Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Raubthiere. Marder. -- Chinga.

Schon während der Vorzeit waren Stinkthiere über Brasilien verbreitet, und gegenwärtig sind
sie noch in ganz Amerika keineswegs seltene Erscheinungen. Die vielen Arten, welche man unter-
schieden hat, sind wahrscheinlich auf einige wenige zurückzuführen, weil alle neueren Beobachter darin
übereinstimmen, daß sie sämmtlich hinsichtlich ihrer Färbung außerordentlich abändern. Neuere Natur-
forscher ordnen sie in zwei Untersippen, welche sich hauptsächlich durch den Zahnbau und die behaarten
oder nackten Sohlen unterscheiden.

Unserem Zweck genügt es vollkommen, wenn wir das Leben und Treiben einer der bekanntesten
Arten, der Chinga (Mephitis Chinga), betrachten.

Dieses Thier ist ungefähr von der Größe einer Hauskatze, hat einen kleinen, breiten Kopf,
eine spitze Schnauze mit nackter Nase und kurze zugerundete Ohren, einen nicht besonders gestreckten
Leib und einen dicht- und lang behaarten, deshalb länger, als er wirklich ist, erscheinenden Schwanz.
Die Länge des Leibes beträgt etwas über einen Fuß, die des Schwanzes etwa die Hälfte, während
die Höhe am Widerrist sich auf fünf und einen halben Zoll beläuft. Der glänzende Pelz hat Schwarz
zur Grundfarbe. Von der Nase zieht sich ein einfacher, schmaler, weißer Streifen zwischen den Augen
hindurch, erweitert sich auf der Stirn zu einem rautenförmigen Flecken, verbreitet sich noch mehr auf
dem Halse und geht endlich in eine Binde über, welche sich am Widerrist in zwei breite Streifen
theilt, die bis zu dem Schwanzende fortlaufen und dort sich wieder vereinigen. Am Halse, an der
Schultergegend, an der Außenseite der Beine, seltener auch an der Brust und am Bauche treten kleine,
weiße Flecken hervor. Ueber den Schwanz ziehen sich entweder zwei breite, weiße Längsstreifen, oder
er erscheint unregelmäßig aus Schwarz und Weiß gemischt.

Die Chinga ist wegen der rücksichtslosen Beleidigung eines unserer empfindlichsten Sinnes-
werkzeuge schon seit langer Zeit wohlbekannt geworden und macht noch heut zu Tage fast in allen
Reisebeschreibungen von sich reden. Jhr Verbreitungskreis ist ziemlich ausgedehnt; am häufigsten
wird sie in der Nähe der Hudsonsbay gefunden, von wo aus sie sich nach dem Norden hin verbreitet.
Jm Süden findet sie vollkommen ebenbürtige Genossen, welche sie in jeder Hinsicht ersetzen. Jhre
Aufenthaltsorte sind höher gelegene Gegenden, namentlich Gehölze und Wälder längs der Flußufer,
oder auch Felsengegenden, in deren Spalten und Höhlen sie wohnt.

Der Erste, welcher eine ausführlichere Beschreibung des Stinkthieres giebt, ist Kalm. "Das
Thier", sagt er, "ist wegen einer besondern Eigenschaft bekannt. Wird es von Hunden oder Menschen
gejagt, so läuft es Anfangs so schnell, als es kann, oder klettert auf einen Baum; findet es keinen
Ausweg mehr, so wendet es noch ein Mittel an, welches ihm übrig ist; es spritzt seinen Feinden seinen
Harn entgegen, und zwar auf große Entfernung. Einige Leute haben mir erzählt, daß ihnen von
diesem schändlichen Safte das Gesicht ganz bespritzt worden wäre, obwohl sie noch gegen achtzehn Fuß
davon entfernt gewesen seien. Diese Feuchtigkeit hat einen so unerträglichen Gestank, daß kein schlim-
merer gedacht werden kann. Jst Jemand dem Thiere zur Zeit des Ausspritzens nahe, so kann er
wohl kaum Athem holen, und es ist ihm später zu Muthe, als wenn er ersticken sollte. Ja, kommt
dieser Pestsaft in die Augen, so läuft man Gefahr, das Gesicht zu verlieren, und aus Kleidern ist der
Geruch fast gar nicht wieder herauszubringen, man mag sie waschen, so oft man will. Viele Hunde
laufen davon, sobald sie der Guß trifft, richtige Fänger hören aber nicht eher auf, dem Flüchtigen
nachzusetzen, als bis sie ihn todt gebissen haben. Sie reiben jedoch ihre Schnauze auf der Erde, um
den Gestank einigermaßen zu vertreiben."

