ärgerlich, fuhr er mit der Schnauze herum, biß den Lauf schnell ab und war nun eben so flüchtig, als fehlte ihm Nichts. Ueberhaupt besitzt der Fuchs eine überraschende Lebenszähigkeit. Es sind mehrere Beispiele bekannt, wo für todt gehaltene Füchse plötzlich wieder auf- und davonsprangen. Ganz scheintodte bissen die Leute, welche sie längere Zeit schon getragen hatten, plötzlich fürchterlich; Wil- dungen sah sogar, daß ein Fuchs, dem man den Balg schon bis zu den Ohren abgestreift hatte, den Abstreifer noch tüchtig in die Finger biß. Auf drei Beinen laufen verwundete Füchse noch ebenso schnell, als auf vieren, ja sie sind selbst dann noch weggelaufen, wenn man sie angeschossen und ihre Hinterläufe eingehesset d. h. durch einander gesteckt hatte, wie man es bei den erlegten Hasen zu thun pflegt.
Nur wenn der Fuchs sehr hungrig ist, läßt er sich baizen oder ködern, und auch dann erscheint er selten vor zehn Uhr des Nachts auf dem Luderplatze. Der Hunger läßt ihn zuletzt seine Klugheit gänzlich aus den Augen setzen: er macht schließlich einen wahren Wolf aus ihm. Es ist ein ganz ge- wöhnlicher Fall, daß von hungrigen Füchsen schwer Verwundete ihrer eigenen Art zerrissen und auf- gefressen worden sind. Ein Bekannter Winckells traf einen Fuchs darüber an, einen andern, welcher sich über Nacht im Schwanenhalse gefangen hatte, zu verzehren, und zwar that er das mit so vieler Lüsternheit, daß der Jäger im Freien herangehen und sich durch Erlegung des Räubers für den zer- rissenen Balg des gefangenen Fuchses bezahlt machen konnte. Die jungen Füchse fressen zuweilen ihre Brüder, ja selbst ihre Mutter auf. Förster Müller sah mit an, wie sechs junge Füchse miteinander spielten, dann zankten und dabei den einen blutig bissen. Der Verwundete suchte zu entkommen, wurde aber augenblicklich von der ganzen Schar mörderisch angefallen, umgebracht und aufgefressen. Aehnlich erging es einem jungen Fuchse, welcher angeschossen worden war, sich aber noch bis zu seinem Baue fortschleppte. Als man letztern kurze Zeit darauf öffnete, hatten ihn seine Brüder bereits verzehrt. Wildmeister Euler schoß eine säugende Füchsin und legte sie neben dem Bau in ein Loch, fand aber am andern Morgen nur noch den Balg und die Knochen: das Uebrige hatten die jungen Füchschen verzehrt. Gefangene Füchsinnen haben sogar ihre Kinder aufgefressen.
Außer dem Menschen hat der Fuchs übrigens immer noch eine Anzahl von Feinden. Wenn ihn der Wolf fangen kann, frißt er ihn ohne Umstände auf, und die Hunde haben so großen Groll auf ihn, daß sie ihn wenigstens zerreißen. Merkwürdig ist es aber, daß trächtige oder säugende Füch- sinnen häufig von den männlichen Hunden geschont und gar nicht verfolgt werden. Die übrigen Säugethiere können Reinecke Nichts anhaben: unter den Vögeln hat er aber mehrere sehr gefährliche Feinde. Der Habicht nimmt junge Füchse ohne Zögern weg, der Jagdedelfalke (?) des Nordens halberwachsene und der Steinadler sogar erwachsene, obgleich ihm Dies zuweilen sehr schlecht be- kommt. Tschudi berichtet einen solchen Fall. "Ein Fuchs lief über den Gletscher und wurde blitz- schnell von einem Steinadler gepackt und hoch in die Lüfte geführt. Der Räuber fing bald an, sonderbar mit den Flügeln zu schlagen und verlor sich hinter einem Grat. Der Beobachter stieg zu diesem heran -- da lief zu seinem Erstaunen der Fuchs pfeilschnell an ihm vorbei: -- auf der andern Seite fand er den sterbenden Adler mit aufgebissener Brust. Dem Fuchs war es gelungen, den Hals zu strecken, seinen Räuber bei der Kehle zu packen und diese durchzubeißen. Wohlgemuth hinkte er nun von dannen, mochte aber wohl sein Leben lang die sausende Luftfahrt nicht vergessen. Jn den übrigen Thierklassen hat der Fuchs keine Feinde, welche ihm gefährlich werden könnten, wohl aber solche, welche ihn belästigen, so namentlich viel Flöhe. Daß er diese durch ein sorgfältig genommenes Bad in ein im Maule getragenes Bündel Mos treibe und dann durch Wegwerfen dieses Bündels sich jene unangenehmen Gäste vom Halse schaffe, ist eine Fabel.
