die Wärme sehr zu vermissen, und oft, wenn die Sonne scheint und es auf meinem Bette spielt, dreht es sich um, setzt sich in den Sonnenschein und murmelt dort ein Weilchen."
"Selten trinkt es Wasser und blos, wenn es die Milch entbehren muß, auch dann immer mit großer Vorsicht. Es scheint just, als wolle es sich blos ein wenig abkühlen und sei fast erschreckt über die Flüssigkeit; die Milch aber trinkt es mit Entzücken aus meiner Hand, aber immer blos tropfen- weise, und ich darf stets nur ein wenig von der so beliebten Flüssigkeit in meine Hand gießen. Wahr- scheinlich trinkt es im Freien den Thau in derselben Weise, wie bei mir die Milch. Als es einmal im Sommer geregnet hatte, reichte ich ihm etwas Regenwasser in einer Tasse und lud es ein, hin zu gehen, um sich zu baden, erreichte aber meinen Zweck nicht. Hierauf befeuchtete ich ein Stückchen Leinenzeug in diesem Wasser und legte es ihm vor, darauf rollte es sich mit außerordentlichem Ver- gnügen hin und her."
"Eine Eigenthümlichkeit meines reizenden Thieres ist seine Neugier. Es ist geradezu unmöglich, eine Kiste, ein Kästchen oder eine Büchse zu öffnen, ja blos ein Papier anzusehen, ohne daß auch mein Wiesel den Gegenstand beschaut. Wenn ich es wohin locken will, brauche ich blos ein Papier oder ein Buch zu nehmen und aufmerksam auf dasselbe zu sehen, dann erscheint es plötzlich bei mir, reunt auf meiner Hand hin und schaut mit größter Aufmerksamkeit auf den Gegenstand, welchen ich betrachte."
"Jch muß schließlich bemerken, daß das Thier mit einer jungen Katze und einem Hunde, welche beide schon ziemlich groß sind, gern spielt. Es klettert auf ihren Nacken und Rücken herum und steigt an den Füßen und dem Schwanze empor, ohne ihnen jedoch auch nur das leiseste Ungemach zuzufügen."
Der Herausgeber der artigen Geschichte bemerkt nun noch, daß das Thierchen hauptsächlich mit kleinen Stückchen Fleisch gefüttert wurde, die es ebenfalls am liebsten aus der Hand seiner Herrin annahm.
Dies ist nicht das einzige Beispiel von der vollständig gelungenen Zähmung des Wiesels. Ein Engländer hatte ein jung aus dem Neste genommenes so an sich gewöhnt, daß es ihm überall hin- folgte, wohin er auch ging, und andere Thierfreunde haben die niedlichen Geschöpfe dahin gebracht, daß sie nach Belieben nicht nur im Hause herumlaufen, sondern auch aus- und eingehen durften.
Bei guter Behandlung kann man das Wiesel vier bis sechs Jahre am Leben erhalten, in der Freiheit dürfte es ein Alter von acht bis zehn Jahren erreichen. Leider werden die kleinen, nützlichen Geschöpfe jetzt von unwissenden Menschen vielfach verfolgt und aus reinem Uebermuthe getödtet. Jn Fallen, welche man mit Eiern, kleinen Vögeln oder Mäufen ködert, fängt sich das Wiesel sehr leicht. Oft findet man es auch in Rattenfallen, in welche es zufällig gerathen ist. Wegen des großen Nutzeus, den es stiftet, sollte man das ausgezeichnete Thier kräftig schützen, anstatt es zu verfolgen. Man kann dreist behaupten, daß zur Mäusejagd kein andres Thier so vortrefflich ausgerüstet ist, als das Wiesel, und der Schaden, den es aurichtet, wenn es zufällig in einen schlechtverschlossenen Hühnerstall oder Taubenschlag geräth, kommt diesem Nutzen gegenüber gar nicht in Betracht. Doch ist gegen Vor- urtheile aller Art leider nur schlecht anzukämpfen, und die Dummheit gefällt sich eben gerade darin, Vernunftgründe nicht zu beachten. Nicht genug, daß man die Thätigkeit des Thieres vollkommen verkennt, schmückt man auch seine Geschichte noch mit mancherlei Fabeln aus. Unter Vielen ist noch hier und da die Meinung verbreitet, daß das Wiesel seine Jungen aus dem Munde gebäre, jedenfalls deshalb, weil man die Mutter oft ihre Jungen von einem Orte zum andern tragen sieht und dabei zufällig nicht an die Hauskatze denkt, welche doch genau Dasselbe thut. Außerdem glaubt man, daß alle Thiere, welche mit ihm in Berührung kommen oder von ihm gebissen werden, an den betreffenden Stellen bösartige Geschwülste bekommen und fürchtet namentlich für Kühe, welche den Bissen des vollkommen harmlosen Geschöpfes mehr, als alle anderen Hausthiere, ausgesetzt sein sollen. Dagegen glauben nun die Landleute in anderen Gegenden, daß die Anwesenheit eines Wiesels im Hofe dem Hause und der Wirthschaft Glück bringe, und diese Leute haben, in Anbetracht der guten Dienste, welche der kleine Räuber leistet, jedenfalls die Wahrheit besser erkannt, als Jene, die mit Jnbrunst an den albernsten Weibermärchen hängen.
