noch weich ſind, Obſt aller Art, liefern ihm ſchätzbare Nahrungsmittel; aber er ſtellt auch den
Vögeln und ihren Neſtern nach, weiß liſtig ein Hühnchen oder eine Taube zu beſchleichen, verſteht
es meiſterhaft, ſelbſt das verborgenſte Neſt aufzuſpüren, und labt ſich dann an den Eiern, welche er
erſtaunlich geſchickt zu öffnen und zu leeren weiß, ohne daß irgend Etwas von dem Jnhalte verloren
geht. Nicht ſelten kommt er blos deshalb an die Gärten oder in die Wohnungen herein, um Hühner
zu rauben und Hühnerneſter zu plündern, und aus dieſem Grunde ſteht er bei den Farmern nicht eben
in gutem Anſehen. Die Gewäſſer in der Nähe müſſen ihm ebenfalls zollen. Er fängt gewandt Fiſche,
Krebſe und Schalthiere heraus und wagt ſich bei der Ebbe, ſolchem Schmaus zu Liebe, oft weit hinein.
Beſonders die Auſtern ſoll er ſehr gern verzehren und geſchickt zu öffnen verſtehen, obgleich von
Einigen behauptet wird, daß er dabei manchmal arg zu Schaden käme. Eine beſonders ſtarke Auſter
nämlich ſoll ihn durch plötzliches Zuſammenſchließen ihrer Schalen wie in einer Falle fangen und
dann dem erbärmlichen Tode des Ertrinkeus überliefern, wenn die zurückkehrende Fluth die Auſterbank
wieder bedeckt. Daß das blos eine müßige Fabel iſt, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Sehr
gern verzehrt der Schupp auch Kerbthiere. Die dicken Larven mancher Käfer ſcheinen wahre Lecker-
biſſen für ihn zu ſein, die Heuſchrecken fängt er mit großer Geſchicklichkeit, und den maikäferartigen
Kerfen zu Gefallen klettert er bis in die höchſten Baumkronen hinauf. Er hat die Eigenthümlichkeit,
ſeine Nahrung vorher in das Waſſer zu tauchen und hier zwiſchen ſeinen Vorderpfoten zu reiben, ſie
gleichſam zu waſchen. Das thut er jedoch nur dann, wenn er nicht beſonders hungrig iſt; in letzterm
Falle laſſen ihm die Anforderungen des Magens wahrſcheinlich keine Zeit zu der ihm ſonſt ſo lieben,
ſpielenden Beſchäftigung, welcher er ſeinen Namen verdankt. — Uebrigens geht er blos bei gutem
Wetter auf Nahrungserwerb aus. Wenn es ſtürmt, regnet oder ſchneit, liegt er oft mehrere Tage
lang ruhig in ſeinem geſchützten Lager, ohne das Geringſte zu verzehren.

Jm Mai wirft das Weibchen ſeine zwei bis drei — nach Audubon vier bis ſechs — ſehr
kleinen Jungen auf ein ziemlich ſorgfältig hergerichtetes Lager in einem hohlen Baume.

Der Waſchbär wird nicht blos ſeines guten Pelzes wegen verfolgt, ſondern auch aus reiner
Jagdluſt aufgeſucht und getödtet. Wenn man blos ſeinem Felle nachſtrebt, fängt man ihn leicht in
Schlageiſen und Fallen aller Art, welche mit einem Fiſche oder einem Fleiſchſtückchen geködert werden.
