Zeichnung. Heimat. Gewerbe. Beobachtungen von Lenz.
eine einzige Henne oder eine einzige Taube mit sich weg. So wird er der gesammten kleinen Thier- welt wahrhaft verderblich und ist deshalb mehr gefürchtet, als kaum ein anderes Raubthier.
Ende Januars oder Anfangs Februar beginnt die Rollzeit. Der Beobachter, welcher bei Mond- schein in einem großen Walde unsern Strauchdieb zufällig entdeckt, sieht jetzt mehrere Marder im tollsten Treiben sich auf den Bäumen bewegen. Fauchend und knurrend jagen sich die verliebten Männchen, und wenn beide gleich stark sind, giebt es einen tüchtigen Kampf im Gezweig, zur Ehre des Weibchens, welches nach Art ihres Geschlechts an diesem eifersüchtigen Treiben großen Gefallen zu finden scheint und die verliebten Bewerber längere Zeit hinhält, bis es sich endlich dem stärksten ergiebt. Nach neunwöchentlicher Tragzeit, also Ende März oder Anfangs April, wirft das Weibchen drei bis vier Junge in ein mit Mos ausgefüttertes Lager in hohle Bäume, selten in Eichhorn- oder Elsternester oder in eine Felsenritze. Die Mutter sorgt mit größter Liebe für die Familie und geht, voll Besorgniß ihr Lager zu verlieren, niemals aus der Nähe desselben. Schon nach wenigen Wochen folgen die Jungen der Alten bei ihren Lustwandelungen auf die Bäume nach und springen auf den Aesten munter und hurtig umher, werden aber bei der geringsten Gefahr von der vorsichtigen Alten gewarnt und zu eiliger Flucht angetrieben. Solche Junge kann man ziemlich leicht auffüttern und anfangs mit Milch und Semmel, später mit Fleisch lange erhalten. Sie sind unter allen zähmbaren Raubthieren mit die angenehmsten und artigsten, verlieren aber selten die ihnen angeborene Wildheit. Lenz, welcher einen jungen Edelmarder besaß, erzählt über ihn Folgendes:
"Am 29. Januar erhielt ich durch die Güte des Försters Berger zu Tabarz einen jungen Edel- marder, der an demselben Tage aus den Höhlen eines Baumes geholt worden war. Das Thierchen hatte erst die Größe einer Wanderratte, seine Bewegungen waren noch langsam. Er suchte sich immer in Löcher zu verkriechen und scharrte auch, um sich Löcher zu bilden. Anfangs war er beißig, wurde jedoch schon am ersten Tage ganz zahm. Laue Milch soff er bald und fraß auch, schon wenige Stunden, nachdem er zu mir gebracht worden war, in Milch eingeweichte Semmel. An diesem Thierchen konnte ich recht sehen, wie sich der Geschmack naturgemäß entwickelt. Anfangs (im Juni oder Juli) bekommt der junge Edelmarder von seinen Eltern gewisse Speisen, fast nur Vögel, später muß er sich auch an Mäuse, Obst u. s. w. gewöhnen, wie es die Jahreszeit bietet."
"Am zweiten Tage bot ich ihm einen Frosch an: er beachtete ihn gar nicht, gleich darauf gab ich ihm einen lebenden Sperling: und er schnappte ihn sofort lebend weg und verzehrte ihn mit allen seinen Federn. Ebenso machte er es bald mit einem andern und dann noch einem. Obgleich noch sehr jung, war er doch so reinlich, daß er eine Ecke seines Behälters zum Abtritt erkor, eine Tugend, die man nur wenigen anderen Thieren nachrühmen kann."
"Am vierten Tage ließ ich ihn hungern und bot ihm dann einen Frosch, eine Eidechse und eine Blindschleiche an. Er beachtete Alles aber gar nicht, und auch einen jungen Raben wollte er nicht fressen."
