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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Lebensdauer. Krankheiten. Schmarotzer.

Bei der rasenden Wuth funkelt das Auge, der Stern erweitert sich, das Maul steht offen, ist nur
wenig von Geifer benetzt und die bläuliche Zunge hängt aus dem Maule herab. Schon bei der Ent-
wickelung dieser Krankheitsform zeigt der Hund einen großen Grad von Trotz und Falschheit, selbst
gegen seinen Herrn, schnappt unwillkürlich nach Fliegen oder nach Allem, was ihm in die Nähe kommt,
fällt das Hausgeflügel an und zerreißt es, ohne es zu fressen, lockt andere Hunde zu sich heran und
fällt dann wüthend über sie her, fletscht die Zähne, verzerrt das Gesicht, winselt, leckt mit der entzündeten
Zunge seine Lippen und schnalzt auch mittelst derselben, wobei ihm oft schon wäßriger Geifer aus dem
Munde tritt. Später verfolgt er mit aufgerichtetem Schwanze und hoch aufgehobenen Beinen den
geraden Weg im Freien, wobei ihm nur unüberwindliche Hindernisse von der einmal eingeschlagenen
Richtung abzubringen vermögen. Vom Wasser wendet er sich taumelnd ab, schwimmt aber doch noch
zuweilen durch Bäche und Pfützen. Er beißt Alles, was ihm entgegen kommt, oft auch leblose Gegen-
stände; der angehängte Hund beißt sogar in seine Kette. Wie es scheint, peinigen die fürchterlichsten
Schmerzen das arme Thier, denn es stirbt unter den gräßlichsten Zuckungen, gewöhnlich am sechsten
oder achten, bisweilen am vierten, selten erst am neunten Tage.

Schon die Griechen kannten die Tollwuth des Hundes, obwohl sie in Südeuropa weit seltner ist,
als bei uns. Jn den Ländern des kalten oder gar des heißen Erdgürtels kommt die Seuche nur selten
oder gar nicht zum Ausbruch, wahrscheinlich, weil weder hier noch da der Hund sich selbst überlassen
wird. Bisher hat man noch kein sicheres Mittel gegen die Wuthkrankheit aufgefunden, und Dies ist
um so trauriger, weil leider noch immer viele Menschen in Folge der Ansteckung ihr Leben verlieren.
Nach amtlichen Nachrichten sind vom Jahre 1810 bis 1819 im preußischen Staate 1666 Menschen
in Folge des Bisses von tollen Hunden gestorben. Geht der Wuthgeifer einmal in das Blut eines
andern Thieres über, so ist es in den allermeisten Fällen verloren, falls nicht augenblicklich ein geübter
und erfahrner Arzt bei der Hand ist, welcher die Wunde mit glühendem Eisen, Höllenstein oder anderen
Aetzmitteln ausbrennt, durch Schröpfköpfe Blut entzieht, mit Salzwasser die Wunde auswäscht, aus-
schneidet etc. Ausbrennen des Giftes durch die eine oder die andere Art ist wohl das sicherste Mittel,
denn die sämmtlichen übrigen, welche man bisher angewendet hat, haben sich noch nicht bewährt.

Jn der Neuzeit will man beobachtet haben, daß unter Hunden, welche beständig Maulkörbe tragen
müssen, die Wuth seltner ist, als unter jenen, welchen in gerechter Würdigung des biblischen Gesetzes
das Maul nicht verbunden wurde. Jn Berlin soll sich seit Einführung der Maulkörbe im Jahre 1854
die Wuth (der Hunde nämlich) auffallend vermindert haben. Während man 1845 dreißig und in den
folgenden Jahren 17, 3, 17, 30, 19, 10, 68 und 83 tolle Hunde der Thierarzneischule zuführte,
erhielt man 1854 nur von vier, 1855 von einem, 1856 von zwei, und in den Jahren 1857 bis
1861 von gar keinem tollwüthigen Hunde Kenntniß. Einstweilen ist noch nicht viel auf diese Zu-
sammenstellung zu geben: die Beobachtungszeit ist noch zu kurz, als daß sie Berechtigung zu richtigen
Schlüssen gewähren könnte.

