und schwarz gemischt, an der Spitze tiefschwarz. Auf dem Rücken werden die Haare im Winter über vier Zoll lang. Sie sind an ihrer Wurzel aschgrau, hierauf gelbroth, dann schwarzbraun geringelt, hierauf weißlich und an der Spitze wieder schwarzbraun. Verschiedene Abänderungen kommen vor.
Der Prairiewolf ist weit über das Jnnere Nordamerikas verbreitet und reicht wahrscheinlich nach Süden hin bis Mejiko; wenigstens nimmt man an, daß der dort unter dem Namen "Cayote" be- kannte Wildhund derselben Art angehört. Besonders gemein ist er in den Ebenen des Missouri, in Kalifornien und Kolumbien. Englische Naturforscher behaupten, daß er in großen Rudeln lebe und dem Wilde sehr gefährlich werde; namentlich folge er den Bisonherden und falle mit unverschämter Frechheit über jeden kranken, ermatteten oder verwundeten Stier her, um ihn aufzufressen. Prinz Max von Wied, dem wir, neben Audubon, die beste Beschreibung verdanken, sagt dagegen, daß der Prairiewolf nur einzeln oder paarweise vorkommt und nach Art unserer europäischen Wölfe lebt. Er raubt Alles, was er bezwingen kann, und gleicht auch hinsichtlich der Schlauheit vollständig unseren Wölfen und Füchsen. Des Nachts kommt er oft bis in die indianischen Dörfer hinein, und im Winter sieht man ihn auch nicht selten am Tage herumtraben, wie unsern Wolf bei tiefem Schnee und Kälte. Jn der Ranzzeit bewohnt er selbstgegrabene Baue oder Höhlen, und hier soll im April die Wölfin ihre sechs bis zehn Junge werfen. Die Ranzzeit fällt in den Januar und Februar und erregt die Prairiewölfe, wie alle Hunde, auf das höchste. Um diese Zeit vernimmt man ihre Stimme in der Prairie: ein sondetbares, am Ende etwas gezogenes Bellen, welches dem Lautgeben unserer Füchse ähnelt.
Jn die Falle geht der Prairiewolf weit seltener, als der Wolf oder Fuchs, und wenn er es thut, geschieht es nicht zu der Freude des Jägers, weil der Pelz keinen Werth hat und von den Pelzhändlern nicht beachtet wird. Diesem fügt der genannte Naturforscher noch hinzu, daß viele indianische Hunde den Prairiewölfen in der Gestalt nicht wenig gleichen, und es zu vermuthen sei, daß Vermischungen zwischen beiden Thieren zuweilen vorkommen.
Ueber das Gefangenleben kann ich auch aus eigener Auschauung berichten. Wir besitzen in unserm Garten einen Prairiewolf, welcher im Zimmer aufgezogen wurde und ebenso artig ist, wie ein gutmüthiger Hund, obgleich nur gegen Bekannte. Er hat ganz das Wesen des Haushundes. Bei dem Anblick seiner Freunde springt er vor Freuden hoch auf, wedelt mit dem Schwanze und kommt dann an das Gitter heran, um sich liebkosen zu lassen. Die ihm schmeichelnde Hand leckt er jedoch nicht: er beriecht sie höchstens. Wenn er allein ist, langweilt er sich und fängt dann jämmerlich zu heulen an. Giebt man ihm aber Gesellschaft, so mißhandelt er diese, falls er es nicht mit besseren Beißern zu thun hat, als er einer ist. Aus Raummangel mußte er mit einem Wolfshunde, einem Schabrakenschakal und einem indischen Schakal zusammengesperrt werden. Da gab es anfangs arge Raufereien. Später zeigte er sich übellaunisch gegen seine Genossen; hielt sich auch immer zurück- gezogen. Einen Nasenbär, welcher den Nebenkäfig bewohnte, erwischte er einmal am Schwanze, biß diesen in der Mitte seiner Länge ab und verspeiste ihn ohne Umstände. Lebende Thiere, welche an seinem Käfig vorübergehen, versetzen ihn stets in große Aufregung, Hühnern namentlich folgt er mit der größten Begierde, so lange er sie sehen kann. Er ist an Hansmannskost gewöhnt worden und zieht Brot entschieden dem Fleische vor, verachtet aber auch dieses nicht. Kleine Säugethiere und Vögel schlingt er mit Haut und Haar oder Federn hinab. Dabei ist er so gierig, daß er sich leicht überfrißt und dann die Speise wieder erbricht; er frißt das Ausgebrochene aber, wie es die Hunde zu thun pflegen, unter Umständen auch wieder auf. Reicht man ihm mehr Nahrung, als er wirklich zu sich nehmen kann, so verscharrt er diese geschwind in eine Ecke seines Käfigs und hütet diese Speise dann mit Argusaugen, jeden seiner Kameraden mit Knurren bedrohend, sobald dieser dem Winkel nur halbwegs zu nahe kommt.
