Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Raubthiere. Hunde. -- Windhunde.
so gut sein, mir Fleisch zu verschaffen." Der Hund benimmt sich bei allen diesen Freundlichkeiten, als
wisse er sie Wort für Wort in ihrem vollen Werthe zu würdigen."

"Wenn ein Windhund stirbt, geht ein großer Schmerz durch das ganze Zelt. Die Frauen und
Kinder weinen, als ob sie ein theures Familienglied verloren hätten. Und oft genug haben sie auch
viel verloren; denn der Hund war es, welcher die ganze Familie erhielt. Ein Slugui, welcher für
den armen Beduinen jagt, wird niemals verkauft, und nur in höchst seltenen Fällen läßt man sich
herbei, ihn einem der Verwandten oder einem Marabut, vor dem man große Ehrfurcht hat, zu schenken.

Der Preis eines Slugui, welcher die größeren Gazellen fängt, steht dem eines Kameles gleich;
für einen Windhund, welcher größere Antilopen niederreißt, bezahlt man gern soviel, wie für ein
schönes Pferd."

Die Perser benutzen ihre Windhunde, welche den afrikanischen außerordentlich ähneln, ebenfalls
hauptsächlich bei der Antilopenjagd, stellen ihnen aber in ihren Baizfalken ganz vortreffliche Ge-

[Abbildung] Der italienische Hund (Canis italicus).
hilfen. Alle |vornehmen Perser sind leidenschaftliche Freunde dieser gemischten oder vereinigten
Hetzjagden und wagen bei wahrhaft haarsträubenden Ritten das Leben mit Freuden bei solch edlem
Vergnügen. Sobald sie in ihrer Ebene eine Antilope erblicken, lassen sie den Baizfalken steigen, und
dieser holt natürlich mit wenig Flügelschlägen das sich flüchtende Säugethier ein und zwingt es auf
eigenthümliche Weise zum Feststellen. Geschickt einem Stoße des spitzen Hornes ausweichend, schießt
er schief von oben herab auf den Kopf der Antilope, schlägt dort seine gewaltigen Fänge ein, hält sich
trotz alles Schüttelns fest und verwirrt das Thier durch Flügelschläge, bis es nicht mehr weiß, wohin
es sich wenden soll, und solange im Kreise herumtaumelt, bis die Windhunde nachgekommen sind, um
es für ihren Herrn festzumachen. Außerdem benutzt man denselben Hund auch noch zur Jagd des
Ebers und des wilden Esels (Asinus hemionus), und namentlich der letzere soll dem Jäger und
seinem schnellen, vierfüßigen Gehilfen viel zu schaffen machen. Seinem natürlichen Triebe folgend, eilt
der aufgescheuchte wilde Esel augenblicklich den felsigen Abhängen zu, in welchen er den größten Theil

Die Raubthiere. Hunde. — Windhunde.
ſo gut ſein, mir Fleiſch zu verſchaffen.‟ Der Hund benimmt ſich bei allen dieſen Freundlichkeiten, als
wiſſe er ſie Wort für Wort in ihrem vollen Werthe zu würdigen.‟

„Wenn ein Windhund ſtirbt, geht ein großer Schmerz durch das ganze Zelt. Die Frauen und
Kinder weinen, als ob ſie ein theures Familienglied verloren hätten. Und oft genug haben ſie auch
viel verloren; denn der Hund war es, welcher die ganze Familie erhielt. Ein Slugui, welcher für
den armen Beduinen jagt, wird niemals verkauft, und nur in höchſt ſeltenen Fällen läßt man ſich
herbei, ihn einem der Verwandten oder einem Marabut, vor dem man große Ehrfurcht hat, zu ſchenken.

Der Preis eines Slugui, welcher die größeren Gazellen fängt, ſteht dem eines Kameles gleich;
für einen Windhund, welcher größere Antilopen niederreißt, bezahlt man gern ſoviel, wie für ein
ſchönes Pferd.‟

Die Perſer benutzen ihre Windhunde, welche den afrikaniſchen außerordentlich ähneln, ebenfalls
hauptſächlich bei der Antilopenjagd, ſtellen ihnen aber in ihren Baizfalken ganz vortreffliche Ge-