Das untrüglichste Kennzeichen von der Gesundheit eines Hundes ist seine kalte und feuchte Nase.
Wird diese trocken und heiß, so trüben sich die Augen, zeigt sich Mangel an Appetit etc., so kann man
überzeugt sein, daß sich der Hund unwohl befindet. Man sperrt ihn dann in einen wohlverwahrten
Stall, läßt ihn dort hungern und giebt ihm zuletzt Leinöl, welches unter gute Speise gemischt wird.
Ein großer Hund erhält einen Eßlöffel voll Oel, ein kleiner einen halben; Dies wiederholt man
einige Male. Leberthran leistet dieselben Dienste. Hilft das blose Leinöl nicht, so streut man
am folgenden Tage einen halben Theelöffel voll gestoßenen Schwefel auf ein Butterbrödchen,
klappt es zusammen und giebt es dem Leidenden. Füttert man außerdem den Hund mit süßer
oder saurer Milch und etwas gutem Brod, so braucht man bei keiner Krankheit ein anderes Mittel
anzuwenden. --

Alle Hunde sind von Schmarotzern geplagt. Sie leiden oft entsetzlich an Flöhen und Läusen,
und an gewissen Orten auch an Holzböcken oder Zecken. Die Flöhe und Läuse vertreibt man bald,
wenn man unter das Strohlager des Hundes eine Schicht Asche auf den Boden streut, oder das Fell

Lebensdauer. Krankheiten. Schmarotzer.

Bei der raſenden Wuth funkelt das Auge, der Stern erweitert ſich, das Maul ſteht offen, iſt nur
wenig von Geifer benetzt und die bläuliche Zunge hängt aus dem Maule herab. Schon bei der Ent-
wickelung dieſer Krankheitsform zeigt der Hund einen großen Grad von Trotz und Falſchheit, ſelbſt
gegen ſeinen Herrn, ſchnappt unwillkürlich nach Fliegen oder nach Allem, was ihm in die Nähe kommt,
fällt das Hausgeflügel an und zerreißt es, ohne es zu freſſen, lockt andere Hunde zu ſich heran und
fällt dann wüthend über ſie her, fletſcht die Zähne, verzerrt das Geſicht, winſelt, leckt mit der entzündeten
Zunge ſeine Lippen und ſchnalzt auch mittelſt derſelben, wobei ihm oft ſchon wäßriger Geifer aus dem
Munde tritt. Später verfolgt er mit aufgerichtetem Schwanze und hoch aufgehobenen Beinen den
geraden Weg im Freien, wobei ihm nur unüberwindliche Hinderniſſe von der einmal eingeſchlagenen
Richtung abzubringen vermögen. Vom Waſſer wendet er ſich taumelnd ab, ſchwimmt aber doch noch
zuweilen durch Bäche und Pfützen. Er beißt Alles, was ihm entgegen kommt, oft auch lebloſe Gegen-
ſtände; der angehängte Hund beißt ſogar in ſeine Kette. Wie es ſcheint, peinigen die fürchterlichſten
Schmerzen das arme Thier, denn es ſtirbt unter den gräßlichſten Zuckungen, gewöhnlich am ſechſten
oder achten, bisweilen am vierten, ſelten erſt am neunten Tage.

Schon die Griechen kannten die Tollwuth des Hundes, obwohl ſie in Südeuropa weit ſeltner iſt,
als bei uns. Jn den Ländern des kalten oder gar des heißen Erdgürtels kommt die Seuche nur ſelten
oder gar nicht zum Ausbruch, wahrſcheinlich, weil weder hier noch da der Hund ſich ſelbſt überlaſſen
wird. Bisher hat man noch kein ſicheres Mittel gegen die Wuthkrankheit aufgefunden, und Dies iſt
um ſo trauriger, weil leider noch immer viele Menſchen in Folge der Anſteckung ihr Leben verlieren.
Nach amtlichen Nachrichten ſind vom Jahre 1810 bis 1819 im preußiſchen Staate 1666 Menſchen
in Folge des Biſſes von tollen Hunden geſtorben. Geht der Wuthgeifer einmal in das Blut eines
andern Thieres über, ſo iſt es in den allermeiſten Fällen verloren, falls nicht augenblicklich ein geübter
und erfahrner Arzt bei der Hand iſt, welcher die Wunde mit glühendem Eiſen, Höllenſtein oder anderen
Aetzmitteln ausbrennt, durch Schröpfköpfe Blut entzieht, mit Salzwaſſer die Wunde auswäſcht, aus-
ſchneidet ꝛc. Ausbrennen des Giftes durch die eine oder die andere Art iſt wohl das ſicherſte Mittel,
denn die ſämmtlichen übrigen, welche man bisher angewendet hat, haben ſich noch nicht bewährt.