Beiſpiele von Zähmung. Ungerechte Verfolgung.
die Wärme ſehr zu vermiſſen, und oft, wenn die Sonne ſcheint und es auf meinem Bette ſpielt, dreht es ſich um, ſetzt ſich in den Sonnenſchein und murmelt dort ein Weilchen.‟
„Selten trinkt es Waſſer und blos, wenn es die Milch entbehren muß, auch dann immer mit großer Vorſicht. Es ſcheint juſt, als wolle es ſich blos ein wenig abkühlen und ſei faſt erſchreckt über die Flüſſigkeit; die Milch aber trinkt es mit Entzücken aus meiner Hand, aber immer blos tropfen- weiſe, und ich darf ſtets nur ein wenig von der ſo beliebten Flüſſigkeit in meine Hand gießen. Wahr- ſcheinlich trinkt es im Freien den Thau in derſelben Weiſe, wie bei mir die Milch. Als es einmal im Sommer geregnet hatte, reichte ich ihm etwas Regenwaſſer in einer Taſſe und lud es ein, hin zu gehen, um ſich zu baden, erreichte aber meinen Zweck nicht. Hierauf befeuchtete ich ein Stückchen Leinenzeug in dieſem Waſſer und legte es ihm vor, darauf rollte es ſich mit außerordentlichem Ver- gnügen hin und her.‟
„Eine Eigenthümlichkeit meines reizenden Thieres iſt ſeine Neugier. Es iſt geradezu unmöglich, eine Kiſte, ein Käſtchen oder eine Büchſe zu öffnen, ja blos ein Papier anzuſehen, ohne daß auch mein Wieſel den Gegenſtand beſchaut. Wenn ich es wohin locken will, brauche ich blos ein Papier oder ein Buch zu nehmen und aufmerkſam auf daſſelbe zu ſehen, dann erſcheint es plötzlich bei mir, reunt auf meiner Hand hin und ſchaut mit größter Aufmerkſamkeit auf den Gegenſtand, welchen ich betrachte.‟
„Jch muß ſchließlich bemerken, daß das Thier mit einer jungen Katze und einem Hunde, welche beide ſchon ziemlich groß ſind, gern ſpielt. Es klettert auf ihren Nacken und Rücken herum und ſteigt an den Füßen und dem Schwanze empor, ohne ihnen jedoch auch nur das leiſeſte Ungemach zuzufügen.‟
Der Herausgeber der artigen Geſchichte bemerkt nun noch, daß das Thierchen hauptſächlich mit kleinen Stückchen Fleiſch gefüttert wurde, die es ebenfalls am liebſten aus der Hand ſeiner Herrin annahm.
Dies iſt nicht das einzige Beiſpiel von der vollſtändig gelungenen Zähmung des Wieſels. Ein Engländer hatte ein jung aus dem Neſte genommenes ſo an ſich gewöhnt, daß es ihm überall hin- folgte, wohin er auch ging, und andere Thierfreunde haben die niedlichen Geſchöpfe dahin gebracht, daß ſie nach Belieben nicht nur im Hauſe herumlaufen, ſondern auch aus- und eingehen durften.
