Schilderung der persischen Windhunde und ihrer Jagden.
um den Kampf mit dem Feinde zu bestehen. Gewöhnlich war schon nach einer Viertelstunde die ganze Gesellschaft wieder versammelt: der Feind war in die Flucht geschlagen und die Hunde kehrten sieg- reich zurück. Blos wenn ein Löwe erschien, bewiesen sie sich feig und verkrochen sich heulend in einen Winkel der Seriba oder der dornigen Umzäunung des Dorfes.
Jede Woche brachte ein Paar Festtage für unsere Thiere. Am frühen Morgen vernahm man zuweilen mitten im Dorfe den Ton eines Hornes, und dieser rief ein Leben unter den Hunden hervor, welches gar nicht zu beschreiben ist. Als ich den eigenthümlichen Klang des Hornes zum ersten Male vernahm, wußte ich ihn mir durchaus nicht zu deuten; die Hunde aber verstanden sehr wohl, was er sagen sollte. Aus jedem Hause hervor eilten drei oder vier Stück mit wilden Sprüngen, jagten dem Klange nach, und in wenigen Minuten hatte sich um den Hornbläser eine Meute von wenigstens 50 oder 60 Hunden versammelt. Wie ungeduldige Knaben umdrängten sie den Mann; sie sprangen an ihm empor, heulten, bellten, kläfften, wimmerten, rannten unter sich hin und her, knurrten einander an, drängten eifersüchtig diejenigen weg, welche dem Mann am nächsten standen: -- kurz, sie zeigten in jeder Bewegung und in jedem Laut, daß sie aufs äußerste erregt waren. Als ich nun aus den meisten Häusern die jungen Männer mit ihren Lanzen und verschiedenen Schnuren und Stricken her- vortreten sah, verstand ich freilich, was der Hornlaut zu sagen hatte: er war das Jagdzeichen. Nun sammelte sich die Mannschaft um die Hunde, und Jeder suchte sich seine eignen aus dem wirren Haufen heraus. Jhrer Vier bis Sechs wurden immer von einem Manne geführt; dieser hatte aber oft genug seine Noth, um die ungeduldigen Thiere nur einigermaßen zügeln zu können. Das war ein Drängen, ein Vorwärtsstreben, ein Kläffen, ein Bellen ohne Ende! Endlich schritt der ganze Jagd- zug geordnet zum Dorfe hinaus, dabei ein wirklich prachtvolles Schauspiel gewährend. Man ging selten weit, denn schon die nächsten Wälder boten eine ergiebige Jagd, und diese war, Dank dem Eifer und Geschick der Hunde, für die Männer eine verhältnißmäßig sehr leichte. An einem Dickicht angekommen bildete man einen weiten Kessel und ließ dann die Hunde los. Diese drangen in das Jnnere des Dickichts ein und fingen fast alles jagdbare Wild, welches sich dort befand. Man brachte mir Trappen, Perlhühner, Frankoline, ja sogar Wüstenhühner, welche von den Hunden gefangen worden waren. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen, um die Gewandtheit dieser vor- trefflichen Thiere zu beweisen. Eine Antilope entkam ihnen nie, weil sich jedesmal ihrer Vier oder Sechs vereinigten, um sie zu verfolgen. Die gewöhnliche Jagdbeute bestand aus Antilopen, Hasen und Hühnern, doch wurden auch andere Thiere von den Hunden erbeutet, z. B. Wild- hunde (Canis simensis), Steppenfüchse (Vulpes famelica) und andere Raubthiere, und man versicherte mich, daß ein Leopard, ein Gepard oder eine Hiäne den Windhunden jedesmal er- liegen müsse.
