man sobald als möglich zur Stelle sein; denn die allermeisten Windhunde schneiden ihre Beute an und haben sie manchmal bereits halb aufgefressen, wenn der Jäger herbeikommt. Ein Windhund, welcher die anderen hiervon abhält, wird Retter genannt, und Derjenige, welcher im Stande ist, einen Hasen allein ohne Hilfe zu erhaschen, Solofänger; Beide werden außerordentlich theuer be- zahlt und sind sehr gesucht.
Während im Norden die Windhunde sich vielfach durch ihren Leibesbau und ihre Behaarung unterscheiden, gehören die des Südens, wie es scheint, mehr oder weniger einer Rasse an. Der persische Windhund mag sie uns kennen lernen. Er ist ein ebenso edles, als anmuthiges Thier. Die Behaarung ist seidenweich; ihre Färbung ist ein leichtes Jsabellgelb, welches nicht selten ins Weißliche zieht, häufig aber bis zur echten Rehfarbe dunkelt. Auf den alten egyptischen Denkmälern findet man diese Rasse unter anderen, namentlich gefleckten Windhunden abgebildet, woraus also hervorgeht, daß dieses vortreffliche Thier schon im grauen Alterthum benutzt wurde. Jch meines- theils habe ihn in Kordofahn kennen gelernt.
Alle Steppenbewohner, und zwar die festsitzenden ebensogut, wie die herumwandernden, ver- ehren den Windhund in ganz ungewöhnlicher Weise. Es wurde mir nicht möglich, ein Windspiel käuflich an mich zu bringen, weil die Leute sich durchaus nicht auf den Handel einlassen wollten. Be- sondere Gebräuche, welche zum Gesetz geworden sind, bestimmen gewissermaßen den Werth des Thieres. So muß, um ein Beispiel zu geben, in Jemen nach altem Brauch und Recht Jeder, welcher ein Windspiel erschlägt, soviel Weizen zur Sühne geben, als erforderlich ist, den Hund zu bedecken, wenn er so an der Standarte aufgehängt ist, daß er mit der Schnauzenspitze eben den Boden berührt. Bei dem verhältnißmäßig hohen Preise, welchen der Weizen in jener Gegend hat, be- ansprucht dies eine ganz außerordentliche Summe; denn ein derartig aufgehangener Windhund er- fordert bei dem geringen Fallwinkel des Getreides, wenn er bedeckt sein will, einen Haufen von vielen Scheffeln.
Jm Jahre 1848 verlebte ich mehrere Wochen in dem Dorfe Melbeß in Kordofahn und hatte hier vielfache Gelegenheit, den innerafrikanischen Windhund zu beobachten. Die Dorfbewohner nährten sich, obgleich sie Getreide bauten, hauptsächlich von der Viehzucht und der Jagd. Aus diesem Grunde hielten sie blos Schäfer- und Windhunde, die ersteren bei den Herden, die letzteren im Dorfe. Es war eine wahre Freude, durch das Dorf zu gehen; denn vor jedem Hause saßen drei oder vier der prächtigen Thiere, von denen einer immer den andern an Schönheit übertraf. Sie waren wachsam und schon hierdurch von ihren Verwandten sehr verschieden. Sie schützten das Dorf auch gegen die nächtlichen Ueberfälle der Hiänen und Leoparden; nur in einen Kampf mit dem Löwen ließen sie sich nicht ein. Am Tage waren sie ruhig und still, nach Einbruch der Nacht aber begann ihr wahres Leben. Man sah sie dann auf allen Mauern herumklettern; selbst die Strohdächer der Dokhahl oder runden Hütten mit kegelförmigem Dache bestiegen sie, wahrscheinlich um dort einen geeigneten Stand- punkt zum Ausschauen und Lauschen zu erhalten. Jhre Gewandtheit im Klettern erregte billig meine Verwunderung. Schon in Egypten hatte ich beobachtet, daß die Dorfhunde nachts mehr auf den Häusern, als auf den Straßen sich aufhalten. Hier aber sind alle Hüttendächer glatt und eben, in Melbeß dagegen waren dies nur die wenigsten: gleichwohl waren auch hier die Hunde oben ebenso heimisch, als unten auf der flachen Erde. Wenn nun die Nacht hereinbrach, hörte man anfangs wohl hier und da Gekläff und Gebell, bald jedoch wurde es ganz ruhig, und man vernahm höchstens das Geräusch, welches die Hunde verursachten, wenn sie über die Dächer wegliefen, unter denen man lag. Doch verging während meines ganzen Aufenthaltes keine Nacht, ohne daß sie Gelegenheit ge- funden hätten, dem Menschen zu dienen. Eine Hiäne, ein Leopard oder ein Gepard, wilde Hunde und andere Raubthiere näherten sich allnächtlich dem Dorfe. Ein Hund bemerkte die ver- haßten Gäste, schlug in eigenthümlich kurzer Weise heftig an, und im Nu war die ganze Meute lebendig. Mit wenig Sätzen sprang jeder Hund von seinem erhabenen Standpunkte herab; in den Straßen bildete sich augenblicklich eine Meute, und diese stürmte nun eilig vor das Dorf hinaus,
Die Raubthiere. Hunde. — Windhunde.