Weniger einfach iſt ſeine Jagd. Die Amerikaner üben ſie mit wahrer Leidenſchaft aus, und Dies
wird begreiflich, wenn man ihre Schilderungen lieſt. Man jagt nämlich nicht bei Tage, ſondern bei
Nacht, mit Hilfe der Hunde und unter Fackelbeleuchtung. Wenn der Waſchbär ſein einſames Lager
verlaſſen hat und mit leiſen, unhörbaren Schritten durch das Unterholz gleitet, wenn es im Wald
ſonſt ſehr ſtill geworden iſt unter dem Einfluſſe der Nacht, macht man ſich auf, um ſich unſers Thieres
zu bemächtigen. Ein guter, erfahrner Hund nimmt bald die Fährte auf, und die ganze Meute ſtürzt
jetzt dem ſich flüchteuden, behenden Thiere nach, welches zuletzt mit Affengeſchwindigkeit einen Baum
erſteigt und ſich hier im dunkelſten Gezweig zu verbergen ſucht. Ringsum unten bilden die Hunde
einen Kreis, bellend und heulend; oben liegt das gehetzte Thier in behaglicher Ruhe, gedeckt von dem
dunklen Mantel der Nacht. Da nahen ſich die Jäger. Die Fackeln werden zuſammengeworfen,
trocknes Holz, Kienſpäne, Fichtenzapfen aufgeleſen, zuſammengetragen, und plötzlich flammt unter dem
Baume ein gewaltiges Feuer auf, die ganze Umgebung wahrhaft zanberiſch beleuchtend. Nunmehr
erſteigt ein guter Kletterer den Baum und übernimmt das Amt der Hunde oben im Gezweig. Der
Menſch und der Affenbär jagen ſich wechſelſeitig in der Baumkrone herum, bis endlich der Waſchbär
auf einem ſchwankenden Zweige hinausgeht, in der Hoffnung, ſich dadurch auf einen andern Baum
flüchten zu können. Sein Verfolger eilt ihm nach, ſoweit, als er es vermag, und beginnt plötzlich den
betreffenden Aſt mit Macht zu ſchütteln. Der arme gehetzte Burſch muß ſich nun gewaltſam feſthalten,
um nicht zur Erde geſchleudert zu werden. Doch Dies hilft ihm Nichts. Näher und näher kommt
ihm ſein Feind, gewaltſamer werden die Anſtrengungen, ſich zu halten: — ein Fehlgriff und er ſtürzt
ſanfend zu Boden. Ein jauchzendes Gebell der Hunde begleitet ſeinen Fall und wiederum beginnt

Brehm, Thierleben. 40
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[625/0703] Fähigkeiten. Nahrung. Fang. Jagd. Nutzen. auszuſuchen weiß. Die verſchiedenſten Fruchtarten, wie Kaſtanien, wilde Trauben, Mais, ſolange die Kolben noch weich ſind, Obſt aller Art, liefern ihm ſchätzbare Nahrungsmittel; aber er ſtellt auch den Vögeln und ihren Neſtern nach, weiß liſtig ein Hühnchen oder eine Taube zu beſchleichen, verſteht es meiſterhaft, ſelbſt das verborgenſte Neſt aufzuſpüren, und labt ſich dann an den Eiern, welche er erſtaunlich geſchickt zu öffnen und zu leeren weiß, ohne daß irgend Etwas von dem Jnhalte verloren geht. Nicht ſelten kommt er blos deshalb an die Gärten oder in die Wohnungen herein, um Hühner zu rauben und Hühnerneſter zu plündern, und aus dieſem Grunde ſteht er bei den Farmern nicht eben in gutem Anſehen. Die Gewäſſer in der Nähe müſſen ihm ebenfalls zollen. Er fängt gewandt Fiſche, Krebſe und Schalthiere heraus und wagt ſich bei der Ebbe, ſolchem Schmaus zu Liebe, oft weit hinein. Beſonders die Auſtern ſoll er ſehr gern verzehren und geſchickt zu öffnen verſtehen, obgleich von Einigen behauptet wird, daß er dabei manchmal arg zu Schaden käme. Eine beſonders ſtarke Auſter nämlich ſoll ihn durch plötzliches Zuſammenſchließen ihrer Schalen wie in einer Falle fangen und dann dem erbärmlichen Tode des Ertrinkeus überliefern, wenn die zurückkehrende Fluth die Auſterbank wieder bedeckt. Daß das blos eine müßige Fabel