so hoch in Gnaden, daß ihm sogar sein Nachtlager neben dem Schlafzimmer der Dame gestattet war. Diese Freude dauerte etwas länger, als ein Jahr, und kein Mensch dachte daran, daß der so wohlge- zogene Bär irgend ein Unheil anrichten könne, als man eines Morgens die allgemein geachtete Dame von ihrem Liebling erwürgt im Bette fand. Auch die seit Altersher in dem Stadtgraben von Bern gehaltenen Bären haben sich in neuester Zeit einen traurigen Ruhm erworben: sie zerrissen einen Norweger, welcher in der Trunkenheit in ihr Gefängniß gestürzt war.
Jn früheren Zeiten und noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts galt es als ein fürstliches Vergnügen, Bären mit großen Hunden kämpfen zu lassen. Die deutschen Fürsten fütterten die wilden Thiere blos zu diesem Zwecke in eigenen Gärten. "August der Starke," so erzählt von Flemming, "hatte deren zwei, und es ereignete sich, daß einstmals aus dem Garten zu Augustusburg ein Bär entsprang, bei einem Fleischer ein Kalbsviertel herrunterriß und, da ihn die Frau verjagen wollte, diese sammt ihren Kindern erwürgte, worauf Leute herbeieilten und ihn todtschossen." Der für den Kampf bestimmte Bär wurde in einem Kasten auf den Platz gefahren. Sein Kasten konnte durch einen Zug aus der Ferne so geöffnet werden, daß er sich nach allen Seiten niederlegte und den Bären dann plötzlich ganz befreite. Hierauf ließ man große, schwere Hunde gegen ihn los. Packten ihn diese fest, so konnte er ohne besondere Schwierigkeiten von einem Manne abgefangen werden. Jm Dresdener Schloßhofe wurden im Jahre 1630 binnen acht Tagen drei Bärenhetzen abgehalten. Jn den beiden ersten mußten sieben Bären mit Hunden, im dritten aber mit großen Keulern kämpfen, von denen fünf auf dem Platze blieben; unter den Bären war nur einer von acht Centner Gewicht. Die Bären wurden noch außerdem durch Schwärmer gereizt und vermittelst eines ausgestopften rothen Männchens genarrt. Gewöhnlich fingen die großen Herren selbst die von den Hunden festgemachten Bären ab, August der Starke aber pflegte ihnen den Kopf abzuschlagen, und man erzählt, daß er Dies bei einer im Jahre 1690 abgehaltenen Bärenhetze sogar mit zwei Hieben fertig gebracht habe.
Selbst in der Neuzeit werden noch hier und da ähnliche Kämpfe abgehalten. Auf dem Stier- gefechtsplatze in Madrid läßt man bisweilen Bären mit Stieren kämpfen, und in Paris hetzte man noch im Anfange dieses Jahrhunderts angekettete Bären mit Hunden. Kobell, welcher einem der- artigen Schauspiele beiwohnte, erzählt, daß der Bär die auf ihn anstürmenden Hunde mit seinen mächtigen Pranken rechts und links niederschlug und dabei fürchterlich brummte. Als die Hunde aber hitzig wurden, ergriff er mehrere nach einander, schob sie unter sich und erdrückte sie, während er andere mit schweren Wunden zur Seite schleuderte.
Die Römer erhielten ihre Bären hauptsächlich vom Libanon, obgleich sie erzählen, daß sie solche auch aus Nordafrika und Lybien bezogen hätten.