Es ist erwiesen, daß der Fuchs fast alle Krankheiten des Hundes theilt und auch von der fürchterlichen Tollwuth befallen wird. Ja, man kennt sogar Beispiele, daß er, von dieser entsetz- lichen Seuche getrieben, bei hellem Tage in das Jnnere der Dörfer kam und hier Alles biß, was ihm in den Weg lief. Glücklicher Weise sind solche Fälle selten, wie denn überhaupt wohl auch die wenigsten Füchse ihr Leben durch Krankheiten enden dürften. Ebenso selten mögen sie aber wohl
Jagd und Fang. Feinde. Krankheiten.
ärgerlich, fuhr er mit der Schnauze herum, biß den Lauf ſchnell ab und war nun eben ſo flüchtig, als fehlte ihm Nichts. Ueberhaupt beſitzt der Fuchs eine überraſchende Lebenszähigkeit. Es ſind mehrere Beiſpiele bekannt, wo für todt gehaltene Füchſe plötzlich wieder auf- und davonſprangen. Ganz ſcheintodte biſſen die Leute, welche ſie längere Zeit ſchon getragen hatten, plötzlich fürchterlich; Wil- dungen ſah ſogar, daß ein Fuchs, dem man den Balg ſchon bis zu den Ohren abgeſtreift hatte, den Abſtreifer noch tüchtig in die Finger biß. Auf drei Beinen laufen verwundete Füchſe noch ebenſo ſchnell, als auf vieren, ja ſie ſind ſelbſt dann noch weggelaufen, wenn man ſie angeſchoſſen und ihre Hinterläufe eingeheſſet d. h. durch einander geſteckt hatte, wie man es bei den erlegten Haſen zu thun pflegt.
Nur wenn der Fuchs ſehr hungrig iſt, läßt er ſich baizen oder ködern, und auch dann erſcheint er ſelten vor zehn Uhr des Nachts auf dem Luderplatze. Der Hunger läßt ihn zuletzt ſeine Klugheit gänzlich aus den Augen ſetzen: er macht ſchließlich einen wahren Wolf aus ihm. Es iſt ein ganz ge- wöhnlicher Fall, daß von hungrigen Füchſen ſchwer Verwundete ihrer eigenen Art zerriſſen und auf- gefreſſen worden ſind. Ein Bekannter Winckells traf einen Fuchs darüber an, einen andern, welcher ſich über Nacht im Schwanenhalſe gefangen hatte, zu verzehren, und zwar that er das mit ſo vieler Lüſternheit, daß der Jäger im Freien herangehen und ſich durch Erlegung des Räubers für den zer- riſſenen Balg des gefangenen Fuchſes bezahlt machen konnte. Die jungen Füchſe freſſen zuweilen ihre Brüder, ja ſelbſt ihre Mutter auf. Förſter Müller ſah mit an, wie ſechs junge Füchſe miteinander ſpielten, dann zankten und dabei den einen blutig biſſen. Der Verwundete ſuchte zu entkommen, wurde aber augenblicklich von der ganzen Schar mörderiſch angefallen, umgebracht und aufgefreſſen. Aehnlich erging es einem jungen Fuchſe, welcher angeſchoſſen worden war, ſich aber noch bis zu ſeinem Baue fortſchleppte. Als man letztern kurze Zeit darauf öffnete, hatten ihn ſeine Brüder bereits verzehrt. Wildmeiſter Euler ſchoß eine ſäugende Füchſin und legte ſie neben dem Bau in ein Loch, fand aber am andern Morgen nur noch den Balg und die Knochen: das Uebrige hatten die jungen Füchschen verzehrt. Gefangene Füchſinnen haben ſogar ihre Kinder aufgefreſſen.
