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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Marder. -- Dachs.
vorhandene Baue zu ihren Wohnungen; andere bemächtigen sich der Höhlen in Bäumen oder auch der
Nester des Eichhorns und mancher Vögel: kurz man kann sagen, daß diese Familie fast alle Oert-
lichkeiten zu benutzen weiß, von der natürlichen Steinkluft an, bis zur künstlichen Höhle, vom Schlupf-
winkel in der Wohnung des Menschen, bis zu dem Gezweig oder Gewurzel im einsamsten Walde. Die
meisten haben einen festen Wohnsitz; viele schweifen aber auch umher, je nachdem das Bedürfniß sie
hierzu antreibt. Einige, welche den Norden bewohnen, verfallen in Winterschlaf; die meisten aber
sind während des ganzen Jahres lebendig und rege.

Fast alle Arten sind in hohem Grade behende, gewandte, bewegliche Geschöpfe und in allen
Leibesübungen ungewöhnlich erfahren. Beim Gehen treten sie mit ganzer Sohle auf, beim Schwimmen
gebrauchen sie ihre Pfoten und den Schwanz, beim Klettern wissen sie sich, trotz ihrer stumpfen Krallen,
äußerst geschickt anzuklammern und im Gleichgewicht zu erhalten. Ebenso ausgezeichnet, wie ihre
Leibesbegabungen, sind auch die geistigen Fähigkeiten. Jhre Sinne sind vortrefflich und namentlich
Geruch, Gehör und Gesicht sehr ausgezeichnet. Der Verstand erreicht bei den meisten Arten eine hohe
Stufe. Sie sind klug, listig, mißtrauisch und behutsam, äußerst muthig, blutdürstig und grausam,
gegen ihre Jungen aber ungemein zärtlich. Die einen lieben die Geselligkeit und vereinigen sich zu
großen Scharen; die anderen leben einzeln oder zeitweilig paarweise; die Jungen bleiben immer
lange bei der Mutter. Viele sind bei Tag und bei Nacht thätig; die meisten müssen jedoch als
Nachtthiere angesehen werden. Jn bewohnten und belebten Gegenden gehen alle nur nach Sonnen-
untergang auf Raub aus. Jhre Nahrung besteht vorzugsweise in Thieren, namentlich in kleinen
Säugethieren, Vögeln, deren Eiern, Lurchen und Kerbthieren. Einzelne fressen Schnecken, Fische,
Krebse und Muscheln; manche verschmähen nicht einmal das Aas, und andere nähren sich zeitweilig
auch von Pflanzenstoffen. Auffallend groß ist der Blutdurst, welcher alle beseelt. Sie erwürgen, wenn
sie können, weit mehr, als sie zu ihrer Nahrung brauchen, und manche Arten berauschen sich förmlich
in dem Blute, welches sie ihren Opfern aussaugen.

Die Zahl ihrer Jungen schwankt erheblich, -- soviel man weiß, zwischen zwei und zehn. Die
Kleinen kommen blind zur Welt und müssen lange gesängt und gepflegt werden. Sorgfältig bewacht
sie die Mutter und vertheidigt sie bei Gefahr mit großem Muthe oder schleppt sie, sobald sie sich nicht
sicher fühlt, nach anderen Schlupfwinkeln. Eingefangene und sorgsam aufgezogene Junge erreichen
einen hohen Grad von Zahmheit und können dahin gebracht werden, ihrem Herrn, wie ein Hund,
nachzulaufen und für ihn zu jagen und zu fischen. Eine Art ist sogar gänzlich zum Hausthier ge-
worden und lebt seit undenklichen Zeiten in der Gefangenschaft.

Wegen ihrer Raublust und ihres Blutdurstes fügen einige dem Menschen zuweilen nicht unbe-
trächtlichen Schaden zu; im Allgemeinen überwiegt jedoch der Nutzen, welchen sie mittelbar oder un-
mittelbar bringen, den von ihnen angerichteten Schaden bei weitem. Aber leider wird diese Wahrheit
nur von wenigen Menschen anerkannt und deshalb ein wahrer Vernichtungskrieg gegen unsre Thiere
geführt, nicht selten zum empfindlichen Schaden des Menschen. Durch Wegfangen von schädlichen
Thieren leisten sie sehr große Dienste; außerdem nützen sie durch ihr Fell und einige auch durch ihr
Fleisch, welches hier und da gegessen wird. --

Wir können diese Familie ausführlicher behandeln, als andere, weil wir über das Leben der
meisten zu ihr gehörigen Arten wohl unterrichtet sind.



