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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Belege für den Verstand der Katzen. Nutzen.

"Jhre Klugheit zeigte sich auch bei anderen Gelegenheiten. Während ihrer Kindheit lebte ein
zweites Kätzchen mit ihr in demselben Hause und ärgerte Pret beständig dadurch, daß es in ihr
Zimmer kam und ihr das für sie bestimmte Futter wegfraß. Pret merkte bald, daß mit dem kleinen
Geschöpfe nichts anzufangen sei, und war viel zu gutmüthig, um Gewalt zu gebrauchen. Deshalb
leerte sie, sobald ihr Speise vorgesetzt wurde, rasch ihren Teller ab und verbarg die besten Bissen unter
dem Tische. Einiges ließ sie aber immer auf dem Tische liegen, jedenfalls, um dem andern Kätzchen
glauben zu machen, daß Dies Alles sei, was übrig geblieben. Dann bewachte sie ihre verborgenen Schätze
und erlaubte dem Kätzchen ruhig die Reste auf dem Teller zu verzehren. Sobald jene aber ihren
Hunger gestillt hatte, trug sie Alles, was sie versteckt hatte, wieder auf den Teller und verzehrte es
dort in Frieden. Zuweilen bedeckte sie den Teller sogar mit Papier, Tüchern oder dergleichen. --
Gegen manche Thiere war sie außerordentlich freundlich, und mit einem jungen Hunde, einem Ka-
ninchen
und einem Kampfhahn (Machetes pugnax) lebte sie in der größten Freundschaft. Mir
aber blieb sie doch unter allen Umständen am meisten gewogen, und wenn ich zugegen war, fraß sie
blos dann, wenn sie dies in meiner unmittelbaren Nähe thun konnte."

Unzweifelhaft ließe sich noch sehr viel Aehnliches sagen; denn die wahren Katzenfreunde, d. h.
diejenigen Leute, welche die Katzen der Beobachtung für würdig halten, wissen genug Züge aus ihrem
Leben zu erzählen. Aus Allem geht hervor, daß die Katzen die Freundschaft des Menschen im vollsten
Grade verdienen, oder daß es endlich einmal Zeit wäre, die ungerechten Meinungen und mißliebigen
Urtheile über sie der Wahrheit gemäß zu verbessern und zu mildern. Zudem, däucht mich, sollte man
auch dem Nutzen der Katzen mehr Rechnung tragen, als gewöhnlich zu geschehen pflegt. Wer niemals
in einem baufälligen Hause gewohnt hat, in welchem die Ratten und Mäuse nach Herzenslust ihr
Wesen treiben, weiß gar nicht, was eine gute Katze besagen will. Hat man aber jahrelang mit diesem
Ungeziefer zusammengewohnt und gesehen, wie der Mensch ihm gegenüber vollkommen ohnmächtig ist,
hat man Schaden über Schaden erlitten und sich tagtäglich wiederholt über die abscheulichen Thiere ge-
ärgert, dann kommt man nach und nach zu der Ansicht, daß die Katze eines unserer allerwichtigsten
Hausthiere ist und deshalb nicht blos größte Schonung und Pflege, sondern auch Dankbarkeit und Liebe
verdient. Mir ist die allbekannte Geschichte von dem jungen Engländer, welcher mit seiner Katze in
Jndien ein großes Glück machte, gar nicht so unwahrscheinlich, weil ich mir recht wohl denken kann,
wie innig erfreut der von den Ratten gepeinigte König gewesen sein mag, als die Katze des Fremd-
lings eine so gransame Niederlage unter seinen bisher unüberwindlichen Feinden anrichtete. Schon
das Vorhandeusein einer Katze genügt,
um die so übermüthigen Nager zu verstimmen und
sogar zum Auszuge zu nöthigen. Das ihnen auf Schritt und Tritt nachschleichende Raubthier mit
den nachts so unheimlich leuchtenden Augen, das furchtbare Geschöpf, welches sie am Halse gepackt
hat, ehe sie noch Etwas von seiner Ankunft gemerkt haben, flößt ihnen Grauen und Entsetzen ein,
und sie ziehen vor, ein derartig geschütztes Haus zu verlassen, und thun sie es nicht, so wird die Katze
auch auf andere Weise mit ihnen fertig.

