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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Katzen. -- Hinz.
ohne sie angegriffen zu haben, endlich zurück, so bleibt sie oft ganz ruhig sitzen, erwartet, wenn die
Hunde wollen, noch zehn Angriffe und hält alle aus. Andere ersehen den Vortheil und erklettern
schnell eine nahe Höhe. Dann sitzen sie droben und schauen in sich gekauert und mit halbverschlossenem
Ange auf die Feinde, als wenn sie dächten, wer seinen sichern Schatz im Herzen trage, der könne ins
Spiel der niedern Welt ganz ruhig schauen. Sie weiß, daß der Hund nicht klettern und nicht so
hoch springen kann. Will aber der Mensch sie erfassen, so klettert sie höher und entspringt; ihn
fürchtet sie mehr."

"Jm freiem Felde verfolgte Katzen kehren, wenn sie sich stark fühlen, augenblicklich um und packen
den Hund an. Erschrocken nimmt nun dieser die Flucht. Manche Katzen springen aus unbedingtem
Haß gegen alle Hunde, hängen sich am Kopfe fest und fahren ihnen mit den Klauen immer in die Augen.
Es giebt Katzen, die nur in der Küche leben, nie in die Stube kommen. Diese lassen gewiß keinen
Hund einen Augenblick lang in der Küche: in dieser wollen sie Herren sein!"

"Zu ihrem Muthe gehört ihre Rauflust, ihre große Neigung zu Balgereien unter sich. Es geht
Dies schon aus ihrer Neigung zum Spiel und ihrem Muthwillen hervor; sie sind Nachtbuben. Zwar
schlagen sie sich bei Tage auf dem Dache herum, zerzupfen einander gräßlich und rollen auch mit ein-
ander sich windend und kugelnd über das Dach und durch die Luft auf die Straße herunter, sich sogar
in der Luft rollend; dennoch führen sie am meisten Krieg in der Nacht, die Kater unter sich der Weiber
willen. Mancher Kater kommt in gewissen Zeiten des Jahres beinahe alle Morgen mit blutigem
Kopf und zerzaustem Kleide heim; dann scheint er gewitzigt und daheim bleiben zu wollen, nicht lange
aber; denn er vergißt seine Wunden, so schnell als sie heilen, und fällt dann in die alte Sünde zurück.
Der Kater lebt oft wochenlang außer dem Hause in seiner grenzenlosen Freiheitssphäre; man hält ihn
für verloren, unerwartet kommt er wieder zum Vorschein. Die Miez hat viel mehr Haussinn, Nest-
sinn, wie alle Thierarten. Nicht immer sind die Raufer die stärksten, und nicht allemal sind die Kater
die ärgsten Raufbolde; es giebt auch weibliche Haudegen, wilde Weiber. Solche rennen allen Katzen
ohne Unterschied nach, fürchten die stärksten Kater nicht, fordern alle mit Worten und Tadel heraus
und machen sich allen der ganzen, langen Straße furchtbar, soweit man von Dach zu Dach, ohne die
Straße überschreiten zu müssen, kommen kann."

"Mit ihrem Muthe ist ihre Unerschrockenheit und Gegenwart des Geistes vorhanden. Man
kann sie nicht, sowie den Hund oder das Pferd, erschrecken, sondern nur verscheuchen. Diese haben
mehr Einsicht, die Katze hat mehr Muth; man kann sie nicht stutzig machen, nicht in Verwunderung
setzen. Man spricht viel von ihrer Schlauheit und List: mit Recht; listig harrt sie todtstill vor dem
Mauseloche, listig macht sie sich klein, harrt lange, schon funkeln -- das Mäuschen ist erst halb heraus
-- ihre Augen und noch hält sie an. Sie ist Meister über sich, wie alle Listige, und kennt den
richtigen Augenblick."

"Gefühl, Stolz, Eitelkeit hat sie nur im schwachen Grade; sie ist ja kein Geselligkeits-, sondern
ein Einsamkeitswesen; sie freut sich keines Sieges und schämt sich auch nie. Wenn sie sich einer Sünde
bewußt ist, fürchtet sie einzig die Strafe. Jst sie derb ausgescholten und geprügelt worden, so schüttelt
sie den Pelz und -- kommt nach wenigen Minuten unbehelligt wieder. Doch fühlt sie sich nicht wenig
geschmeichelt, wenn man sie nach ihrem ersten Jagdmusterstück auf eine Maus, die sie in die Stube
bringt und vor die Augen der Leute legt, herzlich lobt. Sie kommt dann auch künftighin mit der Beute
in die Stube und zeigt ihre große Kunst jedesmal an."