man ſobald als möglich zur Stelle ſein; denn die allermeiſten Windhunde ſchneiden ihre Beute an und haben ſie manchmal bereits halb aufgefreſſen, wenn der Jäger herbeikommt. Ein Windhund, welcher die anderen hiervon abhält, wird Retter genannt, und Derjenige, welcher im Stande iſt, einen Haſen allein ohne Hilfe zu erhaſchen, Solofänger; Beide werden außerordentlich theuer be- zahlt und ſind ſehr geſucht.
Während im Norden die Windhunde ſich vielfach durch ihren Leibesbau und ihre Behaarung unterſcheiden, gehören die des Südens, wie es ſcheint, mehr oder weniger einer Raſſe an. Der perſiſche Windhund mag ſie uns kennen lernen. Er iſt ein ebenſo edles, als anmuthiges Thier. Die Behaarung iſt ſeidenweich; ihre Färbung iſt ein leichtes Jſabellgelb, welches nicht ſelten ins Weißliche zieht, häufig aber bis zur echten Rehfarbe dunkelt. Auf den alten egyptiſchen Denkmälern findet man dieſe Raſſe unter anderen, namentlich gefleckten Windhunden abgebildet, woraus alſo hervorgeht, daß dieſes vortreffliche Thier ſchon im grauen Alterthum benutzt wurde. Jch meines- theils habe ihn in Kordofahn kennen gelernt.
Alle Steppenbewohner, und zwar die feſtſitzenden ebenſogut, wie die herumwandernden, ver- ehren den Windhund in ganz ungewöhnlicher Weiſe. Es wurde mir nicht möglich, ein Windſpiel käuflich an mich zu bringen, weil die Leute ſich durchaus nicht auf den Handel einlaſſen wollten. Be- ſondere Gebräuche, welche zum Geſetz geworden ſind, beſtimmen gewiſſermaßen den Werth des Thieres. So muß, um ein Beiſpiel zu geben, in Jemen nach altem Brauch und Recht Jeder, welcher ein Windſpiel erſchlägt, ſoviel Weizen zur Sühne geben, als erforderlich iſt, den Hund zu bedecken, wenn er ſo an der Standarte aufgehängt iſt, daß er mit der Schnauzenſpitze eben den Boden berührt. Bei dem verhältnißmäßig hohen Preiſe, welchen der Weizen in jener Gegend hat, be- anſprucht dies eine ganz außerordentliche Summe; denn ein derartig aufgehangener Windhund er- fordert bei dem geringen Fallwinkel des Getreides, wenn er bedeckt ſein will, einen Haufen von vielen Scheffeln.
