sie wenigstens zu zwicken, da ihm das dicke Fell seiner Genossen natürlich undurchdringlich war. Aeußerst spaßhaft sah es aus, wenn er ein Nilpferd am Kopfe angriff. Der ungeschlachte Riese öffnete dann gutmüthig ernst seinen ungeheuern Rachen, als wolle er dem übermüthigen Hund anrathen, sich in Acht zu nehmen, und dieser versuchte es dann auch wirklich nicht, den gar zu gefährlich aussehenden, aber im Grunde doch ganz harmlosen Wasserbewohner anzugreifen. Er war so gut gezähmt, als er vielleicht gezähmt werden kann, und freute sich ungemein, wenn sein Wärter sich ihm näherte und ihn liebkoste. Gleichwohl waren die Hände dieses Mannes über und über mit Bißwunden bedeckt, welche der Hund ihm beigebracht hatte, wahrscheinlich gar nicht in böser Absicht, sondern eben nur aus reinem Uebermuth und besonderer Lust zum Beißen.
Die Betrachtung des lebenden Steppenhundes ließ sogleich jede Aehnlichkeit zwischen ihm und der Hiäne verschwinden. Schon das kluge, geweckte, muntere und listige, ja übermüthige Gesicht des behenden Gesellen zeigte einen ganz andern Ausdruck, als das dumme, störrische und geistlose der Hiäne. Noch auffallender aber wurde der Unterschied zwischen beiden, wenn man die leichten und zierlichen Bewegungen des Hundes mit denen der Hiäne verglich. Der Hund erschien auch dem Un- eingeweihten gleichsam als ein vollendetes Erzeugniß des freundlichen, hellen Tages, während die Hiäne ein echtes Kind der Nacht in jeder Hinsicht ist.
Unter den Thieren der Schaubuden finden sich regelmäßig einige, denen sich, Dank den vortreff- lichen Erläuterungen der erklärenden Thierwärter, die besondere Aufmerksamkeit der Schaulustigen zu- zuwenden pflegt! Der Erklärer pflegt diese Thiere als wahre Scheusale darzustellen und dichtet ihnen die fürchterlichsten Eigenschaften an. Mordlust, Raubgier, Grausamkeit, Blutdurst, Hinterlist und Tücke ist gewöhnlich noch das Geringste, was der Mann ihnen, den Hiänen, zuschreibt. Er lehrt sie regelmäßig auch noch als Leichenschänder und Todtenausgräber kennen und erweckt sicherlich ein gerechtes Entsetzen in den Gemüthern aller naturunkundigen Zuschauer. Die Wissenschaft hat es bis jetzt noch nicht vermocht, solchen Unwahrheiten zu steuern; diese haben sich vielmehr allen Belehrungen zum Trotz seit uralter Zeit frisch und lebendig erhalten.
Es giebt wenig Thiere, deren Kunde mit so vielen Fabeln und abenteuerlichen Sagen ausgeschmückt worden wäre, als die Geschichte der Hiänen. Schon die Alten haben die unglaublichsten Sachen von ihnen erzählt. Man behauptete, daß die Hunde Stimme und Sinne verlören, sobald sie der Schatten einer Hiäne träfe; man versicherte, daß die scheußlichen Raubthiere die Stimme des Menschen nachahmen sollten, um ihn herbeizulocken, dann plötzlich zu überfallen und zu ermorden; man glaubte, daß ein und dasselbe Thier beide Geschlechter in sich vereinige, ja selbst nach Belieben das Geschlecht ändern und sich bald als männliches, bald als weibliches Wesen zeigen könne. Das Merkwürdigste bei der Sache ist, daß diese Fabelei Wiederklang findet bei allen Völkerschaften, welche die Hiänen kennen lernten. Namentlich die Araber sind reich an Sagen über die Hiäne. Man glaubt steif und fest, daß Menschen von dem Genusse des Hiänengehirnes rasend werden, und vergräbt den Kopf des erlegten Raubthieres, um bösen Zauberern die Gelegenheit zu übernatürlichen Beschwörungen zu nehmen. Ja, man ist sogar fest überzeugt, daß die Hiänen selbst nichts Anderes sind, als verkappte Zauberer, welche bei Tage in Menschengestalt umherwandeln, bei Nacht aber die Hiänenmaske an- nähmen, allen Gerechten zum Verderben. Jch selbst bin mehrere Male von meinen arabischen Dienern herzlich und dringend gewarnt worden, auf Hiänen zu schießen, und schauerliche Geschichten wurden mir über die Gewalt der verlarvten, höllischen Geister mitgetheilt.