"Man spricht von ihrer Schmeichelei und Falschheit, wohl gar von Nachsucht, doch viel zu viel.
Gefällt ihr Jemand vorzugsweise, denn sie kann sehr lieben und sehr hassen, so drückt sie sich oft mit
der Wange und den Flanken an Wange und Seiten desselben, kost auf jede Weise, springt am frühen
Morgen auf sein Bett, legt sich ihm so nahe, wie möglich, und küßt ihn. Manchen Katzen ist freilich
immer nicht ganz zu trauen. Sie beißen und kratzen oft, wenn man es sich gar nicht vermuthet. Allein
in den meisten Fällen beruht ein solches Betragen nur auf Nothwehr, weil man sie ja doch auch gar
zu oft falsch und hinterrücks plagt. Allerdings thut der Hund Solches nicht, der Hund aber ist ein guter

Die Raubthiere. Katzen. — Hinz.
ohne ſie angegriffen zu haben, endlich zurück, ſo bleibt ſie oft ganz ruhig ſitzen, erwartet, wenn die
Hunde wollen, noch zehn Angriffe und hält alle aus. Andere erſehen den Vortheil und erklettern
ſchnell eine nahe Höhe. Dann ſitzen ſie droben und ſchauen in ſich gekauert und mit halbverſchloſſenem
Ange auf die Feinde, als wenn ſie dächten, wer ſeinen ſichern Schatz im Herzen trage, der könne ins
Spiel der niedern Welt ganz ruhig ſchauen. Sie weiß, daß der Hund nicht klettern und nicht ſo
hoch ſpringen kann. Will aber der Menſch ſie erfaſſen, ſo klettert ſie höher und entſpringt; ihn
fürchtet ſie mehr.‟

„Jm freiem Felde verfolgte Katzen kehren, wenn ſie ſich ſtark fühlen, augenblicklich um und packen
den Hund an. Erſchrocken nimmt nun dieſer die Flucht. Manche Katzen ſpringen aus unbedingtem
Haß gegen alle Hunde, hängen ſich am Kopfe feſt und fahren ihnen mit den Klauen immer in die Augen.
Es giebt Katzen, die nur in der Küche leben, nie in die Stube kommen. Dieſe laſſen gewiß keinen
Hund einen Augenblick lang in der Küche: in dieſer wollen ſie Herren ſein!‟

„Zu ihrem Muthe gehört ihre Raufluſt, ihre große Neigung zu Balgereien unter ſich. Es geht
Dies ſchon aus ihrer Neigung zum Spiel und ihrem Muthwillen hervor; ſie ſind Nachtbuben. Zwar
ſchlagen ſie ſich bei Tage auf dem Dache herum, zerzupfen einander gräßlich und rollen auch mit ein-
ander ſich windend und kugelnd über das Dach und durch die Luft auf die Straße herunter, ſich ſogar
in der Luft rollend; dennoch führen ſie am meiſten Krieg in der Nacht, die Kater unter ſich der Weiber
willen. Mancher Kater kommt in gewiſſen Zeiten des Jahres beinahe alle Morgen mit blutigem
Kopf und zerzauſtem Kleide heim; dann ſcheint er gewitzigt und daheim bleiben zu wollen, nicht lange
aber; denn er vergißt ſeine Wunden, ſo ſchnell als ſie heilen, und fällt dann in die alte Sünde zurück.
Der Kater lebt oft wochenlang außer dem Hauſe in ſeiner grenzenloſen Freiheitsſphäre; man hält ihn
für verloren, unerwartet kommt er wieder zum Vorſchein. Die Miez hat viel mehr Hausſinn, Neſt-
ſinn, wie alle Thierarten. Nicht immer ſind die Raufer die ſtärkſten, und nicht allemal ſind die Kater
die ärgſten Raufbolde; es giebt auch weibliche Haudegen, wilde Weiber. Solche rennen allen Katzen
ohne Unterſchied nach, fürchten die ſtärkſten Kater nicht, fordern alle mit Worten und Tadel heraus
und machen ſich allen der ganzen, langen Straße furchtbar, ſoweit man von Dach zu Dach, ohne die
Straße überſchreiten zu müſſen, kommen kann.‟