"Der widrige Geruch geht selten vor einem Monat aus den Kleidern; doch verlieren sie das
Meiste davon, wenn man sie vier und zwanzig Stunden lang mit Erde bedeckt. Auch die Hand und
das Gesicht muß man wenigstens eine Stunde mit Erde reiben, weil das Waschen Nichts hilft. Als
ein angesehener Mann, der unvermuthet gespritzt wurde, sich in einem Hause waschen wollte, schloß
man die Thüre und die Leute liefen davon. Bespritzte Hunde läßt man Tage lang in kein Haus.
Wenn man in einem Walde reiset, muß man sich oft lange Zeit die Nase zuhalten, falls das Thier an

Die Raubthiere. Marder. — Chinga.

Schon während der Vorzeit waren Stinkthiere über Braſilien verbreitet, und gegenwärtig ſind
ſie noch in ganz Amerika keineswegs ſeltene Erſcheinungen. Die vielen Arten, welche man unter-
ſchieden hat, ſind wahrſcheinlich auf einige wenige zurückzuführen, weil alle neueren Beobachter darin
übereinſtimmen, daß ſie ſämmtlich hinſichtlich ihrer Färbung außerordentlich abändern. Neuere Natur-
forſcher ordnen ſie in zwei Unterſippen, welche ſich hauptſächlich durch den Zahnbau und die behaarten
oder nackten Sohlen unterſcheiden.

Unſerem Zweck genügt es vollkommen, wenn wir das Leben und Treiben einer der bekannteſten
Arten, der Chinga (Mephitis Chinga), betrachten.

Dieſes Thier iſt ungefähr von der Größe einer Hauskatze, hat einen kleinen, breiten Kopf,
eine ſpitze Schnauze mit nackter Naſe und kurze zugerundete Ohren, einen nicht beſonders geſtreckten
Leib und einen dicht- und lang behaarten, deshalb länger, als er wirklich iſt, erſcheinenden Schwanz.
Die Länge des Leibes beträgt etwas über einen Fuß, die des Schwanzes etwa die Hälfte, während
die Höhe am Widerriſt ſich auf fünf und einen halben Zoll beläuft. Der glänzende Pelz hat Schwarz
zur Grundfarbe. Von der Naſe zieht ſich ein einfacher, ſchmaler, weißer Streifen zwiſchen den Augen
hindurch, erweitert ſich auf der Stirn zu einem rautenförmigen Flecken, verbreitet ſich noch mehr auf
dem Halſe und geht endlich in eine Binde über, welche ſich am Widerriſt in zwei breite Streifen
theilt, die bis zu dem Schwanzende fortlaufen und dort ſich wieder vereinigen. Am Halſe, an der
Schultergegend, an der Außenſeite der Beine, ſeltener auch an der Bruſt und am Bauche treten kleine,
weiße Flecken hervor. Ueber den Schwanz ziehen ſich entweder zwei breite, weiße Längsſtreifen, oder
er erſcheint unregelmäßig aus Schwarz und Weiß gemiſcht.

Die Chinga iſt wegen der rückſichtsloſen Beleidigung eines unſerer empfindlichſten Sinnes-
werkzeuge ſchon ſeit langer Zeit wohlbekannt geworden und macht noch heut zu Tage faſt in allen
Reiſebeſchreibungen von ſich reden. Jhr Verbreitungskreis iſt ziemlich ausgedehnt; am häufigſten
wird ſie in der Nähe der Hudſonsbay gefunden, von wo aus ſie ſich nach dem Norden hin verbreitet.
Jm Süden findet ſie vollkommen ebenbürtige Genoſſen, welche ſie in jeder Hinſicht erſetzen. Jhre
Aufenthaltsorte ſind höher gelegene Gegenden, namentlich Gehölze und Wälder längs der Flußufer,
oder auch Felſengegenden, in deren Spalten und Höhlen ſie wohnt.

