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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde. -- Prairiewolf. Gemeiner Fuchs.
für die Betonung verschiedener Laute und bezüglich Worte, ganz wie ein Hund. Er fürchtet sich,
wenn man ihn hart anredet; er versteht Schmeicheleien und läßt sich durch klagende oder bedauernde
Worte zur tiefsten Wehmuth hinreißen. Auch die Musik preßt ihm stets laute Klagen aus; doch ist
es mit seiner Heulerei nicht so ernsthaft gemeint. Er läßt sich förmlich zureden, wie ein Mensch,
und schweigt, sobald man die Stimme verändert und ernsthaft ruhig mit ihm spricht. Sein Ge-
dächtniß ist bewundernswürdig. Er vergißt ebensowenig Liebkosungen, als Beleidigungen. Gegen
Letztere sucht er sich zu rächen, auch nach längerer Zeit, Erstere nimmt er mit größtem Dank entgegen.
Sein Wärter mußte ihn einmal von einem Käfig in den andern bringen und dazu natürlich fangen.
Dies nahm er übel und biß plötzlich nach dem sonst sehr geliebten Manne. Hierauf wurde er von
Rechts wegen bestraft. Seit dieser Zeit aber hegt er einen tiefen Groll gegen seinen Wärter, obgleich
dieser ihn fortan gut und freundlich behandelte und regelmäßig fütterte. Mir dagegen ist er, obgleich
ich ihm nur selten Etwas zu fressen reichte, im hohen Grade zugethan, und niemals denkt er daran,
nach mir zu beißen. Seinen alten Herrn liebt er noch immer, obwohl dieser ihn sehr selten besucht.
Er erkennt mich von Weitem und begrüßt mich regelmäßig durch ein äußerst freundliches Gesicht und
einladendes Schwanzwedeln, sobald ich mich zeige. Wenn ich ihn mit der Hand streichle, legt er sich
gern auf den Rücken, wie Hunde Dies thun, und ich darf dann mit ihm spielen, ihm die Hand
zwischen das kräftige Gebiß schieben, ja ihn selbst an dem Felle zausen, ohne daß er Solches jemals
übelnehmen sollte.



Die eigentlichen Füchse unterscheiden sich von den Haushunden, Wölfen und Schakalen
durch den Schädelbau, den länglichrunden, etwas schiefstehenden Augenstern und den langen,
buschigen, behaarten Schwanz, noch mehr aber durch ihre geistigen Fähigkeiten und ihre Lebensweise.
Jedes Mitglied der theilnahmswerthen Gesellschaft verdient eine besondere Beschreibung; denn jeder
Fuchs ist ein durchaus selbstständig handelndes Geschöpf und hat mehr oder weniger seine Eigen-
thümlichkeiten, obgleich selbstverständlich einer dem andern mehr oder weniger ähnelt. Mir thut es
ordentlich leid, daß ich mich beschränken muß und nur von den Ausgezeichnetsten der Ausgezeichneten
reden darf.

Unter den in Europa einheimischen und wildlebenden Säugethieren steht der gemeine Fuchs
(Vulpes vulgaris) unzweifelhaft obenan. Kaum ein einziges anderes Mitglied der ersten Klasse
genießt einen so hohen Ruhm und erfreut sich einer so großen Bekanntschaft, wie Freund Reinecke,
das Sinnbild der List, Verschlagenheit, Tücke, Frevelhaftigkeit und, wie ich sagen möchte, gemeinen
Ritterlichkeit. Jhn rühmt das Sprichwort, ihn preist die Sage, ihn verherrlicht das Gedicht, und
einer unserer größten Meister hielt ihn für würdig, seinen Gesang ihm zu widmen. Es ist gar nicht
anders möglich: der Gegenstand einer so allgemeinen Theilnahme muß ein ausgezeichnetes Geschöpf
sein. Und das ist denn auch unser Schlaukopf und Strauchdieb in jeder Hinsicht. Wir müssen ihm unsere
Achtung zollen seiner geistigen, wie leiblichen Eigenschaften wegen, wir müssen ihn gewissermaßen lieb-
gewinnen. Gleichwohl erfreut sich Reinecke keineswegs unserer Freundschaft. Trotz der Achtung, welche
seine Fähigkeiten uns einflößen, wird er von uns verfolgt und befehdet, wo sich nur immer Gelegenheit
dazu bietet. Es scheint fast, als bestände zwischen dem Menschen und Thiere ein Wettstreit, als
bemühe sich der Mensch, ihm gegenüber zu zeigen, daß die geistigen Fähigkeiten des Erdenbeherrschers
denn doch noch die des Fuchses überträfen -- und Reinecke seinerseits läßt es sich angelegen sein,
seinem Verfolger immer und immer wieder zu zeigen, daß man auch trotz aller Hindernisse noch
zu leben verstehe.