[Abbildung] Der italieniſche Hund (Canis italicus).
hilfen. Alle |vornehmen Perſer ſind leidenſchaftliche Freunde dieſer gemiſchten oder vereinigten
Hetzjagden und wagen bei wahrhaft haarſträubenden Ritten das Leben mit Freuden bei ſolch edlem
Vergnügen. Sobald ſie in ihrer Ebene eine Antilope erblicken, laſſen ſie den Baizfalken ſteigen, und
dieſer holt natürlich mit wenig Flügelſchlägen das ſich flüchtende Säugethier ein und zwingt es auf
eigenthümliche Weiſe zum Feſtſtellen. Geſchickt einem Stoße des ſpitzen Hornes ausweichend, ſchießt
er ſchief von oben herab auf den Kopf der Antilope, ſchlägt dort ſeine gewaltigen Fänge ein, hält ſich
trotz alles Schüttelns feſt und verwirrt das Thier durch Flügelſchläge, bis es nicht mehr weiß, wohin
es ſich wenden ſoll, und ſolange im Kreiſe herumtaumelt, bis die Windhunde nachgekommen ſind, um
es für ihren Herrn feſtzumachen. Außerdem benutzt man denſelben Hund auch noch zur Jagd des
Ebers und des wilden Eſels (Asinus hemionus), und namentlich der letzere ſoll dem Jäger und
ſeinem ſchnellen, vierfüßigen Gehilfen viel zu ſchaffen machen. Seinem natürlichen Triebe folgend, eilt
der aufgeſcheuchte wilde Eſel augenblicklich den felſigen Abhängen zu, in welchen er den größten Theil