Höchst empfänglich zeigt er sich gegen die Klagen anderer Thiere. Jn das Geheul der Wölfe stimmt er stets mit ein, und selbst das Gebrüll oder Gebrumm der Bären beantwortet er. Redet man ihn mit klagender Stimme an, ihn gleichsam bedauernd, so heult und winselt er, wie mancher Haushund unter gleichen Umständen Dies zu thun pflegt. Er zeigt ein außerordentliches Verständniß
27 *
Der Prairiewolf, frei und gefangen.
und ſchwarz gemiſcht, an der Spitze tiefſchwarz. Auf dem Rücken werden die Haare im Winter über vier Zoll lang. Sie ſind an ihrer Wurzel aſchgrau, hierauf gelbroth, dann ſchwarzbraun geringelt, hierauf weißlich und an der Spitze wieder ſchwarzbraun. Verſchiedene Abänderungen kommen vor.
Der Prairiewolf iſt weit über das Jnnere Nordamerikas verbreitet und reicht wahrſcheinlich nach Süden hin bis Mejiko; wenigſtens nimmt man an, daß der dort unter dem Namen „Cayote‟ be- kannte Wildhund derſelben Art angehört. Beſonders gemein iſt er in den Ebenen des Miſſouri, in Kalifornien und Kolumbien. Engliſche Naturforſcher behaupten, daß er in großen Rudeln lebe und dem Wilde ſehr gefährlich werde; namentlich folge er den Biſonherden und falle mit unverſchämter Frechheit über jeden kranken, ermatteten oder verwundeten Stier her, um ihn aufzufreſſen. Prinz Max von Wied, dem wir, neben Audubon, die beſte Beſchreibung verdanken, ſagt dagegen, daß der Prairiewolf nur einzeln oder paarweiſe vorkommt und nach Art unſerer europäiſchen Wölfe lebt. Er raubt Alles, was er bezwingen kann, und gleicht auch hinſichtlich der Schlauheit vollſtändig unſeren Wölfen und Füchſen. Des Nachts kommt er oft bis in die indianiſchen Dörfer hinein, und im Winter ſieht man ihn auch nicht ſelten am Tage herumtraben, wie unſern Wolf bei tiefem Schnee und Kälte. Jn der Ranzzeit bewohnt er ſelbſtgegrabene Baue oder Höhlen, und hier ſoll im April die Wölfin ihre ſechs bis zehn Junge werfen. Die Ranzzeit fällt in den Januar und Februar und erregt die Prairiewölfe, wie alle Hunde, auf das höchſte. Um dieſe Zeit vernimmt man ihre Stimme in der Prairie: ein ſondetbares, am Ende etwas gezogenes Bellen, welches dem Lautgeben unſerer Füchſe ähnelt.
Jn die Falle geht der Prairiewolf weit ſeltener, als der Wolf oder Fuchs, und wenn er es thut, geſchieht es nicht zu der Freude des Jägers, weil der Pelz keinen Werth hat und von den Pelzhändlern nicht beachtet wird. Dieſem fügt der genannte Naturforſcher noch hinzu, daß viele indianiſche Hunde den Prairiewölfen in der Geſtalt nicht wenig gleichen, und es zu vermuthen ſei, daß Vermiſchungen zwiſchen beiden Thieren zuweilen vorkommen.