Bei guter Behandlung kann man das Wieſel vier bis ſechs Jahre am Leben erhalten, in der Freiheit dürfte es ein Alter von acht bis zehn Jahren erreichen. Leider werden die kleinen, nützlichen Geſchöpfe jetzt von unwiſſenden Menſchen vielfach verfolgt und aus reinem Uebermuthe getödtet. Jn Fallen, welche man mit Eiern, kleinen Vögeln oder Mäufen ködert, fängt ſich das Wieſel ſehr leicht. Oft findet man es auch in Rattenfallen, in welche es zufällig gerathen iſt. Wegen des großen Nutzeus, den es ſtiftet, ſollte man das ausgezeichnete Thier kräftig ſchützen, anſtatt es zu verfolgen. Man kann dreiſt behaupten, daß zur Mäuſejagd kein andres Thier ſo vortrefflich ausgerüſtet iſt, als das Wieſel, und der Schaden, den es aurichtet, wenn es zufällig in einen ſchlechtverſchloſſenen Hühnerſtall oder Taubenſchlag geräth, kommt dieſem Nutzen gegenüber gar nicht in Betracht. Doch iſt gegen Vor- urtheile aller Art leider nur ſchlecht anzukämpfen, und die Dummheit gefällt ſich eben gerade darin, Vernunftgründe nicht zu beachten. Nicht genug, daß man die Thätigkeit des Thieres vollkommen verkennt, ſchmückt man auch ſeine Geſchichte noch mit mancherlei Fabeln aus. Unter Vielen iſt noch hier und da die Meinung verbreitet, daß das Wieſel ſeine Jungen aus dem Munde gebäre, jedenfalls deshalb, weil man die Mutter oft ihre Jungen von einem Orte zum andern tragen ſieht und dabei zufällig nicht an die Hauskatze denkt, welche doch genau Daſſelbe thut. Außerdem glaubt man, daß alle Thiere, welche mit ihm in Berührung kommen oder von ihm gebiſſen werden, an den betreffenden Stellen bösartige Geſchwülſte bekommen und fürchtet namentlich für Kühe, welche den Biſſen des vollkommen harmloſen Geſchöpfes mehr, als alle anderen Hausthiere, ausgeſetzt ſein ſollen. Dagegen glauben nun die Landleute in anderen Gegenden, daß die Anweſenheit eines Wieſels im Hofe dem Hauſe und der Wirthſchaft Glück bringe, und dieſe Leute haben, in Anbetracht der guten Dienſte, welche der kleine Räuber leiſtet, jedenfalls die Wahrheit beſſer erkannt, als Jene, die mit Jnbrunſt an den albernſten Weibermärchen hängen.
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[549/0623]
Beiſpiele von Zähmung. Ungerechte Verfolgung.
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„Selten trinkt es Waſſer und blos, wenn es die Milch entbehren muß, auch dann immer mit
großer Vorſicht. Es ſcheint juſt, als wolle es ſich blos ein wenig abkühlen und ſei faſt erſchreckt über
die Flüſſigkeit; die Milch aber trinkt es mit Entzücken aus meiner Hand, aber immer blos tropfen-
weiſe, und ich darf ſtets nur ein wenig von der ſo beliebten Flüſſigkeit in meine Hand gießen. Wahr-
ſcheinlich trinkt es im Freien den Thau in derſelben Weiſe, wie bei mir die Milch. Als es einmal
im Sommer geregnet hatte, reichte ich ihm etwas Regenwaſſer in einer Taſſe und lud es ein, hin
zu gehen, um ſich zu baden, erreichte aber meinen Zweck nicht. Hierauf befeuchtete ich ein Stückchen
Leinenzeug in dieſem Waſſer und legte es ihm vor, darauf rollte es ſich mit außerordentlichem Ver-
gnügen hin und her.‟
„Eine Eigenthümlichkeit meines reizenden Thieres iſt ſeine Neugier. Es iſt geradezu unmöglich,
eine Kiſte, ein Käſtchen oder eine Büchſe zu öffnen, ja blos ein Papier anzuſehen, ohne daß auch mein
Wieſel den Gegenſtand beſchaut. Wenn ich es wohin locken will, brauche ich blos ein Papier oder
ein Buch zu nehmen und aufmerkſam auf daſſelbe zu ſehen, dann erſcheint es plötzlich bei mir, reunt
auf meiner Hand hin und ſchaut mit größter Aufmerkſamkeit auf den Gegenſtand, welchen ich betrachte.‟
„Jch muß ſchließlich bemerken, daß das Thier mit einer jungen Katze und einem Hunde, welche
beide ſchon ziemlich groß ſind, gern ſpielt. Es klettert auf ihren Nacken und Rücken herum und ſteigt
an den Füßen und dem Schwanze empor, ohne ihnen jedoch auch nur das leiſeſte Ungemach zuzufügen.‟
Der Herausgeber der artigen Geſchichte bemerkt nun noch, daß das Thierchen hauptſächlich
mit kleinen Stückchen Fleiſch gefüttert wurde, die es ebenfalls am liebſten aus der Hand ſeiner
Herrin annahm.