"Diese verzauberten Menschen, die von Allah, dem Erhabenen Verdammten", so sagte mir mein Diener Aali, "können durch den blosen Blick ihres bösen Auges das Blut in den Adern des Gott- seligen zum Stocken und das Herz zum Stillstehen bringen, die Eingeweide austrocknen und den Ver- stand verwirren. Einer unserer Herrscher, Churschid Pascha, ließ viele von den Dörfern ver- brennen, -- Gott segne ihn dafür! -- in denen sich solche Zauberer befanden, und dennoch ist ihre
Die Raubthiere. Hunde. — Steppenhund. Hiänen.
ſie wenigſtens zu zwicken, da ihm das dicke Fell ſeiner Genoſſen natürlich undurchdringlich war. Aeußerſt ſpaßhaft ſah es aus, wenn er ein Nilpferd am Kopfe angriff. Der ungeſchlachte Rieſe öffnete dann gutmüthig ernſt ſeinen ungeheuern Rachen, als wolle er dem übermüthigen Hund anrathen, ſich in Acht zu nehmen, und dieſer verſuchte es dann auch wirklich nicht, den gar zu gefährlich ausſehenden, aber im Grunde doch ganz harmloſen Waſſerbewohner anzugreifen. Er war ſo gut gezähmt, als er vielleicht gezähmt werden kann, und freute ſich ungemein, wenn ſein Wärter ſich ihm näherte und ihn liebkoſte. Gleichwohl waren die Hände dieſes Mannes über und über mit Bißwunden bedeckt, welche der Hund ihm beigebracht hatte, wahrſcheinlich gar nicht in böſer Abſicht, ſondern eben nur aus reinem Uebermuth und beſonderer Luſt zum Beißen.
Die Betrachtung des lebenden Steppenhundes ließ ſogleich jede Aehnlichkeit zwiſchen ihm und der Hiäne verſchwinden. Schon das kluge, geweckte, muntere und liſtige, ja übermüthige Geſicht des behenden Geſellen zeigte einen ganz andern Ausdruck, als das dumme, ſtörriſche und geiſtloſe der Hiäne. Noch auffallender aber wurde der Unterſchied zwiſchen beiden, wenn man die leichten und zierlichen Bewegungen des Hundes mit denen der Hiäne verglich. Der Hund erſchien auch dem Un- eingeweihten gleichſam als ein vollendetes Erzeugniß des freundlichen, hellen Tages, während die Hiäne ein echtes Kind der Nacht in jeder Hinſicht iſt.
Unter den Thieren der Schaubuden finden ſich regelmäßig einige, denen ſich, Dank den vortreff- lichen Erläuterungen der erklärenden Thierwärter, die beſondere Aufmerkſamkeit der Schauluſtigen zu- zuwenden pflegt! Der Erklärer pflegt dieſe Thiere als wahre Scheuſale darzuſtellen und dichtet ihnen die fürchterlichſten Eigenſchaften an. Mordluſt, Raubgier, Grauſamkeit, Blutdurſt, Hinterliſt und Tücke iſt gewöhnlich noch das Geringſte, was der Mann ihnen, den Hiänen, zuſchreibt. Er lehrt ſie regelmäßig auch noch als Leichenſchänder und Todtenausgräber kennen und erweckt ſicherlich ein gerechtes Entſetzen in den Gemüthern aller naturunkundigen Zuſchauer. Die Wiſſenſchaft hat es bis jetzt noch nicht vermocht, ſolchen Unwahrheiten zu ſteuern; dieſe haben ſich vielmehr allen Belehrungen zum Trotz ſeit uralter Zeit friſch und lebendig erhalten.