Ueber das Gefangenleben kann ich auch aus eigener Auſchauung berichten. Wir beſitzen in unſerm Garten einen Prairiewolf, welcher im Zimmer aufgezogen wurde und ebenſo artig iſt, wie ein gutmüthiger Hund, obgleich nur gegen Bekannte. Er hat ganz das Weſen des Haushundes. Bei dem Anblick ſeiner Freunde ſpringt er vor Freuden hoch auf, wedelt mit dem Schwanze und kommt dann an das Gitter heran, um ſich liebkoſen zu laſſen. Die ihm ſchmeichelnde Hand leckt er jedoch nicht: er beriecht ſie höchſtens. Wenn er allein iſt, langweilt er ſich und fängt dann jämmerlich zu heulen an. Giebt man ihm aber Geſellſchaft, ſo mißhandelt er dieſe, falls er es nicht mit beſſeren Beißern zu thun hat, als er einer iſt. Aus Raummangel mußte er mit einem Wolfshunde, einem Schabrakenſchakal und einem indiſchen Schakal zuſammengeſperrt werden. Da gab es anfangs arge Raufereien. Später zeigte er ſich übellauniſch gegen ſeine Genoſſen; hielt ſich auch immer zurück- gezogen. Einen Naſenbär, welcher den Nebenkäfig bewohnte, erwiſchte er einmal am Schwanze, biß dieſen in der Mitte ſeiner Länge ab und verſpeiſte ihn ohne Umſtände. Lebende Thiere, welche an ſeinem Käfig vorübergehen, verſetzen ihn ſtets in große Aufregung, Hühnern namentlich folgt er mit der größten Begierde, ſo lange er ſie ſehen kann. Er iſt an Hansmannskoſt gewöhnt worden und zieht Brot entſchieden dem Fleiſche vor, verachtet aber auch dieſes nicht. Kleine Säugethiere und Vögel ſchlingt er mit Haut und Haar oder Federn hinab. Dabei iſt er ſo gierig, daß er ſich leicht überfrißt und dann die Speiſe wieder erbricht; er frißt das Ausgebrochene aber, wie es die Hunde zu thun pflegen, unter Umſtänden auch wieder auf. Reicht man ihm mehr Nahrung, als er wirklich zu ſich nehmen kann, ſo verſcharrt er dieſe geſchwind in eine Ecke ſeines Käfigs und hütet dieſe Speiſe dann mit Argusaugen, jeden ſeiner Kameraden mit Knurren bedrohend, ſobald dieſer dem Winkel nur halbwegs zu nahe kommt.
Höchſt empfänglich zeigt er ſich gegen die Klagen anderer Thiere. Jn das Geheul der Wölfe ſtimmt er ſtets mit ein, und ſelbſt das Gebrüll oder Gebrumm der Bären beantwortet er. Redet man ihn mit klagender Stimme an, ihn gleichſam bedauernd, ſo heult und winſelt er, wie mancher Haushund unter gleichen Umſtänden Dies zu thun pflegt. Er zeigt ein außerordentliches Verſtändniß
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Der Prairiewolf, frei und gefangen.
und ſchwarz gemiſcht, an der Spitze tiefſchwarz. Auf dem Rücken werden die Haare im Winter über
vier Zoll lang. Sie ſind an ihrer Wurzel aſchgrau, hierauf gelbroth, dann ſchwarzbraun geringelt,
hierauf weißlich und an der Spitze wieder ſchwarzbraun. Verſchiedene Abänderungen kommen vor.
Der Prairiewolf iſt weit über das Jnnere Nordamerikas verbreitet und reicht wahrſcheinlich nach
Süden hin bis Mejiko; wenigſtens nimmt man an, daß der dort unter dem Namen „Cayote‟ be-
kannte Wildhund derſelben Art angehört. Beſonders gemein iſt er in den Ebenen des Miſſouri, in
Kalifornien und Kolumbien. Engliſche Naturforſcher behaupten, daß er in großen Rudeln lebe und
dem Wilde ſehr gefährlich werde; namentlich folge er den Biſonherden und falle mit unverſchämter
Frechheit über jeden kranken, ermatteten oder verwundeten Stier her, um ihn aufzufreſſen. Prinz
Max von Wied, dem wir, neben Audubon, die beſte Beſchreibung verdanken, ſagt dagegen, daß
der Prairiewolf nur einzeln oder paarweiſe vorkommt und nach Art unſerer europäiſchen Wölfe lebt.
Er raubt Alles, was er bezwingen kann, und gleicht auch hinſichtlich der Schlauheit vollſtändig unſeren
Wölfen und Füchſen. Des Nachts kommt er oft bis in die indianiſchen Dörfer hinein, und im Winter
ſieht man ihn auch nicht ſelten am Tage herumtraben, wie unſern Wolf bei tiefem Schnee und Kälte.