Der Fuchs ist ein vollendetes Thier in seiner Art. "Zierlicher, als seine Verwandten in Tracht
und Haltung", sagt Tschudi, "feiner, vorsichtiger, berechnender, biegsamer, von großem Gedächtniß
und Ortsinn, erfinderisch, geduldig, entschlossen, gleich gewandt im Springen, Schleichen, Kriechen

Die Raubthiere. Hunde. — Prairiewolf. Gemeiner Fuchs.
für die Betonung verſchiedener Laute und bezüglich Worte, ganz wie ein Hund. Er fürchtet ſich,
wenn man ihn hart anredet; er verſteht Schmeicheleien und läßt ſich durch klagende oder bedauernde
Worte zur tiefſten Wehmuth hinreißen. Auch die Muſik preßt ihm ſtets laute Klagen aus; doch iſt
es mit ſeiner Heulerei nicht ſo ernſthaft gemeint. Er läßt ſich förmlich zureden, wie ein Menſch,
und ſchweigt, ſobald man die Stimme verändert und ernſthaft ruhig mit ihm ſpricht. Sein Ge-
dächtniß iſt bewundernswürdig. Er vergißt ebenſowenig Liebkoſungen, als Beleidigungen. Gegen
Letztere ſucht er ſich zu rächen, auch nach längerer Zeit, Erſtere nimmt er mit größtem Dank entgegen.
Sein Wärter mußte ihn einmal von einem Käfig in den andern bringen und dazu natürlich fangen.
Dies nahm er übel und biß plötzlich nach dem ſonſt ſehr geliebten Manne. Hierauf wurde er von
Rechts wegen beſtraft. Seit dieſer Zeit aber hegt er einen tiefen Groll gegen ſeinen Wärter, obgleich
dieſer ihn fortan gut und freundlich behandelte und regelmäßig fütterte. Mir dagegen iſt er, obgleich
ich ihm nur ſelten Etwas zu freſſen reichte, im hohen Grade zugethan, und niemals denkt er daran,
nach mir zu beißen. Seinen alten Herrn liebt er noch immer, obwohl dieſer ihn ſehr ſelten beſucht.
Er erkennt mich von Weitem und begrüßt mich regelmäßig durch ein äußerſt freundliches Geſicht und
einladendes Schwanzwedeln, ſobald ich mich zeige. Wenn ich ihn mit der Hand ſtreichle, legt er ſich
gern auf den Rücken, wie Hunde Dies thun, und ich darf dann mit ihm ſpielen, ihm die Hand
zwiſchen das kräftige Gebiß ſchieben, ja ihn ſelbſt an dem Felle zauſen, ohne daß er Solches jemals
übelnehmen ſollte.



Die eigentlichen Füchſe unterſcheiden ſich von den Haushunden, Wölfen und Schakalen
durch den Schädelbau, den länglichrunden, etwas ſchiefſtehenden Augenſtern und den langen,
buſchigen, behaarten Schwanz, noch mehr aber durch ihre geiſtigen Fähigkeiten und ihre Lebensweiſe.
Jedes Mitglied der theilnahmswerthen Geſellſchaft verdient eine beſondere Beſchreibung; denn jeder
Fuchs iſt ein durchaus ſelbſtſtändig handelndes Geſchöpf und hat mehr oder weniger ſeine Eigen-
thümlichkeiten, obgleich ſelbſtverſtändlich einer dem andern mehr oder weniger ähnelt. Mir thut es
ordentlich leid, daß ich mich beſchränken muß und nur von den Ausgezeichnetſten der Ausgezeichneten
reden darf.