Jn der Neuzeit will man beobachtet haben, daß unter Hunden, welche beſtändig Maulkörbe tragen
müſſen, die Wuth ſeltner iſt, als unter jenen, welchen in gerechter Würdigung des bibliſchen Geſetzes
das Maul nicht verbunden wurde. Jn Berlin ſoll ſich ſeit Einführung der Maulkörbe im Jahre 1854
die Wuth (der Hunde nämlich) auffallend vermindert haben. Während man 1845 dreißig und in den
folgenden Jahren 17, 3, 17, 30, 19, 10, 68 und 83 tolle Hunde der Thierarzneiſchule zuführte,
erhielt man 1854 nur von vier, 1855 von einem, 1856 von zwei, und in den Jahren 1857 bis
1861 von gar keinem tollwüthigen Hunde Kenntniß. Einſtweilen iſt noch nicht viel auf dieſe Zu-
ſammenſtellung zu geben: die Beobachtungszeit iſt noch zu kurz, als daß ſie Berechtigung zu richtigen
Schlüſſen gewähren könnte.

Das untrüglichſte Kennzeichen von der Geſundheit eines Hundes iſt ſeine kalte und feuchte Naſe.
Wird dieſe trocken und heiß, ſo trüben ſich die Augen, zeigt ſich Mangel an Appetit ꝛc., ſo kann man
überzeugt ſein, daß ſich der Hund unwohl befindet. Man ſperrt ihn dann in einen wohlverwahrten
Stall, läßt ihn dort hungern und giebt ihm zuletzt Leinöl, welches unter gute Speiſe gemiſcht wird.
Ein großer Hund erhält einen Eßlöffel voll Oel, ein kleiner einen halben; Dies wiederholt man
einige Male. Leberthran leiſtet dieſelben Dienſte. Hilft das bloſe Leinöl nicht, ſo ſtreut man
am folgenden Tage einen halben Theelöffel voll geſtoßenen Schwefel auf ein Butterbrödchen,
klappt es zuſammen und giebt es dem Leidenden. Füttert man außerdem den Hund mit ſüßer
oder ſaurer Milch und etwas gutem Brod, ſo braucht man bei keiner Krankheit ein anderes Mittel
anzuwenden. —

Alle Hunde ſind von Schmarotzern geplagt. Sie leiden oft entſetzlich an Flöhen und Läuſen,
und an gewiſſen Orten auch an Holzböcken oder Zecken. Die Flöhe und Läuſe vertreibt man bald,
wenn man unter das Strohlager des Hundes eine Schicht Aſche auf den Boden ſtreut, oder das Fell

