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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Nahrung. Lebenszähigkeit. Zähmung. Gefährlichkeit. Verfolgung.
schoß ihm noch zwei Pfeile durch den Hals, zwei durch die Brust und einen durch den Bauch, so daß
er ganz fest angenagelt war, aber das Thier war noch nicht todt. Jch mußte erst noch das Draht-
gitter der Kiste abnehmen und ihm den Kopf spalten, bevor er sich nicht mehr rührte."

Die Rollzeit des Jltis fällt in den März. An Orten, wo er häufig ist, gewahrt man, daß
Männchen und Weibchen sich von Dach zu Dach verfolgen, oder aber zwei Männchen, welche ihre
nebenbuhlerischen Kämpfe ausfechten. Dabei schreien alle sehr heftig, beißen sich nicht selten in einander
fest und rollen, zu einem Knäuel geballt, über die Dächer herab, fallen zu Boden, trennen sich ein
wenig und beginnen den Tanz von neuem. Nach zweimonatlicher Tragzeit wirft das Weibchen in
einer Höhle und noch lieber in einem Holz- oder Reisighaufen vier bis fünf, zuweilen auch sechs Junge,
gewöhnlich im Mai. Die Mutter liebt ihre Kleinen ungemein, sorgt für sie auf das zärtlichste
und beschützt sie gegen jeden Feind; ja, sie geht zuweilen, wenn sie in der Nähe ihres Nestes Geräusch
vernimmt, auch unangefochten auf Menschen los. Nach etwa sechswöchentlicher Kindheit gehen die
Jungen mit der Alten auf Raub aus, und nach Ablauf des dritten Monats sind sie fast ebensogroß
geworden, wie diese.

Man kann die jungen Jltisse von Katzen ganz zähmen lassen, erlebt jedoch nicht viel Freude an
ihnen, weil der angeborne Blutdurst mit der Zeit durchbricht und sie dann jedem harmlosen Hausthier
nachstellen. Zum Austreiben der Kaninchen können sie ebensogut gebraucht werden, wie das Frettchen.
Jhr Gestank ist aber viel heftiger, als bei diesem. Selbst Füchse treiben solche gezähmte Jltisse aus
ihren Bauen heraus; denn ihr Muth ist unverhältnißmäßig groß, und sie greifen jedes Thier ohne
weiteres an, oft in der unverschämtesten Weise. Die Freilebenden betragen sich zuweilen wahrhaft
tolldreist den Menschen gegenüber, und können Kindern sogar gefährlich werden.

"Jn Verna, einem Dorfe Kurhesseus," erzählt Lenz, "hatte ein sechsjähriger Knabe sein Brüderchen
in der Nähe eines Kanals auf die Landstraße gesetzt, um sich die Wartung desselben leichter zu machen.
Plötzlich erschienen drei Ratze und griffen das Kind an. Der eine setzte sich im Genick fest, der andere
an der Seite des Kopfes und der dritte an der Stirn. Das Kind schrie laut auf, der Bruder wollte
ihm zu Hilfe kommen, allein aus dem Kanal eilten noch andere Ratze herbei und wollten ihn angreifen.
Glücklicher Weise kamen zwei Männer vom Felde den Kindern zu Hilfe und schlugen zwei von den
Ratzen todt, worauf die übrigen Thiere abließen."

"Jn Riga drang ein Ratz durch ein Loch durch den Fußboden in die Stube, fiel über ein in
der Wiege liegendes Kind, tödtete es und biß es an der linken Wange an. Jn Schnepfenthal wurde
sogar ein Hirt von einem Jltisse angegriffen, welcher aber freilich seine Kühnheit mit dem Leben be-
zahlen mußte."

Wegen des bedeutenden Schadens, den das Thier anrichtet, ist es fast überall einer sehr lebhaften
Verfolgung ausgesetzt. Man gebraucht alle nur möglichen Waffen und Fallen, um es zu erlegen.
Am erfolgreichsten sind die sogenannten Marderfallen, ziemlich lange Kasten, welche an einer Seite eine
Fallthüre haben und den hereintretenden Jltis einsperren, sobald er ein Bretchen berührt, auf welchem
die Lockspeise befestigt wurde. Diese Falle stellt man auf den Wechsel des Ratzes, den man ohne be-
sondere Mühe erkunden kann, und man wird in den meisten Fällen schon in den nächsten Tagen einen
gefangen haben. Wo man jedoch sehr von Mäusen geplagt ist, thut man wohl, den Ratz laufen zu
lassen, und die Mühe, welche sein Fang verursachen würde, lieber auf Ausbesserung und dichten Ver-
schluß der Hühnerställe zu verwenden.