Diese Hunde sind der Stolz der Steppenbewohner und werden deshalb auch mit einer gewissen Eifersucht von diesen unter sich festgehalten. Bei den festwohnenden Arabern in der Nilniederung findet man sie nicht, und nur selten kommt ein Steppenbewohner mit zwei oder drei seiner Lieblings- thiere bis zum Nil herab. Bei solchen Gelegenheiten verlieren die Leute gewöhnlich einen ihrer Hunde, und zwar durch die Krokodile. Die am Nil und seinen Armen gebornen und dort auf- gewachsenen Hunde werden von den Krokodilen niemals überrascht. Sie nahen sich, wenn sie trinken wollen, dem Strom immer nur mit der allerverständigsten Vorsicht und tappen nie blindlings zu, wie die der Verhältnisse unkundigen Steppenhunde. Ein Nilhund, um Dies kurz zu beschreiben, kommt vorsichtig zum Flußufer, beobachtet das Wasser von dort ganz genau, schreitet bedachtsam näher bis zu dem Spiegel des Wassers heran, heftet die Augen fest auf das trügerische Element und trinkt in Absätzen, bei der geringsten Bewegung des Wassers sich eilig zurückziehend; der Steppenhund da- gegen denkt gar nicht daran, daß im Wasser Etwas verborgen sein könne, springt unbesorgt in den Strom, um sich auch Brust und Leib zu kühlen, und fällt so den Krokodilen sehr hänfig zum Opfer. Ob Dies eine der Hauptursachen ist, daß man unmittelbar am Nil selbst keine Windhunde hält, oder ob noch andere Ursachen mitwirken, weiß ich nicht zu sagen.
Schilderung der perſiſchen Windhunde und ihrer Jagden.
um den Kampf mit dem Feinde zu beſtehen. Gewöhnlich war ſchon nach einer Viertelſtunde die ganze Geſellſchaft wieder verſammelt: der Feind war in die Flucht geſchlagen und die Hunde kehrten ſieg- reich zurück. Blos wenn ein Löwe erſchien, bewieſen ſie ſich feig und verkrochen ſich heulend in einen Winkel der Seriba oder der dornigen Umzäunung des Dorfes.
Jede Woche brachte ein Paar Feſttage für unſere Thiere. Am frühen Morgen vernahm man zuweilen mitten im Dorfe den Ton eines Hornes, und dieſer rief ein Leben unter den Hunden hervor, welches gar nicht zu beſchreiben iſt. Als ich den eigenthümlichen Klang des Hornes zum erſten Male vernahm, wußte ich ihn mir durchaus nicht zu deuten; die Hunde aber verſtanden ſehr wohl, was er ſagen ſollte. Aus jedem Hauſe hervor eilten drei oder vier Stück mit wilden Sprüngen, jagten dem Klange nach, und in wenigen Minuten hatte ſich um den Hornbläſer eine Meute von wenigſtens 50 oder 60 Hunden verſammelt. Wie ungeduldige Knaben umdrängten ſie den Mann; ſie ſprangen an ihm empor, heulten, bellten, kläfften, wimmerten, rannten unter ſich hin und her, knurrten einander an, drängten eiferſüchtig diejenigen weg, welche dem Mann am nächſten ſtanden: — kurz, ſie zeigten in jeder Bewegung und in jedem Laut, daß ſie aufs äußerſte erregt waren. Als ich nun aus den meiſten Häuſern die jungen Männer mit ihren Lanzen und verſchiedenen Schnuren und Stricken her- vortreten ſah, verſtand ich freilich, was der Hornlaut zu ſagen hatte: er war das Jagdzeichen. Nun ſammelte ſich die Mannſchaft um die Hunde, und Jeder ſuchte ſich ſeine eignen aus dem wirren Haufen heraus. Jhrer Vier bis Sechs wurden immer von einem Manne geführt; dieſer hatte aber oft genug ſeine Noth, um die ungeduldigen Thiere nur einigermaßen zügeln zu können. Das war ein Drängen, ein Vorwärtsſtreben, ein Kläffen, ein Bellen ohne Ende! Endlich ſchritt der ganze Jagd- zug geordnet zum Dorfe hinaus, dabei ein wirklich prachtvolles Schauſpiel gewährend. Man ging ſelten weit, denn ſchon die nächſten Wälder boten eine ergiebige Jagd, und dieſe war, Dank dem Eifer und Geſchick der Hunde, für die Männer eine verhältnißmäßig ſehr leichte. An einem Dickicht angekommen bildete man einen weiten Keſſel und ließ dann die Hunde los. Dieſe drangen in das Jnnere des Dickichts ein und fingen faſt alles jagdbare Wild, welches ſich dort befand. Man brachte mir Trappen, Perlhühner, Frankoline, ja ſogar Wüſtenhühner, welche von den Hunden gefangen worden waren. Mehr brauche ich wohl nicht zu ſagen, um die Gewandtheit dieſer vor- trefflichen Thiere zu beweiſen. Eine Antilope entkam ihnen nie, weil ſich jedesmal ihrer Vier oder Sechs vereinigten, um ſie zu verfolgen. Die gewöhnliche Jagdbeute beſtand aus Antilopen, Haſen und Hühnern, doch wurden auch andere Thiere von den Hunden erbeutet, z. B. Wild- hunde (Canis simensis), Steppenfüchſe (Vulpes famelica) und andere Raubthiere, und man verſicherte mich, daß ein Leopard, ein Gepard oder eine Hiäne den Windhunden jedesmal er- liegen müſſe.