Außer dem Menſchen hat der Fuchs übrigens immer noch eine Anzahl von Feinden. Wenn ihn der Wolf fangen kann, frißt er ihn ohne Umſtände auf, und die Hunde haben ſo großen Groll auf ihn, daß ſie ihn wenigſtens zerreißen. Merkwürdig iſt es aber, daß trächtige oder ſäugende Füch- ſinnen häufig von den männlichen Hunden geſchont und gar nicht verfolgt werden. Die übrigen Säugethiere können Reinecke Nichts anhaben: unter den Vögeln hat er aber mehrere ſehr gefährliche Feinde. Der Habicht nimmt junge Füchſe ohne Zögern weg, der Jagdedelfalke (?) des Nordens halberwachſene und der Steinadler ſogar erwachſene, obgleich ihm Dies zuweilen ſehr ſchlecht be- kommt. Tſchudi berichtet einen ſolchen Fall. „Ein Fuchs lief über den Gletſcher und wurde blitz- ſchnell von einem Steinadler gepackt und hoch in die Lüfte geführt. Der Räuber fing bald an, ſonderbar mit den Flügeln zu ſchlagen und verlor ſich hinter einem Grat. Der Beobachter ſtieg zu dieſem heran — da lief zu ſeinem Erſtaunen der Fuchs pfeilſchnell an ihm vorbei: — auf der andern Seite fand er den ſterbenden Adler mit aufgebiſſener Bruſt. Dem Fuchs war es gelungen, den Hals zu ſtrecken, ſeinen Räuber bei der Kehle zu packen und dieſe durchzubeißen. Wohlgemuth hinkte er nun von dannen, mochte aber wohl ſein Leben lang die ſauſende Luftfahrt nicht vergeſſen. Jn den übrigen Thierklaſſen hat der Fuchs keine Feinde, welche ihm gefährlich werden könnten, wohl aber ſolche, welche ihn beläſtigen, ſo namentlich viel Flöhe. Daß er dieſe durch ein ſorgfältig genommenes Bad in ein im Maule getragenes Bündel Mos treibe und dann durch Wegwerfen dieſes Bündels ſich jene unangenehmen Gäſte vom Halſe ſchaffe, iſt eine Fabel.
Es iſt erwieſen, daß der Fuchs faſt alle Krankheiten des Hundes theilt und auch von der fürchterlichen Tollwuth befallen wird. Ja, man kennt ſogar Beiſpiele, daß er, von dieſer entſetz- lichen Seuche getrieben, bei hellem Tage in das Jnnere der Dörfer kam und hier Alles biß, was ihm in den Weg lief. Glücklicher Weiſe ſind ſolche Fälle ſelten, wie denn überhaupt wohl auch die wenigſten Füchſe ihr Leben durch Krankheiten enden dürften. Ebenſo ſelten mögen ſie aber wohl
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Jagd und Fang. Feinde. Krankheiten.
ärgerlich, fuhr er mit der Schnauze herum, biß den Lauf ſchnell ab und war nun eben ſo flüchtig, als
fehlte ihm Nichts. Ueberhaupt beſitzt der Fuchs eine überraſchende Lebenszähigkeit. Es ſind mehrere
Beiſpiele bekannt, wo für todt gehaltene Füchſe plötzlich wieder auf- und davonſprangen. Ganz
ſcheintodte biſſen die Leute, welche ſie längere Zeit ſchon getragen hatten, plötzlich fürchterlich; Wil-
dungen ſah ſogar, daß ein Fuchs, dem man den Balg ſchon bis zu den Ohren abgeſtreift hatte, den
Abſtreifer noch tüchtig in die Finger biß. Auf drei Beinen laufen verwundete Füchſe noch ebenſo
ſchnell, als auf vieren, ja ſie ſind ſelbſt dann noch weggelaufen, wenn man ſie angeſchoſſen und
ihre Hinterläufe eingeheſſet d. h. durch einander geſteckt hatte, wie man es bei den erlegten Haſen
zu thun pflegt.