iſt, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Sehr gern verzehrt der Schupp auch Kerbthiere. Die dicken Larven mancher Käfer ſcheinen wahre Lecker- biſſen für ihn zu ſein, die Heuſchrecken fängt er mit großer Geſchicklichkeit, und den maikäferartigen Kerfen zu Gefallen klettert er bis in die höchſten Baumkronen hinauf. Er hat die Eigenthümlichkeit, ſeine Nahrung vorher in das Waſſer zu tauchen und hier zwiſchen ſeinen Vorderpfoten zu reiben, ſie gleichſam zu waſchen. Das thut er jedoch nur dann, wenn er nicht beſonders hungrig iſt; in letzterm Falle laſſen ihm die Anforderungen des Magens wahrſcheinlich keine Zeit zu der ihm ſonſt ſo lieben, ſpielenden Beſchäftigung, welcher er ſeinen Namen verdankt. — Uebrigens geht er blos bei gutem Wetter auf Nahrungserwerb aus. Wenn es ſtürmt, regnet oder ſchneit, liegt er oft mehrere Tage lang ruhig in ſeinem geſchützten Lager, ohne das Geringſte zu verzehren. Jm Mai wirft das Weibchen ſeine zwei bis drei — nach Audubon vier bis ſechs — ſehr kleinen Jungen auf ein ziemlich ſorgfältig hergerichtetes Lager in einem hohlen Baume. Der Waſchbär wird nicht blos ſeines guten Pelzes wegen verfolgt, ſondern auch aus reiner Jagdluſt aufgeſucht und getödtet. Wenn man blos ſeinem Felle nachſtrebt, fängt man ihn leicht in Schlageiſen und Fallen aller Art, welche mit einem Fiſche oder einem Fleiſchſtückchen geködert werden. Weniger einfach iſt ſeine Jagd. Die Amerikaner üben ſie mit wahrer Leidenſchaft aus, und Dies wird begreiflich, wenn man ihre Schilderungen lieſt. Man jagt nämlich nicht bei Tage, ſondern bei Nacht, mit Hilfe der Hunde und unter Fackelbeleuchtung. Wenn der Waſchbär ſein einſames Lager verlaſſen hat und mit leiſen, unhörbaren Schritten durch das Unterholz gleitet, wenn es im Wald ſonſt ſehr ſtill geworden iſt unter dem Einfluſſe der Nacht, macht man ſich auf, um ſich unſers Thieres zu bemächtigen. Ein guter, erfahrner Hund nimmt bald die Fährte auf, und die ganze Meute ſtürzt jetzt dem ſich flüchteuden, behenden Thiere nach, welches zuletzt mit Affengeſchwindigkeit einen Baum erſteigt und ſich hier im dunkelſten Gezweig zu verbergen ſucht. Ringsum unten bilden die Hunde einen Kreis, bellend und heulend; oben liegt das gehetzte Thier in behaglicher Ruhe, gedeckt von dem dunklen Mantel der Nacht. Da nahen ſich die Jäger. Die Fackeln werden zuſammengeworfen, trocknes Holz, Kienſpäne, Fichtenzapfen aufgeleſen, zuſammengetragen, und plötzlich flammt unter dem Baume ein gewaltiges Feuer auf, die ganze Umgebung wahrhaft zanberiſch beleuchtend. Nunmehr erſteigt ein guter Kletterer den Baum und übernimmt das Amt der Hunde oben im Gezweig. Der Menſch und der Affenbär jagen ſich wechſelſeitig in der Baumkrone herum, bis endlich der Waſchbär auf einem ſchwankenden Zweige hinausgeht, in der Hoffnung, ſich dadurch auf einen andern Baum flüchten zu können. Sein Verfolger eilt ihm nach, ſoweit, als er es vermag, und beginnt plötzlich den betreffenden Aſt mit Macht zu ſchütteln. Der arme gehetzte Burſch muß ſich nun gewaltſam feſthalten, um nicht zur Erde geſchleudert zu werden. Doch Dies hilft ihm Nichts. Näher und näher kommt ihm ſein Feind, gewaltſamer werden die Anſtrengungen, ſich zu halten: — ein Fehlgriff und er ſtürzt ſanfend zu Boden. Ein jauchzendes Gebell der Hunde begleitet ſeinen Fall und wiederum beginnt Brehm, Thierleben. 40

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/703>, abgerufen am 23.11.2024.