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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Nahrung. Zähmung.
einem Zwinger unsers größern Thierhauses und gestatten ihnen öfters, nach Belieben im Hause und
selbst im Hofe umherzulaufen. Da wissen sie denn nun prächtig Bescheid. Sie kennen mich sehr genau,
haben erfahren, daß ich ihnen gern einige Freiheit gewähre, und melden sich deshalb regelmäßig durch
Scharren an ihrer Thür und bittendes Knurren, wenn sie meine Stimme vernehmen. Sobald sie sich
in Freiheit sehen, streifen sie trippelnden Ganges durch das ganze Gebäude und haben, Dank ihrer
Behendigkeit, binnen wenigen Minuten Alles auskundschaftet, untersucht und berochen, was sich
findet. Jhr erster Gang ist nach dem Milcheimer, und sie verstehen es ganz prächtig, dessen Deckel
mit der spitzen Schnauze aufzuheben und so zu der von ihnen außerordentlich geliebten Flüssigkeit zu
gelangen. Es sieht allerliebst aus, wenn zu jeder Seite des Eimers eins dieser Thiere hängt und sich
nach Herzenslust erlabt. Auch andere genießbare Dinge, welche sich finden, werden nicht verschmäht
und zumal die Knochen tragen sie sich aus allen Winkeln und Ecken zusammen. Das Knochenmark
gehört zu ihren besonderen Leckerbissen. Sie geben sich viel Mühe, um sich desselben zu bemächtigen.
[Abbildung] Die Krabbenmanguste oder Urva (Herpestes cancrivorus. -- Siehe Seite 484.)
Zuerst fördern sie durch Kratzen und Scharren mit den Nägeln ihrer Vorderpfoten soviel Mark zu
Tage, als möglich, dann fassen sie den Knochen mit beiden Pfoten, erheben sich auf die Hinterbeine
und schleudern ihn rückwärts, gewöhnlich zwischen den hinteren Beinen durch, auf das Straßenpflaster
oder gegen die Wand ihres Zwingers mit solcher Heftigkeit und so großem Geschick, daß sie ihren
Zweck vollständig erreichen, durch die Erschütterung das die Knochenröhre erfüllende Mark herauszu-
bekommen. Bei ihren Wanderungen quieken und murren sie fortwährend. Wenn man sie böse macht,
vernimmt man auch wohl ein ärgerliches Geknurr von ihnen. Einen sonderbar schmetternden Ton,
welcher, wie ich schon bemerkte, dem Geschrei gewisser Frankolinhühner täuschend ähnlich ist,
habe ich nur einmal von ihnen gehört, als ich sie mit zwei anderen ihrer Art zusammenbrachte. Sie
mochten dadurch ihre besondere Aufregung kundgeben wollen. Jch gestehe, daß ich im höchsten Grade
überrascht war, derartige Töne von einem Raubthiere zu vernehmen.

Gegen uns sind die Gefangenen gewöhnlich sehr liebenswürdig. Sie lassen sich berühren und
streicheln, kommen auch auf den Ruf herbei und zeigen sich meist sehr folgsam. Demungeachtet lassen

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Nahrung. Zähmung.
einem Zwinger unſers größern Thierhauſes und geſtatten ihnen öfters, nach Belieben im Hauſe und
ſelbſt im Hofe umherzulaufen. Da wiſſen ſie denn nun prächtig Beſcheid. Sie kennen mich ſehr genau,
haben erfahren, daß ich ihnen gern einige Freiheit gewähre, und melden ſich deshalb regelmäßig durch
Scharren an ihrer Thür und bittendes Knurren, wenn ſie meine Stimme vernehmen. Sobald ſie ſich
in Freiheit ſehen, ſtreifen ſie trippelnden Ganges durch das ganze Gebäude und haben, Dank ihrer
Behendigkeit, binnen wenigen Minuten Alles auskundſchaftet, unterſucht und berochen, was ſich
findet. Jhr erſter Gang iſt nach dem Milcheimer, und ſie verſtehen es ganz prächtig, deſſen Deckel
mit der ſpitzen Schnauze aufzuheben und ſo zu der von ihnen außerordentlich geliebten Flüſſigkeit zu
gelangen. Es ſieht allerliebſt aus, wenn zu jeder Seite des Eimers eins dieſer Thiere hängt und ſich
nach Herzensluſt erlabt. Auch andere genießbare Dinge, welche ſich finden, werden nicht verſchmäht
und zumal die Knochen tragen ſie ſich aus allen Winkeln und Ecken zuſammen. Das Knochenmark
gehört zu ihren beſonderen Leckerbiſſen. Sie geben ſich viel Mühe, um ſich deſſelben zu bemächtigen.
[Abbildung] Die Krabbenmanguſte oder Urva (Herpestes cancrivorus. — Siehe Seite 484.)
Zuerſt fördern ſie durch Kratzen und Scharren mit den Nägeln ihrer Vorderpfoten ſoviel Mark zu
Tage, als möglich, dann faſſen ſie den Knochen mit beiden Pfoten, erheben ſich auf die Hinterbeine
und ſchleudern ihn rückwärts, gewöhnlich zwiſchen den hinteren Beinen durch, auf das Straßenpflaſter
oder gegen die Wand ihres Zwingers mit ſolcher Heftigkeit und ſo großem Geſchick, daß ſie ihren
Zweck vollſtändig erreichen, durch die Erſchütterung das die Knochenröhre erfüllende Mark herauszu-
bekommen. Bei ihren Wanderungen quieken und murren ſie fortwährend. Wenn man ſie böſe macht,
vernimmt man auch wohl ein ärgerliches Geknurr von ihnen. Einen ſonderbar ſchmetternden Ton,
welcher, wie ich ſchon bemerkte, dem Geſchrei gewiſſer Frankolinhühner täuſchend ähnlich iſt,
habe ich nur einmal von ihnen gehört, als ich ſie mit zwei anderen ihrer Art zuſammenbrachte. Sie
mochten dadurch ihre beſondere Aufregung kundgeben wollen. Jch geſtehe, daß ich im höchſten Grade
überraſcht war, derartige Töne von einem Raubthiere zu vernehmen.