„Mit ihrem Muthe iſt ihre Unerſchrockenheit und Gegenwart des Geiſtes vorhanden. Man
kann ſie nicht, ſowie den Hund oder das Pferd, erſchrecken, ſondern nur verſcheuchen. Dieſe haben
mehr Einſicht, die Katze hat mehr Muth; man kann ſie nicht ſtutzig machen, nicht in Verwunderung
ſetzen. Man ſpricht viel von ihrer Schlauheit und Liſt: mit Recht; liſtig harrt ſie todtſtill vor dem
Mauſeloche, liſtig macht ſie ſich klein, harrt lange, ſchon funkeln — das Mäuschen iſt erſt halb heraus
— ihre Augen und noch hält ſie an. Sie iſt Meiſter über ſich, wie alle Liſtige, und kennt den
richtigen Augenblick.‟

„Gefühl, Stolz, Eitelkeit hat ſie nur im ſchwachen Grade; ſie iſt ja kein Geſelligkeits-, ſondern
ein Einſamkeitsweſen; ſie freut ſich keines Sieges und ſchämt ſich auch nie. Wenn ſie ſich einer Sünde
bewußt iſt, fürchtet ſie einzig die Strafe. Jſt ſie derb ausgeſcholten und geprügelt worden, ſo ſchüttelt
ſie den Pelz und — kommt nach wenigen Minuten unbehelligt wieder. Doch fühlt ſie ſich nicht wenig
geſchmeichelt, wenn man ſie nach ihrem erſten Jagdmuſterſtück auf eine Maus, die ſie in die Stube
bringt und vor die Augen der Leute legt, herzlich lobt. Sie kommt dann auch künftighin mit der Beute
in die Stube und zeigt ihre große Kunſt jedesmal an.‟

„Man ſpricht von ihrer Schmeichelei und Falſchheit, wohl gar von Nachſucht, doch viel zu viel.
Gefällt ihr Jemand vorzugsweiſe, denn ſie kann ſehr lieben und ſehr haſſen, ſo drückt ſie ſich oft mit
der Wange und den Flanken an Wange und Seiten deſſelben, koſt auf jede Weiſe, ſpringt am frühen
Morgen auf ſein Bett, legt ſich ihm ſo nahe, wie möglich, und küßt ihn. Manchen Katzen iſt freilich
immer nicht ganz zu trauen. Sie beißen und kratzen oft, wenn man es ſich gar nicht vermuthet. Allein
in den meiſten Fällen beruht ein ſolches Betragen nur auf Nothwehr, weil man ſie ja doch auch gar
zu oft falſch und hinterrücks plagt. Allerdings thut der Hund Solches nicht, der Hund aber iſt ein guter