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[341/0407] Lebensdauer. Krankheiten. Schmarotzer. Bei der raſenden Wuth funkelt das Auge, der Stern erweitert ſich, das Maul ſteht offen, iſt nur wenig von Geifer benetzt und die bläuliche Zunge hängt aus dem Maule herab. Schon bei der Ent- wickelung dieſer Krankheitsform zeigt der Hund einen großen Grad von Trotz und Falſchheit, ſelbſt gegen ſeinen Herrn, ſchnappt unwillkürlich nach Fliegen oder nach Allem, was ihm in die Nähe kommt, fällt das Hausgeflügel an und zerreißt es, ohne es zu freſſen, lockt andere Hunde zu ſich heran und fällt dann wüthend über ſie her, fletſcht die Zähne, verzerrt das Geſicht, winſelt, leckt mit der entzündeten Zunge ſeine Lippen und ſchnalzt auch mittelſt derſelben, wobei ihm oft ſchon wäßriger Geifer aus dem Munde tritt. Später verfolgt er mit aufgerichtetem Schwanze und hoch aufgehobenen Beinen den geraden Weg im Freien, wobei ihm nur unüberwindliche Hinderniſſe von der einmal eingeſchlagenen Richtung abzubringen vermögen. Vom Waſſer wendet er ſich taumelnd ab, ſchwimmt aber doch noch zuweilen durch Bäche und Pfützen. Er beißt Alles, was ihm entgegen kommt, oft auch lebloſe Gegen- ſtände; der angehängte Hund beißt ſogar in ſeine Kette. Wie es ſcheint, peinigen die fürchterlichſten Schmerzen das arme Thier, denn es ſtirbt unter den gräßlichſten Zuckungen, gewöhnlich am ſechſten oder achten, bisweilen am vierten, ſelten erſt am neunten Tage. Schon die Griechen kannten die Tollwuth des Hundes, obwohl ſie in Südeuropa weit ſeltner iſt, als bei uns. Jn den Ländern des kalten oder gar des heißen Erdgürtels kommt die Seuche nur ſelten oder gar nicht zum Ausbruch, wahrſcheinlich, weil weder hier noch da der Hund ſich ſelbſt überlaſſen wird. Bisher hat man noch kein ſicheres Mittel gegen die Wuthkrankheit aufgefunden, und Dies iſt um ſo trauriger, weil leider noch immer viele Menſchen in Folge der Anſteckung ihr Leben verlieren. Nach amtlichen Nachrichten ſind vom Jahre 1810 bis 1819 im preußiſchen Staate 1666 Menſchen in Folge des Biſſes von tollen Hunden geſtorben. Geht der Wuthgeifer einmal in das Blut eines andern Thieres über, ſo iſt es in den allermeiſten Fällen verloren, falls nicht augenblicklich ein geübter und erfahrner Arzt bei der Hand iſt, welcher die Wunde mit glühendem Eiſen, Höllenſtein oder anderen Aetzmitteln ausbrennt, durch Schröpfköpfe Blut entzieht, mit Salzwaſſer die Wunde auswäſcht, aus- ſchneidet ꝛc. Ausbrennen des Giftes durch die eine oder die andere Art iſt wohl das ſicherſte Mittel, denn die ſämmtlichen übrigen, welche man bisher angewendet hat, haben ſich noch nicht bewährt. Jn der Neuzeit will man beobachtet haben, daß unter Hunden, welche beſtändig Maulkörbe tragen müſſen, die Wuth ſeltner iſt, als unter jenen, welchen in gerechter Würdigung des bibliſchen Geſetzes das Maul nicht verbunden wurde. Jn Berlin ſoll ſich ſeit Einführung der Maulkörbe im Jahre 1854 die Wuth (der Hunde nämlich) auffallend vermindert haben. Während man 1845 dreißig und in den folgenden Jahren 17, 3, 17, 30, 19, 10, 68 und 83 tolle Hunde der Thierarzneiſchule zuführte, erhielt man 1854 nur von vier, 1855 von einem, 1856 von zwei, und in den Jahren 1857 bis 1861 von gar keinem tollwüthigen Hunde Kenntniß. Einſtweilen iſt noch nicht viel auf dieſe Zu- ſammenſtellung zu geben: die Beobachtungszeit iſt noch zu kurz, als daß ſie Berechtigung zu richtigen Schlüſſen gewähren könnte. Das untrüglichſte Kennzeichen von der Geſundheit eines Hundes iſt ſeine kalte und feuchte Naſe. Wird dieſe trocken und heiß, ſo trüben ſich die Augen, zeigt ſich Mangel an Appetit ꝛc., ſo kann man überzeugt ſein, daß ſich der Hund unwohl befindet. Man ſperrt ihn dann in einen wohlverwahrten Stall, läßt ihn dort hungern und giebt ihm zuletzt Leinöl, welches unter gute Speiſe gemiſcht wird. Ein großer Hund erhält einen Eßlöffel voll Oel, ein kleiner einen halben; Dies wiederholt man einige Male. Leberthran leiſtet dieſelben Dienſte. Hilft das bloſe Leinöl nicht, ſo ſtreut man am folgenden Tage einen halben Theelöffel voll geſtoßenen Schwefel auf ein Butterbrödchen, klappt es zuſammen und giebt es dem Leidenden. Füttert man außerdem den Hund mit ſüßer oder ſaurer Milch und etwas gutem Brod, ſo braucht man bei keiner Krankheit ein anderes Mittel anzuwenden. — Alle Hunde ſind von Schmarotzern geplagt. Sie leiden oft entſetzlich an Flöhen und Läuſen, und an gewiſſen Orten auch an Holzböcken oder Zecken. Die Flöhe und Läuſe vertreibt man bald, wenn man unter das Strohlager des Hundes eine Schicht Aſche auf den Boden ſtreut, oder das Fell

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/407>, abgerufen am 22.11.2024.