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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Erziehung des Jagdhundes.

Wie fest manche Hühnerhunde vor dem Wilde stehen, mag aus folgender Thatsache hervorgehen,
welche Lenz erwähnt. Jn England hat man ein prachtvolles Gemälde verfertigt, welches einen
schwarzen Vorstehhund, Namens Pluto, und einen weiblichen, Namens Juno, darstellt, wie Beide
vor einem Rebhuhn stehen. Der Maler zeichnete 11/4 Stunde lang, und Beide standen während
dieser Zeit wie versteinert.

Der Hund lernt alle diese Jagdgriffe allerdings erst nach langer Abrichtung, aber wohl bei
keinem andern Thiere sieht man besser, wieviel es leisten kann, wenn der Mensch es lehrt und gut
behandelt, als bei dem Hühnerhund. Ein gut abgerichteter Jagdhund ist ein wirklich wunderbares
Thier und verdient seinen lateinischen Namen, Canis sagax, in vollem Maße. Er ist auch ein
Menschenhund, wie Scheitlin sagt; denn er beweist wahren Menschenverstand. Er weiß genau,
was er zu thun hat, und ein schlechter Jäger, welchen ein gut geschulter Jagdhund begleitet, wird
von diesem nicht selten in der allerempfindlichsten Weise getadelt. So kannte ich einen Hühner-
hund Namens Basko, welcher wohl Alles leistete, was man jemals von einem seiner Art ver-
langen konnte. Sein Herr war ein ganz vorzüglicher Schütze, welcher gewöhnlich unter zwanzig
Schüssen auf fliegendes Wild keinen oder nur einen Fehlschuß that. Dessen Hund war freilich ver-
wöhnt und zu gleicher Zeit im höchsten Grad ehrgeizig. Einst kommt der Sohn eines Freundes
unsers Waidmanns zu ihm, ein junger Aktenmensch, welcher die Feder allerdings besser gebrauchen
konnte, als das Gewehr, und bittet um die Erlaubniß, ein wenig zu jagen. Der Förster gewährt
ihm Dies mit den Worten: Gehen Sie, aber schießen Sie gut, sonst nimmt es Basko gewaltig
übel." Die Jagd beginnt, Basko wittert nach kurzer Zeit eine Kette Hühner aus und steht wie ein
Marmorbild vor derselben. Er erhält den Befehl, sie aufzutreiben. Die Hühner fliegen, der Schuß
knallt, aber kein Stück von dem Wilde stürzt herab. Basko sieht sich äußerst verwundert um und
beweist augenscheinlich genug, daß seine gute Laune verschwunden sei. Er geht aber doch noch ein-
mal mit, findet eine zweite Kette Hühner, und es geht wie das erste Mal. Da kommt er dicht an
den Schützen heran, wirft einen Blick der tiefsten Verachtung auf ihn und eilt spornstreichs nach
Hause. Noch nach Jahr und Tag war es demselben Jäger unmöglich, den Hund, welcher ein für
die Jagd begeisterter war, mit sich auf das Feld zu nehmen: die Verachtung gegen den Schützen war
zu tief in seinem Herzen eingewurzelt.

Es ist leicht erklärlich, daß ein so gut erzogener Hund auch einen vortrefflichen Erzieher haben
muß, wenn aus ihm Etwas werden soll. Die Abrichtung ist ein sehr schwieriges Geschäft und wird
blos von wenigen Erwählten verstanden. Wie schon bemerkt, sind große Geduld, Ernst und Liebe
zum Thiere Haupterfordernisse eines Erziehers, und deshalb läßt sich wohl mit voller Bestimmtheit
behaupten, daß eine Frau nun und nimmermehr einen Jagdhund würde erziehen können. Jch will
versuchen, denjenigen meiner Leser, welche noch gar keinen Begriff von der Art und Weise der Er-
ziehung eines Jagdhundes haben, eine kurze Beschreibung davon zu geben, und gestehe ganz ehrlich,
daß ich mich dabei auch auf andere Angaben und namentlich auf die Angaben Dietrichs aus dem
Winckell
stützen muß, weil ich selbst schwerlich im Stande sein dürfte, einen Hund so zu erziehen,
wie er erzogen werden muß.

