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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Leidenschaften. Verbreitung. Nahrung. Bewegungen. Klettern.
nach Norden hinauf, etwa bis zum 37° nördl. Br. Nach Süden zu reichen die Affen ungefähr bis
zum 35° südl. Br., doch nur in der alten Welt, während sich der Verbreitungskreis der Neuweltsaffen
blos vom 28° nördl. Br. bis zum 29° südl. Br. erstreckt.

Der Verbreitungskreis einer Art ist ziemlich beschränkt, obwohl es vorkommt, daß in ent-
fernten Ländern eines und desselben Erdtheils gewisse, sich sehr ähnliche Arten einander vertreten.

Die große Mehrzahl der Affen gehört dem Walde an, und nur ein kleiner Theil lebt in felsigen
Gebirgen. Jhre Leibesausrüstung weist sie auf das Klettern an, und deshalb eben sind Bäume ihr
Lieblingsaufenthalt. Alle echten Felsenaffen sind sehr ungeschickt auf Bäumen und besteigen diese
daher auch blos im Nothfalle.

Die Affen gehören unstreitig zu |den lebendigsten, beweglichsten Säugethieren. So lange sie
auf Nahrungserwerb ausgehen, sind sie nicht einen Augenblick lang ruhig. Schon die Manchfaltig-
keit ihrer Nahrung bedingt Dies. Jhnen ist alles Genießbare recht. Früchte, Zwiebeln, Knollen,
Wurzeln, Sämereien, Nüsse, Knospen, Blätter und saftige Pflanzenstengel bilden die Hauptmasse
ihrer Mahlzeiten; ein Kerbthier aber wird auch nicht verschmäht, und Eier, junge Vögelchen etc.
sind Leckerbissen. Da giebt es nun immer Etwas zu begucken, zu erhaschen oder abzupflücken, zu
beriechen und zu kosten, um es entweder zu genießen oder auch wegzuwerfen. Solche Untersuchungen
erfordern aber viel Bewegung, und deshalb ist auch die ganze Bande nie ruhig. Die Sorge um das
liebe Futter ist groß: sogar der gewaltige Elefant bekommt seine Prügel, wenn er so unverschämt ist,
an der Affentafel -- und das ist der ganze, große Wald -- schmansen zu wollen. Von Eigenthum
haben die Schelme nur sehr mangelhafte Begriffe: "Wir säen, aber die Affen ernten," sagen die
Araber Ost-Sudahus. Felder und Gärten werden von allen Affen als höchst erquickliche Orte an-
gesehen und gebrandschatzt, daß es eine wahre Lust oder ein wahrer Jammer ist. Jeder einzelne
Affe verwüstet, wenn er Dies thun kann, zehnmal mehr, als er frißt, und ist deshalb nur dem
frommen, oder besser, abergläubischen Hindu erträglich, jedem andern Menschen aber tief verhaßt.
Gegen solche Spitzbuben hilft weder Schloß noch Riegel, weder Hag noch Mauer; sie öffnen die
Schlösser und steigen über Mauern hinweg, und was nicht gefressen werden kann, wird wenigstens
mitgenommen, Gold und Edelsteine auch. Man muß eine Affenherde selbst gesehen haben, wenn sie
auf Raub auszieht, um begreifen zu können, daß ein Landwirth sich halb todt über sie ärgern kann.
Für den Unbetheiligten ist die Beobachtung der sich während des Raubzugs in ihrer ganzen Regsam-
keit zeigenden Geschöpfe freilich ein höchst unterhaltendes Schauspiel. Alle Künste gelten! Es wird
gelaufen, gesprungen, geklettert, gegaukelt, im Nothfall auch geschwommen. Die Künsteleien auf dem
Gezweig übersteigen allen Glauben. Nur |die Orangaffen und Paviane sind schwerfällig, die
übrigen sind vollendete Gaukler; sie scheinen fliegen zu können. Sätze von zwanzig, ja dreißig Fuß
Sprungweite sind ihnen Spaß; von dem Wipfel eines Baumes springen sie dreißig Fuß hernieder
auf das Ende eines Astes, beugen denselben durch den Stoß tief herab und geben sich, während der
Ast zurückschnellt, noch einen mächtigen Schwung; der Schwanz oder die Hinterbeine werden als
Steuer lang ausgestreckt, und wie ein Pfeil durchfliegt das Thier die Luft. Sofort nach glücklicher
Ankunft geht es weiter, durch die fürchterlichsten Dornen hindurch, als wandelte man auf getäfeltem
Fußboden. Eine Schlingpflanze ist eine höchst bequeme Treppe für die Affen, ein Baumstamm ein ge-
bahuter Weg. Sie klettern vor- und rückwärts, kopfoberst und kopfunterst, oben auf einem Aste hin
oder unten an ihm weg; wenn man sie in einen Baumwipfel wirft, erfassen sie mit einer Hand ein
Zweiglein und hängen an ihm geduldig, bis der Ast zur Ruhe kommt, dann steigen sie an ihm empor
und so unbefangen weiter, als hätten sie sich stets auf ebenem Boden befunden. Bricht der Zweig,
so fassen sie im Fallen einen zweiten, hält dieser auch nicht, so thut's doch ein dritter, und im Noth-
falle macht ein Sturz eben auch Nichts aus. Was sie mit der Vorderhand nicht ergreifen können,
fassen sie mit der Hinterhand, oder die neuweltlichen Arten mit dem Schwanze. Dieser muß gründ-
lich herhalten. Er wird von allen als Steuer angewandt, wenn weite Sprünge gemacht werden
sollen, dient aber auch sonst noch zu allem Möglichen, sei es auch nur als eine Leiter für den nächsten.