Gegen uns ſind die Gefangenen gewöhnlich ſehr liebenswürdig. Sie laſſen ſich berühren und
ſtreicheln, kommen auch auf den Ruf herbei und zeigen ſich meiſt ſehr folgſam. Demungeachtet laſſen

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[483/0557] Nahrung. Zähmung. einem Zwinger unſers größern Thierhauſes und geſtatten ihnen öfters, nach Belieben im Hauſe und ſelbſt im Hofe umherzulaufen. Da wiſſen ſie denn nun prächtig Beſcheid. Sie kennen mich ſehr genau, haben erfahren, daß ich ihnen gern einige Freiheit gewähre, und melden ſich deshalb regelmäßig durch Scharren an ihrer Thür und bittendes Knurren, wenn ſie meine Stimme vernehmen. Sobald ſie ſich in Freiheit ſehen, ſtreifen ſie trippelnden Ganges durch das ganze Gebäude und haben, Dank ihrer Behendigkeit, binnen wenigen Minuten Alles auskundſchaftet, unterſucht und berochen, was ſich findet. Jhr erſter Gang iſt nach dem Milcheimer, und ſie verſtehen es ganz prächtig, deſſen Deckel mit der ſpitzen Schnauze aufzuheben und ſo zu der von ihnen außerordentlich geliebten Flüſſigkeit zu gelangen. Es ſieht allerliebſt aus, wenn zu jeder Seite des Eimers eins dieſer Thiere hängt und ſich nach Herzensluſt erlabt. Auch andere genießbare Dinge, welche ſich finden, werden nicht verſchmäht und zumal die Knochen tragen ſie ſich aus allen Winkeln und Ecken zuſammen. Das Knochenmark gehört zu ihren beſonderen Leckerbiſſen. Sie geben ſich viel Mühe, um ſich deſſelben zu bemächtigen. [Abbildung Die Krabbenmanguſte oder Urva (Herpestes cancrivorus. — Siehe Seite 484.)] Zuerſt fördern ſie durch Kratzen und Scharren mit den Nägeln ihrer Vorderpfoten ſoviel Mark zu Tage, als möglich, dann faſſen ſie den Knochen mit beiden Pfoten, erheben ſich auf die Hinterbeine und ſchleudern ihn rückwärts, gewöhnlich zwiſchen den hinteren Beinen durch, auf das Straßenpflaſter oder gegen die Wand ihres Zwingers mit ſolcher Heftigkeit und ſo großem Geſchick, daß ſie ihren Zweck vollſtändig erreichen, durch die Erſchütterung das die Knochenröhre erfüllende Mark herauszu- bekommen. Bei ihren Wanderungen quieken und murren ſie fortwährend. Wenn man ſie böſe macht, vernimmt man auch wohl ein ärgerliches Geknurr von ihnen. Einen ſonderbar ſchmetternden Ton, welcher, wie ich ſchon bemerkte, dem Geſchrei gewiſſer Frankolinhühner täuſchend ähnlich iſt, habe ich nur einmal von ihnen gehört, als ich ſie mit zwei anderen ihrer Art zuſammenbrachte. Sie mochten dadurch ihre beſondere Aufregung kundgeben wollen. Jch geſtehe, daß ich im höchſten Grade überraſcht war, derartige Töne von einem Raubthiere zu vernehmen. Gegen uns ſind die Gefangenen gewöhnlich ſehr liebenswürdig. Sie laſſen ſich berühren und ſtreicheln, kommen auch auf den Ruf herbei und zeigen ſich meiſt ſehr folgſam. Demungeachtet laſſen 31 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/557>, abgerufen am 17.05.2024.