durch zwingen sie Den, welcher sich mit der Erforschung und Beschreibung des Thierlebens befaßt, ein trauriges Stückwerk zu liefern, -- wie ich es hier geben mußte, weil ich es nicht besser bieten konnte.
Reicher an Arten und Formen, als die Gruppe der Schleichkatzen, ist die Familie der Marder (Mustela).
Es hält sehr schwer, eine allgemein giltige Beschreibung dieser Familie zu geben; der Leibbau, das Gebiß und die Fußbildung schwanken mehr, als bei allen übrigen Fleischfressern, und man kann deshalb nur sagen, daß die Mitglieder der Abtheilung mittelgroße oder kleine Raubthiere sind, deren Leib sehr gestreckt ist und auf sehr niedrigen Beinen ruht, und deren Füße vier oder fünf Zehen tragen. Jn der Nähe des Afters finden sich ebenfalls Drüsen, wie bei den meisten Schleichkatzen; aber niemals sondern sie einen wohlriechenden Stoff ab, wie bei jenen, vielmehr gehören gerade die ärgsten Stänker den Mardern an. Die Behaarung des Leibes ist gewöhnlich eine sehr reichliche und feine, und deshalb finden wir in unserer Familie die geschätztesten aller Pelzthiere.
[Abbildung]
Das Beutelfrett (Cryptoprocta serox).
Das Geripp zeichnet sich durch zierliche Formen aus. Elf oder zwölf rippentragende Wirbel umschließen die Brust, acht oder neun bilden den Lendentheil, drei, welche gewöhnlich verwachsen, das Kreuzbein, und zwölf bis sechsundzwanzig den Schwanz. Das Schulterblatt ist breit, das Schlüssel- bein fehlt fast überall. Jm Gebiß sind die Eckzähne sehr entwickelt. Sie sind lang und stark und häufig schneidend an der Kante; die Lückzähne sind scharf, spitz; der untere Fleischzahn ist zweizackig, der obere durch einen Zacken und einen Höcker ausgezeichnet. Die Krallen sind nicht zurückziehbar.
Die Marder traten zuerst in der Tertiärzeit auf, aber nur einzeln, und Dies war auch noch in der Diluvialzeit der Fall. Gegenwärtig bewohnen sie alle Erdtheile mit Ausnahme von Australien, alle Klimate und Höhengürtel, die Ebenen, wie die Gebirge. Jhre Aufenthaltsorte sind Wälder oder felsige Gegenden; aber auch freie, offne Felder, Gärten und die Wohnungen der Menschen. Die einen sind Erdthiere, die anderen bewohnen das Wasser; jene können gewöhnlich auch vortrefflich klettern: alle verstehen zu schwimmen. Die meisten graben sich Löcher und Höhlen in die Erde oder benutzen bereits
Allgemeines.
durch zwingen ſie Den, welcher ſich mit der Erforſchung und Beſchreibung des Thierlebens befaßt, ein trauriges Stückwerk zu liefern, — wie ich es hier geben mußte, weil ich es nicht beſſer bieten konnte.
Reicher an Arten und Formen, als die Gruppe der Schleichkatzen, iſt die Familie der Marder (Mustela).
Es hält ſehr ſchwer, eine allgemein giltige Beſchreibung dieſer Familie zu geben; der Leibbau, das Gebiß und die Fußbildung ſchwanken mehr, als bei allen übrigen Fleiſchfreſſern, und man kann deshalb nur ſagen, daß die Mitglieder der Abtheilung mittelgroße oder kleine Raubthiere ſind, deren Leib ſehr geſtreckt iſt und auf ſehr niedrigen Beinen ruht, und deren Füße vier oder fünf Zehen tragen. Jn der Nähe des Afters finden ſich ebenfalls Drüſen, wie bei den meiſten Schleichkatzen; aber niemals ſondern ſie einen wohlriechenden Stoff ab, wie bei jenen, vielmehr gehören gerade die ärgſten Stänker den Mardern an. Die Behaarung des Leibes iſt gewöhnlich eine ſehr reichliche und feine, und deshalb finden wir in unſerer Familie die geſchätzteſten aller Pelzthiere.
[Abbildung]
Das Beutelfrett (Cryptoprocta ſerox).