Leidenſchaften. Verbreitung. Nahrung. Bewegungen. Klettern.
nach Norden hinauf, etwa bis zum 37° nördl. Br. Nach Süden zu reichen die Affen ungefähr bis
zum 35° ſüdl. Br., doch nur in der alten Welt, während ſich der Verbreitungskreis der Neuweltsaffen
blos vom 28° nördl. Br. bis zum 29° ſüdl. Br. erſtreckt.

Der Verbreitungskreis einer Art iſt ziemlich beſchränkt, obwohl es vorkommt, daß in ent-
fernten Ländern eines und deſſelben Erdtheils gewiſſe, ſich ſehr ähnliche Arten einander vertreten.

Die große Mehrzahl der Affen gehört dem Walde an, und nur ein kleiner Theil lebt in felſigen
Gebirgen. Jhre Leibesausrüſtung weiſt ſie auf das Klettern an, und deshalb eben ſind Bäume ihr
Lieblingsaufenthalt. Alle echten Felſenaffen ſind ſehr ungeſchickt auf Bäumen und beſteigen dieſe
daher auch blos im Nothfalle.

Die Affen gehören unſtreitig zu |den lebendigſten, beweglichſten Säugethieren. So lange ſie
auf Nahrungserwerb ausgehen, ſind ſie nicht einen Augenblick lang ruhig. Schon die Manchfaltig-
keit ihrer Nahrung bedingt Dies. Jhnen iſt alles Genießbare recht. Früchte, Zwiebeln, Knollen,
Wurzeln, Sämereien, Nüſſe, Knospen, Blätter und ſaftige Pflanzenſtengel bilden die Hauptmaſſe
ihrer Mahlzeiten; ein Kerbthier aber wird auch nicht verſchmäht, und Eier, junge Vögelchen ꝛc.
ſind Leckerbiſſen. Da giebt es nun immer Etwas zu begucken, zu erhaſchen oder abzupflücken, zu
beriechen und zu koſten, um es entweder zu genießen oder auch wegzuwerfen. Solche Unterſuchungen
erfordern aber viel Bewegung, und deshalb iſt auch die ganze Bande nie ruhig. Die Sorge um das
liebe Futter iſt groß: ſogar der gewaltige Elefant bekommt ſeine Prügel, wenn er ſo unverſchämt iſt,
an der Affentafel — und das iſt der ganze, große Wald — ſchmanſen zu wollen. Von Eigenthum
haben die Schelme nur ſehr mangelhafte Begriffe: „Wir ſäen, aber die Affen ernten,‟ ſagen die
Araber Oſt-Sudahus. Felder und Gärten werden von allen Affen als höchſt erquickliche Orte an-
geſehen und gebrandſchatzt, daß es eine wahre Luſt oder ein wahrer Jammer iſt. Jeder einzelne
Affe verwüſtet, wenn er Dies thun kann, zehnmal mehr, als er frißt, und iſt deshalb nur dem
frommen, oder beſſer, abergläubiſchen Hindu erträglich, jedem andern Menſchen aber tief verhaßt.
