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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Verschiedenheit der Arten. Jhr Wesen.
Grunde noch weit häufiger in der Stube gehalten, als zur Jagd benutzt. Die Engländer haben sich
große Mühe mit ihrer Zucht gegeben und deshalb auch eine Menge von Spielarten erzielt, welche
sie in Jagd- und Tändelhunde trennen. Unter den Wachtelhunden unterscheiden sie wieder
Springer, das heißt solche, welche lustig durch Dick und Dünn und namentlich durch niederes
Dorngestrüpp hindurchjagen, und Schnepfenhunde, welche hauptsächlich zur Jagd auf Wald-
schnepfen verwendet werden. Sie werden trotz ihres Lautgehens hochgeachtet, und in Wahrheit ist
ein hinter der Beute dahinjagender Hund ein Gegenstand der Freude für Jeden, welcher Sinn für
derartige Jagd hat.

Die Schnepfenhunde sind kleiner, als die Springer. Sie wiegen selten mehr als 12 Pfund,
sehr oft nur 9 oder 10 Pfund. Außerordentlich lebendig und thätig, wie sie sind, verrichten sie ihre
Arbeit mit einem geradezu unerschöpflichen Grade von Selbstbewußtsein und Vergnügen. Dabei
sind sie sehr muthig und behalten auch in anderen Klimaten ihre ursprüngliche Kühnheit bei, selbst
in dem heißen Jndien, welches die besten nordischen Hunde bald verdirbt. Kapitän Williamson
erzählt, daß eines dieser kleinen tolldreisten Thiere einstmals sogar einem Tiger muthig entgegen-
ging. Das gewaltige Raubthier schaute den kleinen Kläffer anfangs verwundert an, dann aber
stand es auf, von dem Gebelfer des zudringlichen Naseweis gestört, und flüchtete! Der Erzähler
versichert, daß es einen unbeschreiblichen Anblick gewährt habe, die beiden in Größe und Kraft
so verschiedenen Thiere hinter einander zu sehen, den großen, gewaltigen Tiger mit gehobenem
Schweife voran und den muthigen kleinen Hund zankend und bellend hinterdrein. Und Dies ist nicht
der einzige Fall, in welchem man den Muth dieser niedlichen Thiere erprobt fand. Ein anderer
Offizier von dem bengalischen Geschützwesen jagte in der Nähe eines Rohrdickichts nach Trappen,
Florikans und Pfauen, als plötzlich ein Tiger hervorbrach. Augenblicklich wurde derselbe von den
Hündchen gestellt, und obgleich die muthigsten und kühusten mit zwei Tatzenschlägen niedergelegt
wurden, hielten die anderen doch Stand und ruhten nicht eher, als bis sich der Tiger zurückge-
zogen hatte.

Die kleinsten Wachtelhündchen, werden gewöhnlich König-Karlshündchen genannt aus
dem Grunde, weil König Karl II. von England sie außerordentlich liebte und stets einige bei sich
hatte. Sie sind durch ihre dunkle Farbe, welche übrigens oft ins Bräunliche spielt, die weiße Vorder-
brust, das seidenweiche, lange Haar und das große lange Behänge ausgezeichnet. Die allerbesten und
geschätztesten von ihnen wiegen blos fünf Pfund und die größten nicht mehr als sieben. Sie sind als
Stubenhunde außerordentlich beliebt, denn sie sind schmuck, munter und gelehrig: wenn sie richtig
behandelt werden, sind sie die unterhaltendsten Gesellschafter, welche man sich denken kann. Sie
selbst sind ewig auf lustige Streiche bedacht und lassen sich mit sehr geringer Mühe erheiternde
Kunststücke lehren.

Noch kleiner, als diese, sind die Blenheims-Wachtelhündchen, welche gegenwärtig in
England vielfach als Schoshündchen der Damen in größerem Ansehen stehen. Unangenehm ist, daß
ihre Augen beständig thränenfeucht sind, und ihnen von einem Winkel aus diese Thränen ohne Unterlaß
über die Wangen herablaufen.

Während wir sie mit Fug und Recht die Zwerge der ganzen Gruppe nennen können, müssen
wir den Neufundländer (Canis terrae novae) als den Riesen unter den Seidenhunden an-
sehen. Das gewaltige, prächtige Thier soll ein doppelter Bastard des großen Pudels mit dem fran-
zösischen Fleischerhund sein, welcher in Neufundland seine Rasse bis zur Stunde in ihrer ursprüng-
lichen Reinheit erhalten hat. Es ist sehr ungewiß, um welche Zeit sich diese Rasse in Neufundland
gebildet und wer hierzu Veranlassung zunächst geboten hat. Man weiß gewiß, daß die Engländer bei
ihrer ersten Niederlassung in Neufundland im Jahre 1622 diese Hunde noch nicht vorfanden, und

