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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde -- Haushund.
sich vom Hause aus nicht mit der Abrichtung von Thieren befaßt hat, thut entschieden am besten, wenn
er Dies von einem darauf eingeübten Mann besorgen läßt.

Der Hund tritt schon im zwölften Jahre in das Greisenalter ein. Dieses zeigt sich an seinem
Leibe ebensowohl, als an seinem Betragen. Namentlich auf der Stirn und der Schnauze ergrauen
die Haare, das übrige Fell verliert seine Glätte und Schönheit, das Gebiß wird sehr stumpf oder die
Zähne fallen sogar aus. Der Hund selbst wird träge, faul und gleichgiltig gegen Alles, was ihn
früher erfreute oder entrüstete; manche verlieren die Stimme fast gänzlich und werden blind. Man
kennt übrigens Beispiele, daß Hunde ein Alter von zwanzig, ja sogar von sechsundzwanzig und dreißig
Jahren erreicht haben. Doch sind Dies nur seltene Ausnahmen. Viele Hunde enden ihr Leben durch
Krankheiten; denn sie sind solchen vielfach ausgesetzt.

Eine sehr häufig vorkommende Hundekrankheit ist die Räude, gewöhnlich eine Folge von zu fetter
und zu stark gesalzener Nahrung, schlechtem Wasser, wenig Bewegung und Unreinlichkeit. Junge Hunde
leiden oft an der Staupe oder Hundeseuche, eine Erkältung, welche Entzündung der Schleimhäute
herbeiführt und am häufigsten zwischen dem vierten oder neunten Monat vorkommt. Wohl mehr als
die Hälfte der europäischen Hunde erliegen dieser Krankheit oder verderben doch durch sie. Die ent-
setzlichste Krankheit aber ist die Tollheit oder Wuth, und sie ist schon aus dem Grunde äußerst ver-
derblich, weil durch sie nicht blos die übrigen Hunde und Hausthiere, sondern auch der Mensch aufs
höchste gefährdet wird.

Gewöhnlich tritt diese fürchterliche Seuche erst bei älteren Hunden ein, zumeist im Sommer bei
sehr großer Hitze oder im Winter bei allzu großer Kälte. Wassermangel und Unterdrückung des Ge-
schlechtstriebes scheinen die Hauptursachen ihrer Entstehung zu sein. Man erkennt die Wuth daran,
daß der Hund zunächst sein früheres Betragen ändert, tückischfreundlich wird und gegen seinen Herrn
knurrt, dabei eine ungewöhnliche Schläfrigkeit und Traurigkeit zeigt, beständig warme Orte aufsucht,
öfters nach dem Futter schleicht, ohne zu fressen, begierig Wasser, aber immer nur in geringer Menge,
zu sich nimmt und sich überhaupt unruhig und beängstigt geberdet. Untrügliche Kennzeichen sind auch,
daß er seine Stimme ändert, indem der Anschlag gleich in ein rauhes, heiseres Heulen übergeht, daß
er seine Freßlust verliert, nur mit Beschwerlichkeit schlucken kann, geifert, einen trüben Blick bekommt,
gern viel fortgeht, kalte Körper beleckt und bei zunehmender Krankheit um sich schnappt und ohne Ursache
beißt. Bei Annäherung von Thieren und Menschen knurrt er. Jm Verlauf der Krankheit tritt ge-
wöhnlich Verstopfung ein, die Ohren werden schlaff, das kranke Thier läßt den Schwanz hängen, sein
Auge wird matt, der Blick schielend. Später röthet sich das Auge und wird entzündet. Der Hund ist
unempfänglich für Liebkosungen, achtet nicht mehr des Herrn Befehl, wird immer unruhiger und scheuer,
der Blick wird starr oder feurig, der Kopf senkt sich tief herab, Augen- und Backengegend schwellen an,
die Zunge wird stark geröthet und hängt aus dem Maule, an dessen Seiten zäher Schleim herab-
quillt. Bald knurrt er blos noch, ohne zu bellen, kennt auch Personen und zuletzt seinen eignen Herrn
nicht mehr. So sehr er nach Getränk lechzt, so wenig vermag er es hinabzuschlingen; selbst wenn es
ihm gewaltsam beigebracht wird, verursacht es ihm Würgen und krampfhaftes Zusammenziehen der
Schlundmuskeln. Nunmehr tritt Scheu gegen das Wasser und jede andere Flüssigkeit ein. Er magert
schnell ab, besonders in den Weichen; er legt sich nicht mehr nieder, sondern schleicht schielend mit ge-
senktem Schwanze unruhig umher.

