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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Gefangenschaft. Nutzen. Beschreibung des Waschbären.

Alle bisher genannten Arten der Bärenfamilie waren echte Bären, welche dem Urbilde, unserm
Petz, ungeachtet manchfacher Eigenthümlichkeiten doch immer so ähnelten, daß man sie augenblicklich
als nahe Verwandte desselben erkennen muß. Anders ist es bei den nun noch zu betrachtenden
Gliedern derselben Familie. Sie haben nur noch soviel mit den Bären gemein, daß wir sie nirgends
anders unterbringen können, als eben in deren Familie. Wenn man will, mag man sie als Mittel-
glieder zwischen den Bären und anderen Raubthieren ansehen; die genauere Betrachtung der einzelnen
mag Dies beweisen.

Noch die meiste Bärenähnlichkeit haben die Waschbären (Procyon). Sie sind von weit ge-
ringerer Größe, als die vorher genannten, haben einen zierlicheren Leibesbau, dünnere und höhere
Glieder und einen langen oder mittellangen, schlaffen und buschigen Schwanz. Der Kopf ist hinten
sehr breit und spitzt sich in eine kurze Schnauze zu. Die großen Augen liegen nahe bei einander, die
großen Ohren dagegen ganz an den Kopfseiten. Die Sohlen sind vollkommen nackt und deuten schon

[Abbildung] Der gemeine Waschbär oder Schupp (Procyon Lotor).
damit an, daß die Waschbären zu den Sohlengängern gehören; aber die Thiere berühren den Boden
nur dann mit ganzer Sohle, wenn sie sitzen oder stehen, während sie beim Gehen blos auf die Zehen-
ballen auftreten. Das reichliche Haar ist ziemlich straff, lang und nicht zottig. Jm Gebiß unter-
scheiden sie sich nicht unerheblich von den eigentlichen Bären; doch wollen wir uns bei einer genanen
Betrachtung der einzelnen Krouen und Zacken an ihren Zähnen nicht aufhalten.

Die Waschbären sind Amerikaner und leben dort mehr marder-, als bärenähnlich in den Wäldern,
hauptsächlich auf Bäumen, nähren sich von allerlei Geflügel, kleinen Säugethieren und Früchten, sind
lustige und ziemlich gutmüthige Thiere und werden dadurch außerordentlich nützlich, daß sie jährlich
eine Unmasse von Fellen auf den Markt liefern, welche unter dem Namen "Schuppen" ziemlich
allgemein bekannt sind. Man kennt mit Sicherheit blos zwei Arten, von denen die eine den Norden,
die andere den Süden bewohnt.

Der gemeine Waschbär oder Schupp (Procyon Lotor), ist ein dachsähnliches Thier
von zwei Fuß Leibeslänge und zehn Zoll Schwanzlänge; am Widerrist ist es etwas über einen Fuß

Gefangenſchaft. Nutzen. Beſchreibung des Waſchbären.

Alle bisher genannten Arten der Bärenfamilie waren echte Bären, welche dem Urbilde, unſerm
Petz, ungeachtet manchfacher Eigenthümlichkeiten doch immer ſo ähnelten, daß man ſie augenblicklich
als nahe Verwandte deſſelben erkennen muß. Anders iſt es bei den nun noch zu betrachtenden
Gliedern derſelben Familie. Sie haben nur noch ſoviel mit den Bären gemein, daß wir ſie nirgends
anders unterbringen können, als eben in deren Familie. Wenn man will, mag man ſie als Mittel-
glieder zwiſchen den Bären und anderen Raubthieren anſehen; die genauere Betrachtung der einzelnen
mag Dies beweiſen.

Noch die meiſte Bärenähnlichkeit haben die Waſchbären (Procyon). Sie ſind von weit ge-
ringerer Größe, als die vorher genannten, haben einen zierlicheren Leibesbau, dünnere und höhere
Glieder und einen langen oder mittellangen, ſchlaffen und buſchigen Schwanz. Der Kopf iſt hinten
ſehr breit und ſpitzt ſich in eine kurze Schnauze zu. Die großen Augen liegen nahe bei einander, die
großen Ohren dagegen ganz an den Kopfſeiten. Die Sohlen ſind vollkommen nackt und deuten ſchon

[Abbildung] Der gemeine Waſchbär oder Schupp (Procyon Lotor).
damit an, daß die Waſchbären zu den Sohlengängern gehören; aber die Thiere berühren den Boden
nur dann mit ganzer Sohle, wenn ſie ſitzen oder ſtehen, während ſie beim Gehen blos auf die Zehen-
ballen auftreten. Das reichliche Haar iſt ziemlich ſtraff, lang und nicht zottig. Jm Gebiß unter-
ſcheiden ſie ſich nicht unerheblich von den eigentlichen Bären; doch wollen wir uns bei einer genanen
Betrachtung der einzelnen Krouen und Zacken an ihren Zähnen nicht aufhalten.