Verſchiedenheit der Arten. Jhr Weſen.
Grunde noch weit häufiger in der Stube gehalten, als zur Jagd benutzt. Die Engländer haben ſich
große Mühe mit ihrer Zucht gegeben und deshalb auch eine Menge von Spielarten erzielt, welche
ſie in Jagd- und Tändelhunde trennen. Unter den Wachtelhunden unterſcheiden ſie wieder
Springer, das heißt ſolche, welche luſtig durch Dick und Dünn und namentlich durch niederes
Dorngeſtrüpp hindurchjagen, und Schnepfenhunde, welche hauptſächlich zur Jagd auf Wald-
ſchnepfen verwendet werden. Sie werden trotz ihres Lautgehens hochgeachtet, und in Wahrheit iſt
ein hinter der Beute dahinjagender Hund ein Gegenſtand der Freude für Jeden, welcher Sinn für
derartige Jagd hat.

Die Schnepfenhunde ſind kleiner, als die Springer. Sie wiegen ſelten mehr als 12 Pfund,
ſehr oft nur 9 oder 10 Pfund. Außerordentlich lebendig und thätig, wie ſie ſind, verrichten ſie ihre
Arbeit mit einem geradezu unerſchöpflichen Grade von Selbſtbewußtſein und Vergnügen. Dabei
ſind ſie ſehr muthig und behalten auch in anderen Klimaten ihre urſprüngliche Kühnheit bei, ſelbſt
in dem heißen Jndien, welches die beſten nordiſchen Hunde bald verdirbt. Kapitän Williamſon
erzählt, daß eines dieſer kleinen tolldreiſten Thiere einſtmals ſogar einem Tiger muthig entgegen-
ging. Das gewaltige Raubthier ſchaute den kleinen Kläffer anfangs verwundert an, dann aber
ſtand es auf, von dem Gebelfer des zudringlichen Naſeweis geſtört, und flüchtete! Der Erzähler
verſichert, daß es einen unbeſchreiblichen Anblick gewährt habe, die beiden in Größe und Kraft
ſo verſchiedenen Thiere hinter einander zu ſehen, den großen, gewaltigen Tiger mit gehobenem
Schweife voran und den muthigen kleinen Hund zankend und bellend hinterdrein. Und Dies iſt nicht
der einzige Fall, in welchem man den Muth dieſer niedlichen Thiere erprobt fand. Ein anderer
Offizier von dem bengaliſchen Geſchützweſen jagte in der Nähe eines Rohrdickichts nach Trappen,
Florikans und Pfauen, als plötzlich ein Tiger hervorbrach. Augenblicklich wurde derſelbe von den
Hündchen geſtellt, und obgleich die muthigſten und kühuſten mit zwei Tatzenſchlägen niedergelegt
wurden, hielten die anderen doch Stand und ruhten nicht eher, als bis ſich der Tiger zurückge-
zogen hatte.

Die kleinſten Wachtelhündchen, werden gewöhnlich König-Karlshündchen genannt aus
dem Grunde, weil König Karl II. von England ſie außerordentlich liebte und ſtets einige bei ſich
hatte. Sie ſind durch ihre dunkle Farbe, welche übrigens oft ins Bräunliche ſpielt, die weiße Vorder-
bruſt, das ſeidenweiche, lange Haar und das große lange Behänge ausgezeichnet. Die allerbeſten und
geſchätzteſten von ihnen wiegen blos fünf Pfund und die größten nicht mehr als ſieben. Sie ſind als
Stubenhunde außerordentlich beliebt, denn ſie ſind ſchmuck, munter und gelehrig: wenn ſie richtig
behandelt werden, ſind ſie die unterhaltendſten Geſellſchafter, welche man ſich denken kann. Sie
ſelbſt ſind ewig auf luſtige Streiche bedacht und laſſen ſich mit ſehr geringer Mühe erheiternde
Kunſtſtücke lehren.

Noch kleiner, als dieſe, ſind die Blenheims-Wachtelhündchen, welche gegenwärtig in
England vielfach als Schoshündchen der Damen in größerem Anſehen ſtehen. Unangenehm iſt, daß
ihre Augen beſtändig thränenfeucht ſind, und ihnen von einem Winkel aus dieſe Thränen ohne Unterlaß
über die Wangen herablaufen.