Wie bereits bemerkt, herrscht noch ziemliche Unsicherheit unter den Naturforschern hinsichtlich der Anerkennung der verschiedenen Arten, welche in nächster Nähe des Verbreitungskreises unserer beiden Bären wohnen. Einige wollen noch nicht einmal den grauen nordamerikanischen Bären als Art gelten lassen, andere erklären die verschiedenen Abänderungen, welche unsere Bären erleiden, für lauter selbstständige Arten. Als Abarten des gemeinen Bären sind unzweifelhaft folgende anzusehen: Der Halsbandbär, der Gold- und Silberbär und der norwegische Bär, obgleich man die allerspitzfindigsten Unterschiede zwischen ihnen hervorgesucht hat, um ihre Artselbstständig- keit zu begründen. Leugnen läßt sich nicht, daß namentlich der Halsbandbär, welcher vom Ural durch ganz Sibirien bis nach Kamtschatka wohnt, sich in vieler Hinsicht von unserm gewöhnlichen Bären unterscheidet. Seine Ohren sind kürzer und mehr gerundet, der Leib ist dicker, schwerfälliger und plumper, die Haare sind länger und zottiger. Die Farbe ist bald hellgelblich, bald schwarzbraun, und die breite, weiße Binde, welche sich von den Schultern an um den Hals zieht, bleibt dem Thiere in jedem Alter. Dazu ist das geistige Wesen, wie wir bereits gesehen haben, denn doch ein ganz anderes, als bei unserm Meister Petz; namentlich die überraschende Gutmüthigkeit des Halsbandbären ist merkwürdig. Der Streit, ob Art oder nicht Art, ist jedoch noch nicht zum Abschlusse gekommen, und deshalb thun wir wohl am besten, wenn wir nicht weiter darauf eingehen.
Bärenkämpfe. Abarten des gemeinen.
ſo hoch in Gnaden, daß ihm ſogar ſein Nachtlager neben dem Schlafzimmer der Dame geſtattet war. Dieſe Freude dauerte etwas länger, als ein Jahr, und kein Menſch dachte daran, daß der ſo wohlge- zogene Bär irgend ein Unheil anrichten könne, als man eines Morgens die allgemein geachtete Dame von ihrem Liebling erwürgt im Bette fand. Auch die ſeit Altersher in dem Stadtgraben von Bern gehaltenen Bären haben ſich in neueſter Zeit einen traurigen Ruhm erworben: ſie zerriſſen einen Norweger, welcher in der Trunkenheit in ihr Gefängniß geſtürzt war.
Jn früheren Zeiten und noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts galt es als ein fürſtliches Vergnügen, Bären mit großen Hunden kämpfen zu laſſen. Die deutſchen Fürſten fütterten die wilden Thiere blos zu dieſem Zwecke in eigenen Gärten. „Auguſt der Starke,‟ ſo erzählt von Flemming, „hatte deren zwei, und es ereignete ſich, daß einſtmals aus dem Garten zu Auguſtusburg ein Bär entſprang, bei einem Fleiſcher ein Kalbsviertel herrunterriß und, da ihn die Frau verjagen wollte, dieſe ſammt ihren Kindern erwürgte, worauf Leute herbeieilten und ihn todtſchoſſen.‟ Der für den Kampf beſtimmte Bär wurde in einem Kaſten auf den Platz gefahren. Sein Kaſten konnte durch einen Zug aus der Ferne ſo geöffnet werden, daß er ſich nach allen Seiten niederlegte und den Bären dann plötzlich ganz befreite. Hierauf ließ man große, ſchwere Hunde gegen ihn los. Packten ihn dieſe feſt, ſo konnte er ohne beſondere Schwierigkeiten von einem Manne abgefangen werden. Jm Dresdener Schloßhofe wurden im Jahre 1630 binnen acht Tagen drei Bärenhetzen abgehalten. Jn den beiden erſten mußten ſieben Bären mit Hunden, im dritten aber mit großen Keulern kämpfen, von denen fünf auf dem Platze blieben; unter den Bären war nur einer von acht Centner Gewicht. Die Bären wurden noch außerdem durch Schwärmer gereizt und vermittelſt eines ausgeſtopften rothen Männchens genarrt. Gewöhnlich fingen die großen Herren ſelbſt die von den Hunden feſtgemachten Bären ab, Auguſt der Starke aber pflegte ihnen den Kopf abzuſchlagen, und man erzählt, daß er Dies bei einer im Jahre 1690 abgehaltenen Bärenhetze ſogar mit zwei Hieben fertig gebracht habe.