Gegen ſolche Spitzbuben hilft weder Schloß noch Riegel, weder Hag noch Mauer; ſie öffnen die
Schlöſſer und ſteigen über Mauern hinweg, und was nicht gefreſſen werden kann, wird wenigſtens
mitgenommen, Gold und Edelſteine auch. Man muß eine Affenherde ſelbſt geſehen haben, wenn ſie
auf Raub auszieht, um begreifen zu können, daß ein Landwirth ſich halb todt über ſie ärgern kann.
Für den Unbetheiligten iſt die Beobachtung der ſich während des Raubzugs in ihrer ganzen Regſam-
keit zeigenden Geſchöpfe freilich ein höchſt unterhaltendes Schauſpiel. Alle Künſte gelten! Es wird
gelaufen, geſprungen, geklettert, gegaukelt, im Nothfall auch geſchwommen. Die Künſteleien auf dem
Gezweig überſteigen allen Glauben. Nur |die Orangaffen und Paviane ſind ſchwerfällig, die
übrigen ſind vollendete Gaukler; ſie ſcheinen fliegen zu können. Sätze von zwanzig, ja dreißig Fuß
Sprungweite ſind ihnen Spaß; von dem Wipfel eines Baumes ſpringen ſie dreißig Fuß hernieder
auf das Ende eines Aſtes, beugen denſelben durch den Stoß tief herab und geben ſich, während der
Aſt zurückſchnellt, noch einen mächtigen Schwung; der Schwanz oder die Hinterbeine werden als
Steuer lang ausgeſtreckt, und wie ein Pfeil durchfliegt das Thier die Luft. Sofort nach glücklicher
Ankunft geht es weiter, durch die fürchterlichſten Dornen hindurch, als wandelte man auf getäfeltem
Fußboden. Eine Schlingpflanze iſt eine höchſt bequeme Treppe für die Affen, ein Baumſtamm ein ge-
bahuter Weg. Sie klettern vor- und rückwärts, kopfoberſt und kopfunterſt, oben auf einem Aſte hin
oder unten an ihm weg; wenn man ſie in einen Baumwipfel wirft, erfaſſen ſie mit einer Hand ein
Zweiglein und hängen an ihm geduldig, bis der Aſt zur Ruhe kommt, dann ſteigen ſie an ihm empor
und ſo unbefangen weiter, als hätten ſie ſich ſtets auf ebenem Boden befunden. Bricht der Zweig,
ſo faſſen ſie im Fallen einen zweiten, hält dieſer auch nicht, ſo thut’s doch ein dritter, und im Noth-
falle macht ein Sturz eben auch Nichts aus. Was ſie mit der Vorderhand nicht ergreifen können,
faſſen ſie mit der Hinterhand, oder die neuweltlichen Arten mit dem Schwanze. Dieſer muß gründ-
lich herhalten. Er wird von allen als Steuer angewandt, wenn weite Sprünge gemacht werden
ſollen, dient aber auch ſonſt noch zu allem Möglichen, ſei es auch nur als eine Leiter für den nächſten.

