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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Marder. -- Edelmarder.
schmaler dunkelbrauner Streifen zieht sich unterhalb der Ohren hin. Zwischen den Hinterbeinen be-
findet sich ein röthlichgelber, dunkelbraun gesäumter Flecken, welcher sich zuweilen in einem schmuzig-
gelben Streifen bis zur Kehle fortzieht. Diese und der Unterhals sind schön dottergelb gefärbt, und
hierin liegt das hauptsächlichste Kennzeichen unsers Thieres. Die Behaarung ist dicht, weich und
glänzend. Sie besteht aus ziemlich langen, steifen Grannenhaaren und kurzem, feinen Wollhaar, welches
an der Vorderseite weißgrau, hinten und an den Seiten aber gelblich gefärbt ist. Auf der Oberlippe
stehen vier Reihen von Schnurren und außerdem noch einzelne Borstenhaare unter den Augenwinkeln,
so wie unter dem Kinne und an der Kehle. Jm Winter ist die allgemeine Färbung dunkler, als im
Sommer. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch blässere Färbung des Rückens und
einen weniger deutlichen Flecken. Bei jungen Thieren sind Kehle und Unterhals heller gefärbt.

Das Vaterland des Baum- oder Edelmarders erstreckt sich über alle bewaldeten Gegenden der
nördlichen Erdhälfte. Jn Europa findet er sich in Skandinavien, Rußland, England, Deutschland,
Frankreich, Ungarn und Jtalien, in Asien bis zum Altai, südlich bis zu den Quellen des Jenisei.
Solch ausgedehntem Verbreitungskreise entsprechend, ändert er namentlich in seinem Felle nicht un-
wesentlich ab. Die größten Edelmarder wohnen in Schweden, und der Pelz derselben ist noch einmal
so dicht und so lang, als der unserer deutschen Marder; die Farbe ist grauer. Unter den deutschen
finden sich mehr gelbbraune, als dunkelbraune, welche letztere namentlich in Tirol vorkommen und dem
amerikanischen Zobel oft täuschend ähneln. Die Edelmarder der Lombardei sind blaßgraubraun oder
gelbbraun, die der Pyrenäen groß und stark, aber ebenfalls hell, die aus Macedonien und Thessalien
mittelgroß, aber dunkel.

Der Edelmarder bewohnt die Laub- und Nadelwälder und findet sich um so häusiger, je einsamer,
dichter und finsterer dieselben sind. Er ist ein echtes Baumthier und klettert so meisterhaft, daß ihn kein
anderes Raubsäugethier hierin übertrifft. Hohle Bäume, verlassene Nester von wilden Tauben,
Raubvögeln
und Eichhörnchen sind die Wohnungen, welche er sich zu seinem Lager wählt; selten
sucht er sich auch in Felsenritzen eine Zufluchtsstelle. Auf seinem Lager ruht er gewöhnlich während
des ganzen Tages; mit Beginn der Nacht aber, meist schon vor Sonnenuntergang, geht er auf Raub
aus und stellt nun allen Geschöpfen nach, von denen er glaubt, daß er sie bezwingen könnte. Von dem
Hasen oder jungen Reh herab bis zur Maus ist kein Säugethier vor ihm sicher. Er beschleicht
und überfällt sie plötzlich und würgt sie ab. Selbst an junge Rehe soll er sich wagen, obgleich er weiß,
daß ihn die alte Ricke mit ihren Vorderläufen empfindlich durchprügelt, wenn er es versieht. Ebenso
verderblich, wie unter den Säugethieren, haust er unter den Vögeln. Alle Hühnerarten, welche bei
uns leben, haben in ihm einen furchtbaren Feind. Leise und geräuschlos schleicht er zu ihren Schlaf-
plätzen hin, mögen diese nun Bäume oder der flache Boden sein; ehe noch die sonst so wachsame
Henne eine Ahnung von dem blutgierigen Feinde bekommt, sitzt dieser ihr auf dem Nacken und zer-
malmt ihr mit wenigen Bissen den Hals oder reißt ihr die Schlagadern auf, an dem herausfließenden
Blute gierig sich labend. Nur eigentliche Baumthiere verfolgt er durch Nachgehen, und wirklich bringt
er es dahin, daß das behende, flinke und ausdauernde Eichhörnchen zuletzt ganz ermattet sich ihm
ergiebt, nachden es eingesehen hat, daß auch die kühnsten Sprünge von hohen Bäumen herunter auf
die Erde, das verwegenste Klettern auf die dünnsten Aeste heraus, vor dem schlangenartig sich be-
wegenden Räuber es nicht schützen können; den Wasserratten und dem Wassergeflügel schleicht er
an den Teichen nach, und wenn es sein muß, jagt er sie in ihrem eigenen Element. Die Hasen über-
fällt er im Lager, oder während sie sich äsen. Außerdem plündert er alle Nester der Vögel aus, sucht
die Bienenstöcke heim und raubt dort den Honig, geht auch den Früchten nach und labt sich an allen
Beeren, welche auf dem Boden wachsen, frißt auch Birnen, Kirschen und Pflaumen. Wenn ihm
die Nahrung im Walde zu mangeln beginnt, wird er dreister, kommt wohl auch zu den menschlichen
Wohnungen, allerdings nur in der höchsten Noth. Hier besucht er Hühnerställe und Taubenhäuser
und richtet Verwüstungen an, wie kein anderes Thier, mit Ausnahme der Glieder seiner eigenen Sipp-
schaft. Er würgt weit mehr ab, als er verzehren kann, oft den ganzen Stall, und nimmt dann nur