Es ist unglaublich, was eine Katze leisten mag in der Vertilgung der Ratten und Mäuse. Zahlen
beweisen, deshalb will ich das Ergebniß der Lenz'schen Untersuchungen und Beobachtungen hier mit-
theilen: "Um zu wissen, wie viel denn eigentlich eine Katze in ihrem Mausevertilgungsgeschäfte leisten
kann, habe ich das äußerst mausereiche Jahr 1857 benutzt. Jch sperrte am 20. September zwei
semmelgelbe, dunkler getigerte Halbangorakätzchen, als sie 48 Tage alt waren, in einen kleinen, zu
solchen Versuchen eingerichteten Stall, gab ihnen täglich Milch und Brod, und daneben jeder vier
bis zehn Mäuse, die sie jedesmal rein auffraßen. Als sie genau 56 Tage alt waren, gab ich jeder
nur Milch und dazwischen vierzehn ausgewachsene oder zum Theil doch wenigstens halbwüchsige
Mäuse. Die Kätzchen fraßen alle auf, spieen Nichts wieder aus, befanden sich vortrefflich und
hatten am folgenden Tage ihren gewöhnlichen Appetit ..... Kurz darauf sperrte ich, als die be-
wußten Mausefresser entlassen waren, in denselben Stall abends 9 Uhr ein dreifarbiges 51/2 Mo-
nate altes Halbangorakätzchen, und gab ihm für die Nacht kein Futter. Das Thierchen war,

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Belege für den Verſtand der Katzen. Nutzen.

„Jhre Klugheit zeigte ſich auch bei anderen Gelegenheiten. Während ihrer Kindheit lebte ein
zweites Kätzchen mit ihr in demſelben Hauſe und ärgerte Pret beſtändig dadurch, daß es in ihr
Zimmer kam und ihr das für ſie beſtimmte Futter wegfraß. Pret merkte bald, daß mit dem kleinen
Geſchöpfe nichts anzufangen ſei, und war viel zu gutmüthig, um Gewalt zu gebrauchen. Deshalb
leerte ſie, ſobald ihr Speiſe vorgeſetzt wurde, raſch ihren Teller ab und verbarg die beſten Biſſen unter
dem Tiſche. Einiges ließ ſie aber immer auf dem Tiſche liegen, jedenfalls, um dem andern Kätzchen
glauben zu machen, daß Dies Alles ſei, was übrig geblieben. Dann bewachte ſie ihre verborgenen Schätze
und erlaubte dem Kätzchen ruhig die Reſte auf dem Teller zu verzehren. Sobald jene aber ihren
Hunger geſtillt hatte, trug ſie Alles, was ſie verſteckt hatte, wieder auf den Teller und verzehrte es
dort in Frieden. Zuweilen bedeckte ſie den Teller ſogar mit Papier, Tüchern oder dergleichen. —
Gegen manche Thiere war ſie außerordentlich freundlich, und mit einem jungen Hunde, einem Ka-
ninchen
und einem Kampfhahn (Machetes pugnax) lebte ſie in der größten Freundſchaft. Mir
aber blieb ſie doch unter allen Umſtänden am meiſten gewogen, und wenn ich zugegen war, fraß ſie
blos dann, wenn ſie dies in meiner unmittelbaren Nähe thun konnte.‟

Unzweifelhaft ließe ſich noch ſehr viel Aehnliches ſagen; denn die wahren Katzenfreunde, d. h.
diejenigen Leute, welche die Katzen der Beobachtung für würdig halten, wiſſen genug Züge aus ihrem
Leben zu erzählen. Aus Allem geht hervor, daß die Katzen die Freundſchaft des Menſchen im vollſten
Grade verdienen, oder daß es endlich einmal Zeit wäre, die ungerechten Meinungen und mißliebigen
Urtheile über ſie der Wahrheit gemäß zu verbeſſern und zu mildern. Zudem, däucht mich, ſollte man
auch dem Nutzen der Katzen mehr Rechnung tragen, als gewöhnlich zu geſchehen pflegt. Wer niemals
in einem baufälligen Hauſe gewohnt hat, in welchem die Ratten und Mäuſe nach Herzensluſt ihr
Weſen treiben, weiß gar nicht, was eine gute Katze beſagen will. Hat man aber jahrelang mit dieſem
Ungeziefer zuſammengewohnt und geſehen, wie der Menſch ihm gegenüber vollkommen ohnmächtig iſt,
hat man Schaden über Schaden erlitten und ſich tagtäglich wiederholt über die abſcheulichen Thiere ge-
ärgert, dann kommt man nach und nach zu der Anſicht, daß die Katze eines unſerer allerwichtigſten
Hausthiere iſt und deshalb nicht blos größte Schonung und Pflege, ſondern auch Dankbarkeit und Liebe
verdient. Mir iſt die allbekannte Geſchichte von dem jungen Engländer, welcher mit ſeiner Katze in
Jndien ein großes Glück machte, gar nicht ſo unwahrſcheinlich, weil ich mir recht wohl denken kann,
wie innig erfreut der von den Ratten gepeinigte König geweſen ſein mag, als die Katze des Fremd-
lings eine ſo granſame Niederlage unter ſeinen bisher unüberwindlichen Feinden anrichtete. Schon
das Vorhandeuſein einer Katze genügt,
um die ſo übermüthigen Nager zu verſtimmen und
ſogar zum Auszuge zu nöthigen. Das ihnen auf Schritt und Tritt nachſchleichende Raubthier mit
den nachts ſo unheimlich leuchtenden Augen, das furchtbare Geſchöpf, welches ſie am Halſe gepackt
hat, ehe ſie noch Etwas von ſeiner Ankunft gemerkt haben, flößt ihnen Grauen und Entſetzen ein,
und ſie ziehen vor, ein derartig geſchütztes Haus zu verlaſſen, und thun ſie es nicht, ſo wird die Katze
auch auf andere Weiſe mit ihnen fertig.