Dies iſt nicht das einzige Beiſpiel von der vollſtändig gelungenen Zähmung des Wieſels. Ein
Engländer hatte ein jung aus dem Neſte genommenes ſo an ſich gewöhnt, daß es ihm überall hin-
folgte, wohin er auch ging, und andere Thierfreunde haben die niedlichen Geſchöpfe dahin gebracht,
daß ſie nach Belieben nicht nur im Hauſe herumlaufen, ſondern auch aus- und eingehen durften.
Bei guter Behandlung kann man das Wieſel vier bis ſechs Jahre am Leben erhalten, in der
Freiheit dürfte es ein Alter von acht bis zehn Jahren erreichen. Leider werden die kleinen, nützlichen
Geſchöpfe jetzt von unwiſſenden Menſchen vielfach verfolgt und aus reinem Uebermuthe getödtet. Jn
Fallen, welche man mit Eiern, kleinen Vögeln oder Mäufen ködert, fängt ſich das Wieſel ſehr leicht.
Oft findet man es auch in Rattenfallen, in welche es zufällig gerathen iſt. Wegen des großen Nutzeus,
den es ſtiftet, ſollte man das ausgezeichnete Thier kräftig ſchützen, anſtatt es zu verfolgen. Man kann
dreiſt behaupten, daß zur Mäuſejagd kein andres Thier ſo vortrefflich ausgerüſtet iſt, als das Wieſel,
und der Schaden, den es aurichtet, wenn es zufällig in einen ſchlechtverſchloſſenen Hühnerſtall oder
Taubenſchlag geräth, kommt dieſem Nutzen gegenüber gar nicht in Betracht. Doch iſt gegen Vor-
urtheile aller Art leider nur ſchlecht anzukämpfen, und die Dummheit gefällt ſich eben gerade darin,
Vernunftgründe nicht zu beachten. Nicht genug, daß man die Thätigkeit des Thieres vollkommen
verkennt, ſchmückt man auch ſeine Geſchichte noch mit mancherlei Fabeln aus. Unter Vielen iſt
noch hier und da die Meinung verbreitet, daß das Wieſel ſeine Jungen aus dem Munde gebäre,
jedenfalls deshalb, weil man die Mutter oft ihre Jungen von einem Orte zum andern tragen ſieht
und dabei zufällig nicht an die Hauskatze denkt, welche doch genau Daſſelbe thut. Außerdem glaubt
man, daß alle Thiere, welche mit ihm in Berührung kommen oder von ihm gebiſſen werden, an den
betreffenden Stellen bösartige Geſchwülſte bekommen und fürchtet namentlich für Kühe, welche den
Biſſen des vollkommen harmloſen Geſchöpfes mehr, als alle anderen Hausthiere, ausgeſetzt ſein ſollen.
Dagegen glauben nun die Landleute in anderen Gegenden, daß die Anweſenheit eines Wieſels im
Hofe dem Hauſe und der Wirthſchaft Glück bringe, und dieſe Leute haben, in Anbetracht der guten
Dienſte, welche der kleine Räuber leiſtet, jedenfalls die Wahrheit beſſer erkannt, als Jene, die mit
Jnbrunſt an den albernſten Weibermärchen hängen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/623>, abgerufen am 24.11.2024.
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