Die Raubthiere. Marder. — Edelmarder.
ſchmaler dunkelbrauner Streifen zieht ſich unterhalb der Ohren hin. Zwiſchen den Hinterbeinen be-
findet ſich ein röthlichgelber, dunkelbraun geſäumter Flecken, welcher ſich zuweilen in einem ſchmuzig-
gelben Streifen bis zur Kehle fortzieht. Dieſe und der Unterhals ſind ſchön dottergelb gefärbt, und
hierin liegt das hauptſächlichſte Kennzeichen unſers Thieres. Die Behaarung iſt dicht, weich und
glänzend. Sie beſteht aus ziemlich langen, ſteifen Grannenhaaren und kurzem, feinen Wollhaar, welches
an der Vorderſeite weißgrau, hinten und an den Seiten aber gelblich gefärbt iſt. Auf der Oberlippe
ſtehen vier Reihen von Schnurren und außerdem noch einzelne Borſtenhaare unter den Augenwinkeln,
ſo wie unter dem Kinne und an der Kehle. Jm Winter iſt die allgemeine Färbung dunkler, als im
Sommer. Das Weibchen unterſcheidet ſich vom Männchen durch bläſſere Färbung des Rückens und
einen weniger deutlichen Flecken. Bei jungen Thieren ſind Kehle und Unterhals heller gefärbt.

Das Vaterland des Baum- oder Edelmarders erſtreckt ſich über alle bewaldeten Gegenden der
nördlichen Erdhälfte. Jn Europa findet er ſich in Skandinavien, Rußland, England, Deutſchland,
Frankreich, Ungarn und Jtalien, in Aſien bis zum Altai, ſüdlich bis zu den Quellen des Jeniſei.
Solch ausgedehntem Verbreitungskreiſe entſprechend, ändert er namentlich in ſeinem Felle nicht un-
weſentlich ab. Die größten Edelmarder wohnen in Schweden, und der Pelz derſelben iſt noch einmal
ſo dicht und ſo lang, als der unſerer deutſchen Marder; die Farbe iſt grauer. Unter den deutſchen
finden ſich mehr gelbbraune, als dunkelbraune, welche letztere namentlich in Tirol vorkommen und dem
amerikaniſchen Zobel oft täuſchend ähneln. Die Edelmarder der Lombardei ſind blaßgraubraun oder
gelbbraun, die der Pyrenäen groß und ſtark, aber ebenfalls hell, die aus Macedonien und Theſſalien
mittelgroß, aber dunkel.