Jm Jahre 1848 verlebte ich mehrere Wochen in dem Dorfe Melbeß in Kordofahn und hatte hier vielfache Gelegenheit, den innerafrikaniſchen Windhund zu beobachten. Die Dorfbewohner nährten ſich, obgleich ſie Getreide bauten, hauptſächlich von der Viehzucht und der Jagd. Aus dieſem Grunde hielten ſie blos Schäfer- und Windhunde, die erſteren bei den Herden, die letzteren im Dorfe. Es war eine wahre Freude, durch das Dorf zu gehen; denn vor jedem Hauſe ſaßen drei oder vier der prächtigen Thiere, von denen einer immer den andern an Schönheit übertraf. Sie waren wachſam und ſchon hierdurch von ihren Verwandten ſehr verſchieden. Sie ſchützten das Dorf auch gegen die nächtlichen Ueberfälle der Hiänen und Leoparden; nur in einen Kampf mit dem Löwen ließen ſie ſich nicht ein. Am Tage waren ſie ruhig und ſtill, nach Einbruch der Nacht aber begann ihr wahres Leben. Man ſah ſie dann auf allen Mauern herumklettern; ſelbſt die Strohdächer der Dokhahl oder runden Hütten mit kegelförmigem Dache beſtiegen ſie, wahrſcheinlich um dort einen geeigneten Stand- punkt zum Ausſchauen und Lauſchen zu erhalten. Jhre Gewandtheit im Klettern erregte billig meine Verwunderung. Schon in Egypten hatte ich beobachtet, daß die Dorfhunde nachts mehr auf den Häuſern, als auf den Straßen ſich aufhalten. Hier aber ſind alle Hüttendächer glatt und eben, in Melbeß dagegen waren dies nur die wenigſten: gleichwohl waren auch hier die Hunde oben ebenſo heimiſch, als unten auf der flachen Erde. Wenn nun die Nacht hereinbrach, hörte man anfangs wohl hier und da Gekläff und Gebell, bald jedoch wurde es ganz ruhig, und man vernahm höchſtens das Geräuſch, welches die Hunde verurſachten, wenn ſie über die Dächer wegliefen, unter denen man lag. Doch verging während meines ganzen Aufenthaltes keine Nacht, ohne daß ſie Gelegenheit ge- funden hätten, dem Menſchen zu dienen. Eine Hiäne, ein Leopard oder ein Gepard, wilde Hunde und andere Raubthiere näherten ſich allnächtlich dem Dorfe. Ein Hund bemerkte die ver- haßten Gäſte, ſchlug in eigenthümlich kurzer Weiſe heftig an, und im Nu war die ganze Meute lebendig. Mit wenig Sätzen ſprang jeder Hund von ſeinem erhabenen Standpunkte herab; in den Straßen bildete ſich augenblicklich eine Meute, und dieſe ſtürmte nun eilig vor das Dorf hinaus,
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[348/0414]
Die Raubthiere. Hunde. — Windhunde.
man ſobald als möglich zur Stelle ſein; denn die allermeiſten Windhunde ſchneiden ihre Beute an
und haben ſie manchmal bereits halb aufgefreſſen, wenn der Jäger herbeikommt. Ein Windhund,
welcher die anderen hiervon abhält, wird Retter genannt, und Derjenige, welcher im Stande iſt,
einen Haſen allein ohne Hilfe zu erhaſchen, Solofänger; Beide werden außerordentlich theuer be-
zahlt und ſind ſehr geſucht.
Während im Norden die Windhunde ſich vielfach durch ihren Leibesbau und ihre Behaarung
unterſcheiden, gehören die des Südens, wie es ſcheint, mehr oder weniger einer Raſſe an. Der
perſiſche Windhund mag ſie uns kennen lernen. Er iſt ein ebenſo edles, als anmuthiges Thier.
Die Behaarung iſt ſeidenweich; ihre Färbung iſt ein leichtes Jſabellgelb, welches nicht ſelten ins
Weißliche zieht, häufig aber bis zur echten Rehfarbe dunkelt. Auf den alten egyptiſchen Denkmälern
findet man dieſe Raſſe unter anderen, namentlich gefleckten Windhunden abgebildet, woraus alſo
hervorgeht, daß dieſes vortreffliche Thier ſchon im grauen Alterthum benutzt wurde. Jch meines-
theils habe ihn in Kordofahn kennen gelernt.