Jetzt erst entwickelt sich die Krankheit, entweder zur stillen oder zur rasenden Wuth. Bei der
stillen Wuth sind die Augen entzündet, aber trübe und starr, die Zunge wird bläulich und hängt oft
weit aus dem Maule heraus. Weißer Schaum überzieht die Mundwinkel; das Maul ist immer offen,
der Unterkiefer ist gelähmt und hängt schlaff herab. Mit eingezogenem Schwanze und gesenktem Kopfe
läuft der Hund taumelnd und unstet oft Meilen weit den geraden Weg fort und beißt, was ihm in
den Weg kommt, besonders aber andere Hunde. Stößt er dabei auf ein Hinderniß, welches ihm nicht
gestattet, den geraden Weg zu verfolgen, so taumelt er im Kreise herum, fällt öfters nieder und schnappt
dabei nach Luft.

Die Raubthiere. Hunde — Haushund.
ſich vom Hauſe aus nicht mit der Abrichtung von Thieren befaßt hat, thut entſchieden am beſten, wenn
er Dies von einem darauf eingeübten Mann beſorgen läßt.

Der Hund tritt ſchon im zwölften Jahre in das Greiſenalter ein. Dieſes zeigt ſich an ſeinem
Leibe ebenſowohl, als an ſeinem Betragen. Namentlich auf der Stirn und der Schnauze ergrauen
die Haare, das übrige Fell verliert ſeine Glätte und Schönheit, das Gebiß wird ſehr ſtumpf oder die
Zähne fallen ſogar aus. Der Hund ſelbſt wird träge, faul und gleichgiltig gegen Alles, was ihn
früher erfreute oder entrüſtete; manche verlieren die Stimme faſt gänzlich und werden blind. Man
kennt übrigens Beiſpiele, daß Hunde ein Alter von zwanzig, ja ſogar von ſechsundzwanzig und dreißig
Jahren erreicht haben. Doch ſind Dies nur ſeltene Ausnahmen. Viele Hunde enden ihr Leben durch
Krankheiten; denn ſie ſind ſolchen vielfach ausgeſetzt.

Eine ſehr häufig vorkommende Hundekrankheit iſt die Räude, gewöhnlich eine Folge von zu fetter
und zu ſtark geſalzener Nahrung, ſchlechtem Waſſer, wenig Bewegung und Unreinlichkeit. Junge Hunde
leiden oft an der Staupe oder Hundeſeuche, eine Erkältung, welche Entzündung der Schleimhäute
herbeiführt und am häufigſten zwiſchen dem vierten oder neunten Monat vorkommt. Wohl mehr als
die Hälfte der europäiſchen Hunde erliegen dieſer Krankheit oder verderben doch durch ſie. Die ent-
ſetzlichſte Krankheit aber iſt die Tollheit oder Wuth, und ſie iſt ſchon aus dem Grunde äußerſt ver-
derblich, weil durch ſie nicht blos die übrigen Hunde und Hausthiere, ſondern auch der Menſch aufs
höchſte gefährdet wird.