Während wir ſie mit Fug und Recht die Zwerge der ganzen Gruppe nennen können, müſſen
wir den Neufundländer (Canis terrae novae) als den Rieſen unter den Seidenhunden an-
ſehen. Das gewaltige, prächtige Thier ſoll ein doppelter Baſtard des großen Pudels mit dem fran-
zöſiſchen Fleiſcherhund ſein, welcher in Neufundland ſeine Raſſe bis zur Stunde in ihrer urſprüng-
lichen Reinheit erhalten hat. Es iſt ſehr ungewiß, um welche Zeit ſich dieſe Raſſe in Neufundland
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[381/0447] Verſchiedenheit der Arten. Jhr Weſen. Grunde noch weit häufiger in der Stube gehalten, als zur Jagd benutzt. Die Engländer haben ſich große Mühe mit ihrer Zucht gegeben und deshalb auch eine Menge von Spielarten erzielt, welche ſie in Jagd- und Tändelhunde trennen. Unter den Wachtelhunden unterſcheiden ſie wieder Springer, das heißt ſolche, welche luſtig durch Dick und Dünn und namentlich durch niederes Dorngeſtrüpp hindurchjagen, und Schnepfenhunde, welche hauptſächlich zur Jagd auf Wald- ſchnepfen verwendet werden. Sie werden trotz ihres Lautgehens hochgeachtet, und in Wahrheit iſt ein hinter der Beute dahinjagender Hund ein Gegenſtand der Freude für Jeden, welcher Sinn für derartige Jagd hat. Die Schnepfenhunde ſind kleiner, als die Springer. Sie wiegen ſelten mehr als 12 Pfund, ſehr oft nur 9 oder 10 Pfund. Außerordentlich lebendig und thätig, wie ſie ſind, verrichten ſie ihre Arbeit mit einem geradezu unerſchöpflichen Grade von Selbſtbewußtſein und Vergnügen. Dabei ſind ſie ſehr muthig und behalten auch in anderen Klimaten ihre urſprüngliche Kühnheit bei, ſelbſt in dem heißen Jndien, welches die beſten nordiſchen Hunde bald verdirbt. Kapitän Williamſon erzählt, daß eines dieſer kleinen tolldreiſten Thiere einſtmals ſogar einem Tiger muthig entgegen- ging. Das gewaltige Raubthier ſchaute den kleinen Kläffer anfangs verwundert an, dann aber ſtand es auf, von dem Gebelfer des zudringlichen Naſeweis geſtört, und flüchtete! Der Erzähler verſichert, daß es einen unbeſchreiblichen Anblick gewährt habe, die beiden in Größe und Kraft ſo verſchiedenen Thiere hinter einander zu ſehen, den großen, gewaltigen Tiger mit gehobenem Schweife voran und den muthigen kleinen Hund zankend und bellend hinterdrein. Und Dies iſt nicht der einzige Fall, in welchem man den Muth dieſer niedlichen Thiere erprobt fand. Ein anderer Offizier von dem bengaliſchen Geſchützweſen jagte in der Nähe eines Rohrdickichts nach Trappen, Florikans und Pfauen, als plötzlich ein Tiger hervorbrach. Augenblicklich wurde derſelbe von den Hündchen geſtellt, und obgleich die muthigſten und kühuſten mit zwei Tatzenſchlägen niedergelegt wurden, hielten die anderen doch Stand und ruhten nicht eher, als bis ſich der Tiger zurückge- zogen hatte. Die kleinſten Wachtelhündchen, werden gewöhnlich König-Karlshündchen genannt aus dem Grunde, weil König Karl II. von England ſie außerordentlich liebte und ſtets einige bei ſich hatte. Sie ſind durch ihre dunkle Farbe, welche übrigens oft ins Bräunliche ſpielt, die weiße Vorder- bruſt, das ſeidenweiche, lange Haar und das große lange Behänge ausgezeichnet. Die allerbeſten und geſchätzteſten von ihnen wiegen blos fünf Pfund und die größten nicht mehr als ſieben. Sie ſind als Stubenhunde außerordentlich beliebt, denn ſie ſind ſchmuck, munter und gelehrig: wenn ſie richtig behandelt werden, ſind ſie die unterhaltendſten Geſellſchafter, welche man ſich denken kann. Sie ſelbſt ſind ewig auf luſtige Streiche bedacht und laſſen ſich mit ſehr geringer Mühe erheiternde Kunſtſtücke lehren. Noch kleiner, als dieſe, ſind die Blenheims-Wachtelhündchen, welche gegenwärtig in England vielfach als Schoshündchen der Damen in größerem Anſehen ſtehen. Unangenehm iſt, daß ihre Augen beſtändig thränenfeucht ſind, und ihnen von einem Winkel aus dieſe Thränen ohne Unterlaß über die Wangen herablaufen. Während wir ſie mit Fug und Recht die Zwerge der ganzen Gruppe nennen können, müſſen wir den Neufundländer (Canis terrae novae) als den Rieſen unter den Seidenhunden an- ſehen. Das gewaltige, prächtige Thier ſoll ein doppelter Baſtard des großen Pudels mit dem fran- zöſiſchen Fleiſcherhund ſein, welcher in Neufundland ſeine Raſſe bis zur Stunde in ihrer urſprüng- lichen Reinheit erhalten hat. Es iſt ſehr ungewiß, um welche Zeit ſich dieſe Raſſe in Neufundland gebildet und wer hierzu Veranlaſſung zunächſt geboten hat. Man weiß gewiß, daß die Engländer bei ihrer erſten Niederlaſſung in Neufundland im Jahre 1622 dieſe Hunde noch nicht vorfanden, und

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/447>, abgerufen am 19.05.2024.