Der Erſte, welcher eine ausführlichere Beſchreibung des Stinkthieres giebt, iſt Kalm. „Das
Thier‟, ſagt er, „iſt wegen einer beſondern Eigenſchaft bekannt. Wird es von Hunden oder Menſchen
gejagt, ſo läuft es Anfangs ſo ſchnell, als es kann, oder klettert auf einen Baum; findet es keinen
Ausweg mehr, ſo wendet es noch ein Mittel an, welches ihm übrig iſt; es ſpritzt ſeinen Feinden ſeinen
Harn entgegen, und zwar auf große Entfernung. Einige Leute haben mir erzählt, daß ihnen von
dieſem ſchändlichen Safte das Geſicht ganz beſpritzt worden wäre, obwohl ſie noch gegen achtzehn Fuß
davon entfernt geweſen ſeien. Dieſe Feuchtigkeit hat einen ſo unerträglichen Geſtank, daß kein ſchlim-
merer gedacht werden kann. Jſt Jemand dem Thiere zur Zeit des Ausſpritzens nahe, ſo kann er
wohl kaum Athem holen, und es iſt ihm ſpäter zu Muthe, als wenn er erſticken ſollte. Ja, kommt
dieſer Peſtſaft in die Augen, ſo läuft man Gefahr, das Geſicht zu verlieren, und aus Kleidern iſt der
Geruch faſt gar nicht wieder herauszubringen, man mag ſie waſchen, ſo oft man will. Viele Hunde
laufen davon, ſobald ſie der Guß trifft, richtige Fänger hören aber nicht eher auf, dem Flüchtigen
nachzuſetzen, als bis ſie ihn todt gebiſſen haben. Sie reiben jedoch ihre Schnauze auf der Erde, um
den Geſtank einigermaßen zu vertreiben.‟