Die Waſchbären ſind Amerikaner und leben dort mehr marder-, als bärenähnlich in den Wäldern,
hauptſächlich auf Bäumen, nähren ſich von allerlei Geflügel, kleinen Säugethieren und Früchten, ſind
luſtige und ziemlich gutmüthige Thiere und werden dadurch außerordentlich nützlich, daß ſie jährlich
eine Unmaſſe von Fellen auf den Markt liefern, welche unter dem Namen „Schuppen‟ ziemlich
allgemein bekannt ſind. Man kennt mit Sicherheit blos zwei Arten, von denen die eine den Norden,
die andere den Süden bewohnt.

Der gemeine Waſchbär oder Schupp (Procyon Lotor), iſt ein dachsähnliches Thier
von zwei Fuß Leibeslänge und zehn Zoll Schwanzlänge; am Widerriſt iſt es etwas über einen Fuß

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[623/0701] Gefangenſchaft. Nutzen. Beſchreibung des Waſchbären. Alle bisher genannten Arten der Bärenfamilie waren echte Bären, welche dem Urbilde, unſerm Petz, ungeachtet manchfacher Eigenthümlichkeiten doch immer ſo ähnelten, daß man ſie augenblicklich als nahe Verwandte deſſelben erkennen muß. Anders iſt es bei den nun noch zu betrachtenden Gliedern derſelben Familie. Sie haben nur noch ſoviel mit den Bären gemein, daß wir ſie nirgends anders unterbringen können, als eben in deren Familie. Wenn man will, mag man ſie als Mittel- glieder zwiſchen den Bären und anderen Raubthieren anſehen; die genauere Betrachtung der einzelnen mag Dies beweiſen. Noch die meiſte Bärenähnlichkeit haben die Waſchbären (Procyon). Sie ſind von weit ge- ringerer Größe, als die vorher genannten, haben einen zierlicheren Leibesbau, dünnere und höhere Glieder und einen langen oder mittellangen, ſchlaffen und buſchigen Schwanz. Der Kopf iſt hinten ſehr breit und ſpitzt ſich in eine kurze Schnauze zu. Die großen Augen liegen nahe bei einander, die großen Ohren dagegen ganz an den Kopfſeiten. Die Sohlen ſind vollkommen nackt und deuten ſchon [Abbildung Der gemeine Waſchbär oder Schupp (Procyon Lotor).] damit an, daß die Waſchbären zu den Sohlengängern gehören; aber die Thiere berühren den Boden nur dann mit ganzer Sohle, wenn ſie ſitzen oder ſtehen, während ſie beim Gehen blos auf die Zehen- ballen auftreten. Das reichliche Haar iſt ziemlich ſtraff, lang und nicht zottig. Jm Gebiß unter- ſcheiden ſie ſich nicht unerheblich von den eigentlichen Bären; doch wollen wir uns bei einer genanen Betrachtung der einzelnen Krouen und Zacken an ihren Zähnen nicht aufhalten. Die Waſchbären ſind Amerikaner und leben dort mehr marder-, als bärenähnlich in den Wäldern, hauptſächlich auf Bäumen, nähren ſich von allerlei Geflügel, kleinen Säugethieren und Früchten, ſind luſtige und ziemlich gutmüthige Thiere und werden dadurch außerordentlich nützlich, daß ſie jährlich eine Unmaſſe von Fellen auf den Markt liefern, welche unter dem Namen „Schuppen‟ ziemlich allgemein bekannt ſind. Man kennt mit Sicherheit blos zwei Arten, von denen die eine den Norden, die andere den Süden bewohnt. Der gemeine Waſchbär oder Schupp (Procyon Lotor), iſt ein dachsähnliches Thier von zwei Fuß Leibeslänge und zehn Zoll Schwanzlänge; am Widerriſt iſt es etwas über einen Fuß

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/701>, abgerufen am 24.06.2024.