Selbſt in der Neuzeit werden noch hier und da ähnliche Kämpfe abgehalten. Auf dem Stier- gefechtsplatze in Madrid läßt man bisweilen Bären mit Stieren kämpfen, und in Paris hetzte man noch im Anfange dieſes Jahrhunderts angekettete Bären mit Hunden. Kobell, welcher einem der- artigen Schauſpiele beiwohnte, erzählt, daß der Bär die auf ihn anſtürmenden Hunde mit ſeinen mächtigen Pranken rechts und links niederſchlug und dabei fürchterlich brummte. Als die Hunde aber hitzig wurden, ergriff er mehrere nach einander, ſchob ſie unter ſich und erdrückte ſie, während er andere mit ſchweren Wunden zur Seite ſchleuderte.
Die Römer erhielten ihre Bären hauptſächlich vom Libanon, obgleich ſie erzählen, daß ſie ſolche auch aus Nordafrika und Lybien bezogen hätten.
Wie bereits bemerkt, herrſcht noch ziemliche Unſicherheit unter den Naturforſchern hinſichtlich der Anerkennung der verſchiedenen Arten, welche in nächſter Nähe des Verbreitungskreiſes unſerer beiden Bären wohnen. Einige wollen noch nicht einmal den grauen nordamerikaniſchen Bären als Art gelten laſſen, andere erklären die verſchiedenen Abänderungen, welche unſere Bären erleiden, für lauter ſelbſtſtändige Arten. Als Abarten des gemeinen Bären ſind unzweifelhaft folgende anzuſehen: Der Halsbandbär, der Gold- und Silberbär und der norwegiſche Bär, obgleich man die allerſpitzfindigſten Unterſchiede zwiſchen ihnen hervorgeſucht hat, um ihre Artſelbſtſtändig- keit zu begründen. Leugnen läßt ſich nicht, daß namentlich der Halsbandbär, welcher vom Ural durch ganz Sibirien bis nach Kamtſchatka wohnt, ſich in vieler Hinſicht von unſerm gewöhnlichen Bären unterſcheidet. Seine Ohren ſind kürzer und mehr gerundet, der Leib iſt dicker, ſchwerfälliger und plumper, die Haare ſind länger und zottiger. Die Farbe iſt bald hellgelblich, bald ſchwarzbraun, und die breite, weiße Binde, welche ſich von den Schultern an um den Hals zieht, bleibt dem Thiere in jedem Alter. Dazu iſt das geiſtige Weſen, wie wir bereits geſehen haben, denn doch ein ganz anderes, als bei unſerm Meiſter Petz; namentlich die überraſchende Gutmüthigkeit des Halsbandbären iſt merkwürdig. Der Streit, ob Art oder nicht Art, iſt jedoch noch nicht zum Abſchluſſe gekommen, und deshalb thun wir wohl am beſten, wenn wir nicht weiter darauf eingehen.
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[597/0673]
Bärenkämpfe. Abarten des gemeinen.
ſo hoch in Gnaden, daß ihm ſogar ſein Nachtlager neben dem Schlafzimmer der Dame geſtattet war.
Dieſe Freude dauerte etwas länger, als ein Jahr, und kein Menſch dachte daran, daß der ſo wohlge-
zogene Bär irgend ein Unheil anrichten könne, als man eines Morgens die allgemein geachtete Dame
von ihrem Liebling erwürgt im Bette fand. Auch die ſeit Altersher in dem Stadtgraben von Bern
gehaltenen Bären haben ſich in neueſter Zeit einen traurigen Ruhm erworben: ſie zerriſſen einen
Norweger, welcher in der Trunkenheit in ihr Gefängniß geſtürzt war.