"Am sechsten Tage kroch er nachts aus seinem Behälter, biß einen im Neste sitzenden Thurm- falken todt und fraß den Kopf, Hals und einen Theil der Brust. Jch bot ihm nach und nach mancher- lei an und fand, daß er doch kleine Vögel Allem vorzog. Fischfleisch fraß er nicht, Kaninchen, Hamster, Mäuse recht gern, aber doch nicht so begierig, als Vögel, wogegen Jltis und Fuchs Säugethiere lieber fressen, zumal der Fuchs, der ja seine Nahrung ganz auf der Erde suchen muß und daher nicht hauptsächlich auf Vögel angewiesen sein kann. Kirschen und Erdbeeren fraß er, Stachel- und Heidelbeeren aber nicht gern, Ameisenpuppen dagegen sehr gern; doch verdaute er sie nicht gehörig. Junge Katzen tödtete und fraß er gern; Eidotter schmeckten ihm gut, aber noch nicht so gut, als kleine Vögel; auch Gedärme und Fleisch von größeren Vögeln beachtete er nicht so sehr, wie von kleinen. Schon als ganz junges Thierchen hatte er den Grundsatz, kein ihm zur Nahrung dienendes Wesen entwischen zu lassen. War er satt, so spielte er doch noch mit neuhinzukommenden Vögeln u. s. w. stundenlang. Vorzüglich spielte er mit kleinen Hamstern. Er hüpfte und sprang un- aufhörlich um das boshafte, fauchende Hamsterchen herum und gab ihm bald mit der rechten, bald mit
Zeichnung. Heimat. Gewerbe. Beobachtungen von Lenz.
eine einzige Henne oder eine einzige Taube mit ſich weg. So wird er der geſammten kleinen Thier- welt wahrhaft verderblich und iſt deshalb mehr gefürchtet, als kaum ein anderes Raubthier.
Ende Januars oder Anfangs Februar beginnt die Rollzeit. Der Beobachter, welcher bei Mond- ſchein in einem großen Walde unſern Strauchdieb zufällig entdeckt, ſieht jetzt mehrere Marder im tollſten Treiben ſich auf den Bäumen bewegen. Fauchend und knurrend jagen ſich die verliebten Männchen, und wenn beide gleich ſtark ſind, giebt es einen tüchtigen Kampf im Gezweig, zur Ehre des Weibchens, welches nach Art ihres Geſchlechts an dieſem eiferſüchtigen Treiben großen Gefallen zu finden ſcheint und die verliebten Bewerber längere Zeit hinhält, bis es ſich endlich dem ſtärkſten ergiebt. Nach neunwöchentlicher Tragzeit, alſo Ende März oder Anfangs April, wirft das Weibchen drei bis vier Junge in ein mit Mos ausgefüttertes Lager in hohle Bäume, ſelten in Eichhorn- oder Elſterneſter oder in eine Felſenritze. Die Mutter ſorgt mit größter Liebe für die Familie und geht, voll Beſorgniß ihr Lager zu verlieren, niemals aus der Nähe deſſelben. Schon nach wenigen Wochen folgen die Jungen der Alten bei ihren Luſtwandelungen auf die Bäume nach und ſpringen auf den Aeſten munter und hurtig umher, werden aber bei der geringſten Gefahr von der vorſichtigen Alten gewarnt und zu eiliger Flucht angetrieben. Solche Junge kann man ziemlich leicht auffüttern und anfangs mit Milch und Semmel, ſpäter mit Fleiſch lange erhalten. Sie ſind unter allen zähmbaren Raubthieren mit die angenehmſten und artigſten, verlieren aber ſelten die ihnen angeborene Wildheit. Lenz, welcher einen jungen Edelmarder beſaß, erzählt über ihn Folgendes:
„Am 29. Januar erhielt ich durch die Güte des Förſters Berger zu Tabarz einen jungen Edel- marder, der an demſelben Tage aus den Höhlen eines Baumes geholt worden war. Das Thierchen hatte erſt die Größe einer Wanderratte, ſeine Bewegungen waren noch langſam. Er ſuchte ſich immer in Löcher zu verkriechen und ſcharrte auch, um ſich Löcher zu bilden. Anfangs war er beißig, wurde jedoch ſchon am erſten Tage ganz zahm. Laue Milch ſoff er bald und fraß auch, ſchon wenige Stunden, nachdem er zu mir gebracht worden war, in Milch eingeweichte Semmel. An dieſem Thierchen konnte ich recht ſehen, wie ſich der Geſchmack naturgemäß entwickelt. Anfangs (im Juni oder Juli) bekommt der junge Edelmarder von ſeinen Eltern gewiſſe Speiſen, faſt nur Vögel, ſpäter muß er ſich auch an Mäuſe, Obſt u. ſ. w. gewöhnen, wie es die Jahreszeit bietet.‟