Dieſe Hunde ſind der Stolz der Steppenbewohner und werden deshalb auch mit einer gewiſſen Eiferſucht von dieſen unter ſich feſtgehalten. Bei den feſtwohnenden Arabern in der Nilniederung findet man ſie nicht, und nur ſelten kommt ein Steppenbewohner mit zwei oder drei ſeiner Lieblings- thiere bis zum Nil herab. Bei ſolchen Gelegenheiten verlieren die Leute gewöhnlich einen ihrer Hunde, und zwar durch die Krokodile. Die am Nil und ſeinen Armen gebornen und dort auf- gewachſenen Hunde werden von den Krokodilen niemals überraſcht. Sie nahen ſich, wenn ſie trinken wollen, dem Strom immer nur mit der allerverſtändigſten Vorſicht und tappen nie blindlings zu, wie die der Verhältniſſe unkundigen Steppenhunde. Ein Nilhund, um Dies kurz zu beſchreiben, kommt vorſichtig zum Flußufer, beobachtet das Waſſer von dort ganz genau, ſchreitet bedachtſam näher bis zu dem Spiegel des Waſſers heran, heftet die Augen feſt auf das trügeriſche Element und trinkt in Abſätzen, bei der geringſten Bewegung des Waſſers ſich eilig zurückziehend; der Steppenhund da- gegen denkt gar nicht daran, daß im Waſſer Etwas verborgen ſein könne, ſpringt unbeſorgt in den Strom, um ſich auch Bruſt und Leib zu kühlen, und fällt ſo den Krokodilen ſehr hänfig zum Opfer. Ob Dies eine der Haupturſachen iſt, daß man unmittelbar am Nil ſelbſt keine Windhunde hält, oder ob noch andere Urſachen mitwirken, weiß ich nicht zu ſagen.
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Schilderung der perſiſchen Windhunde und ihrer Jagden.
um den Kampf mit dem Feinde zu beſtehen. Gewöhnlich war ſchon nach einer Viertelſtunde die ganze
Geſellſchaft wieder verſammelt: der Feind war in die Flucht geſchlagen und die Hunde kehrten ſieg-
reich zurück. Blos wenn ein Löwe erſchien, bewieſen ſie ſich feig und verkrochen ſich heulend in einen
Winkel der Seriba oder der dornigen Umzäunung des Dorfes.