Das Fell des Jltis liefert ein warmes und dauerhaftes Pelzwerk, welches aber seines anhaltenden
und wirklich unleidlichen Geruches wegen weit weniger geschätzt wird, als es seiner Dichtigkeit halber
verdient. Aus den langen Schwanzhaaren fertigt man Pinsel; das Fleisch aber ist vollkommen un-
brauchbar und wird sogar von den Hunden verachtet.

Außer den Menschen scheint der Ratz wenig Feinde zu haben. Gute Jagdhunde fallen ihn
allerdings wüthend an, wo sie ihn nur erwischen können, und beißen ihn gewöhnlich bald todt, sonst
dürfte wohl blos noch Reinecke sein Gegner sein, bei uns zu Lande wenigstens. Lenz beschreibt in sehr

Nahrung. Lebenszähigkeit. Zähmung. Gefährlichkeit. Verfolgung.
ſchoß ihm noch zwei Pfeile durch den Hals, zwei durch die Bruſt und einen durch den Bauch, ſo daß
er ganz feſt angenagelt war, aber das Thier war noch nicht todt. Jch mußte erſt noch das Draht-
gitter der Kiſte abnehmen und ihm den Kopf ſpalten, bevor er ſich nicht mehr rührte.‟

Die Rollzeit des Jltis fällt in den März. An Orten, wo er häufig iſt, gewahrt man, daß
Männchen und Weibchen ſich von Dach zu Dach verfolgen, oder aber zwei Männchen, welche ihre
nebenbuhleriſchen Kämpfe ausfechten. Dabei ſchreien alle ſehr heftig, beißen ſich nicht ſelten in einander
feſt und rollen, zu einem Knäuel geballt, über die Dächer herab, fallen zu Boden, trennen ſich ein
wenig und beginnen den Tanz von neuem. Nach zweimonatlicher Tragzeit wirft das Weibchen in
einer Höhle und noch lieber in einem Holz- oder Reiſighaufen vier bis fünf, zuweilen auch ſechs Junge,
gewöhnlich im Mai. Die Mutter liebt ihre Kleinen ungemein, ſorgt für ſie auf das zärtlichſte
und beſchützt ſie gegen jeden Feind; ja, ſie geht zuweilen, wenn ſie in der Nähe ihres Neſtes Geräuſch
vernimmt, auch unangefochten auf Menſchen los. Nach etwa ſechswöchentlicher Kindheit gehen die
Jungen mit der Alten auf Raub aus, und nach Ablauf des dritten Monats ſind ſie faſt ebenſogroß
geworden, wie dieſe.

Man kann die jungen Jltiſſe von Katzen ganz zähmen laſſen, erlebt jedoch nicht viel Freude an
ihnen, weil der angeborne Blutdurſt mit der Zeit durchbricht und ſie dann jedem harmloſen Hausthier
nachſtellen. Zum Austreiben der Kaninchen können ſie ebenſogut gebraucht werden, wie das Frettchen.
Jhr Geſtank iſt aber viel heftiger, als bei dieſem. Selbſt Füchſe treiben ſolche gezähmte Jltiſſe aus
ihren Bauen heraus; denn ihr Muth iſt unverhältnißmäßig groß, und ſie greifen jedes Thier ohne
weiteres an, oft in der unverſchämteſten Weiſe. Die Freilebenden betragen ſich zuweilen wahrhaft
tolldreiſt den Menſchen gegenüber, und können Kindern ſogar gefährlich werden.