„Der widrige Geruch geht ſelten vor einem Monat aus den Kleidern; doch verlieren ſie das
Meiſte davon, wenn man ſie vier und zwanzig Stunden lang mit Erde bedeckt. Auch die Hand und
das Geſicht muß man wenigſtens eine Stunde mit Erde reiben, weil das Waſchen Nichts hilft. Als
ein angeſehener Mann, der unvermuthet geſpritzt wurde, ſich in einem Hauſe waſchen wollte, ſchloß
man die Thüre und die Leute liefen davon. Beſpritzte Hunde läßt man Tage lang in kein Haus.
Wenn man in einem Walde reiſet, muß man ſich oft lange Zeit die Naſe zuhalten, falls das Thier an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0580" n="506"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Raubthiere.</hi> Marder. &#x2014; <hi rendition="#g">Chinga.</hi></fw><lb/>
          <p>Schon während der Vorzeit waren Stinkthiere über Bra&#x017F;ilien verbreitet, und gegenwärtig &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie noch in ganz Amerika keineswegs &#x017F;eltene Er&#x017F;cheinungen. Die vielen Arten, welche man unter-<lb/>
&#x017F;chieden hat, &#x017F;ind wahr&#x017F;cheinlich auf einige wenige zurückzuführen, weil alle neueren Beobachter darin<lb/>
überein&#x017F;timmen, daß &#x017F;ie &#x017F;ämmtlich hin&#x017F;ichtlich ihrer Färbung außerordentlich abändern. Neuere Natur-<lb/>
for&#x017F;cher ordnen &#x017F;ie in zwei Unter&#x017F;ippen, welche &#x017F;ich haupt&#x017F;ächlich durch den Zahnbau und die behaarten<lb/>
oder nackten Sohlen unter&#x017F;cheiden.</p><lb/>
          <p>Un&#x017F;erem Zweck genügt es vollkommen, wenn wir das Leben und Treiben einer der bekannte&#x017F;ten<lb/>
Arten, der <hi rendition="#g">Chinga</hi> (<hi rendition="#aq">Mephitis Chinga</hi>), betrachten.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es Thier i&#x017F;t ungefähr von der Größe einer Hauskatze, hat einen kleinen, breiten Kopf,<lb/>
eine &#x017F;pitze Schnauze mit nackter Na&#x017F;e und kurze zugerundete Ohren, einen nicht be&#x017F;onders ge&#x017F;treckten<lb/>
Leib und einen dicht- und lang behaarten, deshalb länger, als er wirklich i&#x017F;t, er&#x017F;cheinenden Schwanz.<lb/>
Die Länge des Leibes beträgt etwas über einen Fuß, die des Schwanzes etwa die Hälfte, während<lb/>
die Höhe am Widerri&#x017F;t &#x017F;ich auf fünf und einen halben Zoll beläuft. Der glänzende Pelz hat Schwarz<lb/>
zur Grundfarbe. Von der Na&#x017F;e zieht &#x017F;ich ein einfacher, &#x017F;chmaler, weißer Streifen zwi&#x017F;chen den Augen<lb/>
hindurch, erweitert &#x017F;ich auf der Stirn zu einem rautenförmigen Flecken, verbreitet &#x017F;ich noch mehr auf<lb/>
dem Hal&#x017F;e und geht endlich in eine Binde über, welche &#x017F;ich am Widerri&#x017F;t in zwei breite Streifen<lb/>
theilt, die bis zu dem Schwanzende fortlaufen und dort &#x017F;ich wieder vereinigen. Am Hal&#x017F;e, an der<lb/>
Schultergegend, an der Außen&#x017F;eite der Beine, &#x017F;eltener auch an der Bru&#x017F;t und am Bauche treten kleine,<lb/>
weiße Flecken hervor. Ueber den Schwanz ziehen &#x017F;ich entweder zwei breite, weiße Längs&#x017F;treifen, oder<lb/>
er er&#x017F;cheint unregelmäßig aus Schwarz und Weiß gemi&#x017F;cht.</p><lb/>
          <p>Die Chinga i&#x017F;t wegen der rück&#x017F;ichtslo&#x017F;en Beleidigung eines un&#x017F;erer empfindlich&#x017F;ten Sinnes-<lb/>
werkzeuge &#x017F;chon &#x017F;eit langer Zeit wohlbekannt geworden und macht noch heut zu Tage fa&#x017F;t in allen<lb/>
Rei&#x017F;ebe&#x017F;chreibungen von &#x017F;ich reden. Jhr Verbreitungskreis i&#x017F;t ziemlich ausgedehnt; am häufig&#x017F;ten<lb/>
wird &#x017F;ie in der Nähe der Hud&#x017F;onsbay gefunden, von wo aus &#x017F;ie &#x017F;ich nach dem Norden hin verbreitet.<lb/>