„Am zweiten Tage bot ich ihm einen Froſch an: er beachtete ihn gar nicht, gleich darauf gab ich ihm einen lebenden Sperling: und er ſchnappte ihn ſofort lebend weg und verzehrte ihn mit allen ſeinen Federn. Ebenſo machte er es bald mit einem andern und dann noch einem. Obgleich noch ſehr jung, war er doch ſo reinlich, daß er eine Ecke ſeines Behälters zum Abtritt erkor, eine Tugend, die man nur wenigen anderen Thieren nachrühmen kann.‟
„Am vierten Tage ließ ich ihn hungern und bot ihm dann einen Froſch, eine Eidechſe und eine Blindſchleiche an. Er beachtete Alles aber gar nicht, und auch einen jungen Raben wollte er nicht freſſen.‟
„Am ſechſten Tage kroch er nachts aus ſeinem Behälter, biß einen im Neſte ſitzenden Thurm- falken todt und fraß den Kopf, Hals und einen Theil der Bruſt. Jch bot ihm nach und nach mancher- lei an und fand, daß er doch kleine Vögel Allem vorzog. Fiſchfleiſch fraß er nicht, Kaninchen, Hamſter, Mäuſe recht gern, aber doch nicht ſo begierig, als Vögel, wogegen Jltis und Fuchs Säugethiere lieber freſſen, zumal der Fuchs, der ja ſeine Nahrung ganz auf der Erde ſuchen muß und daher nicht hauptſächlich auf Vögel angewieſen ſein kann. Kirſchen und Erdbeeren fraß er, Stachel- und Heidelbeeren aber nicht gern, Ameiſenpuppen dagegen ſehr gern; doch verdaute er ſie nicht gehörig. Junge Katzen tödtete und fraß er gern; Eidotter ſchmeckten ihm gut, aber noch nicht ſo gut, als kleine Vögel; auch Gedärme und Fleiſch von größeren Vögeln beachtete er nicht ſo ſehr, wie von kleinen. Schon als ganz junges Thierchen hatte er den Grundſatz, kein ihm zur Nahrung dienendes Weſen entwiſchen zu laſſen. War er ſatt, ſo ſpielte er doch noch mit neuhinzukommenden Vögeln u. ſ. w. ſtundenlang. Vorzüglich ſpielte er mit kleinen Hamſtern. Er hüpfte und ſprang un- aufhörlich um das boshafte, fauchende Hamſterchen herum und gab ihm bald mit der rechten, bald mit
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[527/0601]
Zeichnung. Heimat. Gewerbe. Beobachtungen von Lenz.
eine einzige Henne oder eine einzige Taube mit ſich weg. So wird er der geſammten kleinen Thier-
welt wahrhaft verderblich und iſt deshalb mehr gefürchtet, als kaum ein anderes Raubthier.
Ende Januars oder Anfangs Februar beginnt die Rollzeit. Der Beobachter, welcher bei Mond-
ſchein in einem großen Walde unſern Strauchdieb zufällig entdeckt, ſieht jetzt mehrere Marder im
tollſten Treiben ſich auf den Bäumen bewegen. Fauchend und knurrend jagen ſich die verliebten
Männchen, und wenn beide gleich ſtark ſind, giebt es einen tüchtigen Kampf im Gezweig, zur Ehre
des Weibchens, welches nach Art ihres Geſchlechts an dieſem eiferſüchtigen Treiben großen Gefallen
zu finden ſcheint und die verliebten Bewerber längere Zeit hinhält, bis es ſich endlich dem ſtärkſten
ergiebt. Nach neunwöchentlicher Tragzeit, alſo Ende März oder Anfangs April, wirft das Weibchen
drei bis vier Junge in ein mit Mos ausgefüttertes Lager in hohle Bäume, ſelten in Eichhorn- oder
Elſterneſter oder in eine Felſenritze. Die Mutter ſorgt mit größter Liebe für die Familie und geht,
voll Beſorgniß ihr Lager zu verlieren, niemals aus der Nähe deſſelben. Schon nach wenigen Wochen
folgen die Jungen der Alten bei ihren Luſtwandelungen auf die Bäume nach und ſpringen auf den
Aeſten munter und hurtig umher, werden aber bei der geringſten Gefahr von der vorſichtigen Alten
gewarnt und zu eiliger Flucht angetrieben. Solche Junge kann man ziemlich leicht auffüttern und
anfangs mit Milch und Semmel, ſpäter mit Fleiſch lange erhalten. Sie ſind unter allen zähmbaren
Raubthieren mit die angenehmſten und artigſten, verlieren aber ſelten die ihnen angeborene Wildheit.