„Jn Verna, einem Dorfe Kurheſſeus,‟ erzählt Lenz, „hatte ein ſechsjähriger Knabe ſein Brüderchen
in der Nähe eines Kanals auf die Landſtraße geſetzt, um ſich die Wartung deſſelben leichter zu machen.
Plötzlich erſchienen drei Ratze und griffen das Kind an. Der eine ſetzte ſich im Genick feſt, der andere
an der Seite des Kopfes und der dritte an der Stirn. Das Kind ſchrie laut auf, der Bruder wollte
ihm zu Hilfe kommen, allein aus dem Kanal eilten noch andere Ratze herbei und wollten ihn angreifen.
Glücklicher Weiſe kamen zwei Männer vom Felde den Kindern zu Hilfe und ſchlugen zwei von den
Ratzen todt, worauf die übrigen Thiere abließen.‟

„Jn Riga drang ein Ratz durch ein Loch durch den Fußboden in die Stube, fiel über ein in
der Wiege liegendes Kind, tödtete es und biß es an der linken Wange an. Jn Schnepfenthal wurde
ſogar ein Hirt von einem Jltiſſe angegriffen, welcher aber freilich ſeine Kühnheit mit dem Leben be-
zahlen mußte.‟

Wegen des bedeutenden Schadens, den das Thier anrichtet, iſt es faſt überall einer ſehr lebhaften
Verfolgung ausgeſetzt. Man gebraucht alle nur möglichen Waffen und Fallen, um es zu erlegen.
Am erfolgreichſten ſind die ſogenannten Marderfallen, ziemlich lange Kaſten, welche an einer Seite eine
Fallthüre haben und den hereintretenden Jltis einſperren, ſobald er ein Bretchen berührt, auf welchem
die Lockſpeiſe befeſtigt wurde. Dieſe Falle ſtellt man auf den Wechſel des Ratzes, den man ohne be-
ſondere Mühe erkunden kann, und man wird in den meiſten Fällen ſchon in den nächſten Tagen einen
gefangen haben. Wo man jedoch ſehr von Mäuſen geplagt iſt, thut man wohl, den Ratz laufen zu
laſſen, und die Mühe, welche ſein Fang verurſachen würde, lieber auf Ausbeſſerung und dichten Ver-
ſchluß der Hühnerſtälle zu verwenden.

Das Fell des Jltis liefert ein warmes und dauerhaftes Pelzwerk, welches aber ſeines anhaltenden
und wirklich unleidlichen Geruches wegen weit weniger geſchätzt wird, als es ſeiner Dichtigkeit halber
verdient. Aus den langen Schwanzhaaren fertigt man Pinſel; das Fleiſch aber iſt vollkommen un-
brauchbar und wird ſogar von den Hunden verachtet.

Außer den Menſchen ſcheint der Ratz wenig Feinde zu haben. Gute Jagdhunde fallen ihn
allerdings wüthend an, wo ſie ihn nur erwiſchen können, und beißen ihn gewöhnlich bald todt, ſonſt
dürfte wohl blos noch Reinecke ſein Gegner ſein, bei uns zu Lande wenigſtens. Lenz beſchreibt in ſehr