Es iſt unglaublich, was eine Katze leiſten mag in der Vertilgung der Ratten und Mäuſe. Zahlen
beweiſen, deshalb will ich das Ergebniß der Lenz’ſchen Unterſuchungen und Beobachtungen hier mit-
theilen: „Um zu wiſſen, wie viel denn eigentlich eine Katze in ihrem Mauſevertilgungsgeſchäfte leiſten
kann, habe ich das äußerſt mauſereiche Jahr 1857 benutzt. Jch ſperrte am 20. September zwei
ſemmelgelbe, dunkler getigerte Halbangorakätzchen, als ſie 48 Tage alt waren, in einen kleinen, zu
ſolchen Verſuchen eingerichteten Stall, gab ihnen täglich Milch und Brod, und daneben jeder vier
bis zehn Mäuſe, die ſie jedesmal rein auffraßen. Als ſie genau 56 Tage alt waren, gab ich jeder
nur Milch und dazwiſchen vierzehn ausgewachſene oder zum Theil doch wenigſtens halbwüchſige
Mäuſe. Die Kätzchen fraßen alle auf, ſpieen Nichts wieder aus, befanden ſich vortrefflich und
hatten am folgenden Tage ihren gewöhnlichen Appetit ..... Kurz darauf ſperrte ich, als die be-
wußten Mauſefreſſer entlaſſen waren, in denſelben Stall abends 9 Uhr ein dreifarbiges 5½ Mo-
nate altes Halbangorakätzchen, und gab ihm für die Nacht kein Futter. Das Thierchen war,