Das vollendetste Bild eines selbstsüchtigen, mißtranischen, übellannischen und gleichsam mit sich
selbst im Streite liegenden Gesellen ist der Dachs (Meles vulgaris). Hierüber sind so ziemlich alle
Beobachter einverstanden, obgleich sie den Nutzen, welchen dieses eigenthümliche Raubthier gewährt,
nicht verkennen. Der gemeine Dachs ist unter den größeren europäischen Raubthieren das unschäd-
lichste und wird gleichwohl verfolgt und befehdet, wie der Wolf oder wie der hinterlistige Fuchs,
ohne daß er selbst unter den Waidmännern, welche doch bekanntlich diejenigen Thiere am meisten

Die Raubthiere. Marder. — Dachs.
vorhandene Baue zu ihren Wohnungen; andere bemächtigen ſich der Höhlen in Bäumen oder auch der
Neſter des Eichhorns und mancher Vögel: kurz man kann ſagen, daß dieſe Familie faſt alle Oert-
lichkeiten zu benutzen weiß, von der natürlichen Steinkluft an, bis zur künſtlichen Höhle, vom Schlupf-
winkel in der Wohnung des Menſchen, bis zu dem Gezweig oder Gewurzel im einſamſten Walde. Die
meiſten haben einen feſten Wohnſitz; viele ſchweifen aber auch umher, je nachdem das Bedürfniß ſie
hierzu antreibt. Einige, welche den Norden bewohnen, verfallen in Winterſchlaf; die meiſten aber
ſind während des ganzen Jahres lebendig und rege.

Faſt alle Arten ſind in hohem Grade behende, gewandte, bewegliche Geſchöpfe und in allen
Leibesübungen ungewöhnlich erfahren. Beim Gehen treten ſie mit ganzer Sohle auf, beim Schwimmen
gebrauchen ſie ihre Pfoten und den Schwanz, beim Klettern wiſſen ſie ſich, trotz ihrer ſtumpfen Krallen,
äußerſt geſchickt anzuklammern und im Gleichgewicht zu erhalten. Ebenſo ausgezeichnet, wie ihre
Leibesbegabungen, ſind auch die geiſtigen Fähigkeiten. Jhre Sinne ſind vortrefflich und namentlich
Geruch, Gehör und Geſicht ſehr ausgezeichnet. Der Verſtand erreicht bei den meiſten Arten eine hohe
Stufe. Sie ſind klug, liſtig, mißtrauiſch und behutſam, äußerſt muthig, blutdürſtig und grauſam,
gegen ihre Jungen aber ungemein zärtlich. Die einen lieben die Geſelligkeit und vereinigen ſich zu
großen Scharen; die anderen leben einzeln oder zeitweilig paarweiſe; die Jungen bleiben immer
lange bei der Mutter. Viele ſind bei Tag und bei Nacht thätig; die meiſten müſſen jedoch als
Nachtthiere angeſehen werden. Jn bewohnten und belebten Gegenden gehen alle nur nach Sonnen-
untergang auf Raub aus. Jhre Nahrung beſteht vorzugsweiſe in Thieren, namentlich in kleinen
Säugethieren, Vögeln, deren Eiern, Lurchen und Kerbthieren. Einzelne freſſen Schnecken, Fiſche,
Krebſe und Muſcheln; manche verſchmähen nicht einmal das Aas, und andere nähren ſich zeitweilig
auch von Pflanzenſtoffen. Auffallend groß iſt der Blutdurſt, welcher alle beſeelt. Sie erwürgen, wenn
ſie können, weit mehr, als ſie zu ihrer Nahrung brauchen, und manche Arten berauſchen ſich förmlich
in dem Blute, welches ſie ihren Opfern ausſaugen.