Unter den in Europa einheimiſchen und wildlebenden Säugethieren ſteht der gemeine Fuchs
(Vulpes vulgaris) unzweifelhaft obenan. Kaum ein einziges anderes Mitglied der erſten Klaſſe
genießt einen ſo hohen Ruhm und erfreut ſich einer ſo großen Bekanntſchaft, wie Freund Reinecke,
das Sinnbild der Liſt, Verſchlagenheit, Tücke, Frevelhaftigkeit und, wie ich ſagen möchte, gemeinen
Ritterlichkeit. Jhn rühmt das Sprichwort, ihn preiſt die Sage, ihn verherrlicht das Gedicht, und
einer unſerer größten Meiſter hielt ihn für würdig, ſeinen Geſang ihm zu widmen. Es iſt gar nicht
anders möglich: der Gegenſtand einer ſo allgemeinen Theilnahme muß ein ausgezeichnetes Geſchöpf
ſein. Und das iſt denn auch unſer Schlaukopf und Strauchdieb in jeder Hinſicht. Wir müſſen ihm unſere
Achtung zollen ſeiner geiſtigen, wie leiblichen Eigenſchaften wegen, wir müſſen ihn gewiſſermaßen lieb-
gewinnen. Gleichwohl erfreut ſich Reinecke keineswegs unſerer Freundſchaft. Trotz der Achtung, welche
ſeine Fähigkeiten uns einflößen, wird er von uns verfolgt und befehdet, wo ſich nur immer Gelegenheit
dazu bietet. Es ſcheint faſt, als beſtände zwiſchen dem Menſchen und Thiere ein Wettſtreit, als
bemühe ſich der Menſch, ihm gegenüber zu zeigen, daß die geiſtigen Fähigkeiten des Erdenbeherrſchers
denn doch noch die des Fuchſes überträfen — und Reinecke ſeinerſeits läßt es ſich angelegen ſein,
ſeinem Verfolger immer und immer wieder zu zeigen, daß man auch trotz aller Hinderniſſe noch
zu leben verſtehe.

Der Fuchs iſt ein vollendetes Thier in ſeiner Art. „Zierlicher, als ſeine Verwandten in Tracht
und Haltung‟, ſagt Tſchudi, „feiner, vorſichtiger, berechnender, biegſamer, von großem Gedächtniß
und Ortſinn, erfinderiſch, geduldig, entſchloſſen, gleich gewandt im Springen, Schleichen, Kriechen