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[291/0355] Belege für den Verſtand der Katzen. Nutzen. „Jhre Klugheit zeigte ſich auch bei anderen Gelegenheiten. Während ihrer Kindheit lebte ein zweites Kätzchen mit ihr in demſelben Hauſe und ärgerte Pret beſtändig dadurch, daß es in ihr Zimmer kam und ihr das für ſie beſtimmte Futter wegfraß. Pret merkte bald, daß mit dem kleinen Geſchöpfe nichts anzufangen ſei, und war viel zu gutmüthig, um Gewalt zu gebrauchen. Deshalb leerte ſie, ſobald ihr Speiſe vorgeſetzt wurde, raſch ihren Teller ab und verbarg die beſten Biſſen unter dem Tiſche. Einiges ließ ſie aber immer auf dem Tiſche liegen, jedenfalls, um dem andern Kätzchen glauben zu machen, daß Dies Alles ſei, was übrig geblieben. Dann bewachte ſie ihre verborgenen Schätze und erlaubte dem Kätzchen ruhig die Reſte auf dem Teller zu verzehren. Sobald jene aber ihren Hunger geſtillt hatte, trug ſie Alles, was ſie verſteckt hatte, wieder auf den Teller und verzehrte es dort in Frieden. Zuweilen bedeckte ſie den Teller ſogar mit Papier, Tüchern oder dergleichen. — Gegen manche Thiere war ſie außerordentlich freundlich, und mit einem jungen Hunde, einem Ka- ninchen und einem Kampfhahn (Machetes pugnax) lebte ſie in der größten Freundſchaft. Mir aber blieb ſie doch unter allen Umſtänden am meiſten gewogen, und wenn ich zugegen war, fraß ſie blos dann, wenn ſie dies in meiner unmittelbaren Nähe thun konnte.‟ Unzweifelhaft ließe ſich noch ſehr viel Aehnliches ſagen; denn die wahren Katzenfreunde, d. h. diejenigen Leute, welche die Katzen der Beobachtung für würdig halten, wiſſen genug Züge aus ihrem Leben zu erzählen. Aus Allem geht hervor, daß die Katzen die Freundſchaft des Menſchen im vollſten Grade verdienen, oder daß es endlich einmal Zeit wäre, die ungerechten Meinungen und mißliebigen Urtheile über ſie der Wahrheit gemäß zu verbeſſern und zu mildern. Zudem, däucht mich, ſollte man auch dem Nutzen der Katzen mehr Rechnung tragen, als gewöhnlich zu geſchehen pflegt. Wer niemals in einem baufälligen Hauſe gewohnt hat, in welchem die Ratten und Mäuſe nach Herzensluſt ihr Weſen treiben, weiß gar nicht, was eine gute Katze beſagen will. Hat man aber jahrelang mit dieſem Ungeziefer zuſammengewohnt und geſehen, wie der Menſch ihm gegenüber vollkommen ohnmächtig iſt, hat man Schaden über Schaden erlitten und ſich tagtäglich wiederholt über die abſcheulichen Thiere ge- ärgert, dann kommt man nach und nach zu der Anſicht, daß die Katze eines unſerer allerwichtigſten Hausthiere iſt und deshalb nicht blos größte Schonung und Pflege, ſondern auch Dankbarkeit und Liebe verdient. Mir iſt die allbekannte Geſchichte von dem jungen Engländer, welcher mit ſeiner Katze in Jndien ein großes Glück machte, gar nicht ſo unwahrſcheinlich, weil ich mir recht wohl denken kann, wie innig erfreut der von den Ratten gepeinigte König geweſen ſein mag, als die Katze des Fremd- lings eine ſo granſame Niederlage unter ſeinen bisher unüberwindlichen Feinden anrichtete. Schon das Vorhandeuſein einer Katze genügt, um die ſo übermüthigen Nager zu verſtimmen und ſogar zum Auszuge zu nöthigen. Das ihnen auf Schritt und Tritt nachſchleichende Raubthier mit den nachts ſo unheimlich leuchtenden Augen, das furchtbare Geſchöpf, welches ſie am Halſe gepackt hat, ehe ſie noch Etwas von ſeiner Ankunft gemerkt haben, flößt ihnen Grauen und Entſetzen ein, und ſie ziehen vor, ein derartig geſchütztes Haus zu verlaſſen, und thun ſie es nicht, ſo wird die Katze auch auf andere Weiſe mit ihnen fertig. Es iſt unglaublich, was eine Katze leiſten mag in der Vertilgung der Ratten und Mäuſe. Zahlen beweiſen, deshalb will ich das Ergebniß der Lenz’ſchen Unterſuchungen und Beobachtungen hier mit- theilen: „Um zu wiſſen, wie viel denn eigentlich eine Katze in ihrem Mauſevertilgungsgeſchäfte leiſten kann, habe ich das äußerſt mauſereiche Jahr 1857 benutzt. Jch ſperrte am 20. September zwei ſemmelgelbe, dunkler getigerte Halbangorakätzchen, als ſie 48 Tage alt waren, in einen kleinen, zu ſolchen Verſuchen eingerichteten Stall, gab ihnen täglich Milch und Brod, und daneben jeder vier bis zehn Mäuſe, die ſie jedesmal rein auffraßen. Als ſie genau 56 Tage alt waren, gab ich jeder nur Milch und dazwiſchen vierzehn ausgewachſene oder zum Theil doch wenigſtens halbwüchſige Mäuſe. Die Kätzchen fraßen alle auf, ſpieen Nichts wieder aus, befanden ſich vortrefflich und hatten am folgenden Tage ihren gewöhnlichen Appetit ..... Kurz darauf ſperrte ich, als die be- wußten Mauſefreſſer entlaſſen waren, in denſelben Stall abends 9 Uhr ein dreifarbiges 5½ Mo- nate altes Halbangorakätzchen, und gab ihm für die Nacht kein Futter. Das Thierchen war, 19*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/355>, abgerufen am 23.11.2024.