Jn früheren Zeiten und noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts galt es als ein fürſtliches
Vergnügen, Bären mit großen Hunden kämpfen zu laſſen. Die deutſchen Fürſten fütterten die wilden
Thiere blos zu dieſem Zwecke in eigenen Gärten. „Auguſt der Starke,‟ ſo erzählt von Flemming,
„hatte deren zwei, und es ereignete ſich, daß einſtmals aus dem Garten zu Auguſtusburg ein Bär
entſprang, bei einem Fleiſcher ein Kalbsviertel herrunterriß und, da ihn die Frau verjagen wollte,
dieſe ſammt ihren Kindern erwürgte, worauf Leute herbeieilten und ihn todtſchoſſen.‟ Der für den
Kampf beſtimmte Bär wurde in einem Kaſten auf den Platz gefahren. Sein Kaſten konnte durch einen
Zug aus der Ferne ſo geöffnet werden, daß er ſich nach allen Seiten niederlegte und den Bären dann
plötzlich ganz befreite. Hierauf ließ man große, ſchwere Hunde gegen ihn los. Packten ihn dieſe feſt,
ſo konnte er ohne beſondere Schwierigkeiten von einem Manne abgefangen werden. Jm Dresdener
Schloßhofe wurden im Jahre 1630 binnen acht Tagen drei Bärenhetzen abgehalten. Jn den beiden
erſten mußten ſieben Bären mit Hunden, im dritten aber mit großen Keulern kämpfen, von denen fünf
auf dem Platze blieben; unter den Bären war nur einer von acht Centner Gewicht. Die Bären
wurden noch außerdem durch Schwärmer gereizt und vermittelſt eines ausgeſtopften rothen Männchens
genarrt. Gewöhnlich fingen die großen Herren ſelbſt die von den Hunden feſtgemachten Bären ab,
Auguſt der Starke aber pflegte ihnen den Kopf abzuſchlagen, und man erzählt, daß er Dies bei einer
im Jahre 1690 abgehaltenen Bärenhetze ſogar mit zwei Hieben fertig gebracht habe.
Selbſt in der Neuzeit werden noch hier und da ähnliche Kämpfe abgehalten. Auf dem Stier-
gefechtsplatze in Madrid läßt man bisweilen Bären mit Stieren kämpfen, und in Paris hetzte man
noch im Anfange dieſes Jahrhunderts angekettete Bären mit Hunden. Kobell, welcher einem der-
artigen Schauſpiele beiwohnte, erzählt, daß der Bär die auf ihn anſtürmenden Hunde mit ſeinen
mächtigen Pranken rechts und links niederſchlug und dabei fürchterlich brummte. Als die Hunde aber
hitzig wurden, ergriff er mehrere nach einander, ſchob ſie unter ſich und erdrückte ſie, während er andere
mit ſchweren Wunden zur Seite ſchleuderte.
Die Römer erhielten ihre Bären hauptſächlich vom Libanon, obgleich ſie erzählen, daß ſie ſolche
auch aus Nordafrika und Lybien bezogen hätten.
Wie bereits bemerkt, herrſcht noch ziemliche Unſicherheit unter den Naturforſchern hinſichtlich
der Anerkennung der verſchiedenen Arten, welche in nächſter Nähe des Verbreitungskreiſes unſerer
beiden Bären wohnen. Einige wollen noch nicht einmal den grauen nordamerikaniſchen Bären als
Art gelten laſſen, andere erklären die verſchiedenen Abänderungen, welche unſere Bären erleiden,
für lauter ſelbſtſtändige Arten. Als Abarten des gemeinen Bären ſind unzweifelhaft folgende
anzuſehen: Der Halsbandbär, der Gold- und Silberbär und der norwegiſche Bär, obgleich
man die allerſpitzfindigſten Unterſchiede zwiſchen ihnen hervorgeſucht hat, um ihre Artſelbſtſtändig-
keit zu begründen. Leugnen läßt ſich nicht, daß namentlich der Halsbandbär, welcher vom Ural
durch ganz Sibirien bis nach Kamtſchatka wohnt, ſich in vieler Hinſicht von unſerm gewöhnlichen
Bären unterſcheidet. Seine Ohren ſind kürzer und mehr gerundet, der Leib iſt dicker, ſchwerfälliger
und plumper, die Haare ſind länger und zottiger. Die Farbe iſt bald hellgelblich, bald ſchwarzbraun,
und die breite, weiße Binde, welche ſich von den Schultern an um den Hals zieht, bleibt dem Thiere
in jedem Alter. Dazu iſt das geiſtige Weſen, wie wir bereits geſehen haben, denn doch ein ganz
anderes, als bei unſerm Meiſter Petz; namentlich die überraſchende Gutmüthigkeit des Halsbandbären
iſt merkwürdig. Der Streit, ob Art oder nicht Art, iſt jedoch noch nicht zum Abſchluſſe gekommen,
und deshalb thun wir wohl am beſten, wenn wir nicht weiter darauf eingehen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/673>, abgerufen am 22.11.2024.
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