Die Zahl ihrer Jungen ſchwankt erheblich, — ſoviel man weiß, zwiſchen zwei und zehn. Die
Kleinen kommen blind zur Welt und müſſen lange geſängt und gepflegt werden. Sorgfältig bewacht
ſie die Mutter und vertheidigt ſie bei Gefahr mit großem Muthe oder ſchleppt ſie, ſobald ſie ſich nicht
ſicher fühlt, nach anderen Schlupfwinkeln. Eingefangene und ſorgſam aufgezogene Junge erreichen
einen hohen Grad von Zahmheit und können dahin gebracht werden, ihrem Herrn, wie ein Hund,
nachzulaufen und für ihn zu jagen und zu fiſchen. Eine Art iſt ſogar gänzlich zum Hausthier ge-
worden und lebt ſeit undenklichen Zeiten in der Gefangenſchaft.

Wegen ihrer Raubluſt und ihres Blutdurſtes fügen einige dem Menſchen zuweilen nicht unbe-
trächtlichen Schaden zu; im Allgemeinen überwiegt jedoch der Nutzen, welchen ſie mittelbar oder un-
mittelbar bringen, den von ihnen angerichteten Schaden bei weitem. Aber leider wird dieſe Wahrheit
nur von wenigen Menſchen anerkannt und deshalb ein wahrer Vernichtungskrieg gegen unſre Thiere
geführt, nicht ſelten zum empfindlichen Schaden des Menſchen. Durch Wegfangen von ſchädlichen
Thieren leiſten ſie ſehr große Dienſte; außerdem nützen ſie durch ihr Fell und einige auch durch ihr
Fleiſch, welches hier und da gegeſſen wird. —

Wir können dieſe Familie ausführlicher behandeln, als andere, weil wir über das Leben der
meiſten zu ihr gehörigen Arten wohl unterrichtet ſind.



Das vollendetſte Bild eines ſelbſtſüchtigen, mißtraniſchen, übellanniſchen und gleichſam mit ſich
ſelbſt im Streite liegenden Geſellen iſt der Dachs (Meles vulgaris). Hierüber ſind ſo ziemlich alle
Beobachter einverſtanden, obgleich ſie den Nutzen, welchen dieſes eigenthümliche Raubthier gewährt,
nicht verkennen. Der gemeine Dachs iſt unter den größeren europäiſchen Raubthieren das unſchäd-
lichſte und wird gleichwohl verfolgt und befehdet, wie der Wolf oder wie der hinterliſtige Fuchs,
ohne daß er ſelbſt unter den Waidmännern, welche doch bekanntlich diejenigen Thiere am meiſten