Es giebt wenig Thiere, deren Kunde mit ſo vielen Fabeln und abenteuerlichen Sagen ausgeſchmückt worden wäre, als die Geſchichte der Hiänen. Schon die Alten haben die unglaublichſten Sachen von ihnen erzählt. Man behauptete, daß die Hunde Stimme und Sinne verlören, ſobald ſie der Schatten einer Hiäne träfe; man verſicherte, daß die ſcheußlichen Raubthiere die Stimme des Menſchen nachahmen ſollten, um ihn herbeizulocken, dann plötzlich zu überfallen und zu ermorden; man glaubte, daß ein und daſſelbe Thier beide Geſchlechter in ſich vereinige, ja ſelbſt nach Belieben das Geſchlecht ändern und ſich bald als männliches, bald als weibliches Weſen zeigen könne. Das Merkwürdigſte bei der Sache iſt, daß dieſe Fabelei Wiederklang findet bei allen Völkerſchaften, welche die Hiänen kennen lernten. Namentlich die Araber ſind reich an Sagen über die Hiäne. Man glaubt ſteif und feſt, daß Menſchen von dem Genuſſe des Hiänengehirnes raſend werden, und vergräbt den Kopf des erlegten Raubthieres, um böſen Zauberern die Gelegenheit zu übernatürlichen Beſchwörungen zu nehmen. Ja, man iſt ſogar feſt überzeugt, daß die Hiänen ſelbſt nichts Anderes ſind, als verkappte Zauberer, welche bei Tage in Menſchengeſtalt umherwandeln, bei Nacht aber die Hiänenmaske an- nähmen, allen Gerechten zum Verderben. Jch ſelbſt bin mehrere Male von meinen arabiſchen Dienern herzlich und dringend gewarnt worden, auf Hiänen zu ſchießen, und ſchauerliche Geſchichten wurden mir über die Gewalt der verlarvten, hölliſchen Geiſter mitgetheilt.
„Dieſe verzauberten Menſchen, die von Allah, dem Erhabenen Verdammten‟, ſo ſagte mir mein Diener Aali, „können durch den bloſen Blick ihres böſen Auges das Blut in den Adern des Gott- ſeligen zum Stocken und das Herz zum Stillſtehen bringen, die Eingeweide austrocknen und den Ver- ſtand verwirren. Einer unſerer Herrſcher, Churſchid Paſcha, ließ viele von den Dörfern ver- brennen, — Gott ſegne ihn dafür! — in denen ſich ſolche Zauberer befanden, und dennoch iſt ihre
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Die Raubthiere. Hunde. — Steppenhund. Hiänen.
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ſpaßhaft ſah es aus, wenn er ein Nilpferd am Kopfe angriff. Der ungeſchlachte Rieſe öffnete dann
gutmüthig ernſt ſeinen ungeheuern Rachen, als wolle er dem übermüthigen Hund anrathen, ſich in
Acht zu nehmen, und dieſer verſuchte es dann auch wirklich nicht, den gar zu gefährlich ausſehenden,
aber im Grunde doch ganz harmloſen Waſſerbewohner anzugreifen. Er war ſo gut gezähmt, als er
vielleicht gezähmt werden kann, und freute ſich ungemein, wenn ſein Wärter ſich ihm näherte und
ihn liebkoſte. Gleichwohl waren die Hände dieſes Mannes über und über mit Bißwunden bedeckt,
welche der Hund ihm beigebracht hatte, wahrſcheinlich gar nicht in böſer Abſicht, ſondern eben nur
aus reinem Uebermuth und beſonderer Luſt zum Beißen.
Die Betrachtung des lebenden Steppenhundes ließ ſogleich jede Aehnlichkeit zwiſchen ihm und
der Hiäne verſchwinden. Schon das kluge, geweckte, muntere und liſtige, ja übermüthige Geſicht des
behenden Geſellen zeigte einen ganz andern Ausdruck, als das dumme, ſtörriſche und geiſtloſe der
Hiäne. Noch auffallender aber wurde der Unterſchied zwiſchen beiden, wenn man die leichten und
zierlichen Bewegungen des Hundes mit denen der Hiäne verglich. Der Hund erſchien auch dem Un-
eingeweihten gleichſam als ein vollendetes Erzeugniß des freundlichen, hellen Tages, während die
Hiäne ein echtes Kind der Nacht in jeder Hinſicht iſt.