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[7/0057] Leidenſchaften. Verbreitung. Nahrung. Bewegungen. Klettern. nach Norden hinauf, etwa bis zum 37° nördl. Br. Nach Süden zu reichen die Affen ungefähr bis zum 35° ſüdl. Br., doch nur in der alten Welt, während ſich der Verbreitungskreis der Neuweltsaffen blos vom 28° nördl. Br. bis zum 29° ſüdl. Br. erſtreckt. Der Verbreitungskreis einer Art iſt ziemlich beſchränkt, obwohl es vorkommt, daß in ent- fernten Ländern eines und deſſelben Erdtheils gewiſſe, ſich ſehr ähnliche Arten einander vertreten. Die große Mehrzahl der Affen gehört dem Walde an, und nur ein kleiner Theil lebt in felſigen Gebirgen. Jhre Leibesausrüſtung weiſt ſie auf das Klettern an, und deshalb eben ſind Bäume ihr Lieblingsaufenthalt. Alle echten Felſenaffen ſind ſehr ungeſchickt auf Bäumen und beſteigen dieſe daher auch blos im Nothfalle. Die Affen gehören unſtreitig zu |den lebendigſten, beweglichſten Säugethieren. So lange ſie auf Nahrungserwerb ausgehen, ſind ſie nicht einen Augenblick lang ruhig. Schon die Manchfaltig- keit ihrer Nahrung bedingt Dies. Jhnen iſt alles Genießbare recht. Früchte, Zwiebeln, Knollen, Wurzeln, Sämereien, Nüſſe, Knospen, Blätter und ſaftige Pflanzenſtengel bilden die Hauptmaſſe ihrer Mahlzeiten; ein Kerbthier aber wird auch nicht verſchmäht, und Eier, junge Vögelchen ꝛc. ſind Leckerbiſſen. Da giebt es nun immer Etwas zu begucken, zu erhaſchen oder abzupflücken, zu beriechen und zu koſten, um es entweder zu genießen oder auch wegzuwerfen. Solche Unterſuchungen erfordern aber viel Bewegung, und deshalb iſt auch die ganze Bande nie ruhig. Die Sorge um das liebe Futter iſt groß: ſogar der gewaltige Elefant bekommt ſeine Prügel, wenn er ſo unverſchämt iſt, an der Affentafel — und das iſt der ganze, große Wald — ſchmanſen zu wollen. Von Eigenthum haben die Schelme nur ſehr mangelhafte Begriffe: „Wir ſäen, aber die Affen ernten,‟ ſagen die Araber Oſt-Sudahus. Felder und Gärten werden von allen Affen als höchſt erquickliche Orte an- geſehen und gebrandſchatzt, daß es eine wahre Luſt oder ein wahrer Jammer iſt. Jeder einzelne Affe verwüſtet, wenn er Dies thun kann, zehnmal mehr, als er frißt, und iſt deshalb nur dem frommen, oder beſſer, abergläubiſchen Hindu erträglich, jedem andern Menſchen aber tief verhaßt. Gegen ſolche Spitzbuben hilft weder Schloß noch Riegel, weder Hag noch Mauer; ſie öffnen die Schlöſſer und ſteigen über Mauern hinweg, und was nicht gefreſſen werden kann, wird wenigſtens mitgenommen, Gold und Edelſteine auch. Man muß eine Affenherde ſelbſt geſehen haben, wenn ſie auf Raub auszieht, um begreifen zu können, daß ein Landwirth ſich halb todt über ſie ärgern kann. Für den Unbetheiligten iſt die Beobachtung der ſich während des Raubzugs in ihrer ganzen Regſam- keit zeigenden Geſchöpfe freilich ein höchſt unterhaltendes Schauſpiel. Alle Künſte gelten! Es wird gelaufen, geſprungen, geklettert, gegaukelt, im Nothfall auch geſchwommen. Die Künſteleien auf dem Gezweig überſteigen allen Glauben. Nur |die Orangaffen und Paviane ſind ſchwerfällig, die übrigen ſind vollendete Gaukler; ſie ſcheinen fliegen zu können. Sätze von zwanzig, ja dreißig Fuß Sprungweite ſind ihnen Spaß; von dem Wipfel eines Baumes ſpringen ſie dreißig Fuß hernieder auf das Ende eines Aſtes, beugen denſelben durch den Stoß tief herab und geben ſich, während der Aſt zurückſchnellt, noch einen mächtigen Schwung; der Schwanz oder die Hinterbeine werden als Steuer lang ausgeſtreckt, und wie ein Pfeil durchfliegt das Thier die Luft. Sofort nach glücklicher Ankunft geht es weiter, durch die fürchterlichſten Dornen hindurch, als wandelte man auf getäfeltem Fußboden. Eine Schlingpflanze iſt eine höchſt bequeme Treppe für die Affen, ein Baumſtamm ein ge- bahuter Weg. Sie klettern vor- und rückwärts, kopfoberſt und kopfunterſt, oben auf einem Aſte hin oder unten an ihm weg; wenn man ſie in einen Baumwipfel wirft, erfaſſen ſie mit einer Hand ein Zweiglein und hängen an ihm geduldig, bis der Aſt zur Ruhe kommt, dann ſteigen ſie an ihm empor und ſo unbefangen weiter, als hätten ſie ſich ſtets auf ebenem Boden befunden. Bricht der Zweig, ſo faſſen ſie im Fallen einen zweiten, hält dieſer auch nicht, ſo thut’s doch ein dritter, und im Noth- falle macht ein Sturz eben auch Nichts aus. Was ſie mit der Vorderhand nicht ergreifen können, faſſen ſie mit der Hinterhand, oder die neuweltlichen Arten mit dem Schwanze. Dieſer muß gründ- lich herhalten. Er wird von allen als Steuer angewandt, wenn weite Sprünge gemacht werden ſollen, dient aber auch ſonſt noch zu allem Möglichen, ſei es auch nur als eine Leiter für den nächſten.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/57>, abgerufen am 24.11.2024.