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[420/0488] Die Raubthiere. Hunde. — Prairiewolf. Gemeiner Fuchs. für die Betonung verſchiedener Laute und bezüglich Worte, ganz wie ein Hund. Er fürchtet ſich, wenn man ihn hart anredet; er verſteht Schmeicheleien und läßt ſich durch klagende oder bedauernde Worte zur tiefſten Wehmuth hinreißen. Auch die Muſik preßt ihm ſtets laute Klagen aus; doch iſt es mit ſeiner Heulerei nicht ſo ernſthaft gemeint. Er läßt ſich förmlich zureden, wie ein Menſch, und ſchweigt, ſobald man die Stimme verändert und ernſthaft ruhig mit ihm ſpricht. Sein Ge- dächtniß iſt bewundernswürdig. Er vergißt ebenſowenig Liebkoſungen, als Beleidigungen. Gegen Letztere ſucht er ſich zu rächen, auch nach längerer Zeit, Erſtere nimmt er mit größtem Dank entgegen. Sein Wärter mußte ihn einmal von einem Käfig in den andern bringen und dazu natürlich fangen. Dies nahm er übel und biß plötzlich nach dem ſonſt ſehr geliebten Manne. Hierauf wurde er von Rechts wegen beſtraft. Seit dieſer Zeit aber hegt er einen tiefen Groll gegen ſeinen Wärter, obgleich dieſer ihn fortan gut und freundlich behandelte und regelmäßig fütterte. Mir dagegen iſt er, obgleich ich ihm nur ſelten Etwas zu freſſen reichte, im hohen Grade zugethan, und niemals denkt er daran, nach mir zu beißen. Seinen alten Herrn liebt er noch immer, obwohl dieſer ihn ſehr ſelten beſucht. Er erkennt mich von Weitem und begrüßt mich regelmäßig durch ein äußerſt freundliches Geſicht und einladendes Schwanzwedeln, ſobald ich mich zeige. Wenn ich ihn mit der Hand ſtreichle, legt er ſich gern auf den Rücken, wie Hunde Dies thun, und ich darf dann mit ihm ſpielen, ihm die Hand zwiſchen das kräftige Gebiß ſchieben, ja ihn ſelbſt an dem Felle zauſen, ohne daß er Solches jemals übelnehmen ſollte. Die eigentlichen Füchſe unterſcheiden ſich von den Haushunden, Wölfen und Schakalen durch den Schädelbau, den länglichrunden, etwas ſchiefſtehenden Augenſtern und den langen, buſchigen, behaarten Schwanz, noch mehr aber durch ihre geiſtigen Fähigkeiten und ihre Lebensweiſe. Jedes Mitglied der theilnahmswerthen Geſellſchaft verdient eine beſondere Beſchreibung; denn jeder Fuchs iſt ein durchaus ſelbſtſtändig handelndes Geſchöpf und hat mehr oder weniger ſeine Eigen- thümlichkeiten, obgleich ſelbſtverſtändlich einer dem andern mehr oder weniger ähnelt. Mir thut es ordentlich leid, daß ich mich beſchränken muß und nur von den Ausgezeichnetſten der Ausgezeichneten reden darf. Unter den in Europa einheimiſchen und wildlebenden Säugethieren ſteht der gemeine Fuchs (Vulpes vulgaris) unzweifelhaft obenan. Kaum ein einziges anderes Mitglied der erſten Klaſſe genießt einen ſo hohen Ruhm und erfreut ſich einer ſo großen Bekanntſchaft, wie Freund Reinecke, das Sinnbild der Liſt, Verſchlagenheit, Tücke, Frevelhaftigkeit und, wie ich ſagen möchte, gemeinen Ritterlichkeit. Jhn rühmt das Sprichwort, ihn preiſt die Sage, ihn verherrlicht das Gedicht, und einer unſerer größten Meiſter hielt ihn für würdig, ſeinen Geſang ihm zu widmen. Es iſt gar nicht anders möglich: der Gegenſtand einer ſo allgemeinen Theilnahme muß ein ausgezeichnetes Geſchöpf ſein. Und das iſt denn auch unſer Schlaukopf und Strauchdieb in jeder Hinſicht. Wir müſſen ihm unſere Achtung zollen ſeiner geiſtigen, wie leiblichen Eigenſchaften wegen, wir müſſen ihn gewiſſermaßen lieb- gewinnen. Gleichwohl erfreut ſich Reinecke keineswegs unſerer Freundſchaft. Trotz der Achtung, welche ſeine Fähigkeiten uns einflößen, wird er von uns verfolgt und befehdet, wo ſich nur immer Gelegenheit dazu bietet. Es ſcheint faſt, als beſtände zwiſchen dem Menſchen und Thiere ein Wettſtreit, als bemühe ſich der Menſch, ihm gegenüber zu zeigen, daß die geiſtigen Fähigkeiten des Erdenbeherrſchers denn doch noch die des Fuchſes überträfen — und Reinecke ſeinerſeits läßt es ſich angelegen ſein, ſeinem Verfolger immer und immer wieder zu zeigen, daß man auch trotz aller Hinderniſſe noch zu leben verſtehe. Der Fuchs iſt ein vollendetes Thier in ſeiner Art. „Zierlicher, als ſeine Verwandten in Tracht und Haltung‟, ſagt Tſchudi, „feiner, vorſichtiger, berechnender, biegſamer, von großem Gedächtniß und Ortſinn, erfinderiſch, geduldig, entſchloſſen, gleich gewandt im Springen, Schleichen, Kriechen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/488>, abgerufen am 22.11.2024.