Wenn der junge Hühnerhund ein Jahr alt geworden ist, beginnt man mit der Abrichtung, am
liebsten im Februar, und wenn Dies nicht geht, im Juli oder August. Während der ganzen Lehrzeit
muß er an einem ganz ungestörten Ort eingesperrt oder angebunden werden und darf durchaus keine
Gelegenheit zu Zerstreuung oder Spielerei haben, dort auch von Niemandem, als von seinem Herrn
besucht, gefüttert und getränkt werden. Eine Stunde vor jedem Unterricht erhält er eine mäßige
Mahlzeit, dann nimmt man das Thier an eine zehn Fuß lange Leine, deren Ende zugleich ein Hals-
band bildet, versieht sich mit einer kurzen Peitsche und lehrt dem Hunde zunächst den Dressurbock (ein
11/2 Zoll dickes, 16 Zoll langes, fest mit Bindfaden umwickeltes Strohbündel) aufnehmen. Man
legt dem Hunde zuerst die Leine an, zieht ihn unter dem Zurufe "hierher!" und mit einem bestimmten
Pfiffe an sich, lobt und streichelt ihn, wenn er von selbst kommt, oder schafft ihn mit Gewalt

Erziehung des Jagdhundes.

Wie feſt manche Hühnerhunde vor dem Wilde ſtehen, mag aus folgender Thatſache hervorgehen,
welche Lenz erwähnt. Jn England hat man ein prachtvolles Gemälde verfertigt, welches einen
ſchwarzen Vorſtehhund, Namens Pluto, und einen weiblichen, Namens Juno, darſtellt, wie Beide
vor einem Rebhuhn ſtehen. Der Maler zeichnete 1¼ Stunde lang, und Beide ſtanden während
dieſer Zeit wie verſteinert.

Der Hund lernt alle dieſe Jagdgriffe allerdings erſt nach langer Abrichtung, aber wohl bei
keinem andern Thiere ſieht man beſſer, wieviel es leiſten kann, wenn der Menſch es lehrt und gut
behandelt, als bei dem Hühnerhund. Ein gut abgerichteter Jagdhund iſt ein wirklich wunderbares
Thier und verdient ſeinen lateiniſchen Namen, Canis sagax, in vollem Maße. Er iſt auch ein
Menſchenhund, wie Scheitlin ſagt; denn er beweiſt wahren Menſchenverſtand. Er weiß genau,
was er zu thun hat, und ein ſchlechter Jäger, welchen ein gut geſchulter Jagdhund begleitet, wird
von dieſem nicht ſelten in der allerempfindlichſten Weiſe getadelt. So kannte ich einen Hühner-
hund Namens Basko, welcher wohl Alles leiſtete, was man jemals von einem ſeiner Art ver-
langen konnte. Sein Herr war ein ganz vorzüglicher Schütze, welcher gewöhnlich unter zwanzig
Schüſſen auf fliegendes Wild keinen oder nur einen Fehlſchuß that. Deſſen Hund war freilich ver-
wöhnt und zu gleicher Zeit im höchſten Grad ehrgeizig. Einſt kommt der Sohn eines Freundes
unſers Waidmanns zu ihm, ein junger Aktenmenſch, welcher die Feder allerdings beſſer gebrauchen
konnte, als das Gewehr, und bittet um die Erlaubniß, ein wenig zu jagen. Der Förſter gewährt
ihm Dies mit den Worten: Gehen Sie, aber ſchießen Sie gut, ſonſt nimmt es Basko gewaltig
übel.‟ Die Jagd beginnt, Basko wittert nach kurzer Zeit eine Kette Hühner aus und ſteht wie ein
Marmorbild vor derſelben. Er erhält den Befehl, ſie aufzutreiben. Die Hühner fliegen, der Schuß
knallt, aber kein Stück von dem Wilde ſtürzt herab. Basko ſieht ſich äußerſt verwundert um und
beweiſt augenſcheinlich genug, daß ſeine gute Laune verſchwunden ſei. Er geht aber doch noch ein-
mal mit, findet eine zweite Kette Hühner, und es geht wie das erſte Mal. Da kommt er dicht an
den Schützen heran, wirft einen Blick der tiefſten Verachtung auf ihn und eilt ſpornſtreichs nach
Hauſe. Noch nach Jahr und Tag war es demſelben Jäger unmöglich, den Hund, welcher ein für
die Jagd begeiſterter war, mit ſich auf das Feld zu nehmen: die Verachtung gegen den Schützen war
zu tief in ſeinem Herzen eingewurzelt.