Alle Steppenbewohner, und zwar die feſtſitzenden ebenſogut, wie die herumwandernden, ver-
ehren den Windhund in ganz ungewöhnlicher Weiſe. Es wurde mir nicht möglich, ein Windſpiel
käuflich an mich zu bringen, weil die Leute ſich durchaus nicht auf den Handel einlaſſen wollten. Be-
ſondere Gebräuche, welche zum Geſetz geworden ſind, beſtimmen gewiſſermaßen den Werth des
Thieres. So muß, um ein Beiſpiel zu geben, in Jemen nach altem Brauch und Recht Jeder,
welcher ein Windſpiel erſchlägt, ſoviel Weizen zur Sühne geben, als erforderlich iſt, den Hund zu
bedecken, wenn er ſo an der Standarte aufgehängt iſt, daß er mit der Schnauzenſpitze eben den Boden
berührt. Bei dem verhältnißmäßig hohen Preiſe, welchen der Weizen in jener Gegend hat, be-
anſprucht dies eine ganz außerordentliche Summe; denn ein derartig aufgehangener Windhund er-
fordert bei dem geringen Fallwinkel des Getreides, wenn er bedeckt ſein will, einen Haufen von
vielen Scheffeln.
Jm Jahre 1848 verlebte ich mehrere Wochen in dem Dorfe Melbeß in Kordofahn und hatte
hier vielfache Gelegenheit, den innerafrikaniſchen Windhund zu beobachten. Die Dorfbewohner
nährten ſich, obgleich ſie Getreide bauten, hauptſächlich von der Viehzucht und der Jagd. Aus dieſem
Grunde hielten ſie blos Schäfer- und Windhunde, die erſteren bei den Herden, die letzteren im Dorfe.
Es war eine wahre Freude, durch das Dorf zu gehen; denn vor jedem Hauſe ſaßen drei oder vier
der prächtigen Thiere, von denen einer immer den andern an Schönheit übertraf. Sie waren wachſam
und ſchon hierdurch von ihren Verwandten ſehr verſchieden. Sie ſchützten das Dorf auch gegen die
nächtlichen Ueberfälle der Hiänen und Leoparden; nur in einen Kampf mit dem Löwen ließen ſie
ſich nicht ein. Am Tage waren ſie ruhig und ſtill, nach Einbruch der Nacht aber begann ihr wahres
Leben. Man ſah ſie dann auf allen Mauern herumklettern; ſelbſt die Strohdächer der Dokhahl oder
runden Hütten mit kegelförmigem Dache beſtiegen ſie, wahrſcheinlich um dort einen geeigneten Stand-
punkt zum Ausſchauen und Lauſchen zu erhalten. Jhre Gewandtheit im Klettern erregte billig meine
Verwunderung. Schon in Egypten hatte ich beobachtet, daß die Dorfhunde nachts mehr auf den
Häuſern, als auf den Straßen ſich aufhalten. Hier aber ſind alle Hüttendächer glatt und eben, in
Melbeß dagegen waren dies nur die wenigſten: gleichwohl waren auch hier die Hunde oben ebenſo
heimiſch, als unten auf der flachen Erde. Wenn nun die Nacht hereinbrach, hörte man anfangs
wohl hier und da Gekläff und Gebell, bald jedoch wurde es ganz ruhig, und man vernahm höchſtens
das Geräuſch, welches die Hunde verurſachten, wenn ſie über die Dächer wegliefen, unter denen man
lag. Doch verging während meines ganzen Aufenthaltes keine Nacht, ohne daß ſie Gelegenheit ge-
funden hätten, dem Menſchen zu dienen. Eine Hiäne, ein Leopard oder ein Gepard, wilde
Hunde und andere Raubthiere näherten ſich allnächtlich dem Dorfe. Ein Hund bemerkte die ver-
haßten Gäſte, ſchlug in eigenthümlich kurzer Weiſe heftig an, und im Nu war die ganze Meute
lebendig. Mit wenig Sätzen ſprang jeder Hund von ſeinem erhabenen Standpunkte herab; in den
Straßen bildete ſich augenblicklich eine Meute, und dieſe ſtürmte nun eilig vor das Dorf hinaus,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/414>, abgerufen am 22.11.2024.
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