Gewöhnlich tritt dieſe fürchterliche Seuche erſt bei älteren Hunden ein, zumeiſt im Sommer bei
ſehr großer Hitze oder im Winter bei allzu großer Kälte. Waſſermangel und Unterdrückung des Ge-
ſchlechtstriebes ſcheinen die Haupturſachen ihrer Entſtehung zu ſein. Man erkennt die Wuth daran,
daß der Hund zunächſt ſein früheres Betragen ändert, tückiſchfreundlich wird und gegen ſeinen Herrn
knurrt, dabei eine ungewöhnliche Schläfrigkeit und Traurigkeit zeigt, beſtändig warme Orte aufſucht,
öfters nach dem Futter ſchleicht, ohne zu freſſen, begierig Waſſer, aber immer nur in geringer Menge,
zu ſich nimmt und ſich überhaupt unruhig und beängſtigt geberdet. Untrügliche Kennzeichen ſind auch,
daß er ſeine Stimme ändert, indem der Anſchlag gleich in ein rauhes, heiſeres Heulen übergeht, daß
er ſeine Freßluſt verliert, nur mit Beſchwerlichkeit ſchlucken kann, geifert, einen trüben Blick bekommt,
gern viel fortgeht, kalte Körper beleckt und bei zunehmender Krankheit um ſich ſchnappt und ohne Urſache
beißt. Bei Annäherung von Thieren und Menſchen knurrt er. Jm Verlauf der Krankheit tritt ge-
wöhnlich Verſtopfung ein, die Ohren werden ſchlaff, das kranke Thier läßt den Schwanz hängen, ſein
Auge wird matt, der Blick ſchielend. Später röthet ſich das Auge und wird entzündet. Der Hund iſt
unempfänglich für Liebkoſungen, achtet nicht mehr des Herrn Befehl, wird immer unruhiger und ſcheuer,
der Blick wird ſtarr oder feurig, der Kopf ſenkt ſich tief herab, Augen- und Backengegend ſchwellen an,
die Zunge wird ſtark geröthet und hängt aus dem Maule, an deſſen Seiten zäher Schleim herab-
quillt. Bald knurrt er blos noch, ohne zu bellen, kennt auch Perſonen und zuletzt ſeinen eignen Herrn
nicht mehr. So ſehr er nach Getränk lechzt, ſo wenig vermag er es hinabzuſchlingen; ſelbſt wenn es
ihm gewaltſam beigebracht wird, verurſacht es ihm Würgen und krampfhaftes Zuſammenziehen der
Schlundmuskeln. Nunmehr tritt Scheu gegen das Waſſer und jede andere Flüſſigkeit ein. Er magert
ſchnell ab, beſonders in den Weichen; er legt ſich nicht mehr nieder, ſondern ſchleicht ſchielend mit ge-
ſenktem Schwanze unruhig umher.

Jetzt erſt entwickelt ſich die Krankheit, entweder zur ſtillen oder zur raſenden Wuth. Bei der
ſtillen Wuth ſind die Augen entzündet, aber trübe und ſtarr, die Zunge wird bläulich und hängt oft
weit aus dem Maule heraus. Weißer Schaum überzieht die Mundwinkel; das Maul iſt immer offen,
der Unterkiefer iſt gelähmt und hängt ſchlaff herab. Mit eingezogenem Schwanze und geſenktem Kopfe
läuft der Hund taumelnd und unſtet oft Meilen weit den geraden Weg fort und beißt, was ihm in
den Weg kommt, beſonders aber andere Hunde. Stößt er dabei auf ein Hinderniß, welches ihm nicht
geſtattet, den geraden Weg zu verfolgen, ſo taumelt er im Kreiſe herum, fällt öfters nieder und ſchnappt
dabei nach Luft.