Jede Woche brachte ein Paar Feſttage für unſere Thiere. Am frühen Morgen vernahm man
zuweilen mitten im Dorfe den Ton eines Hornes, und dieſer rief ein Leben unter den Hunden hervor,
welches gar nicht zu beſchreiben iſt. Als ich den eigenthümlichen Klang des Hornes zum erſten Male
vernahm, wußte ich ihn mir durchaus nicht zu deuten; die Hunde aber verſtanden ſehr wohl, was er
ſagen ſollte. Aus jedem Hauſe hervor eilten drei oder vier Stück mit wilden Sprüngen, jagten dem
Klange nach, und in wenigen Minuten hatte ſich um den Hornbläſer eine Meute von wenigſtens 50
oder 60 Hunden verſammelt. Wie ungeduldige Knaben umdrängten ſie den Mann; ſie ſprangen an
ihm empor, heulten, bellten, kläfften, wimmerten, rannten unter ſich hin und her, knurrten einander
an, drängten eiferſüchtig diejenigen weg, welche dem Mann am nächſten ſtanden: — kurz, ſie zeigten
in jeder Bewegung und in jedem Laut, daß ſie aufs äußerſte erregt waren. Als ich nun aus den
meiſten Häuſern die jungen Männer mit ihren Lanzen und verſchiedenen Schnuren und Stricken her-
vortreten ſah, verſtand ich freilich, was der Hornlaut zu ſagen hatte: er war das Jagdzeichen. Nun
ſammelte ſich die Mannſchaft um die Hunde, und Jeder ſuchte ſich ſeine eignen aus dem wirren Haufen
heraus. Jhrer Vier bis Sechs wurden immer von einem Manne geführt; dieſer hatte aber oft
genug ſeine Noth, um die ungeduldigen Thiere nur einigermaßen zügeln zu können. Das war ein
Drängen, ein Vorwärtsſtreben, ein Kläffen, ein Bellen ohne Ende! Endlich ſchritt der ganze Jagd-
zug geordnet zum Dorfe hinaus, dabei ein wirklich prachtvolles Schauſpiel gewährend. Man ging
ſelten weit, denn ſchon die nächſten Wälder boten eine ergiebige Jagd, und dieſe war, Dank dem
Eifer und Geſchick der Hunde, für die Männer eine verhältnißmäßig ſehr leichte. An einem Dickicht
angekommen bildete man einen weiten Keſſel und ließ dann die Hunde los. Dieſe drangen in das
Jnnere des Dickichts ein und fingen faſt alles jagdbare Wild, welches ſich dort befand. Man brachte
mir Trappen, Perlhühner, Frankoline, ja ſogar Wüſtenhühner, welche von den Hunden
gefangen worden waren. Mehr brauche ich wohl nicht zu ſagen, um die Gewandtheit dieſer vor-
trefflichen Thiere zu beweiſen. Eine Antilope entkam ihnen nie, weil ſich jedesmal ihrer Vier oder
Sechs vereinigten, um ſie zu verfolgen. Die gewöhnliche Jagdbeute beſtand aus Antilopen,
Haſen und Hühnern, doch wurden auch andere Thiere von den Hunden erbeutet, z. B. Wild-
hunde (Canis simensis), Steppenfüchſe (Vulpes famelica) und andere Raubthiere, und man
verſicherte mich, daß ein Leopard, ein Gepard oder eine Hiäne den Windhunden jedesmal er-
liegen müſſe.
Dieſe Hunde ſind der Stolz der Steppenbewohner und werden deshalb auch mit einer gewiſſen
Eiferſucht von dieſen unter ſich feſtgehalten. Bei den feſtwohnenden Arabern in der Nilniederung
findet man ſie nicht, und nur ſelten kommt ein Steppenbewohner mit zwei oder drei ſeiner Lieblings-
thiere bis zum Nil herab. Bei ſolchen Gelegenheiten verlieren die Leute gewöhnlich einen ihrer
Hunde, und zwar durch die Krokodile. Die am Nil und ſeinen Armen gebornen und dort auf-
gewachſenen Hunde werden von den Krokodilen niemals überraſcht. Sie nahen ſich, wenn ſie trinken
wollen, dem Strom immer nur mit der allerverſtändigſten Vorſicht und tappen nie blindlings zu, wie
die der Verhältniſſe unkundigen Steppenhunde. Ein Nilhund, um Dies kurz zu beſchreiben, kommt
vorſichtig zum Flußufer, beobachtet das Waſſer von dort ganz genau, ſchreitet bedachtſam näher bis
zu dem Spiegel des Waſſers heran, heftet die Augen feſt auf das trügeriſche Element und trinkt in
Abſätzen, bei der geringſten Bewegung des Waſſers ſich eilig zurückziehend; der Steppenhund da-
gegen denkt gar nicht daran, daß im Waſſer Etwas verborgen ſein könne, ſpringt unbeſorgt in den
Strom, um ſich auch Bruſt und Leib zu kühlen, und fällt ſo den Krokodilen ſehr hänfig zum Opfer.
Ob Dies eine der Haupturſachen iſt, daß man unmittelbar am Nil ſelbſt keine Windhunde hält, oder
ob noch andere Urſachen mitwirken, weiß ich nicht zu ſagen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/415>, abgerufen am 22.11.2024.
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