Es iſt leicht erklärlich, daß ein ſo gut erzogener Hund auch einen vortrefflichen Erzieher haben
muß, wenn aus ihm Etwas werden ſoll. Die Abrichtung iſt ein ſehr ſchwieriges Geſchäft und wird
blos von wenigen Erwählten verſtanden. Wie ſchon bemerkt, ſind große Geduld, Ernſt und Liebe
zum Thiere Haupterforderniſſe eines Erziehers, und deshalb läßt ſich wohl mit voller Beſtimmtheit
behaupten, daß eine Frau nun und nimmermehr einen Jagdhund würde erziehen können. Jch will
verſuchen, denjenigen meiner Leſer, welche noch gar keinen Begriff von der Art und Weiſe der Er-
ziehung eines Jagdhundes haben, eine kurze Beſchreibung davon zu geben, und geſtehe ganz ehrlich,
daß ich mich dabei auch auf andere Angaben und namentlich auf die Angaben Dietrichs aus dem
Winckell
ſtützen muß, weil ich ſelbſt ſchwerlich im Stande ſein dürfte, einen Hund ſo zu erziehen,
wie er erzogen werden muß.

Wenn der junge Hühnerhund ein Jahr alt geworden iſt, beginnt man mit der Abrichtung, am
liebſten im Februar, und wenn Dies nicht geht, im Juli oder Auguſt. Während der ganzen Lehrzeit
muß er an einem ganz ungeſtörten Ort eingeſperrt oder angebunden werden und darf durchaus keine
Gelegenheit zu Zerſtreuung oder Spielerei haben, dort auch von Niemandem, als von ſeinem Herrn
beſucht, gefüttert und getränkt werden. Eine Stunde vor jedem Unterricht erhält er eine mäßige
Mahlzeit, dann nimmt man das Thier an eine zehn Fuß lange Leine, deren Ende zugleich ein Hals-
band bildet, verſieht ſich mit einer kurzen Peitſche und lehrt dem Hunde zunächſt den Dreſſurbock (ein
1½ Zoll dickes, 16 Zoll langes, feſt mit Bindfaden umwickeltes Strohbündel) aufnehmen. Man
legt dem Hunde zuerſt die Leine an, zieht ihn unter dem Zurufe „hierher!‟ und mit einem beſtimmten
Pfiffe an ſich, lobt und ſtreichelt ihn, wenn er von ſelbſt kommt, oder ſchafft ihn mit Gewalt