Lenz, welcher einen jungen Edelmarder beſaß, erzählt über ihn Folgendes:
„Am 29. Januar erhielt ich durch die Güte des Förſters Berger zu Tabarz einen jungen Edel-
marder, der an demſelben Tage aus den Höhlen eines Baumes geholt worden war. Das Thierchen
hatte erſt die Größe einer Wanderratte, ſeine Bewegungen waren noch langſam. Er ſuchte ſich
immer in Löcher zu verkriechen und ſcharrte auch, um ſich Löcher zu bilden. Anfangs war er beißig,
wurde jedoch ſchon am erſten Tage ganz zahm. Laue Milch ſoff er bald und fraß auch, ſchon wenige
Stunden, nachdem er zu mir gebracht worden war, in Milch eingeweichte Semmel. An dieſem
Thierchen konnte ich recht ſehen, wie ſich der Geſchmack naturgemäß entwickelt. Anfangs (im Juni
oder Juli) bekommt der junge Edelmarder von ſeinen Eltern gewiſſe Speiſen, faſt nur Vögel, ſpäter
muß er ſich auch an Mäuſe, Obſt u. ſ. w. gewöhnen, wie es die Jahreszeit bietet.‟
„Am zweiten Tage bot ich ihm einen Froſch an: er beachtete ihn gar nicht, gleich darauf gab ich
ihm einen lebenden Sperling: und er ſchnappte ihn ſofort lebend weg und verzehrte ihn mit allen ſeinen
Federn. Ebenſo machte er es bald mit einem andern und dann noch einem. Obgleich noch ſehr jung,
war er doch ſo reinlich, daß er eine Ecke ſeines Behälters zum Abtritt erkor, eine Tugend, die man
nur wenigen anderen Thieren nachrühmen kann.‟
„Am vierten Tage ließ ich ihn hungern und bot ihm dann einen Froſch, eine Eidechſe und eine
Blindſchleiche an. Er beachtete Alles aber gar nicht, und auch einen jungen Raben wollte er nicht
freſſen.‟
„Am ſechſten Tage kroch er nachts aus ſeinem Behälter, biß einen im Neſte ſitzenden Thurm-
falken todt und fraß den Kopf, Hals und einen Theil der Bruſt. Jch bot ihm nach und nach mancher-
lei an und fand, daß er doch kleine Vögel Allem vorzog. Fiſchfleiſch fraß er nicht, Kaninchen,
Hamſter, Mäuſe recht gern, aber doch nicht ſo begierig, als Vögel, wogegen Jltis und Fuchs
Säugethiere lieber freſſen, zumal der Fuchs, der ja ſeine Nahrung ganz auf der Erde ſuchen muß
und daher nicht hauptſächlich auf Vögel angewieſen ſein kann. Kirſchen und Erdbeeren fraß er,
Stachel- und Heidelbeeren aber nicht gern, Ameiſenpuppen dagegen ſehr gern; doch verdaute er ſie
nicht gehörig. Junge Katzen tödtete und fraß er gern; Eidotter ſchmeckten ihm gut, aber noch nicht
ſo gut, als kleine Vögel; auch Gedärme und Fleiſch von größeren Vögeln beachtete er nicht ſo ſehr,
wie von kleinen. Schon als ganz junges Thierchen hatte er den Grundſatz, kein ihm zur Nahrung
dienendes Weſen entwiſchen zu laſſen. War er ſatt, ſo ſpielte er doch noch mit neuhinzukommenden
Vögeln u. ſ. w. ſtundenlang. Vorzüglich ſpielte er mit kleinen Hamſtern. Er hüpfte und ſprang un-
aufhörlich um das boshafte, fauchende Hamſterchen herum und gab ihm bald mit der rechten, bald mit
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/601>, abgerufen am 24.11.2024.
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