Der Edelmarder bewohnt die Laub- und Nadelwälder und findet ſich um ſo häuſiger, je einſamer,
dichter und finſterer dieſelben ſind. Er iſt ein echtes Baumthier und klettert ſo meiſterhaft, daß ihn kein
anderes Raubſäugethier hierin übertrifft. Hohle Bäume, verlaſſene Neſter von wilden Tauben,
Raubvögeln
und Eichhörnchen ſind die Wohnungen, welche er ſich zu ſeinem Lager wählt; ſelten
ſucht er ſich auch in Felſenritzen eine Zufluchtsſtelle. Auf ſeinem Lager ruht er gewöhnlich während
des ganzen Tages; mit Beginn der Nacht aber, meiſt ſchon vor Sonnenuntergang, geht er auf Raub
aus und ſtellt nun allen Geſchöpfen nach, von denen er glaubt, daß er ſie bezwingen könnte. Von dem
Haſen oder jungen Reh herab bis zur Maus iſt kein Säugethier vor ihm ſicher. Er beſchleicht
und überfällt ſie plötzlich und würgt ſie ab. Selbſt an junge Rehe ſoll er ſich wagen, obgleich er weiß,
daß ihn die alte Ricke mit ihren Vorderläufen empfindlich durchprügelt, wenn er es verſieht. Ebenſo
verderblich, wie unter den Säugethieren, hauſt er unter den Vögeln. Alle Hühnerarten, welche bei
uns leben, haben in ihm einen furchtbaren Feind. Leiſe und geräuſchlos ſchleicht er zu ihren Schlaf-
plätzen hin, mögen dieſe nun Bäume oder der flache Boden ſein; ehe noch die ſonſt ſo wachſame
Henne eine Ahnung von dem blutgierigen Feinde bekommt, ſitzt dieſer ihr auf dem Nacken und zer-
malmt ihr mit wenigen Biſſen den Hals oder reißt ihr die Schlagadern auf, an dem herausfließenden
Blute gierig ſich labend. Nur eigentliche Baumthiere verfolgt er durch Nachgehen, und wirklich bringt
er es dahin, daß das behende, flinke und ausdauernde Eichhörnchen zuletzt ganz ermattet ſich ihm
ergiebt, nachden es eingeſehen hat, daß auch die kühnſten Sprünge von hohen Bäumen herunter auf
die Erde, das verwegenſte Klettern auf die dünnſten Aeſte heraus, vor dem ſchlangenartig ſich be-
wegenden Räuber es nicht ſchützen können; den Waſſerratten und dem Waſſergeflügel ſchleicht er
an den Teichen nach, und wenn es ſein muß, jagt er ſie in ihrem eigenen Element. Die Haſen über-
fällt er im Lager, oder während ſie ſich äſen. Außerdem plündert er alle Neſter der Vögel aus, ſucht
die Bienenſtöcke heim und raubt dort den Honig, geht auch den Früchten nach und labt ſich an allen
Beeren, welche auf dem Boden wachſen, frißt auch Birnen, Kirſchen und Pflaumen. Wenn ihm
die Nahrung im Walde zu mangeln beginnt, wird er dreiſter, kommt wohl auch zu den menſchlichen
Wohnungen, allerdings nur in der höchſten Noth. Hier beſucht er Hühnerſtälle und Taubenhäuſer
und richtet Verwüſtungen an, wie kein anderes Thier, mit Ausnahme der Glieder ſeiner eigenen Sipp-
ſchaft. Er würgt weit mehr ab, als er verzehren kann, oft den ganzen Stall, und nimmt dann nur