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[373/0439] Erziehung des Jagdhundes. Wie feſt manche Hühnerhunde vor dem Wilde ſtehen, mag aus folgender Thatſache hervorgehen, welche Lenz erwähnt. Jn England hat man ein prachtvolles Gemälde verfertigt, welches einen ſchwarzen Vorſtehhund, Namens Pluto, und einen weiblichen, Namens Juno, darſtellt, wie Beide vor einem Rebhuhn ſtehen. Der Maler zeichnete 1¼ Stunde lang, und Beide ſtanden während dieſer Zeit wie verſteinert. Der Hund lernt alle dieſe Jagdgriffe allerdings erſt nach langer Abrichtung, aber wohl bei keinem andern Thiere ſieht man beſſer, wieviel es leiſten kann, wenn der Menſch es lehrt und gut behandelt, als bei dem Hühnerhund. Ein gut abgerichteter Jagdhund iſt ein wirklich wunderbares Thier und verdient ſeinen lateiniſchen Namen, Canis sagax, in vollem Maße. Er iſt auch ein Menſchenhund, wie Scheitlin ſagt; denn er beweiſt wahren Menſchenverſtand. Er weiß genau, was er zu thun hat, und ein ſchlechter Jäger, welchen ein gut geſchulter Jagdhund begleitet, wird von dieſem nicht ſelten in der allerempfindlichſten Weiſe getadelt. So kannte ich einen Hühner- hund Namens Basko, welcher wohl Alles leiſtete, was man jemals von einem ſeiner Art ver- langen konnte. Sein Herr war ein ganz vorzüglicher Schütze, welcher gewöhnlich unter zwanzig Schüſſen auf fliegendes Wild keinen oder nur einen Fehlſchuß that. Deſſen Hund war freilich ver- wöhnt und zu gleicher Zeit im höchſten Grad ehrgeizig. Einſt kommt der Sohn eines Freundes unſers Waidmanns zu ihm, ein junger Aktenmenſch, welcher die Feder allerdings beſſer gebrauchen konnte, als das Gewehr, und bittet um die Erlaubniß, ein wenig zu jagen. Der Förſter gewährt ihm Dies mit den Worten: Gehen Sie, aber ſchießen Sie gut, ſonſt nimmt es Basko gewaltig übel.‟ Die Jagd beginnt, Basko wittert nach kurzer Zeit eine Kette Hühner aus und ſteht wie ein Marmorbild vor derſelben. Er erhält den Befehl, ſie aufzutreiben. Die Hühner fliegen, der Schuß knallt, aber kein Stück von dem Wilde ſtürzt herab. Basko ſieht ſich äußerſt verwundert um und beweiſt augenſcheinlich genug, daß ſeine gute Laune verſchwunden ſei. Er geht aber doch noch ein- mal mit, findet eine zweite Kette Hühner, und es geht wie das erſte Mal. Da kommt er dicht an den Schützen heran, wirft einen Blick der tiefſten Verachtung auf ihn und eilt ſpornſtreichs nach Hauſe. Noch nach Jahr und Tag war es demſelben Jäger unmöglich, den Hund, welcher ein für die Jagd begeiſterter war, mit ſich auf das Feld zu nehmen: die Verachtung gegen den Schützen war zu tief in ſeinem Herzen eingewurzelt. Es iſt leicht erklärlich, daß ein ſo gut erzogener Hund auch einen vortrefflichen Erzieher haben muß, wenn aus ihm Etwas werden ſoll. Die Abrichtung iſt ein ſehr ſchwieriges Geſchäft und wird blos von wenigen Erwählten verſtanden. Wie ſchon bemerkt, ſind große Geduld, Ernſt und Liebe zum Thiere Haupterforderniſſe eines Erziehers, und deshalb läßt ſich wohl mit voller Beſtimmtheit behaupten, daß eine Frau nun und nimmermehr einen Jagdhund würde erziehen können. Jch will verſuchen, denjenigen meiner Leſer, welche noch gar keinen Begriff von der Art und Weiſe der Er- ziehung eines Jagdhundes haben, eine kurze Beſchreibung davon zu geben, und geſtehe ganz ehrlich, daß ich mich dabei auch auf andere Angaben und namentlich auf die Angaben Dietrichs aus dem Winckell ſtützen muß, weil ich ſelbſt ſchwerlich im Stande ſein dürfte, einen Hund ſo zu erziehen, wie er erzogen werden muß. Wenn der junge Hühnerhund ein Jahr alt geworden iſt, beginnt man mit der Abrichtung, am liebſten im Februar, und wenn Dies nicht geht, im Juli oder Auguſt. Während der ganzen Lehrzeit muß er an einem ganz ungeſtörten Ort eingeſperrt oder angebunden werden und darf durchaus keine Gelegenheit zu Zerſtreuung oder Spielerei haben, dort auch von Niemandem, als von ſeinem Herrn beſucht, gefüttert und getränkt werden. Eine Stunde vor jedem Unterricht erhält er eine mäßige Mahlzeit, dann nimmt man das Thier an eine zehn Fuß lange Leine, deren Ende zugleich ein Hals- band bildet, verſieht ſich mit einer kurzen Peitſche und lehrt dem Hunde zunächſt den Dreſſurbock (ein 1½ Zoll dickes, 16 Zoll langes, feſt mit Bindfaden umwickeltes Strohbündel) aufnehmen. Man legt dem Hunde zuerſt die Leine an, zieht ihn unter dem Zurufe „hierher!‟ und mit einem beſtimmten Pfiffe an ſich, lobt und ſtreichelt ihn, wenn er von ſelbſt kommt, oder ſchafft ihn mit Gewalt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/439>, abgerufen am 22.11.2024.