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[539/0613] Nahrung. Lebenszähigkeit. Zähmung. Gefährlichkeit. Verfolgung. ſchoß ihm noch zwei Pfeile durch den Hals, zwei durch die Bruſt und einen durch den Bauch, ſo daß er ganz feſt angenagelt war, aber das Thier war noch nicht todt. Jch mußte erſt noch das Draht- gitter der Kiſte abnehmen und ihm den Kopf ſpalten, bevor er ſich nicht mehr rührte.‟ Die Rollzeit des Jltis fällt in den März. An Orten, wo er häufig iſt, gewahrt man, daß Männchen und Weibchen ſich von Dach zu Dach verfolgen, oder aber zwei Männchen, welche ihre nebenbuhleriſchen Kämpfe ausfechten. Dabei ſchreien alle ſehr heftig, beißen ſich nicht ſelten in einander feſt und rollen, zu einem Knäuel geballt, über die Dächer herab, fallen zu Boden, trennen ſich ein wenig und beginnen den Tanz von neuem. Nach zweimonatlicher Tragzeit wirft das Weibchen in einer Höhle und noch lieber in einem Holz- oder Reiſighaufen vier bis fünf, zuweilen auch ſechs Junge, gewöhnlich im Mai. Die Mutter liebt ihre Kleinen ungemein, ſorgt für ſie auf das zärtlichſte und beſchützt ſie gegen jeden Feind; ja, ſie geht zuweilen, wenn ſie in der Nähe ihres Neſtes Geräuſch vernimmt, auch unangefochten auf Menſchen los. Nach etwa ſechswöchentlicher Kindheit gehen die Jungen mit der Alten auf Raub aus, und nach Ablauf des dritten Monats ſind ſie faſt ebenſogroß geworden, wie dieſe. Man kann die jungen Jltiſſe von Katzen ganz zähmen laſſen, erlebt jedoch nicht viel Freude an ihnen, weil der angeborne Blutdurſt mit der Zeit durchbricht und ſie dann jedem harmloſen Hausthier nachſtellen. Zum Austreiben der Kaninchen können ſie ebenſogut gebraucht werden, wie das Frettchen. Jhr Geſtank iſt aber viel heftiger, als bei dieſem. Selbſt Füchſe treiben ſolche gezähmte Jltiſſe aus ihren Bauen heraus; denn ihr Muth iſt unverhältnißmäßig groß, und ſie greifen jedes Thier ohne weiteres an, oft in der unverſchämteſten Weiſe. Die Freilebenden betragen ſich zuweilen wahrhaft tolldreiſt den Menſchen gegenüber, und können Kindern ſogar gefährlich werden. „Jn Verna, einem Dorfe Kurheſſeus,‟ erzählt Lenz, „hatte ein ſechsjähriger Knabe ſein Brüderchen in der Nähe eines Kanals auf die Landſtraße geſetzt, um ſich die Wartung deſſelben leichter zu machen. Plötzlich erſchienen drei Ratze und griffen das Kind an. Der eine ſetzte ſich im Genick feſt, der andere an der Seite des Kopfes und der dritte an der Stirn. Das Kind ſchrie laut auf, der Bruder wollte ihm zu Hilfe kommen, allein aus dem Kanal eilten noch andere Ratze herbei und wollten ihn angreifen. Glücklicher Weiſe kamen zwei Männer vom Felde den Kindern zu Hilfe und ſchlugen zwei von den Ratzen todt, worauf die übrigen Thiere abließen.‟ „Jn Riga drang ein Ratz durch ein Loch durch den Fußboden in die Stube, fiel über ein in der Wiege liegendes Kind, tödtete es und biß es an der linken Wange an. Jn Schnepfenthal wurde ſogar ein Hirt von einem Jltiſſe angegriffen, welcher aber freilich ſeine Kühnheit mit dem Leben be- zahlen mußte.‟ Wegen des bedeutenden Schadens, den das Thier anrichtet, iſt es faſt überall einer ſehr lebhaften Verfolgung ausgeſetzt. Man gebraucht alle nur möglichen Waffen und Fallen, um es zu erlegen. Am erfolgreichſten ſind die ſogenannten Marderfallen, ziemlich lange Kaſten, welche an einer Seite eine Fallthüre haben und den hereintretenden Jltis einſperren, ſobald er ein Bretchen berührt, auf welchem die Lockſpeiſe befeſtigt wurde. Dieſe Falle ſtellt man auf den Wechſel des Ratzes, den man ohne be- ſondere Mühe erkunden kann, und man wird in den meiſten Fällen ſchon in den nächſten Tagen einen gefangen haben. Wo man jedoch ſehr von Mäuſen geplagt iſt, thut man wohl, den Ratz laufen zu laſſen, und die Mühe, welche ſein Fang verurſachen würde, lieber auf Ausbeſſerung und dichten Ver- ſchluß der Hühnerſtälle zu verwenden. Das Fell des Jltis liefert ein warmes und dauerhaftes Pelzwerk, welches aber ſeines anhaltenden und wirklich unleidlichen Geruches wegen weit weniger geſchätzt wird, als es ſeiner Dichtigkeit halber verdient. Aus den langen Schwanzhaaren fertigt man Pinſel; das Fleiſch aber iſt vollkommen un- brauchbar und wird ſogar von den Hunden verachtet. Außer den Menſchen ſcheint der Ratz wenig Feinde zu haben. Gute Jagdhunde fallen ihn allerdings wüthend an, wo ſie ihn nur erwiſchen können, und beißen ihn gewöhnlich bald todt, ſonſt dürfte wohl blos noch Reinecke ſein Gegner ſein, bei uns zu Lande wenigſtens. Lenz beſchreibt in ſehr

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/613>, abgerufen am 24.11.2024.