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[526/0600] Die Raubthiere. Marder. — Edelmarder. ſchmaler dunkelbrauner Streifen zieht ſich unterhalb der Ohren hin. Zwiſchen den Hinterbeinen be- findet ſich ein röthlichgelber, dunkelbraun geſäumter Flecken, welcher ſich zuweilen in einem ſchmuzig- gelben Streifen bis zur Kehle fortzieht. Dieſe und der Unterhals ſind ſchön dottergelb gefärbt, und hierin liegt das hauptſächlichſte Kennzeichen unſers Thieres. Die Behaarung iſt dicht, weich und glänzend. Sie beſteht aus ziemlich langen, ſteifen Grannenhaaren und kurzem, feinen Wollhaar, welches an der Vorderſeite weißgrau, hinten und an den Seiten aber gelblich gefärbt iſt. Auf der Oberlippe ſtehen vier Reihen von Schnurren und außerdem noch einzelne Borſtenhaare unter den Augenwinkeln, ſo wie unter dem Kinne und an der Kehle. Jm Winter iſt die allgemeine Färbung dunkler, als im Sommer. Das Weibchen unterſcheidet ſich vom Männchen durch bläſſere Färbung des Rückens und einen weniger deutlichen Flecken. Bei jungen Thieren ſind Kehle und Unterhals heller gefärbt. Das Vaterland des Baum- oder Edelmarders erſtreckt ſich über alle bewaldeten Gegenden der nördlichen Erdhälfte. Jn Europa findet er ſich in Skandinavien, Rußland, England, Deutſchland, Frankreich, Ungarn und Jtalien, in Aſien bis zum Altai, ſüdlich bis zu den Quellen des Jeniſei. Solch ausgedehntem Verbreitungskreiſe entſprechend, ändert er namentlich in ſeinem Felle nicht un- weſentlich ab. Die größten Edelmarder wohnen in Schweden, und der Pelz derſelben iſt noch einmal ſo dicht und ſo lang, als der unſerer deutſchen Marder; die Farbe iſt grauer. Unter den deutſchen finden ſich mehr gelbbraune, als dunkelbraune, welche letztere namentlich in Tirol vorkommen und dem amerikaniſchen Zobel oft täuſchend ähneln. Die Edelmarder der Lombardei ſind blaßgraubraun oder gelbbraun, die der Pyrenäen groß und ſtark, aber ebenfalls hell, die aus Macedonien und Theſſalien mittelgroß, aber dunkel. Der Edelmarder bewohnt die Laub- und Nadelwälder und findet ſich um ſo häuſiger, je einſamer, dichter und finſterer dieſelben ſind. Er iſt ein echtes Baumthier und klettert ſo meiſterhaft, daß ihn kein anderes Raubſäugethier hierin übertrifft. Hohle Bäume, verlaſſene Neſter von wilden Tauben, Raubvögeln und Eichhörnchen ſind die Wohnungen, welche er ſich zu ſeinem Lager wählt; ſelten ſucht er ſich auch in Felſenritzen eine Zufluchtsſtelle. Auf ſeinem Lager ruht er gewöhnlich während des ganzen Tages; mit Beginn der Nacht aber, meiſt ſchon vor Sonnenuntergang, geht er auf Raub aus und ſtellt nun allen Geſchöpfen nach, von denen er glaubt, daß er ſie bezwingen könnte. Von dem Haſen oder jungen Reh herab bis zur Maus iſt kein Säugethier vor ihm ſicher. Er beſchleicht und überfällt ſie plötzlich und würgt ſie ab. Selbſt an junge Rehe ſoll er ſich wagen, obgleich er weiß, daß ihn die alte Ricke mit ihren Vorderläufen empfindlich durchprügelt, wenn er es verſieht. Ebenſo verderblich, wie unter den Säugethieren, hauſt er unter den Vögeln. Alle Hühnerarten, welche bei uns leben, haben in ihm einen furchtbaren Feind. Leiſe und geräuſchlos ſchleicht er zu ihren Schlaf- plätzen hin, mögen dieſe nun Bäume oder der flache Boden ſein; ehe noch die ſonſt ſo wachſame Henne eine Ahnung von dem blutgierigen Feinde bekommt, ſitzt dieſer ihr auf dem Nacken und zer- malmt ihr mit wenigen Biſſen den Hals oder reißt ihr die Schlagadern auf, an dem herausfließenden Blute gierig ſich labend. Nur eigentliche Baumthiere verfolgt er durch Nachgehen, und wirklich bringt er es dahin, daß das behende, flinke und ausdauernde Eichhörnchen zuletzt ganz ermattet ſich ihm ergiebt, nachden es eingeſehen hat, daß auch die kühnſten Sprünge von hohen Bäumen herunter auf die Erde, das verwegenſte Klettern auf die dünnſten Aeſte heraus, vor dem ſchlangenartig ſich be- wegenden Räuber es nicht ſchützen können; den Waſſerratten und dem Waſſergeflügel ſchleicht er an den Teichen nach, und wenn es ſein muß, jagt er ſie in ihrem eigenen Element. Die Haſen über- fällt er im Lager, oder während ſie ſich äſen. Außerdem plündert er alle Neſter der Vögel aus, ſucht die Bienenſtöcke heim und raubt dort den Honig, geht auch den Früchten nach und labt ſich an allen Beeren, welche auf dem Boden wachſen, frißt auch Birnen, Kirſchen und Pflaumen. Wenn ihm die Nahrung im Walde zu mangeln beginnt, wird er dreiſter, kommt wohl auch zu den menſchlichen Wohnungen, allerdings nur in der höchſten Noth. Hier beſucht er Hühnerſtälle und Taubenhäuſer und richtet Verwüſtungen an, wie kein anderes Thier, mit Ausnahme der Glieder ſeiner eigenen Sipp- ſchaft. Er würgt weit mehr ab, als er verzehren kann, oft den ganzen Stall, und nimmt dann nur

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/600>, abgerufen am 24.11.2024.