Jn der Ranzzeit bewohnt er ſelbſtgegrabene Baue oder Höhlen, und hier ſoll im April die Wölfin
ihre ſechs bis zehn Junge werfen. Die Ranzzeit fällt in den Januar und Februar und erregt die
Prairiewölfe, wie alle Hunde, auf das höchſte. Um dieſe Zeit vernimmt man ihre Stimme in der
Prairie: ein ſondetbares, am Ende etwas gezogenes Bellen, welches dem Lautgeben unſerer Füchſe ähnelt.
Jn die Falle geht der Prairiewolf weit ſeltener, als der Wolf oder Fuchs, und wenn er es thut,
geſchieht es nicht zu der Freude des Jägers, weil der Pelz keinen Werth hat und von den Pelzhändlern
nicht beachtet wird. Dieſem fügt der genannte Naturforſcher noch hinzu, daß viele indianiſche Hunde
den Prairiewölfen in der Geſtalt nicht wenig gleichen, und es zu vermuthen ſei, daß Vermiſchungen
zwiſchen beiden Thieren zuweilen vorkommen.
Ueber das Gefangenleben kann ich auch aus eigener Auſchauung berichten. Wir beſitzen in
unſerm Garten einen Prairiewolf, welcher im Zimmer aufgezogen wurde und ebenſo artig iſt, wie ein
gutmüthiger Hund, obgleich nur gegen Bekannte. Er hat ganz das Weſen des Haushundes. Bei
dem Anblick ſeiner Freunde ſpringt er vor Freuden hoch auf, wedelt mit dem Schwanze und kommt
dann an das Gitter heran, um ſich liebkoſen zu laſſen. Die ihm ſchmeichelnde Hand leckt er jedoch
nicht: er beriecht ſie höchſtens. Wenn er allein iſt, langweilt er ſich und fängt dann jämmerlich zu
heulen an. Giebt man ihm aber Geſellſchaft, ſo mißhandelt er dieſe, falls er es nicht mit beſſeren
Beißern zu thun hat, als er einer iſt. Aus Raummangel mußte er mit einem Wolfshunde, einem
Schabrakenſchakal und einem indiſchen Schakal zuſammengeſperrt werden. Da gab es anfangs arge
Raufereien. Später zeigte er ſich übellauniſch gegen ſeine Genoſſen; hielt ſich auch immer zurück-
gezogen. Einen Naſenbär, welcher den Nebenkäfig bewohnte, erwiſchte er einmal am Schwanze,
biß dieſen in der Mitte ſeiner Länge ab und verſpeiſte ihn ohne Umſtände. Lebende Thiere, welche
an ſeinem Käfig vorübergehen, verſetzen ihn ſtets in große Aufregung, Hühnern namentlich folgt er
mit der größten Begierde, ſo lange er ſie ſehen kann. Er iſt an Hansmannskoſt gewöhnt worden
und zieht Brot entſchieden dem Fleiſche vor, verachtet aber auch dieſes nicht. Kleine Säugethiere
und Vögel ſchlingt er mit Haut und Haar oder Federn hinab. Dabei iſt er ſo gierig, daß er ſich
leicht überfrißt und dann die Speiſe wieder erbricht; er frißt das Ausgebrochene aber, wie es die
Hunde zu thun pflegen, unter Umſtänden auch wieder auf. Reicht man ihm mehr Nahrung, als er
wirklich zu ſich nehmen kann, ſo verſcharrt er dieſe geſchwind in eine Ecke ſeines Käfigs und hütet
dieſe Speiſe dann mit Argusaugen, jeden ſeiner Kameraden mit Knurren bedrohend, ſobald dieſer dem
Winkel nur halbwegs zu nahe kommt.
Höchſt empfänglich zeigt er ſich gegen die Klagen anderer Thiere. Jn das Geheul der Wölfe
ſtimmt er ſtets mit ein, und ſelbſt das Gebrüll oder Gebrumm der Bären beantwortet er. Redet
man ihn mit klagender Stimme an, ihn gleichſam bedauernd, ſo heult und winſelt er, wie mancher
Haushund unter gleichen Umſtänden Dies zu thun pflegt. Er zeigt ein außerordentliches Verſtändniß
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/487>, abgerufen am 22.11.2024.
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