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[286/0350] Die Raubthiere. Katzen. — Hinz. ohne ſie angegriffen zu haben, endlich zurück, ſo bleibt ſie oft ganz ruhig ſitzen, erwartet, wenn die Hunde wollen, noch zehn Angriffe und hält alle aus. Andere erſehen den Vortheil und erklettern ſchnell eine nahe Höhe. Dann ſitzen ſie droben und ſchauen in ſich gekauert und mit halbverſchloſſenem Ange auf die Feinde, als wenn ſie dächten, wer ſeinen ſichern Schatz im Herzen trage, der könne ins Spiel der niedern Welt ganz ruhig ſchauen. Sie weiß, daß der Hund nicht klettern und nicht ſo hoch ſpringen kann. Will aber der Menſch ſie erfaſſen, ſo klettert ſie höher und entſpringt; ihn fürchtet ſie mehr.‟ „Jm freiem Felde verfolgte Katzen kehren, wenn ſie ſich ſtark fühlen, augenblicklich um und packen den Hund an. Erſchrocken nimmt nun dieſer die Flucht. Manche Katzen ſpringen aus unbedingtem Haß gegen alle Hunde, hängen ſich am Kopfe feſt und fahren ihnen mit den Klauen immer in die Augen. Es giebt Katzen, die nur in der Küche leben, nie in die Stube kommen. Dieſe laſſen gewiß keinen Hund einen Augenblick lang in der Küche: in dieſer wollen ſie Herren ſein!‟ „Zu ihrem Muthe gehört ihre Raufluſt, ihre große Neigung zu Balgereien unter ſich. Es geht Dies ſchon aus ihrer Neigung zum Spiel und ihrem Muthwillen hervor; ſie ſind Nachtbuben. Zwar ſchlagen ſie ſich bei Tage auf dem Dache herum, zerzupfen einander gräßlich und rollen auch mit ein- ander ſich windend und kugelnd über das Dach und durch die Luft auf die Straße herunter, ſich ſogar in der Luft rollend; dennoch führen ſie am meiſten Krieg in der Nacht, die Kater unter ſich der Weiber willen. Mancher Kater kommt in gewiſſen Zeiten des Jahres beinahe alle Morgen mit blutigem Kopf und zerzauſtem Kleide heim; dann ſcheint er gewitzigt und daheim bleiben zu wollen, nicht lange aber; denn er vergißt ſeine Wunden, ſo ſchnell als ſie heilen, und fällt dann in die alte Sünde zurück. Der Kater lebt oft wochenlang außer dem Hauſe in ſeiner grenzenloſen Freiheitsſphäre; man hält ihn für verloren, unerwartet kommt er wieder zum Vorſchein. Die Miez hat viel mehr Hausſinn, Neſt- ſinn, wie alle Thierarten. Nicht immer ſind die Raufer die ſtärkſten, und nicht allemal ſind die Kater die ärgſten Raufbolde; es giebt auch weibliche Haudegen, wilde Weiber. Solche rennen allen Katzen ohne Unterſchied nach, fürchten die ſtärkſten Kater nicht, fordern alle mit Worten und Tadel heraus und machen ſich allen der ganzen, langen Straße furchtbar, ſoweit man von Dach zu Dach, ohne die Straße überſchreiten zu müſſen, kommen kann.‟ „Mit ihrem Muthe iſt ihre Unerſchrockenheit und Gegenwart des Geiſtes vorhanden. Man kann ſie nicht, ſowie den Hund oder das Pferd, erſchrecken, ſondern nur verſcheuchen. Dieſe haben mehr Einſicht, die Katze hat mehr Muth; man kann ſie nicht ſtutzig machen, nicht in Verwunderung ſetzen. Man ſpricht viel von ihrer Schlauheit und Liſt: mit Recht; liſtig harrt ſie todtſtill vor dem Mauſeloche, liſtig macht ſie ſich klein, harrt lange, ſchon funkeln — das Mäuschen iſt erſt halb heraus — ihre Augen und noch hält ſie an. Sie iſt Meiſter über ſich, wie alle Liſtige, und kennt den richtigen Augenblick.‟ „Gefühl, Stolz, Eitelkeit hat ſie nur im ſchwachen Grade; ſie iſt ja kein Geſelligkeits-, ſondern ein Einſamkeitsweſen; ſie freut ſich keines Sieges und ſchämt ſich auch nie. Wenn ſie ſich einer Sünde bewußt iſt, fürchtet ſie einzig die Strafe. Jſt ſie derb ausgeſcholten und geprügelt worden, ſo ſchüttelt ſie den Pelz und — kommt nach wenigen Minuten unbehelligt wieder. Doch fühlt ſie ſich nicht wenig geſchmeichelt, wenn man ſie nach ihrem erſten Jagdmuſterſtück auf eine Maus, die ſie in die Stube bringt und vor die Augen der Leute legt, herzlich lobt. Sie kommt dann auch künftighin mit der Beute in die Stube und zeigt ihre große Kunſt jedesmal an.‟ „Man ſpricht von ihrer Schmeichelei und Falſchheit, wohl gar von Nachſucht, doch viel zu viel. Gefällt ihr Jemand vorzugsweiſe, denn ſie kann ſehr lieben und ſehr haſſen, ſo drückt ſie ſich oft mit der Wange und den Flanken an Wange und Seiten deſſelben, koſt auf jede Weiſe, ſpringt am frühen Morgen auf ſein Bett, legt ſich ihm ſo nahe, wie möglich, und küßt ihn. Manchen Katzen iſt freilich immer nicht ganz zu trauen. Sie beißen und kratzen oft, wenn man es ſich gar nicht vermuthet. Allein in den meiſten Fällen beruht ein ſolches Betragen nur auf Nothwehr, weil man ſie ja doch auch gar zu oft falſch und hinterrücks plagt. Allerdings thut der Hund Solches nicht, der Hund aber iſt ein guter

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/350>, abgerufen am 22.11.2024.