Das Geripp zeichnet ſich durch zierliche Formen aus. Elf oder zwölf rippentragende Wirbel umſchließen die Bruſt, acht oder neun bilden den Lendentheil, drei, welche gewöhnlich verwachſen, das Kreuzbein, und zwölf bis ſechsundzwanzig den Schwanz. Das Schulterblatt iſt breit, das Schlüſſel- bein fehlt faſt überall. Jm Gebiß ſind die Eckzähne ſehr entwickelt. Sie ſind lang und ſtark und häufig ſchneidend an der Kante; die Lückzähne ſind ſcharf, ſpitz; der untere Fleiſchzahn iſt zweizackig, der obere durch einen Zacken und einen Höcker ausgezeichnet. Die Krallen ſind nicht zurückziehbar.
Die Marder traten zuerſt in der Tertiärzeit auf, aber nur einzeln, und Dies war auch noch in der Diluvialzeit der Fall. Gegenwärtig bewohnen ſie alle Erdtheile mit Ausnahme von Auſtralien, alle Klimate und Höhengürtel, die Ebenen, wie die Gebirge. Jhre Aufenthaltsorte ſind Wälder oder felſige Gegenden; aber auch freie, offne Felder, Gärten und die Wohnungen der Menſchen. Die einen ſind Erdthiere, die anderen bewohnen das Waſſer; jene können gewöhnlich auch vortrefflich klettern: alle verſtehen zu ſchwimmen. Die meiſten graben ſich Löcher und Höhlen in die Erde oder benutzen bereits
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Allgemeines.
durch zwingen ſie Den, welcher ſich mit der Erforſchung und Beſchreibung des Thierlebens befaßt, ein
trauriges Stückwerk zu liefern, — wie ich es hier geben mußte, weil ich es nicht beſſer bieten konnte.
Reicher an Arten und Formen, als die Gruppe der Schleichkatzen, iſt die Familie der Marder
(Mustela).
Es hält ſehr ſchwer, eine allgemein giltige Beſchreibung dieſer Familie zu geben; der Leibbau,
das Gebiß und die Fußbildung ſchwanken mehr, als bei allen übrigen Fleiſchfreſſern, und man kann
deshalb nur ſagen, daß die Mitglieder der Abtheilung mittelgroße oder kleine Raubthiere ſind, deren
Leib ſehr geſtreckt iſt und auf ſehr niedrigen Beinen ruht, und deren Füße vier oder fünf Zehen tragen.
Jn der Nähe des Afters finden ſich ebenfalls Drüſen, wie bei den meiſten Schleichkatzen; aber niemals
ſondern ſie einen wohlriechenden Stoff ab, wie bei jenen, vielmehr gehören gerade die ärgſten Stänker
den Mardern an. Die Behaarung des Leibes iſt gewöhnlich eine ſehr reichliche und feine, und deshalb
finden wir in unſerer Familie die geſchätzteſten aller Pelzthiere.
[Abbildung Das Beutelfrett (Cryptoprocta ſerox).]
Das Geripp zeichnet ſich durch zierliche Formen aus. Elf oder zwölf rippentragende Wirbel
umſchließen die Bruſt, acht oder neun bilden den Lendentheil, drei, welche gewöhnlich verwachſen, das
Kreuzbein, und zwölf bis ſechsundzwanzig den Schwanz. Das Schulterblatt iſt breit, das Schlüſſel-
bein fehlt faſt überall. Jm Gebiß ſind die Eckzähne ſehr entwickelt. Sie ſind lang und ſtark und
häufig ſchneidend an der Kante; die Lückzähne ſind ſcharf, ſpitz; der untere Fleiſchzahn iſt zweizackig, der
obere durch einen Zacken und einen Höcker ausgezeichnet. Die Krallen ſind nicht zurückziehbar.
Die Marder traten zuerſt in der Tertiärzeit auf, aber nur einzeln, und Dies war auch noch in der
Diluvialzeit der Fall. Gegenwärtig bewohnen ſie alle Erdtheile mit Ausnahme von Auſtralien, alle
Klimate und Höhengürtel, die Ebenen, wie die Gebirge. Jhre Aufenthaltsorte ſind Wälder oder felſige
Gegenden; aber auch freie, offne Felder, Gärten und die Wohnungen der Menſchen. Die einen ſind
Erdthiere, die anderen bewohnen das Waſſer; jene können gewöhnlich auch vortrefflich klettern: alle
verſtehen zu ſchwimmen. Die meiſten graben ſich Löcher und Höhlen in die Erde oder benutzen bereits
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/567>, abgerufen am 27.11.2024.
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