Nur wenn der Fuchs ſehr hungrig iſt, läßt er ſich baizen oder ködern, und auch dann erſcheint
er ſelten vor zehn Uhr des Nachts auf dem Luderplatze. Der Hunger läßt ihn zuletzt ſeine Klugheit
gänzlich aus den Augen ſetzen: er macht ſchließlich einen wahren Wolf aus ihm. Es iſt ein ganz ge-
wöhnlicher Fall, daß von hungrigen Füchſen ſchwer Verwundete ihrer eigenen Art zerriſſen und auf-
gefreſſen worden ſind. Ein Bekannter Winckells traf einen Fuchs darüber an, einen andern, welcher
ſich über Nacht im Schwanenhalſe gefangen hatte, zu verzehren, und zwar that er das mit ſo vieler
Lüſternheit, daß der Jäger im Freien herangehen und ſich durch Erlegung des Räubers für den zer-
riſſenen Balg des gefangenen Fuchſes bezahlt machen konnte. Die jungen Füchſe freſſen zuweilen ihre
Brüder, ja ſelbſt ihre Mutter auf. Förſter Müller ſah mit an, wie ſechs junge Füchſe miteinander
ſpielten, dann zankten und dabei den einen blutig biſſen. Der Verwundete ſuchte zu entkommen, wurde
aber augenblicklich von der ganzen Schar mörderiſch angefallen, umgebracht und aufgefreſſen. Aehnlich
erging es einem jungen Fuchſe, welcher angeſchoſſen worden war, ſich aber noch bis zu ſeinem Baue
fortſchleppte. Als man letztern kurze Zeit darauf öffnete, hatten ihn ſeine Brüder bereits verzehrt.
Wildmeiſter Euler ſchoß eine ſäugende Füchſin und legte ſie neben dem Bau in ein Loch, fand aber am
andern Morgen nur noch den Balg und die Knochen: das Uebrige hatten die jungen Füchschen verzehrt.
Gefangene Füchſinnen haben ſogar ihre Kinder aufgefreſſen.
Außer dem Menſchen hat der Fuchs übrigens immer noch eine Anzahl von Feinden. Wenn ihn
der Wolf fangen kann, frißt er ihn ohne Umſtände auf, und die Hunde haben ſo großen Groll auf
ihn, daß ſie ihn wenigſtens zerreißen. Merkwürdig iſt es aber, daß trächtige oder ſäugende Füch-
ſinnen häufig von den männlichen Hunden geſchont und gar nicht verfolgt werden. Die übrigen
Säugethiere können Reinecke Nichts anhaben: unter den Vögeln hat er aber mehrere ſehr gefährliche
Feinde. Der Habicht nimmt junge Füchſe ohne Zögern weg, der Jagdedelfalke (?) des Nordens
halberwachſene und der Steinadler ſogar erwachſene, obgleich ihm Dies zuweilen ſehr ſchlecht be-
kommt. Tſchudi berichtet einen ſolchen Fall. „Ein Fuchs lief über den Gletſcher und wurde blitz-
ſchnell von einem Steinadler gepackt und hoch in die Lüfte geführt. Der Räuber fing bald an,
ſonderbar mit den Flügeln zu ſchlagen und verlor ſich hinter einem Grat. Der Beobachter ſtieg zu
dieſem heran — da lief zu ſeinem Erſtaunen der Fuchs pfeilſchnell an ihm vorbei: — auf der andern
Seite fand er den ſterbenden Adler mit aufgebiſſener Bruſt. Dem Fuchs war es gelungen, den Hals
zu ſtrecken, ſeinen Räuber bei der Kehle zu packen und dieſe durchzubeißen. Wohlgemuth hinkte er
nun von dannen, mochte aber wohl ſein Leben lang die ſauſende Luftfahrt nicht vergeſſen. Jn den
übrigen Thierklaſſen hat der Fuchs keine Feinde, welche ihm gefährlich werden könnten, wohl aber
ſolche, welche ihn beläſtigen, ſo namentlich viel Flöhe. Daß er dieſe durch ein ſorgfältig genommenes
Bad in ein im Maule getragenes Bündel Mos treibe und dann durch Wegwerfen dieſes Bündels
ſich jene unangenehmen Gäſte vom Halſe ſchaffe, iſt eine Fabel.
Es iſt erwieſen, daß der Fuchs faſt alle Krankheiten des Hundes theilt und auch von der
fürchterlichen Tollwuth befallen wird. Ja, man kennt ſogar Beiſpiele, daß er, von dieſer entſetz-
lichen Seuche getrieben, bei hellem Tage in das Jnnere der Dörfer kam und hier Alles biß, was
ihm in den Weg lief. Glücklicher Weiſe ſind ſolche Fälle ſelten, wie denn überhaupt wohl auch
die wenigſten Füchſe ihr Leben durch Krankheiten enden dürften. Ebenſo ſelten mögen ſie aber wohl
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/497>, abgerufen am 22.11.2024.
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