Unter den Thieren der Schaubuden finden ſich regelmäßig einige, denen ſich, Dank den vortreff-
lichen Erläuterungen der erklärenden Thierwärter, die beſondere Aufmerkſamkeit der Schauluſtigen zu-
zuwenden pflegt! Der Erklärer pflegt dieſe Thiere als wahre Scheuſale darzuſtellen und dichtet ihnen
die fürchterlichſten Eigenſchaften an. Mordluſt, Raubgier, Grauſamkeit, Blutdurſt, Hinterliſt und
Tücke iſt gewöhnlich noch das Geringſte, was der Mann ihnen, den Hiänen, zuſchreibt. Er lehrt
ſie regelmäßig auch noch als Leichenſchänder und Todtenausgräber kennen und erweckt ſicherlich ein
gerechtes Entſetzen in den Gemüthern aller naturunkundigen Zuſchauer. Die Wiſſenſchaft hat es bis
jetzt noch nicht vermocht, ſolchen Unwahrheiten zu ſteuern; dieſe haben ſich vielmehr allen Belehrungen
zum Trotz ſeit uralter Zeit friſch und lebendig erhalten.
Es giebt wenig Thiere, deren Kunde mit ſo vielen Fabeln und abenteuerlichen Sagen ausgeſchmückt
worden wäre, als die Geſchichte der Hiänen. Schon die Alten haben die unglaublichſten Sachen
von ihnen erzählt. Man behauptete, daß die Hunde Stimme und Sinne verlören, ſobald ſie der
Schatten einer Hiäne träfe; man verſicherte, daß die ſcheußlichen Raubthiere die Stimme des Menſchen
nachahmen ſollten, um ihn herbeizulocken, dann plötzlich zu überfallen und zu ermorden; man glaubte,
daß ein und daſſelbe Thier beide Geſchlechter in ſich vereinige, ja ſelbſt nach Belieben das Geſchlecht
ändern und ſich bald als männliches, bald als weibliches Weſen zeigen könne. Das Merkwürdigſte
bei der Sache iſt, daß dieſe Fabelei Wiederklang findet bei allen Völkerſchaften, welche die Hiänen
kennen lernten. Namentlich die Araber ſind reich an Sagen über die Hiäne. Man glaubt ſteif und
feſt, daß Menſchen von dem Genuſſe des Hiänengehirnes raſend werden, und vergräbt den Kopf des
erlegten Raubthieres, um böſen Zauberern die Gelegenheit zu übernatürlichen Beſchwörungen zu
nehmen. Ja, man iſt ſogar feſt überzeugt, daß die Hiänen ſelbſt nichts Anderes ſind, als verkappte
Zauberer, welche bei Tage in Menſchengeſtalt umherwandeln, bei Nacht aber die Hiänenmaske an-
nähmen, allen Gerechten zum Verderben. Jch ſelbſt bin mehrere Male von meinen arabiſchen Dienern
herzlich und dringend gewarnt worden, auf Hiänen zu ſchießen, und ſchauerliche Geſchichten wurden
mir über die Gewalt der verlarvten, hölliſchen Geiſter mitgetheilt.
„Dieſe verzauberten Menſchen, die von Allah, dem Erhabenen Verdammten‟, ſo ſagte mir mein
Diener Aali, „können durch den bloſen Blick ihres böſen Auges das Blut in den Adern des Gott-
ſeligen zum Stocken und das Herz zum Stillſtehen bringen, die Eingeweide austrocknen und den Ver-
ſtand verwirren. Einer unſerer Herrſcher, Churſchid Paſcha, ließ viele von den Dörfern ver-
brennen, — Gott ſegne ihn dafür! — in denen ſich ſolche Zauberer befanden, und dennoch iſt ihre
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/520>, abgerufen am 16.07.2024.
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