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[340/0406] Die Raubthiere. Hunde — Haushund. ſich vom Hauſe aus nicht mit der Abrichtung von Thieren befaßt hat, thut entſchieden am beſten, wenn er Dies von einem darauf eingeübten Mann beſorgen läßt. Der Hund tritt ſchon im zwölften Jahre in das Greiſenalter ein. Dieſes zeigt ſich an ſeinem Leibe ebenſowohl, als an ſeinem Betragen. Namentlich auf der Stirn und der Schnauze ergrauen die Haare, das übrige Fell verliert ſeine Glätte und Schönheit, das Gebiß wird ſehr ſtumpf oder die Zähne fallen ſogar aus. Der Hund ſelbſt wird träge, faul und gleichgiltig gegen Alles, was ihn früher erfreute oder entrüſtete; manche verlieren die Stimme faſt gänzlich und werden blind. Man kennt übrigens Beiſpiele, daß Hunde ein Alter von zwanzig, ja ſogar von ſechsundzwanzig und dreißig Jahren erreicht haben. Doch ſind Dies nur ſeltene Ausnahmen. Viele Hunde enden ihr Leben durch Krankheiten; denn ſie ſind ſolchen vielfach ausgeſetzt. Eine ſehr häufig vorkommende Hundekrankheit iſt die Räude, gewöhnlich eine Folge von zu fetter und zu ſtark geſalzener Nahrung, ſchlechtem Waſſer, wenig Bewegung und Unreinlichkeit. Junge Hunde leiden oft an der Staupe oder Hundeſeuche, eine Erkältung, welche Entzündung der Schleimhäute herbeiführt und am häufigſten zwiſchen dem vierten oder neunten Monat vorkommt. Wohl mehr als die Hälfte der europäiſchen Hunde erliegen dieſer Krankheit oder verderben doch durch ſie. Die ent- ſetzlichſte Krankheit aber iſt die Tollheit oder Wuth, und ſie iſt ſchon aus dem Grunde äußerſt ver- derblich, weil durch ſie nicht blos die übrigen Hunde und Hausthiere, ſondern auch der Menſch aufs höchſte gefährdet wird. Gewöhnlich tritt dieſe fürchterliche Seuche erſt bei älteren Hunden ein, zumeiſt im Sommer bei ſehr großer Hitze oder im Winter bei allzu großer Kälte. Waſſermangel und Unterdrückung des Ge- ſchlechtstriebes ſcheinen die Haupturſachen ihrer Entſtehung zu ſein. Man erkennt die Wuth daran, daß der Hund zunächſt ſein früheres Betragen ändert, tückiſchfreundlich wird und gegen ſeinen Herrn knurrt, dabei eine ungewöhnliche Schläfrigkeit und Traurigkeit zeigt, beſtändig warme Orte aufſucht, öfters nach dem Futter ſchleicht, ohne zu freſſen, begierig Waſſer, aber immer nur in geringer Menge, zu ſich nimmt und ſich überhaupt unruhig und beängſtigt geberdet. Untrügliche Kennzeichen ſind auch, daß er ſeine Stimme ändert, indem der Anſchlag gleich in ein rauhes, heiſeres Heulen übergeht, daß er ſeine Freßluſt verliert, nur mit Beſchwerlichkeit ſchlucken kann, geifert, einen trüben Blick bekommt, gern viel fortgeht, kalte Körper beleckt und bei zunehmender Krankheit um ſich ſchnappt und ohne Urſache beißt. Bei Annäherung von Thieren und Menſchen knurrt er. Jm Verlauf der Krankheit tritt ge- wöhnlich Verſtopfung ein, die Ohren werden ſchlaff, das kranke Thier läßt den Schwanz hängen, ſein Auge wird matt, der Blick ſchielend. Später röthet ſich das Auge und wird entzündet. Der Hund iſt unempfänglich für Liebkoſungen, achtet nicht mehr des Herrn Befehl, wird immer unruhiger und ſcheuer, der Blick wird ſtarr oder feurig, der Kopf ſenkt ſich tief herab, Augen- und Backengegend ſchwellen an, die Zunge wird ſtark geröthet und hängt aus dem Maule, an deſſen Seiten zäher Schleim herab- quillt. Bald knurrt er blos noch, ohne zu bellen, kennt auch Perſonen und zuletzt ſeinen eignen Herrn nicht mehr. So ſehr er nach Getränk lechzt, ſo wenig vermag er es hinabzuſchlingen; ſelbſt wenn es ihm gewaltſam beigebracht wird, verurſacht es ihm Würgen und krampfhaftes Zuſammenziehen der Schlundmuskeln. Nunmehr tritt Scheu gegen das Waſſer und jede andere Flüſſigkeit ein. Er magert ſchnell ab, beſonders in den Weichen; er legt ſich nicht mehr nieder, ſondern ſchleicht ſchielend mit ge- ſenktem Schwanze unruhig umher. Jetzt erſt entwickelt ſich die Krankheit, entweder zur ſtillen oder zur raſenden Wuth. Bei der ſtillen Wuth ſind die Augen entzündet, aber trübe und ſtarr, die Zunge wird bläulich und hängt oft weit aus dem Maule heraus. Weißer Schaum überzieht die Mundwinkel; das Maul iſt immer offen, der Unterkiefer iſt gelähmt und hängt ſchlaff herab. Mit eingezogenem Schwanze und geſenktem Kopfe läuft der Hund taumelnd und unſtet oft Meilen weit den geraden Weg fort und beißt, was ihm in den Weg kommt, beſonders aber andere Hunde. Stößt er dabei auf ein Hinderniß, welches ihm nicht geſtattet, den geraden Weg zu verfolgen, ſo taumelt er im Kreiſe herum, fällt öfters nieder und ſchnappt dabei nach Luft.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/406>, abgerufen am 26.05.2024.