Jm Süden findet &#x017F;ie vollkommen ebenbürtige Geno&#x017F;&#x017F;en, welche &#x017F;ie in jeder Hin&#x017F;icht er&#x017F;etzen. Jhre<lb/>
Aufenthaltsorte &#x017F;ind höher gelegene Gegenden, namentlich Gehölze und Wälder längs der Flußufer,<lb/>
oder auch Fel&#x017F;engegenden, in deren Spalten und Höhlen &#x017F;ie wohnt.</p><lb/>
          <p>Der Er&#x017F;te, welcher eine ausführlichere Be&#x017F;chreibung des Stinkthieres giebt, i&#x017F;t <hi rendition="#g">Kalm.</hi> &#x201E;Das<lb/>
Thier&#x201F;, &#x017F;agt er, &#x201E;i&#x017F;t wegen einer be&#x017F;ondern Eigen&#x017F;chaft bekannt. Wird es von Hunden oder Men&#x017F;chen<lb/>
gejagt, &#x017F;o läuft es Anfangs &#x017F;o &#x017F;chnell, als es kann, oder klettert auf einen Baum; findet es keinen<lb/>
Ausweg mehr, &#x017F;o wendet es noch ein Mittel an, welches ihm übrig i&#x017F;t; es &#x017F;pritzt &#x017F;einen Feinden &#x017F;einen<lb/>
Harn entgegen, und zwar auf große Entfernung. Einige Leute haben mir erzählt, daß ihnen von<lb/>
die&#x017F;em &#x017F;chändlichen Safte das Ge&#x017F;icht ganz be&#x017F;pritzt worden wäre, obwohl &#x017F;ie noch gegen achtzehn Fuß<lb/>
davon entfernt gewe&#x017F;en &#x017F;eien. Die&#x017F;e Feuchtigkeit hat einen &#x017F;o unerträglichen Ge&#x017F;tank, daß kein &#x017F;chlim-<lb/>
merer gedacht werden kann. J&#x017F;t Jemand dem Thiere zur Zeit des Aus&#x017F;pritzens nahe, &#x017F;o kann er<lb/>
wohl kaum Athem holen, und es i&#x017F;t ihm &#x017F;päter zu Muthe, als wenn er er&#x017F;ticken &#x017F;ollte. Ja, kommt<lb/>
die&#x017F;er Pe&#x017F;t&#x017F;aft in die Augen, &#x017F;o läuft man Gefahr, das Ge&#x017F;icht zu verlieren, und aus Kleidern i&#x017F;t der<lb/>
Geruch fa&#x017F;t gar nicht wieder herauszubringen, man mag &#x017F;ie wa&#x017F;chen, &#x017F;o oft man will. Viele Hunde<lb/>
laufen davon, &#x017F;obald &#x017F;ie der Guß trifft, richtige Fänger hören aber nicht eher auf, dem Flüchtigen<lb/>
nachzu&#x017F;etzen, als bis &#x017F;ie ihn todt gebi&#x017F;&#x017F;en haben. Sie reiben jedoch ihre Schnauze auf der Erde, um<lb/>
den Ge&#x017F;tank einigermaßen zu vertreiben.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der widrige Geruch geht &#x017F;elten vor einem Monat aus den Kleidern; doch verlieren &#x017F;ie das<lb/>
Mei&#x017F;te davon, wenn man &#x017F;ie vier und zwanzig Stunden lang mit Erde bedeckt. Auch die Hand und<lb/>
das Ge&#x017F;icht muß man wenig&#x017F;tens eine Stunde mit Erde reiben, weil das Wa&#x017F;chen Nichts hilft. Als<lb/>
ein ange&#x017F;ehener Mann, der unvermuthet ge&#x017F;pritzt wurde, &#x017F;ich in einem Hau&#x017F;e wa&#x017F;chen wollte, &#x017F;chloß<lb/>
man die Thüre und die Leute liefen davon. Be&#x017F;pritzte Hunde läßt man Tage lang in kein Haus.<lb/>
Wenn man in einem Walde rei&#x017F;et, muß man &#x017F;ich oft lange Zeit die Na&#x017F;e zuhalten, falls das Thier an<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[506/0580] Die Raubthiere. Marder. — Chinga. Schon während der Vorzeit waren Stinkthiere über Braſilien verbreitet, und gegenwärtig ſind ſie noch in ganz Amerika keineswegs ſeltene Erſcheinungen. Die vielen Arten, welche man unter- ſchieden hat, ſind wahrſcheinlich auf einige wenige zurückzuführen, weil alle neueren Beobachter darin übereinſtimmen, daß ſie ſämmtlich hinſichtlich ihrer Färbung außerordentlich abändern. Neuere Natur- forſcher ordnen ſie in zwei Unterſippen, welche ſich hauptſächlich durch den Zahnbau und die behaarten oder nackten Sohlen unterſcheiden. Unſerem Zweck genügt es vollkommen, wenn wir das Leben und Treiben einer der bekannteſten Arten, der Chinga (Mephitis Chinga), betrachten. Dieſes Thier iſt ungefähr von der Größe einer Hauskatze, hat einen kleinen, breiten