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0418" n="352"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Raubthiere.</hi> Hunde. &#x2014; <hi rendition="#g">Windhunde.</hi></fw><lb/>
&#x017F;o gut &#x017F;ein, mir Flei&#x017F;ch zu ver&#x017F;chaffen.&#x201F; Der Hund benimmt &#x017F;ich bei allen die&#x017F;en Freundlichkeiten, als<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e er &#x017F;ie Wort für Wort in ihrem vollen Werthe zu würdigen.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn ein Windhund &#x017F;tirbt, geht ein großer Schmerz durch das ganze Zelt. Die Frauen und<lb/>
Kinder weinen, als ob &#x017F;ie ein theures Familienglied verloren hätten. Und oft genug haben &#x017F;ie auch<lb/>
viel verloren; denn der Hund war es, welcher die ganze Familie erhielt. Ein Slugui, welcher für<lb/>
den armen Beduinen jagt, wird niemals verkauft, und nur in höch&#x017F;t &#x017F;eltenen Fällen läßt man &#x017F;ich<lb/>
herbei, ihn einem der Verwandten oder einem Marabut, vor dem man große Ehrfurcht hat, zu &#x017F;chenken.</p><lb/>
          <p>Der Preis eines Slugui, welcher die größeren Gazellen fängt, &#x017F;teht dem eines Kameles gleich;<lb/>
für einen Windhund, welcher größere Antilopen niederreißt, bezahlt man gern &#x017F;oviel, wie für ein<lb/>
&#x017F;chönes Pferd.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Die Per&#x017F;er benutzen ihre Windhunde, welche den afrikani&#x017F;chen außerordentlich ähneln, ebenfalls<lb/>
haupt&#x017F;ächlich bei der Antilopenjagd, &#x017F;tellen ihnen aber in ihren <hi rendition="#g">Baizfalken</hi> ganz vortreffliche Ge-<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der italieni&#x017F;che Hund</hi> (<hi rendition="#aq">Canis italicus</hi>).</hi></head></figure><lb/>
hilfen. Alle |vornehmen Per&#x017F;er &#x017F;ind leiden&#x017F;chaftliche Freunde die&#x017F;er gemi&#x017F;chten oder vereinigten<lb/>
Hetzjagden und wagen bei wahrhaft haar&#x017F;träubenden Ritten das Leben mit Freuden bei &#x017F;olch edlem<lb/>
Vergnügen. Sobald &#x017F;ie in ihrer Ebene eine Antilope erblicken, la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie den Baizfalken &#x017F;teigen, und<lb/>
die&#x017F;er holt natürlich mit wenig Flügel&#x017F;chlägen das &#x017F;ich flüchtende Säugethier ein und zwingt es auf<lb/>
eigenthümliche Wei&#x017F;e zum Fe&#x017F;t&#x017F;tellen. Ge&#x017F;chickt einem Stoße des &#x017F;pitzen Hornes ausweichend, &#x017F;chießt<lb/>
er &#x017F;chief von oben herab auf den Kopf der Antilope, &#x017F;chlägt dort &#x017F;eine gewaltigen Fänge ein, hält &#x017F;ich<lb/>
trotz alles Schüttelns fe&#x017F;t und verwirrt das Thier durch Flügel&#x017F;chläge, bis es nicht mehr weiß, wohin<lb/>
es &#x017F;ich wenden &#x017F;oll, und &#x017F;olange im Krei&#x017F;e herumtaumelt, bis die Windhunde nachgekommen &#x017F;ind, um<lb/>
es für ihren Herrn fe&#x017F;tzumachen. Außerdem benutzt man den&#x017F;elben Hund auch noch zur Jagd des<lb/><hi rendition="#g">Ebers</hi> und des wilden <hi rendition="#g">E&#x017F;els</hi> (<hi rendition="#aq">Asinus hemionus</hi>), und namentlich der letzere &#x017F;oll dem Jäger und<lb/>
&#x017F;einem &#x017F;chnellen, vierfüßigen Gehilfen viel zu &#x017F;chaffen machen. Seinem natürlichen Triebe folgend, eilt<lb/>
der aufge&#x017F;cheuchte wilde E&#x017F;el augenblicklich den fel&#x017F;igen Abhängen zu, in welchen er den größten Theil<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0418] Die Raubthiere. Hunde. — Windhunde. ſo gut ſein, mir Fleiſch zu verſchaffen.‟ Der Hund benimmt ſich bei allen dieſen Freundlichkeiten, als wiſſe er ſie Wort für Wort in ihrem vollen Werthe zu würdigen.‟ „Wenn ein Windhund ſtirbt, geht ein großer Schmerz durch das ganze Zelt. Die Frauen und Kinder weinen, als ob ſie ein theures Familienglied verloren hätten. Und oft genug haben ſie auch viel verloren; denn der Hund war es, welcher die ganze Familie erhielt. Ein Slugui, welcher für den armen Beduinen jagt, wird niemals verkauft, und nur in höchſt ſeltenen Fällen läßt man ſich herbei, ihn einem der Verwandten oder einem Marabut, vor dem man große Ehrfurcht hat, zu ſchenken. Der Preis eines Slugui, welcher die größeren Gazellen fängt, ſteht dem eines Kameles gleich; für einen Windhund, welcher größere Antilopen niederreißt, bezahlt man gern ſoviel, wie für ein ſchönes Pferd.‟ Die Perſer benutzen ihre Windhunde, welche den afrikaniſchen außerordentlich ähneln, ebenfalls hauptſächlich bei der Antilopenjagd, ſtellen ihnen aber in ihren Baizfalken ganz vortreffliche Ge- [Abbildung Der italieniſche Hund (Canis italicus).] hilfen. Alle |vornehmen Perſer ſind leidenſchaftliche Freunde dieſer gemiſchten oder vereinigten Hetzjagden und wagen bei wahrhaft haarſträubenden Ritten das Leben mit Freuden bei ſolch edlem Vergnügen. Sobald ſie in ihrer Ebene eine Antilope erblicken, laſſen ſie den Baizfalken ſteigen, und dieſer holt natürlich mit wenig Flügelſchlägen das ſich flüchtende Säugethier ein und zwingt es auf eigenthümliche Weiſe zum Feſtſtellen. Geſchickt einem Stoße des ſpitzen Hornes ausweichend, ſchießt er ſchief von oben herab auf den Kopf der Antilope, ſchlägt dort ſeine gewaltigen Fänge ein, hält ſich trotz alles Schüttelns feſt und verwirrt das Thier durch Flügelſchläge, bis es nicht mehr weiß, wohin es ſich wenden ſoll, und ſolange im Kreiſe herumtaumelt, bis die Windhunde nachgekommen ſind, um es für ihren Herrn feſtzumachen. Außerdem benutzt man denſelben Hund auch noch zur Jagd des Ebers und des wilden Eſels (Asinus hemionus), und namentlich der letzere ſoll dem Jäger und ſeinem ſchnellen, vierfüßigen Gehilfen viel zu ſchaffen machen. Seinem natürlichen Triebe folgend, eilt der aufgeſcheuchte wilde Eſel augenblicklich den felſigen Abhängen zu, in welchen er den größten Theil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/418
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/418>, abgerufen am 19.05.2024.