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[494/0568] Die Raubthiere. Marder. — Dachs. vorhandene Baue zu ihren Wohnungen; andere bemächtigen ſich der Höhlen in Bäumen oder auch der Neſter des Eichhorns und mancher Vögel: kurz man kann ſagen, daß dieſe Familie faſt alle Oert- lichkeiten zu benutzen weiß, von der natürlichen Steinkluft an, bis zur künſtlichen Höhle, vom Schlupf- winkel in der Wohnung des Menſchen, bis zu dem Gezweig oder Gewurzel im einſamſten Walde. Die meiſten haben einen feſten Wohnſitz; viele ſchweifen aber auch umher, je nachdem das Bedürfniß ſie hierzu antreibt. Einige, welche den Norden bewohnen, verfallen in Winterſchlaf; die meiſten aber ſind während des ganzen Jahres lebendig und rege. Faſt alle Arten ſind in hohem Grade behende, gewandte, bewegliche Geſchöpfe und in allen Leibesübungen ungewöhnlich erfahren. Beim Gehen treten ſie mit ganzer Sohle auf, beim Schwimmen gebrauchen ſie ihre Pfoten und den Schwanz, beim Klettern wiſſen ſie ſich, trotz ihrer ſtumpfen Krallen, äußerſt geſchickt anzuklammern und im Gleichgewicht zu erhalten. Ebenſo ausgezeichnet, wie ihre Leibesbegabungen, ſind auch die geiſtigen Fähigkeiten. Jhre Sinne ſind vortrefflich und namentlich Geruch, Gehör und Geſicht ſehr ausgezeichnet. Der Verſtand erreicht bei den meiſten Arten eine hohe Stufe. Sie ſind klug, liſtig, mißtrauiſch und behutſam, äußerſt muthig, blutdürſtig und grauſam, gegen ihre Jungen aber ungemein zärtlich. Die einen lieben die Geſelligkeit und vereinigen ſich zu großen Scharen; die anderen leben einzeln oder zeitweilig paarweiſe; die Jungen bleiben immer lange bei der Mutter. Viele ſind bei Tag und bei Nacht thätig; die meiſten müſſen jedoch als Nachtthiere angeſehen werden. Jn bewohnten und belebten Gegenden gehen alle nur nach Sonnen- untergang auf Raub aus. Jhre Nahrung beſteht vorzugsweiſe in Thieren, namentlich in kleinen Säugethieren, Vögeln, deren Eiern, Lurchen und Kerbthieren. Einzelne freſſen Schnecken, Fiſche, Krebſe und Muſcheln; manche verſchmähen nicht einmal das Aas, und andere nähren ſich zeitweilig auch von Pflanzenſtoffen. Auffallend groß iſt der Blutdurſt, welcher alle beſeelt. Sie erwürgen, wenn ſie können, weit mehr, als ſie zu ihrer Nahrung brauchen, und manche Arten berauſchen ſich förmlich in dem Blute, welches ſie ihren Opfern ausſaugen. Die Zahl ihrer Jungen ſchwankt erheblich, — ſoviel man weiß, zwiſchen zwei und zehn. Die Kleinen kommen blind zur Welt und müſſen lange geſängt und gepflegt werden. Sorgfältig bewacht ſie die Mutter und vertheidigt ſie bei Gefahr mit großem Muthe oder ſchleppt ſie, ſobald ſie ſich nicht ſicher fühlt, nach anderen Schlupfwinkeln. Eingefangene und ſorgſam aufgezogene Junge erreichen einen hohen Grad von Zahmheit und können dahin gebracht werden, ihrem Herrn, wie ein Hund, nachzulaufen und für ihn zu jagen und zu fiſchen. Eine Art iſt ſogar gänzlich zum Hausthier ge- worden und lebt ſeit undenklichen Zeiten in der Gefangenſchaft. Wegen ihrer Raubluſt und ihres Blutdurſtes fügen einige dem Menſchen zuweilen nicht unbe- trächtlichen Schaden zu; im Allgemeinen überwiegt jedoch der Nutzen, welchen ſie mittelbar oder un- mittelbar bringen, den von ihnen angerichteten Schaden bei weitem. Aber leider wird dieſe Wahrheit nur von wenigen Menſchen anerkannt und deshalb ein wahrer Vernichtungskrieg gegen unſre Thiere geführt, nicht ſelten zum empfindlichen Schaden des Menſchen. Durch Wegfangen von ſchädlichen Thieren leiſten ſie ſehr große Dienſte; außerdem nützen ſie durch ihr Fell und einige auch durch ihr Fleiſch, welches hier und da gegeſſen wird. — Wir können dieſe Familie ausführlicher behandeln, als andere, weil wir über das Leben der meiſten zu ihr gehörigen Arten wohl unterrichtet ſind. Das vollendetſte Bild eines ſelbſtſüchtigen, mißtraniſchen, übellanniſchen und gleichſam mit ſich ſelbſt im Streite liegenden Geſellen iſt der Dachs (Meles vulgaris). Hierüber ſind ſo ziemlich alle Beobachter einverſtanden, obgleich ſie den Nutzen, welchen dieſes eigenthümliche Raubthier gewährt, nicht verkennen. Der gemeine Dachs iſt unter den größeren europäiſchen Raubthieren das unſchäd- lichſte und wird gleichwohl verfolgt und befehdet, wie der Wolf oder wie der hinterliſtige Fuchs, ohne daß er ſelbſt unter den Waidmännern, welche doch bekanntlich diejenigen Thiere am meiſten

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/568>, abgerufen am 27.11.2024.