Kopf, eine ſpitze Schnauze mit nackter Naſe und kurze zugerundete Ohren, einen nicht beſonders geſtreckten Leib und einen dicht- und lang behaarten, deshalb länger, als er wirklich iſt, erſcheinenden Schwanz. Die Länge des Leibes beträgt etwas über einen Fuß, die des Schwanzes etwa die Hälfte, während die Höhe am Widerriſt ſich auf fünf und einen halben Zoll beläuft. Der glänzende Pelz hat Schwarz zur Grundfarbe. Von der Naſe zieht ſich ein einfacher, ſchmaler, weißer Streifen zwiſchen den Augen hindurch, erweitert ſich auf der Stirn zu einem rautenförmigen Flecken, verbreitet ſich noch mehr auf dem Halſe und geht endlich in eine Binde über, welche ſich am Widerriſt in zwei breite Streifen theilt, die bis zu dem Schwanzende fortlaufen und dort ſich wieder vereinigen. Am Halſe, an der Schultergegend, an der Außenſeite der Beine, ſeltener auch an der Bruſt und am Bauche treten kleine, weiße Flecken hervor. Ueber den Schwanz ziehen ſich entweder zwei breite, weiße Längsſtreifen, oder er erſcheint unregelmäßig aus Schwarz und Weiß gemiſcht. Die Chinga iſt wegen der rückſichtsloſen Beleidigung eines unſerer empfindlichſten Sinnes- werkzeuge ſchon ſeit langer Zeit wohlbekannt geworden und macht noch heut zu Tage faſt in allen Reiſebeſchreibungen von ſich reden. Jhr Verbreitungskreis iſt ziemlich ausgedehnt; am häufigſten wird ſie in der Nähe der Hudſonsbay gefunden, von wo aus ſie ſich nach dem Norden hin verbreitet. Jm Süden findet ſie vollkommen ebenbürtige Genoſſen, welche ſie in jeder Hinſicht erſetzen. Jhre Aufenthaltsorte ſind höher gelegene Gegenden, namentlich Gehölze und Wälder längs der Flußufer, oder auch Felſengegenden, in deren Spalten und Höhlen ſie wohnt. Der Erſte, welcher eine ausführlichere Beſchreibung des Stinkthieres giebt, iſt Kalm. „Das Thier‟, ſagt er, „iſt wegen einer beſondern Eigenſchaft bekannt. Wird es von Hunden oder Menſchen gejagt, ſo läuft es Anfangs ſo ſchnell, als es kann, oder klettert auf einen Baum; findet es keinen Ausweg mehr, ſo wendet es noch ein Mittel an, welches ihm übrig iſt; es ſpritzt ſeinen Feinden ſeinen Harn entgegen, und zwar auf große Entfernung. Einige Leute haben mir erzählt, daß ihnen von dieſem ſchändlichen Safte das Geſicht ganz beſpritzt worden wäre, obwohl ſie noch gegen achtzehn Fuß davon entfernt geweſen ſeien. Dieſe Feuchtigkeit hat einen ſo unerträglichen Geſtank, daß kein ſchlim- merer gedacht werden kann. Jſt Jemand dem Thiere zur Zeit des Ausſpritzens nahe, ſo kann er wohl kaum Athem holen, und es iſt ihm ſpäter zu Muthe, als wenn er erſticken ſollte. Ja, kommt dieſer Peſtſaft in die Augen, ſo läuft man Gefahr, das Geſicht zu verlieren, und aus Kleidern iſt der Geruch faſt gar nicht wieder herauszubringen, man mag ſie waſchen, ſo oft man will. Viele Hunde laufen davon, ſobald ſie der Guß trifft, richtige Fänger hören aber nicht eher auf, dem Flüchtigen nachzuſetzen, als bis ſie ihn todt gebiſſen haben. Sie reiben jedoch ihre Schnauze auf der Erde, um den Geſtank einigermaßen zu vertreiben.‟ „Der widrige Geruch geht ſelten vor einem Monat aus den Kleidern; doch verlieren ſie das Meiſte davon, wenn man ſie vier und zwanzig Stunden lang mit Erde bedeckt. Auch die Hand und das Geſicht muß man wenigſtens eine Stunde mit Erde reiben, weil das Waſchen Nichts hilft. Als ein angeſehener Mann, der unvermuthet geſpritzt wurde, ſich in einem Hauſe waſchen wollte, ſchloß man die Thüre und die Leute liefen davon. Beſpritzte Hunde läßt man Tage lang in kein Haus. Wenn man in einem Walde reiſet, muß man ſich oft lange Zeit die Naſe zuhalten, falls das Thier an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/580
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/580>, abgerufen am 20.05.2024.